Zwänge bei Kindern (4 Jahre)

Unser Großer (4J. alt) ist sehr pedantisch. Wir haben beobachtet, dass er im Alltag immer wieder Dinge tun muss, so fühlt es sich zumindest für uns an. Wenn er das nicht tut, dreht er vollkommen durch.

Zum Beispiel müssen wir seine Socken immer ordentlich ausgestrichen in einer bestimmten Richtung vor dem Anziehen auf den Boden legen. Dann streicht er sie selbst nochmal glatt und dann zieht er sie an. Das macht er bei jedem Mal Socken anziehen.

Es müssen auch Spielzeuge in einer bestimmten Reihenfolge stehen oder in einer bestimmten Position ausgerichtet sein.

Beim Mittag kann er das, was er nicht mag, nicht auf seinem Teller ablegen. Heute z.B. beim Eierkuchen essen hat es ihn gestört, dass noch einige Kleckse Apfelmus auf dem Teller waren. Er hat erst weitergegessen als wir den Teller komplett abgespült haben.

Ich frage mich in letzter Zeit, ob ich diese Dinge aushalten sollte/muss oder ob es besser für ihn ist dem entgegen zu steuern.

Bei den Socken zum Beispiel sage ich ihm jetzt immer, dass er die Socken gerne ausstreichen kann, wenn er möchte ich das aber nicht tue, auch wenn er mich drum bittet.

Wir geraten tagsüber oft aneinander, weil ich viele seiner "Aktionen" nicht aushalte, weil es in meinen Augen sinnlos und einfach nur anstrengend ist (das sage ich jetzt mal so ehrlich).

Vielleicht hat ja jemand Erfahrungen oder Tipps. Ich wäre sehr dankbar.

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Hallo,

unsere Kids haben auch ein paar Ticks und ich selber auch.

Bin gespannt welche Tips kommen, die ein oder andere Macke würde ich gerne los werden.

Das mit dem Apfelmus am Teller würde ich auch nicht mögen wenn ich ehrlich bin. 🫣.

Unsere Kinder wollen auch immer frisches Besteck für die Nachspeise,… ich ehrlich gesagt auch- obwohl es keinen Sinn macht.

Den Salat auf dem Teller zu haben von dem ich esse - das schaff ich nicht. Es muss alles schön sortiert auf Häufchen sein und sich nicht mischen. Mein Mann findet das komplett bescheuert,… mich ekelt es aber ehrlich so dass ich nicht mehr essen könnte obwohl ich nicht heikel bin.

Lg

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Aus der Ferne schwer zu beurteilen, aber tendenwürde ich sagen, das ist noch im normalen Rahmen. Grade so bis zur Schule haben viele Kinder Rituale und kleinere Zwänge und in der Regel verwächst es sich. Wir hatten hier schon Phasen, da musste der Frühstücksaufschnitt als Schlange auf dem Tisch stehen, irgendwann wsr es kein Thema mehr. Die Grenze zwischen Ritual und Zwang ist halt echt fließend in dem Alter und meistens gibt sich das dann in der Schule wieder. Aber mit 4 sind das dann manchmal einfach auch gewohnte Abläufe, von denen nicht gern abgewichen wird.

Meistens hilft es eher, dem Thema nicht so eine große Bedeutung beizumessen, auch, wenn es nervt. Meine Tochter hatte nach Corona und dann später mal nach einer Erkältung so ein Husten, eher nervlich als dass sie wirklich Husten müsste. Die Kinderärztin riet uns dann auch, es so gut es geht zu ignorieren, wenig zu thematisieren. Und es war zwar echt nervig, aber es hörte wieder auf, von alleine.

Eine Frage wäre vielleicht noch, ob du das Gefühl hast, dass es ihm damit gut geht, oder ob seine Lebensqualität leidet, weil er Dinge wiederholt etc.

Also, du musst grundsätzlich nicht seine Zwänge "befeuern" und alles mitmachen, aber ich würde es nicht unterbinden. Und annehmen, dass es sich wieder gibt.

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Achso, hier können die Kinder auch nur schwer ertragen, wenn essen, dass sie nicht wollen, auf dem Teller bleibt. Ich glaube, das ist mit 4 echt verbreitet

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Ich kenne ähnliches Verhalten von vielen Kindern - meist entweder schon früh sehr selbstbestimmende, andere mit neurodiversen Zügen... meine beiden fallen unter beide Themen, allerdings habe ich da auch selbst solche Züge, da fällt das Verständnis leichter und leider wird der Post deutlich länger;-)
Meine Beobachtung:
Viele Aktionen können jemanden, der selbst durch Praxis feste Gewohnheiten hat, ganz schön durcheinanderwirbeln - dabei hat jeder eigentlich genau das gleiche Problem, nur seine eigen Lösung.
Wir Mamas haben meist gelernt, kraft- und Zeitsparend zu werkeln, wir wissen was gerade Unwichtig ist und über was man gerade hinwegsehen kann. Wir beherrschen es soweit, dass wir solche Alltagsdinge bereits automatisch machen, das Ganze nochmal bewusst zu bearbeiten, wäre purer und unnötiger Stress.

Genau das spiegelt aber dein Sohn wiederum dir wieder.
Er nimmt evtl unbewusst all die Kleinigkeiten war und kann sie aber nicht filtern. Um all das Unnötige loszuwerden, muss er es erst sortieren - so wie er damit überhaupt etwas erkennen kann. Danach kann er erst handeln.

