VBAC- meine schöne zweite erste Geburt

Ich schreibe diesen Bericht jetzt wo mein Sohn bereits 4 Monate alt ist. Als Erinnerung für uns aber natürlich auch für ihn. Ich kann nur den Tipp geben, macht es so früh wie möglich. Man vergisst unheimlich schnell.

Meine Tochter ist im März 2021 an 37+1 per primärer Sectio nach HELLP Syndrom auf die Welt gekommen.
Aufgrund dieses vorangegangenen KS und der relativ raschen Schwangerschaftsfolge (15 Monate nach der Geburt meiner Tochter war ich wieder schwanger) riet mir mein Frauenarzt zum erneuten KS. Er ist ein guter Arzt aber auch ein älteres Semester, und früher war es ja eher Standard nach einem ersten auch einen zweiten KS zu machen.
Ich war anfangs unschlüssig, wollte es wenn möglich aber doch gern spontan probieren. Trotz Bedenken. Bedenken das unter der Geburt etwas passieren könnte und mein Sohn deshalb vielleicht nicht gesund geboren werden könnte. Wir hatten einen langen Weg zu unseren beiden Kindern und ich wollte keinesfalls etwas riskieren. Bedenken hatte ich auch aufgrund von Horrorgeschichten zum Thema Beckenbodenverletzungen, gerade bei höherem maternalen Alter (ich bin jetzt 43,5 Jahre alt) und Bedenken nicht zuletzt aus Angst meiner kleine Tochter zu lange „allein“ lassen zu müssen.
Ein KS wäre geplant und getaktet, so eine spontane Geburt kann sich ja auch lange hinziehen wenn es schlecht läuft.
Bei meiner Tochter bin ich am dritten Tag nach dem KS nach Hause und ich fand die Schmerzen etc durchaus aushaltbar.

Meine Hebamme jedoch hat mich von Anfang an bestärkt und ermutigt es natürlich zu probieren. Zumindest mal ein paar Wehen kommen zu lassen und dann weiter zu schauen.
Die Ärztin in der Risikosprechstunde des Geburtskrankenhauses war weder deutlich pro noch contra. Sie sagte das ich es natürlich natürlich probieren könnte, meinte aber auch das sie im Falle von auftretenden Komplikationen etc aufgrund meiner Vorgeschichte relativ schnell zu einem KS tendieren würden. Da ich ein relativ hohes Sicherheitsbedürfnis habe, war ich völlig okay damit. Einleiten würden sie mich nur mechanisch und frühestens ab 41+0. Soo lange wollte ich auf keinen Fall mehr warten.
Mein Bauch war schon früh relativ riesig groß und schon ab 37+0 fieberte ich Wehen und dem Ende entgegen.
Ich habe geburtsvorbereitende Akupunktur gemacht, Tees getrunken, Datteln gegessen etc. Das volle Programm.
An 38+2 habe ich bei meiner Hebamme eine Eipollösung machen lassen. Zu dem Zeitpunkt war der Mumu etwa 1 cm geöffnet, die folgenden Tage passierte nichts, keine Wehen, maximal ganz leichte Übungswehen gelegentlich nachts.

Ich fieberte also meiner nächsten Vorsorgeuntersuchung an 39+0 entgegen um zu schauen ob sich etwas am MuMu getan hat und evtl die Eipollösung zu wiederholen.
Am Abend vorher ging ich relativ spät ins Bett und konnte auch nicht gut einschlafen, das letzte mal zur Uhr habe ich gegen Mitternacht geschaut. Gegen 2 Uhr bin ich aufgewacht weil ich Unterleibsschmerzen hatte, ähnlich wie vor der Menstruation. Sie kamen und wurden wieder schwächer. Ich habe auf die Uhr geschaut und sie kamen und gingen relativ regelmäßig, alle 7-9 Minuten. Um 4 Uhr entschied ich aufzustehen und meinen Mann zu wecken. Erstmal in die Badewanne. Dort wurden die Wehen zwar nicht stärker, aber auch nicht schwächer- dafür wurden die Zeitabstände etwas kürzer. 6-7 Minuten. Danach war mir klar, es geht jetzt bald los. Unser Sohn macht sich wohl wirklich auf den Weg 😊
Mein Plan war es noch so lange zuhause zu bleiben bis wir unsere Tochter in die Krippe bringen könnten.
Gegen 5:30 Uhr habe ich im Kreißsaal angerufen um uns anzukündigen ,die diensthabende Schwester meinte bei der Regelmäßigkeit der Wehen sollten wir uns überlegen evtl doch lieber zuerst ins KH zu kommen und nicht noch die Tochter in die Kita zu bringen.
Ich fühlte mich aber gut und hatte nicht das Gefühl das es ernst würde in den nächsten zwei Stunden. Also blieben wir bei unserem Plan.

