nur mal fremdverguckt oder polyamor?

Hallo zusammen,

ich hätte gerne ein paar Impulse von euch. Mir schwirren Gedanken im Kopf herum. Ich kreise um das Thema der Polyamorie:

Was denkt ihr darüber?
Wo und wann fängt sie an?
Ist "sich mal fremdvergucken" etwas komplett anderes?
Was passiert mit der bisherigen Beziehung, wenn neue Lieben hinzu kommen? Was macht den Wert des "Alten" aus? Gewohnheit, Vertrautheit? Was darüber hinaus noch? Was bleibt übrig? Warum hält man an der alten Beziehung fest?
Liebt man den alten Partner tatsächlich noch um dessen selbst Willen, oder was ist da?

Ich könnte die Liste weiter fortsetzen, aber ich fange mal so an.

Bitte schreibt nur, wenn ihr euch tatsächlich auf das Thema einlassen könnt und wollt.
Sollte es nicht euer Thema sein, ist das okay. Klickt einfach weiter.
Ich bin aufgewühlt genug und suche gedankliche Unterstützung!

Danke und nachdenklicher Gruß

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Ich liebe zwei Frauen. Mit der einen bin ich über 20 Jahre zusammen und mittlerweile verheiratet. Die andere kenne ich seit etwa 7 Jahren aus einer Zeit als unserer Ehe kurz vor dem Aus stand. Sie lebt ebenfalls in einer festen Beziehung und wird demnächst heiraten.

Gefühlstechnisch sind das für mich und auch für sie zwei Welten. Wir sind beide in unseren Partnerschaften glücklich - und freuen uns für den anderen für genau dieses Glück daheim. In dem Moment wo wir uns treffen hört diese Welt allerdings auf zu existieren.

Ich denke es ist schwer die Grenze zwischen Polyamorie und Affäre zu ziehen. Wenn beide Beziehungen sich positiv beeinflussen, Eifersucht und Besitzdenken in den Hintergrund treten und die eine Liebe nicht zum Zurückfahren der Gefühle auf der anderen Seite führt, dann ist es mehr als nur eine Affäre.

Und nein, meine Frau weiß nichts von meiner heimlichen Liebe. Denn für einen Partner, der nicht damit umgehen kann, ist das definitiv schwerer zu ertragen als "nur" eine Affäre. Mit der Lüge muss ich leben.

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Dann ist es doch aber nur für dich eine Polyamor, wenn deine Frau nichts davon weiss 🤔
Für deine Frau ist es schlicht eine Affäre, denn dein verheimlichen lässt ja verstehen das sie an einer „offenen Beziehung“ nicht interessiert wäre.

Ich verstehe unter dem Begriff Polyamor das beidseitige „Einverständnis“ noch andere Partner „zu lieben“ und das birgt schon ein sehr großes vertrauen seinem eigentlichen Partner gegenüber.
Und das kann nur funktionieren wenn beide Partner gleich ticken, wenn es nur einer macht, weil derjenige damit umgehen kann, heisst es aber noch lange nicht das der andere damit leben kann oder will!!!

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Ich denke Polyamorie und Affären sind zwei vollkommen andere Welten.
Affären sind meistens eher körperliche Angelegenheiten mit eventuellem Freundschaftshintergrund. Sie verlaufen meistens in der Heimlichkeit, meist sind sie auch eher kürzer angelegt.
Polyamorie aber findet in gegenseitiger Offenheit statt, Partner wissen darum und oft finden auch Gemeinsamkeiten statt. Poyamorie setzt absolutes Vertrauen voraus. Ist auf Liebesbasis gegründet und nicht nur auf Körperlichkeit oder bestimmten Sexveranlagungen, wie es ja meist in offenen Beziehungen eher der Fall ist.

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Ich versuche mich mal an Erklärungen um das Thema der Polyamorie und Deinen Fragen:

"Was denkt ihr darüber?"
Die Menschen sind vielfältig und jeder versucht sein Glück zu finden und zu leben.

"Wo und wann fängt sie an?"
Sie fängt an wenn man seine großen Lieben behält und nicht nur mit einer davon durch das Leben geht.

"Ist "sich mal fremdvergucken" etwas komplett anderes?"
Ja.

"Was passiert mit der bisherigen Beziehung, wenn neue Lieben hinzu kommen?"
Wenn die alte Beziehung noch Liebe ist wird man sich nicht trennen.
Man verbindet das "Netzwerk" und im Glücksfall harmonisiert das alles.