Als Beispiel für dich:
Du kommst in ein Blumenladen und möchtest eine Rose kaufen. Normalerweise würde groß auf den sortierten Rosen stehen "Rosa Rosalia" und ganz klein darunter die Pflegehinweise. Schön geordnet. Du weißt welche Rosensorte du willst und wo sie hinkommt, nimmst sie kaufst sie - alles kein Stress. Ganz einfach. Deine Alltagssituation.
Jetzt stelle dir jetzt einmal vor, alle Rosen würden wild durcheinander stehen - jedes mit eigenem Schild auf dem Name und Beschreibung GLEICH groß dastehen. Und jetzt hast du bis zum Ladenschluss Zeit deine Rose zu suchen. Ja, wann macht der Laden eigtl zu? Okay in 5-10 Minuten. Flucht, raus, anderer Laden ist ausgeschlossen, du brauchst die Blume jetzt. Sortieren, aussuchen und endlich irgendwann steht man erschöpft an der Kasse und bezahlt. Stress pur. Für ihn bei jeder kleinen "Alltags"aufgabe.
Fürs nächste Mal ist wieder nur dieser eine Blumenladen möglich, wieder so unsortiert: du überlegst dir aber eine Strategie wie du erstmal die Fülle an Informationen verarbeitest: Zeitcheck, soviel Zeit habe ich, welche Farbe soll die Rose haben und wie gehst du im Rosengetümmel durch. Du fängst an eine eigene Sortierung aufzustellen (so wie im Küchenschrank), die dir den Stress nimmt. Du schaffst deine Strategie umzusetzen und gehst mit deutlich weniger Stress als beim 1. Mal raus.

Okay, Sortieren ist also Stressbewältigung und eine Strategie um überhaupt Handeln zu ermöglichen.
Aber wie komme ich jetzt damit klar, dass meine Strategie eben nicht bei meinem Kind wirkt und wie kann ich ihm helfen den Stressumgang zu erlernen?

- Alle Aufreihungen und Ticks sind Okay, solange sie keinen anderen schaden!
- Es ist seine Strategie, also sollte er sie auch selbst umsetzen, du hast für dich deine Strategie und die steht dir genauso zu wie ihm
- Alternativen bieten: In der Situation kannst du nur seinen Stress verschlimmern, also lieber solche Sachen für die nächste Zeit zeitlich miteinplanen. Außerhalb der Situation, lässt sich die Situation besser praktisch probieren - vorzeigen und learning by doing, einfach mal machen was Mama sagt, dann darf Kind ein Spiel aussuchen. Auch hier bietest du ihm eigentlich deine Strategie nur an, evtl öfters - wenn er sie versteht und als besser sieht, muss sie halt möglichst stressfrei geübt werden um die vorherige Strategie zu "überschreiben", dass sie dann auch im Stress eingesetzt werden kann.

Ja, es ist anstrengend, aber eigtl nur solange man es selbst nicht versteht oder gerade selbst im absoluten Stress bist. Wissen und Ahnen ist nicht verstehen, vllt. gibt es einen Gesprächsgruppe bei euch in der Nähe.

Ansonsten scheint das Verhalten deines Sohnes im Moment sehr stark ausgeprägt - es kann eine Phase sein, sollte es anhalten, bitte vorsichtshalber eine Testung bzgl. Neurodiversität (u.a. AutismusSpektrum) vor der Einschulung erwägen. Nicht für die Brandmarkung oder die soziale Öffentlichkeit, sondern weil einen erst die Diagnose leider leider gewisse Hilfen wie Schulbegleitung und (nichtmedikamentöse) Therapien ermöglicht.

Ich hoffe, ich konnte ein wenig zum Verständnis beitragen#herzlich

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PS: solche Phasen werden auch "Autonomiephasen" genannt, dabei übt das Kind auch die Dinge genau, die es gerade kann - evtl auch für uns Eltern als Hinweis zu nehmen "das kann ich schon!", wenn es etwas schon kann auch wirklich dafür loben, dass es das auch macht, denn die Selbstbestimmung in der Autonomiephase ist nicht mit Selbstvertrauen gleichzusetzen;-)

Bearbeitet von Arjha
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Das kenne ich auch sehr gut.

Mein Sohn isst auch nichts, wenn eine Komponente auf dem Teller liegt, die er nicht mag. Die Lösung war: er nimmt sich prinzipiell selbst.
Er kann schwer Müll wegwerfen. z.b. werden leergegessene Joghurtbecher, Pappverpackungen etc. im Zimmer gehortet. Die Lösung: ich lasse ihn das machen und werfe sie nach 1-2 Wochen, wenn diese aus seinem Kopf verschwunden sind, heimlich weg. DAS Thema nervt wirklich, aber ich ertrage es und führe nicht jedes Mal einen Kampf aus.
Ich würde es aber niemals aktiv mitmachen, wie das Socken ausstreichen. Mit 4 kann man Socken selbst aus der Schublade nehmen und so hinlegen wie es im Kopf sein muss.

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Ich will ihm eben nur damit nicht schaden, weil ich weiß, dass es psychologisch ja auch bei Erwachsenen Sinn macht Dinge zu tun, damit es einem gut geht (Tür 3x kontrollieren, ob sie zu ist, was zu trinken für den Notfall mithaben etc.)...

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Da könnte ich auch einige Punkte aufzählen von meinem 4 jährigen.
Ich denke es ist normal.
LG