Wir haben also noch gefrühstückt, unsere Tochter fertig gemacht und sind gegen 7:30 losgefahren.

Im KH angekommen wurden wir freundlich im Kreißsaal begrüßt und in einen Untersuchungsraum gebracht. Eine Hebamme kam, stellte sich vor und untersuchte mich, Mumu 3-4 cm. Sie riet uns zu bleiben und nicht wieder nach Hause zu fahren.
Sie war sich recht sicher das unser Sohn noch heute geboren würde, und witzelte das sie selbst noch bis 18:00 Dienst hätte und wir es bis dahin bestimmt schaffen würden.
Es wurde ein CTG geschrieben auf dem leichte Wehen erkennbar waren, im Anschluss wurde ich vom Arzt untersucht und es wurde ein US gemacht. Auch er riet uns zu bleiben. Geschätzt hat er unseren Sohn auf 3300 Gramm.
Wir bekamen ein Vorwehenzimmer und sollten etwas spazieren gehen und in etwa zwei Stunden zurück sein. Es war ein schöner und sonniger Morgen im Mai und jetzt 9:30 Uhr. Wir gingen also Kaffee trinken beim naheliegenden Bäcker und noch eine Stunde spazieren. Die Wehen wurden zwischenzeitlich stärker, so das ich jedes Mal stehenbleiben musste bis diese vorüber waren. Alle 3-5 Minuten.
Gegen 11 Uhr waren wir zurück im KH und ich hab mich kurz hingelegt während mein Mann nochmal schnell zum Bahnhof gefahren ist um die Oma abzuholen und zu uns nach Hause zu fahren damit sie sich um unsere Tochter kümmern konnte.
Gegen 12 Uhr hat mich die Hebamme wieder untersucht. Mumu auf 5 cm. Erneut ein CTG. Die Hebamme war sichtlich begeistert, fragte mich wie ich die Wehen wahrnehmen würde weil ich ihr so cool vorkommen würde und sie deshalb die Intensität gar nicht einschätzen könne.
Ehrlicherweise hatte ich mir Wehen zu diesem Zeitpunkt schlimmer vorgestellt. Ich kannte es bisher ja nicht, meine Tochter wurde wegen HELLP Syndrom ohne jegliche vorherige Wehentätigkeit geholt.
Ich wurde gefragt was ich davon halten würde die Wehen etwas zu beschleunigen und zu intensivieren weil es ja nun schon seit 2 Uhr nachts so ginge, ich seitdem nicht mehr geschlafen hatte und ich ja auch noch etwas Kraft für die Geburt brauchen würde.
Ich stimmte zu, wir wollten warten bis mein Mann wieder zurück im KH ist. Bis dahin bin ich erstmal wieder in mein Zimmer, bekam ein Mittagessen und döste danach ein wenig. Im Liegen wurden die Wehen wieder etwas unregelmäßiger und schwächer.
Um 14 Uhr war mein Mann zurück und wir haben einen Kreißsaal bezogen.
Wir richteten uns etwas ein, die Schwester brachte uns beiden etwas zu trinken und ich hievte mich auf das Bett.