"Was macht den Wert des "Alten" aus? Gewohnheit, Vertrautheit? Was darüber hinaus noch? Was bleibt übrig? Warum hält man an der alten Beziehung fest?"
Der Wert des Alten ist Liebe-Vertrautheit-Harmonie.
Die Neugier auf den weiteren gemeinsamen Weg, die Entwicklung des jeweiligen Seins.
Warum sollte man nicht an alten Lieben festhalten - ich werf ja auch kein Gemälde von meiner Zimmerwand wenn ein neues hinzu kommt.

"Liebt man den alten Partner tatsächlich noch um dessen selbst Willen, oder was ist da?"
Selbstverständlich liebt man den Partner/Partnerin um dessen selbst Willen. Das ist es doch was Liebe ausmacht, sie wird doch mehr mit den Jahren, sie nutzt sich nicht ab. Wenn sie sich abnutzt dann ist es doch keine wahre Liebe.

Ich habe mich gerne ein wenig auf dieses Thema eingelassen weil ich es nicht nur in der Theorie betrachtet habe ;-)

Warum bist Du nachdenklich?
Versuchst Du neue Wege zu gehen mit oder ohne jetzigem Partner?
Ein kleiner Rat von mir, hintergehe nie einen Partner, missbrauche nie eine erarbeitete Vertrautheit, spiel mit offenen Karten wenn es um Liebe und vertraute Menschen geht.
Wer wahrhaft liebt wird seine Liebe nie verlassen, wer es doch tut hat nicht wahrhaft geliebt.

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Danke für deine Impulse!

Zwei Rückfragen oder Bemerkungen habe ich an dich:

Ich entferne schon hin und wieder ein altes Bild von der Wand... Und manchmal ist es einfach zu voll... Hast du immer Platz für die ganze Sammlung? Wie kriegst du das hin?
Stichwort Quantität und Qualität...

Ich liebe meine alte Jogginghose! Sie ist weich, bequem, an den richtigen Stellen ausgebeult und wir haben schon viel zusammen durchgemacht... Ich werde sie erst entsorgen, wenn sie mir vom Hintern fällt... Aber ganz ehrlich: eigentlich gehört sie schon lange weg... Und Nachfolgerinnen liegen bereit. ...

Hoffentlich ist es okay, wenn ich ein bisschen provoziere!? Ich bin sehr an deinen Antworten interessiert und habe das Gefühl, du kannst das vertragen... #schein

Aber du fragst, warum ich nachdenklich bin.
Ich bin/wurde in meinem Leben auf dieses Thema gestoßen und dabei, mich rational und emotional damit auseinander zu setzen...
Ich kenne das Bedürfnis bei mir nicht und tue mich schwer...
Was du über Offenheit schreibst, sehe ich auch so. Vertrauen aufs Spiel zu setzen, geht nicht...
Aber ich denke, man kann als liebender Mensch in die emotionale Not kommen, dass man evtl. einen Weg nicht weiter mit gehen kann und dann eben seine Liebe verlassen muss... Glaube mir, dann hat man dennoch wahrhaftig geliebt...

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;-) ab und an hänge auch ich mal ein Bild um.

Mit Jogginghosen hab ich es nicht so ;-)
Meine Partnerin ist schon über 30 Jahre meine große wahrhafte Liebe, sie nutzt sich nicht ab, sie wird immer schöner :-)
Meine anderen Lieben desgleichen. Wir kennen uns alle schon Ewigkeiten, alles starke Frauen. Hervorgegangen aus Hobbyvereinen, aus Jugendverbandelungen und aus berufsbedingten Unternehmungen.
Bei mir ist es zuerst der Geist des Gegenüber der mich anzieht. Zusammen bis in die Tiefe des Geistes wandern. Dann sind da die tollen Charaktere und die passenden Kleinigkeiten. Alles verbindet sich dann und im Idealfall kommt die körperliche Hingabe dann hinzu.

Wir sind alle respektvoll, ehrlich und gönnend. Kennen uns untereinander, unternehmen viel miteinander aber auch einzeln.

Es ist alles gut wie es ist, Zufriedenheit und Glück sind gute Begleiter und die Bereicherung ist ein gegenseitiges Nehmen und Geben.

Wir sind immer schon so gewesen, so wie ich hier oft von den Problemen der Paare lese, kann ich mir mein Leben nicht vorstellen.
Es mag komisch klingen aber ich bin ein treuer Mensch, auf mich ist Verlass, ich bin sofort da wenn ich gebraucht werde. Ich würde alles für all meine Lieben tun.

