Verlustangst

Hallo liebe Community,

ich stehe vor einer emotional herausfordernden Situation und würde gerne eure Meinungen und Ratschläge dazu hören. Ich habe vor kurzem ein Mädchen kennengelernt, das ich durch eine gemeinsame Bekannte getroffen habe. Da wir uns von Anfang an vertraut fühlten und beide keinen Wert auf Spielchen legen, sind wir nach nur einer Woche intensiven Schreibens direkt auf mehrere Treffen und eine Beziehung zugegangen. Es war eine Art Love-Bombing, wir haben uns regelrecht in die Beziehung gestürzt.

Nach dieser intensiven Phase hat sich plötzlich eine Distanz eingestellt. Sie sagt, sie will die Beziehung nicht beenden, aber ihre langjährige Single-Vergangenheit und die Tatsache, dass sie bei mir keine Mängel findet, haben kalte Füße verursacht. Obwohl sie versichert, nicht Schluss machen zu wollen, überkommt mich eine starke Verlustangst.

Ich habe bereits mit ihr darüber gesprochen, aber meine Unsicherheiten und Ängste sind geblieben. Diese Verlustangst beeinflusst mich psychisch so stark, dass ich seit Tagen kaum etwas esse und ständig befürchte, dass die Beziehung jeden Moment enden könnte. Wie kann ich besser mit dieser Unsicherheit umgehen? Warum distanziert sich jemand nach einem intensiven Start, obwohl das Interesse zuvor so stark schien?

Zudem interessiert mich, wie ihr euer Selbstwertgefühl stärkt und das Gefühl überwindet, nicht wertvoll zu sein oder ständig verlassen zu werden. Wie findet man einen Ausweg aus diesem Dilemma, insbesondere wenn man befürchtet, dass dieses Muster sich auch in zukünftigen Beziehungen wiederholen könnte?

Vielen Dank im Voraus für eure Perspektiven und Unterstützung.

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Hallo,

ich sehe mich sehr in deiner Freundin wieder. Als ich vor 20 Jahren meinen Mann kennenlernte war´s bei uns genauso.
Intensives Kennenlernen, schockverliebt, gleich in die Beziehung gestürzt - Und nach ein paar Wochen brauchte ich eine Pause!

Er hat gedanklich schon unsere Hochzeit geplant, binnen kürzester Zeit hat er mich seiner gesamten family vorgestellt - Und da wars dann zuviel für mich.
Hatten dann ein paar Wochen "Pause" mit spradischem Kontakt.
Musste mich erst mal sammeln und alles verarbeiten - Und nun sind wir seit 20 Jahren zusammen, seit 10 Jahren verheiratet, haben 2 Kinder und sind nach wie vor sehr glücklich miteinander ;-)

Also wie du siehst, es heißt nicht, dass es bei euch gleich vorbei sein muss deswegen.
Wenn sie kalte Füße bekommen hat, und sich sammeln muss, lass ihr die Zeit.

Hast du ein Hobby? Bist du in einem Verein?
Such dir Ablenkung (also ich meine nicht in Form einer anderen Frau!).

Zum Thema Selbstwertgefühl stärken kann ich dir leider keinen Tipp geben...

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Herzlichen Dank für deine Rückmeldung.

Ich möchte ergänzen, dass ich ihr bisher natürlich nicht mitgeteilt habe, dass ich sofort heiraten möchte oder ähnliches. Solche Themen wurden bisher nicht angesprochen.

Ich gebe ihr selbstverständlich die nötige Zeit. Aktuell setzen wir unsere Kommunikation normal fort, obwohl es sich etwas kühl und distanziert anfühlt, abgesehen davon, dass wir uns immer noch liebevoll "Schatz" nennen.

Des Weiteren steht sie kurz davor, krank zu werden (sie hat dieses Gefühl und hat auch PMS). Möglicherweise beeinflussen auch ihre Hormone ihre aktuelle Verfassung. Ich bin gespannt, ob das anstehende Treffen abgesagt wird, was natürlich in Ordnung wäre. Dennoch bleibt im Hinterkopf das Gefühl, dass es möglicherweise vorbei sein könnte.

Hobbys ja ich gehe ins Fitness aber das wars auch. Zu mehr Hobbys schaffe ich es nicht, da ich fast täglich ins Fitness gehe.

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Es ist bei Deinen Zeilen sehr schwierig, zu antworten, weil man in der Gefahr läuft, Deine Verlustängste zu bestärken. Und die vielleicht unbegründet sind und es tatsächlich so ist, wie Deine Partnerin sagt, sie kämpfe in irgend einer Form mit Veränderung zum Single-Dasein und kann, sinngemäß, ihr Glück nicht fassen, dass sie an einen mängelfreien Partner geraten ist. Vielleicht ist es auch Deine Verlustangst, die dazu führt, dass einige Beobachtungen von Dir viel zu kritisch sind, etwa, dass die Beziehung und Kommunikation nun kühl und distanzierter verlaufe.

Bevor man mehr dazu schreibt, ist Deine Frage nun, wie Du Deine Verlustängste besser in den Griff kriegen kannst - oder möchtest Du etwas zum geschilderten Sachverhalt hören?

Ich würde Dir unabhängig davon den Ratschlag geben, Deine Verlustängste so gut es geht vor Deiner Partnerin zu kaschieren und nicht zu oft und intensiv zu thematisieren. Sie könnte sich dadurch unter Druck gesetzt fühlen und in einen Modus wechseln, der nicht mehr ehrlich ist, nur um Verletzungen zu vermeiden. Vielleicht ist sie auch schon drin und ist das das Thema, dass sie diese frühe Phase der Verliebtheit gar nicht genießen kann, weil sie spürt, dass es für Dich furchtbar sein wird, wenn die Dinge (irgendwann?) einen anderen Verlauf nehmen. Man will ja niemandem weh tun.