Dort wollte man mir erstmal ein Zugang legen um den Wehentropf anzuschließen und das CTG wurde angelegt. Das mit dem Zugang hat sich dann noch etwas hingezogen weil meine Handvenen aufgrund von Wassereinlagerungen nicht gut waren. Nach einigen Stechversuchen an beiden Händen bekam ich doch den Zugang in der Armbeuge. Nicht optimal, aber anders ging es nicht.
Es war jetzt 15 Uhr und der Wehentropf wurde angeschlossen.
Da zu diesem Zeitpunkt nicht viel los war, hatte ich einen 1:1 Betreuung durch eine Hebamme und eine Hebammenschülerin.
Gegen 15:30 Uhr war der Wehentropf durchgelaufen und es wurde erneut mein MuMu getastet, die Wehen wurden zu diesem Zeitpunkt schon stärker und regelmäßiger.
Mein Mann war gut gelaunt und machte Witzchen an meinem Kopfende. Er hielt meine Hand damit ich etwas zum drücken hatte in den Wehen und hat mir zwischendurch immer was zu trinken gereicht.
Weil er immer mitgedrückt hat, musste ich ihn mehrmals darauf hinweisen das nur ich drücke und er gefälligst nur seine Hand hinzuhalten hat.
Die nächste Untersuchung durch die Hebamme. Der Muttermund hatte sich dank des Tropfes von 5 auf 7 cm geöffnet Daumen hoch 😀
Sie sagte ich solle ihr bescheid geben sobald ich das Gefühl hätte pressen zu müssen. Als ich sie fragte woher ich das denn wissen solle, sagte sie das würde ich auf jeden Fall spüren.

Mittlerweile war es ca. zwischen 16 und 16:30, wir waren also seit knapp zwei Stunden im Kreißsaal
Da es jetzt zunehmend schmerzhafter wurde begab ich mich aus der liegenden Position in die stehende weil ich es so besser aushalten konnte. Ich lehnte mich also mit dem Oberkörper auf das Bett und druckte meine Stirn mit jeder Wehe gegen den Bauch meines Mannes der neben mir stand und meinen Rücken massierte. Meinen Po bewegte ich dabei kreisend von rechts nach links und stellte mich mit jedem Wehenhöhepunkt auf die Zehenspitzen, keine Ahnung warum. Ich konnte es so am besten aushalten, wie ein taumelnder Elefant🤣 Die Hebamme fragt nach einiger Zeit ob ich mich vielleicht doch wieder hinlegen könne weil sie die Herztöne des Babys in dieser Position schlecht einfangen konnten.
Ich fragte die Hebamme daraufhin was sie mir denn jetzt an Schmerzmitteln anbieten könnte. Sie untersuchte mich in der Wehenpause erneut und sagte dann. Dein Muttermund ist nun bei 8-9 cm. Du hast es bald geschafft und viel schlimmer wird es nicht mehr. Ich glaube, Du brauchst gar nichts mehr. Oookay. Hope so.

Die Hebamme sagte das Baby würde Platz brauchen und ob ich meine Beine anwinkeln und zum Körper gezogen festhalten könnte um dem Baby mehr Platz zu bieten und damit es besser in das Becken rutschen könne. Das schaffte ich mit Hilfe der Hebammenschülerin und der meines Mannes. Das war aber mega unbequem und so konnte ich es nur für ein oder zwei Wehen so halten. Ehrlicherweise kann ich nicht mehr genau sagen ob das nicht vielleicht auch erst später während der Presswehen passierte 😅 ich habe es jetzt einfach mal chronologisch an dieser Stelle verortet weil es mir logischer vorkommt.

Ich konnte mich den Wehen zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht richtig hingeben, weil ich wieder auf Toilette musste. Jedenfalls hatte ich das Gefühl. Der Gedanke Stuhl in den Wehen zu verlieren machte mich ganz unentspannt. Also zum mittlerweile dritten mal mit meinem mitgebrachten feuchten Klopapier auf Toilette. Da die Wehen mittlerweile sehr stark und der MuMu komplett geöffnet war- bat mich die Hebamme die Toilettentür nicht abzuschließen. Sie hätte hier schon gesehen wie Kinder beinahe in die Schüssel geplumpst sind 😀
Alles erledigt, jetzt fühlte ich mich leer und bereit für die Presswehen.
Und kaum hatte ich mich wieder hingelegt waren sie da. Und ja, man merkt wenn wann pressen muss. Man kann gar nicht anders und kann sich auch nicht dagegen wehren.
Während ich also in jeder Wehe angeleitet durch die Hebamme presste, „krempelte“ sie unten an meiner Vagina rum. Nach ca. zwei oder drei dieser Presswehen sagte sie sie könne das Köpfchen schon sehen. Sie sehe viele Haare, ob ich denn mal fühlen wollte. Sie nahm meine Hand und führte sie. Ehrlicherweise fühlte ich jetzt nicht unbedingt Haare, aber wahrscheinlich ist man auch ganz einfach nicht so richtig Herr seiner Sinne in diesem Ausnahmezustand.