Wenn Du nicht aus Deinem Inneren heraus zu dieser Art von Zusammenleben gekommen bist wird das schwer wenn nicht sogar unmöglich.
Verliere Dich nicht selbst dabei. Mach nichts womit Du nicht glücklich bist.

Ja, man kann als liebender Mensch in emotionale Not kommen und muss seine Liebe frei lassen, das ist schwer aber zeugt von einem wahren Charakter.
Du hast recht, wahrhafte Liebe kann auch zeitlich sein, man trägt sie dann aber wohl noch im Herzen weiter, nicht als Trauer sondern als Geschenk.
Es sind die guten Erinnerungen die uns das Leben ertragen lassen :-)

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Für mich gibt es eine einfache Erklärung (in funktionierenden Partnerschaften, wohlgemerkt): Ein Partner, und sei er noch so "perfekt", kann einem nie ALLES geben. Das, was auf jeden Fall fehlt, fehlen muss, das ist diese tägliche Spannung (Nimmt er mich wahr? Lächelt er mir heute zu? Sucht er heute die Berührung? Wie reagiert er auf diese oder jene "Annäherung" meinerseits). Das kann mir mein Partner nach x Jahren schlicht nicht geben - ich weiß ja, dass er mich wahrnimmt, mich liebt, mich berührt, begehrt. Es ist schön, aber spannend ist es jetzt nicht (kann es gar nicht sein). Evtl. fehlen auch noch andere Dinge, die zwar durch andere positiven Eigenschaften vllt. sogar ausgeglichen werden (z.B. möchte ich vielleicht gar keinen Macho daheim, aber das "Männliche" am anderen finde ich dennoch sehr spannen), ...

Dementsprechend finde ich es VÖLLIG "normal" und wenig ungewöhnlich, dass man sich fremdverliebt. Eigentlich ist es eine logische Konsequenz.

Wie man nun damit umgeht, das ist wahrscheinlich Typsache, eine Frage der Erziehung, der Moralvorstellung, der Wichtigkeit von Treue, der Einstellung des Partners, ... - kurz einfach eine Frage der Umstände.

Ich persönlich halte nichts davon, solche Gedanken und Gefühle "in die Tat umzusetzen", eben weil für mich gerade dieser Spannungsfaktor der attraktive ist. Ansonsten "bietet" mir mein eigener Mann eigentlich alles, was ich brauche (zumindest in den Bereichen, die ich mir nicht gefahrlos von woanders holen kann - wenn ich mich über höhere Mathematik unterhalten will, kann ich das ja problemlos mit anderen Männern tun, z.B. ;-)). Also gibt es für mich keinen Grund, mich in andere Männer mehr als zu "vergucken", mehr als zu flirten. Für uns hat aber Treue auch einen sehr hohen Stellenwert, es wäre bei uns wohl das Ende - zumindest von unserer funktionierenden Beziehung in der Art wie wir sie haben. Und das ist es mir nicht wert, zumal sich "das Neue" auch sehr schnell abstumpfen würde.

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Danke für deine Antwort!
Ich lese bei dir raus, dass es bei dir einfach dieses "Vergucken" und Schwärmen ist, das man aber gut selbst steuern kann, damit es nicht außer Kontrolle gerät. Eine Art Würze des Alltags.
Verstärkt ja die These, dass es da Unterschiede bei den Menschen gibt, und eben dieses "jeder Mensch kann sich mal in einen anderen vergucken" nicht gleich bedeutet, sich ohne die Liebe zu mehreren Menschen nicht komplett zu fühlen.
Grüße

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Hallo Brille09,

ich glaube, mir geht es ähnlich. Ich benötige wenig mehr als einen kurzen Blickwechsel, um Spannung zu empfinden und diese genießen zu können. Das geschieht ja ganz automatisch... es gibt eben Menschen, die einen anziehen, einem auffallen, und denen man auffällt. "Mehr" daraus werden zu lassen - wozu? Das ist eben meine "Wesensart".

Verstehe ich Dich richtig, dass Du auch sagen würdest (wie die Befürworter offener Liebeskonzepte), dass einem ein Partner NIE ALLES geben kann. Das aber für Dich noch lange kein Grund ist, weitere (sexuelle/intime) Kontakte zu suchen... aber Du ein bisschen flirten hier und da zumindest als natürliche Folge langer Paarbeziehungen ansiehst... oder auch als Aphrodisiakum?