Natürlich ist das jetzt ein "Denken Sie nicht an den rosa Elefanten"-Ratschlag. Aber vielleicht mal ein Startpunkt. Wenn Du allerdings auch schreibst "Dennoch bleibt im Hinterkopf das Gefühl, dass es möglicherweise vorbei sein könnte" - puh. Ich glaube, so ein Satz und so ein Gefühl fußt nicht nur auf Verlustängsten, zu so einem Schluss sollte man so früh in der Beziehung nicht kommen. Aber das kannst nur Du beurteilen.

Alles Gute!

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Ich schreibe aus der anderen Perspektive - bei uns war und ist mein Mann derjenige, der immer mit Verlustängsten kämpft. Er hat dafür auch aus seiner Sicht einen guten Grund, aber es ist sehr anstrengend. Insofern kann ich dich nur ermutigen, dass nicht zu sehr zu zeigen. Offenheit ist gut und wichtig, ja, aber gerade am Beginn einer Beziehung belastet so ein Wissen sehr.

Im Prinzip ist das doch jetzt der erste Punkt, wo du Vertrauen lernen kannst. Sie sagt dir klar, dass sie die Beziehung nicht beenden will - wunderbar! Wieso sollte sie lügen? Sie hat doch auch nachvollziehbare Gründe: Wer lange Single war, stürzt sich vielleicht Hals über Kopf in eine neue Beziehung, weil es einfach so aufregend und toll ist. Und dann realisiert er plötzlich, dass es zu schnell war. Dass er gar nicht seine übliche "Prüfungsphase" hatte, weil er sich vom Überschwang der Gefühle hat leiten lassen. Aber das solltest du als etwas Gutes sehen - sie sucht keinen schnellen Kick, sondern etwas mit Substanz. Und natürlich spielt es eine große Rolle, wenn der andere so gar keine Mängel zu haben scheint. Denn die hat jeder. Die muss man kennen, bevor man sich komplett aufeinander einlässt, zumindest die großen. Dass man nicht jede nervige Angewohnheit vom anderen kennen kann, bevor es ernst wird, ist klar. Manches entpuppt sich auch erst später als Problem, wenn man mal eine Weile damit leben musste.

Distanz ist in diesem Zusammenhang nicht unbedingt etwas Negatives. Ich würde es vielleicht so beschreiben wie die Betrachtung eines Gemäldes: Wenn man sich so Knall auf Fall verliebt, steht man quasi mit der Nase direkt davor. Alles, was man sieht, ist berauschend schön und toll, und genau das will man, alles scheint perfekt. Aber dann kommt man wieder zu Verstand und tritt bewusst ein paar Schritte zurück, um sich mal das gesamte Gemälde anzusehen. Die Details. Die Farben. Den Rahmen. Den Hintergrund. Das ist etwas Gutes! Du kaufst schließlich keinen Ausschnitt, du kaufst das ganze große Ding. Und wenn dir erst hinterher auffällt, dass du Goldrahmen hasst und ballspielende Hunde im Hintergrund deine Allergie befeuern, wird's schwierig.

Du hast jemanden gefunden, der dich super findet, die Sache aber "richtig" machen will - und das ist großartig. Lass dich auf ihr Tempo ein, denn das ist vermutlich etwas vernünftiger als das bisherige ;-) Übrigens würde eine Aussage, dass man bei mir keine Mängel findet, mein Selbstwertgefühl sonstwohin katapultieren :-D - nur kennt mein Mann mich leider seit 40 Jahren und kennt genug Mängel, schade :-D

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Vielen Dank für deine Antwort!

Ich denke genau wie du jedoch überkommt mich immer der negative Gedanke "Sie will es sowieso beenden weil ich doch nicht so gut bin".

Mich stört in erster Linie, wieso ich mich dafür verantwortlich mache. Mir wird bewusst, dass es an meinem Selbstwert liegt...

Selbst wenn die Beziehung scheitert, akzeptiere ich das als Teil des Lebens. Obwohl ich eigentlich an einem Punkt angelangt bin, an dem solche Dinge mir egal sind, neige ich dazu, mich vorerst damit zu beschäftigen und nach Fehlern in mir zu suchen. Mein Ziel ist es jedoch, dieses Problem zu lösen.

Letztendlich betrachte ich die Situation als Win-Win. Wenn die Beziehung sich positiv entwickelt, habe ich gewonnen und gleichzeitig die Erkenntnis, dass ich an meinen emotionalen Aspekten arbeiten muss, wie etwa negativem Denken, Verlustangst und Selbstwertgefühl.

Falls es nicht funktioniert, bleibt mir zumindest die Möglichkeit der persönlichen Weiterentwicklung. Hätte ich sie nicht getroffen, wäre mir vielleicht nicht bewusst geworden, dass ich etwas an mir ändern muss. Eventuell hätte ich diese Erkenntnis erst bei einer anderen Person gewonnen, aber das erscheint unwahrscheinlich, da meine letzte vergleichbare Erfahrung mit jemandem wie ihr lange zurückliegt. Ich empfinde nicht bei jeder Frau so, sondern nur bei denjenigen, bei denen ich denke, "das ist sie" – und das kommt selten bis gar nicht vor, gerade mal drei Mal in meinem 34-jährigen Leben.

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Es fahren Leute in den Sarg, die hatten ihr Leben lang kein "das ist sie"-Erlebnis. Da sind drei bis 34 schon keine schlechte Quote. Sieh's als positiv für Deine Verlustängste, Du bist offenbar ja grundsätzlich anzuzünden ;-)

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