Dieses Pressen war wirklich scheiße anstrengend. Es war das erste mal das Geräusche meinen Mund verließen. Ich presste also laut „brummend“ wie ein Gewichtheber der gerade die 100 kg stemmt. Die Hebamme legte zwei Finger in meinen Muttermund und sagte „press genau hier hin“ so dolle du kannst, wie auf Toilette mit mega Verstopfung 😅 na, sag das doch gleich 🙄

Ich weiß nicht mehr wie lange die Pausen zwischen den Wehen waren, aber gefühlt keine 30 Sekunden. Gerade mal so viel Zeit um einmal Luft zu holen. Meinen Mann habe ich zu dem Zeitpunkt nicht wirklich wahrgenommen, er war da, glaube ich zumindest 🤣

Der Arzt kam in den letzten paar Presswehen dazu und sagte mit wirklich charmantem spanischen Akzent „ihr Baby hat ein bisschen Stress, WIR müssen uns jetzt noch einmal richtig anstrengen“. 😅
Das hat mich dann tatsächlich noch etwas angespornt. Ich wollte nicht das mein Baby Stress hatte und ich wollte jetzt fertig werden.
Und dann war sie da, die letzte eine Wehe in der das Köpfchen geboren wurde und der Körper der dann einfach so hinterher flutschte. Ein wahnsinnig erleichterndes und glückliches Gefühl. Alle Schmerzen waren mit einem Mal weg und dieses kleine feuchte Bündel wurde mir wie ein nasses Handtuch auf die Brust „geklatscht“ ☺️
Da war er, ich hatte es geschafft, ganz alleine und trotz aller Zweifel die bezüglich einer spontanen Geburt vorher da waren. Und sogar ganz ohne Schmerzmittel, ein Wahnsinnsgefühl. Wow.
Um 17:22 geboren mit 35 cm kopfumfang und 53 cm Länge mit 3375 Gramm.

Nach ein paar Minuten bekam mein Mann die Schere und durchtrennte die Nabelschnur.
Die Hebamme zog anschließend etwas an der Nabelschnur und so wurde auch die Plazenta direkt hinterher „geboren“ und auf Vollständigkeit untersucht. Alles dran, ab in den Sammelbehälter für die Kosmetikindustrie damit. Selbstverständlich nachdem sie uns gefragt hat ob wir sie mitnehmen wollen. Oh Gott, nein!
Im Nachhinein hat es mich etwas geärgert Nabelschnur und Plazenta nicht mal angefasst zu haben, hätte ich gerne getan aber in dem Moment habe ich nicht daran gedacht.
Ich bekam nochmal Oxytocin über den Tropf damit sich die Gebärmutter wieder gut zusammenzieht. Jedenfalls war das der Plan. Es ist aber alles ins Handtuch gelaufen, weil wir nicht gemerkt haben das ich mir beim Halte meines Sohnes den Zugang versehentlich gezogen habe und alles daneben lief.

Da es mittlerweile voll wurde im Kreißsaal, hat mein Mann zusammen mit der Hebamme unseren kleinen Bruno versorgt, ihn gemessen und gewogen während ich von einer Ärztin genäht wurde. Ich hatte einen Dammriss zweiten Grades.
Die inneren Schamlippen sind etwas gerissen, wurden allerdings nicht genäht.
Wir wurden anschließend zurück in mein Vorwehenzimmer gebracht und durften die nächsten zwei Stunden zu dritt dort verbringen bevor ich gegen 20 Uhr auf Station in mein Zimmer gebracht wurde und der Papa nach Hause gefahren ist.

Wir haben am nächsten Tag gegen Mittag das KH verlassen und sind nach Hause.

Übrigens hatte ich mir auch die nachgeburtlichen Schmerzen schlimmer vorgestellt. Nachwehen hatte ich kaum. Dabei sagenviele beim zweiten Kind seien diese noch viel stärker. Vielleicht hatte ich Glück, ich hab bei beiden Kindern kaum etwas gemerkt.

Es hat sich aber noch einige Tage so angefühlt als wäre ich 500 km cross Country Fahrrad gefahren. Auf blankem ungefedertem Stahlsattel. Besser könnte ich es nicht beschreiben.

Viele Grüße,
K. Mit 👶 4 Monate alt und 👧 2,5 Jahre alt

Bearbeitet von Kandi.mit.k.und.i