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Hallo,

Polyamorie fängt definitiv noch nicht da an, wo man sich mal eben fremdverguckt.

Für mich bedeutet Polyamorie ein verbindliches Beziehungsgeflecht mit mehreren PartnerInnen. Nicht heimlich, nicht nur Sex, sondern tatsächlich offen gelebte Beziehungen.

Was mit der ursprünglichen Beziehung passiert, wie man diese definiert (Primärbeziehung?), ist sehr offen - das kann man nicht vorhersagen. Finde ich. Sie verändert sich in jedem Fall.

Wie ich darüber denke: es war mein Wunsch, so zu leben. Vielleicht ist er das noch. Ich bin diesbezüglich auf dem Weg.

Viele Grüße!

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Danke für deine Antwort!
Wie ich weiter oben geschrieben habe, bin ich momentan gerade noch gar nicht so sehr an der Beziehungsform der Polyamorie, sondern noch sehr beim Individuellen, auf der emotionalen Ebene.
Hier interessiert mich eben sehr, was emotional passiert. Wie ist diese Liebe zum "ersten" Partner zu beschreiben? Was macht sie aus? Was hindert mich (also nicht mich persönlich) daran, mich zu verabschieden?

Ich bewundere es, wenn man es schafft, Schritte auf diesem Weg zu gehen. Ich versuche es, aber das Straucheln gehört gerade zu meinem Alltag.
Viele Grüße

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Das Thema beschäftigt mich auch gerade mal wieder aus aktuellem Anlass.

Ich war schon immer im Geiste ein "unmonogam": egal wie verliebt ich in meinen Partner war/bin, ich war nie davor gefeit, mich in jemand anderes zu vergucken. Und damit meine ich nicht, dass ich einfach nur mit jemand anderem ins Bett möchte (das passiert noch häufiger), sondern das mich jemand als Mensch mit seinen Gedanken/Gefühlen so berührt, dass ich ihn näher kennen lernen will. Ich bin ganz allgemein ein ausgesprochener Menschenfreund: ich mag Menschen, ich mag Männer. Ich kann ganz vielen Menschen/Männern ganz viel abgewinnen. Das ist Segen und Fluch.

Nach Jahren eines unsteten Lebenswandels, in denen ich, weil ich niemanden betrügen, aber eben auch nicht monogam sein wollte, von einer Beziehung in die nächste wechselte, habe ich mich mittlerweile für die "Monogamie" entschieden. Aber manchmal erscheinen mir die Opportunitätskosten immens und ich frage mich, wie lange ich diese bereit bin zu zahlen und hinterfrage, warum zum Geier das nötig ist, denn - in meiner Denke - nehme ich meinem Partner nichts weg, wenn ich mich auf andere einlasse. Ich will ihn ja überhaupt gar nicht verlassen und liebe ihn wirklich aus vollem Herzen. Das können sich "die Monogamen" vielleicht gar nicht vorstellen, ist aber so. An meinem Partner schätze ich seine zahlreichen fantastischen Eigenschaften, er ist eine Bereicherung und ein toller Mensch und all das würde sich ja auch nicht ändern, wenn ich mich auf andere einlassen würde, oder? An unserer Partnerschaft schätze ich die Beständigkeit, das Gefühl der Sicherheit und unsere "Paarroutinen", die ich niemals missen würde wollen. Auch das müsste sich aus meiner Sicht nicht ändern, auch wenn wir (korrekter Weise müsste das heißen "ich", denn ich glaube, mein Partner hat da gar keine Ambitionen) polyamor leben würden.

Ich habe aber eine riesige Angst, meinen Partner zu verletzen, wenn er von meinen Überlegungen und meiner Sehnsucht, die ich mit mir rumtrage, erführe. Und das ist das letzte was ich will: einen Menschen verletzen, den ich liebe.

Außerdem bin ich mir sehr bewusst darüber, dass meine Sehnsucht nach mehr, nach anderen nicht nur aus reiner Philantrophie gespeist wird, sondern auch aus niederen Motiven: natürlich würde ich auch die Bestätigung genießen, natürlich wäre das also auch etwas für mein Ego. Und für diese Bedürftigkeit verachte ich mich dann auch irgendwie.

Und so wurschtel ich mich hier so durch, strecke hier und da den Fuß in Teufels Küche, versuche aber in 99 Prozent der Zeit das Gefühl der Sehnsucht zu genießen, das ja auch Würze für den Alltag ist, wenn auch eine bitter-süße.

Momentan hoffe ich einfach auf die Wechseljahre oder darauf, dass ich einfach eines Tages erwachsen werde und mit der Leichtigkeit, gesellschaftliche Konventionen in Paarbeziehungen erfülle, wie ich sie bei anderen zu beobachten glaube.

Keine Ahnung, ob das jetzt für dich hilfreich war. Ich kreisele gerade auch fröhlich vor mich hin. Mir ist schon ganz schwindelig.

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Ich versteh dich einerseits sehr gut. Mir geht es ähnlich, nur mit dem Unterschied, dass ich es NIE ausgelebt habe. Ich habe meinen Mann sehr früh kennengelernt und er war mein erster "richtiger" Partner, wir hatten nie mit jemand anderen Sex. Dennoch, bei mir gab es eigentlich fast immer andere Männer, zu denen ich mich - auch über lange Zeit - sehr hingezogen gefühlt habe und wo ich immer mal wieder meinte, ohne den anderen Mann nicht leben zu können.

So viel also zu meinem "Erfahrungsschatz" und zurück zu deiner Frage, warum man das nicht so machen kann bzw. was man seinem Partner dadurch wegnimmt. Hmm, schwierig. Aber ich für meinen Teil löse es so: Ich stelle mir vor, mein Mann würde es so halten, dass er "neben mir" noch eine andere Frau hätte - eine mit ganz anderen Vorzügen, eine, die mir "nichts wegnimmt". Mein Mann ist viel unterwegs und man könnte tatsächlich die berechtigte Frage stellen, warum er in der Zeit, wo er ohnehin nicht bei mir ist nicht eine andere dazu haben könnte - und umgekehrt natürlich genauso. Und da schrillt bei mir was: Ich möchte nicht überlegen, ob mein Mann gerade eine andere Frau zärtlich berührt. Ich möchte nicht bei jeder Berührung, bei jeder Liebesbezeugung überlegen, ob er das mit der anderen auch so macht. Ich möchte nicht überlegen müssen, was er der anderen erzählt und mir vielleicht nicht. MICH würde das auffressen. Und genau deshalb kann ich das auch umgekehrt nicht von meinem Mann erwarten...

Wie ich damit umgehe? Ich sehe mich als menschliches Individuum, als denkendes Wesen, das jederzeit steuernd und zielgerichtet in das eigene Leben eingreifen kann. Als Wesen, das sich mäßigen kann, das frei wählen kann. So ein bisschen Richtung Aufklärung. Ich möchte nicht "Opfer" meiner Gefühle, Hormone, etc. sein. Und deshalb versuche ich, solche "Bekanntschaften" (was für ein blödes Wort) auf ein Niveau zu bringen, das akzeptabel ist. Im Moment sieht es so aus, dass ich mit dem Betreffenden flirte, dass ich Berührungen (keine sexuellen, sondern vertraute) zulasse ohne wegzurücken, dass ich die Nähe (körperlich, aber auch in Gesprächen, z.B.), die der Mann sucht, zulasse, aber nicht unbedingt selber suche, und dass ich keine Zweifel dran lasse, dass ich in einer glücklichen Beziehung bin (z.B. schimpfe ich nie in seinem Beisein über meinen Mann, nicht mal zum Scherz, und auch nicht in ernsthaften Gesprächen, wo ich bei der Nähe hin und wieder - wie z.B. mit meiner besten Freundin - auch mal sagen könnte: "Naja, das ist nicht so seine Stärke ..." oder: "Das ist bei uns ein Problem ...").

Ich weiß nicht, das klingt vllt. alles sehr schräg und konstruiert und kompliziert. Richtig glücklich bin ich auch nicht. Aber die Alternativen Trennung oder offene Beziehung, die würden mich letztlich sicher unglücklicher machen. Zumal ich mich dann wohl selbst verachten würde...

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Ich sehe, du verstehst mein Problem. Umgekehrt, so muss ich es zugeben, wäre ich vermutlich etwas unentspannter, wenn mein Mann sich anderen Frauen zuwendet.
Ich weiß aber nicht, ob das nicht auch ein bisschen so ist wie beim Autofahren: Ich bin ein total unentspannter Beifahrer, weil ich niemandem so traue wie mir. Ich weiß natürlich, dass das Quatsch ist und das mein Mann z.B. vermutlich sogar besser Auto fährt als ich. Trotzdem habe ich dabei ein mulmiges Gefühl, wenn er am Steuer sitzt.

Es könnte also sein, dass ich nur unentspannt wäre, weil ich den Kontrollverlust fürchte, weil ich Angst hätte, meinen Mann als Hauptpartner zu verlieren. Bei mir selbst WEIß ich ja, dass ich mir selbst trauen kann.

Vielleicht könnte ich also auch lernen, meinem Partner in der Hinsicht zu vertrauen? Immerhin: ins Auto steige ich ein und beiße mir auf die Zunge und manchmal, manchmal gelingt es mir sogar, mich zu entspannen.

Aber ich denke sowieso, dass meine Überlegungen theoretischer Natur bleiben werden, denn ich werde niemals nie aus erwähnten Gründen den Mumm haben, das Thema anzusprechen. Einmal ausgesprochen, gibt es ja dann keinen Weg mehr zurück und selbst wenn ich mich auf Wunsch des Partners danach entscheiden würde, weiter monogam zu leben, denn gegen seinen Willen könnte ich das nicht, würde er ja fortan einen ganz anderen Blick auf mich haben. Wer weiß, ob das die Beziehung aushält.

Dabei würde ich auf der anderen Seite gerne voll und ganz geliebt werden, mit meiner ganzen Ambivalenz und mit allen Leichen im Keller, aber wer will das nicht...

Also mache ich wohl so weiter. Es ist ja auch nicht so, dass ich dabei kreuzunglücklich wäre, die meiste Zeit bin ich sogar sehr glücklich. Nur wenn es mich dann packt, dann muss ich mich halt eine Weile ganz schön zusammenreißen, bis es wieder besser wird.

Und in solchen Phasen dürfen mir dann nicht solche Artikel begegnen, die meine Moral unterminieren.
http://www.zeit.de/2012/13/CH-Monogamie

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Liebe TE,
ein äußerst spannendes Thema, dass mich immer man wieder auch beschäftigt. Eine Bekannte hat sich vor einiger Zeit offen für ein polyamores Leben entschieden. Mit allen Konsequenzen. Sie hat ihre Partner schlussendlich beide gehen lassen, da diese ihr auf dem Weg - trotz Aufgeschlossenheit zu Beginn - nicht folgen konnten. Für meine Bekannte aber gab es kein 'zurück', weil sie ihr polyamores Leben eben nicht nur als 'es gibt jemanden zusätzlich' versteht, sondern als tief in ihr liegendes Bedürfnis.
Ich finde das konsequent und logisch.
Ich selbst denke auch immer mal wieder - eher theoretisch - darüber nach, was Liebe eigentlich meint und, was es mit Monogamie eigentlich so auf sich hat. Mein Mann und ich glauben nicht so recht an ewige Monogamie. Noch weiß ich nicht, was das irgendwann für unsere Beziehung bedeuten wird. Doch, dass es ehrlich und offen kommuniziert werden muss, steht außer Frage.
Aktuell gehöre ich wohl noch zu denen, die sich 'Mal vergucken' und selten auch mal etwas heftiger flirten. Aktuell bin ich verguckt. Erstaunlicherweise. In eine Frau. Dass es eine Frau ist, ist für mich jetzt nicht so ungewöhnlich, da ich mich schon öfter in meinem Leben zu Frauen hingezogen fühlte, was mich eher irritiert, ist die Tatsache, dass es bisher nur partiell Gespräche zwischen uns gab. Normalerweise vergucke ich mich in Menschen, die mich im Gespräch mitreißen. Nun ja. Egal wie, bisher ging es meist irgendwann wieder vorbei. Mit besserem Kennenlernen der Person. Deswegen würde ich es definitiv als verguckt bezeichnen, denn echte Liebe würde ja dann erst entstehen nachdem die erste Schwärmerei vorbei ist.
Spannend trotzdem.
Nicht nur im Individualfall, sondern eben auch ganz grundsätzlich... gibt es diese eine Liebe oder gibt es nicht ganz viele Lieben und ist es nicht viel schöner mehrere Lieben zu haben?

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Danke für deine Impulse und Einblicke!
Alles ein sehr weites Feld, wenn mehr als zwei Menschen in eine Konstellation passen wollen/sollen...
Interssant, was du über das Vergucken, Schwärmerei und Liebe schreibst. Das bringt mich nach den vielen Exkursen des Threads wieder ganz an den Anfang zurück. Eine interessante Sichtweise!
Ich wünsche dir alles Gute und einen klaren Blick!