Schwerer Start

Hallo zusammen.

Ich hoffe ich kann mich so kurz wie möglich fassen :)
Als dieses Jahr im Oktober unser erwartetes Wunschmädchen (erstes Kind) geboren wurde, wurde meine Frau und ich hart von einem Schock getroffen.
Unser kleines Mädchen kam ohne linke Hand zur Welt, und niemand hatte es vorher bei den Untersuchungen gesehen.
Wir waren wie versteinert.
Eine Mischung aus Traurigkeit, Angst, Unsicherheit und vielen anderen Gefühlen machte sich in uns breit.
Aber nicht schon genug für den Moment, musste meine Frau 10min später per Not-OP behandelt werden da sie plötzlich massiven Blutverlust erlitten hat.

Am Folgetag wurde unser Mädchen zu weiteren Untersuchungen in ein anderes Krankenhaus verlegt.
Meine Frau konnte drei Tage nicht zu ihr da sie selbst zu schwach war.
Eine Woche bin ich mehrmals am Tag zwischen den Krankenhäusern hin und her gependelt.

Nach einer Woche konnten beide endlich entlassen werden.
Und da begann für uns eine emotionale Achterbahnfahrt.

In der ersten Woche und den paar Tagen danach war alles ok.
Als es meiner Frau anfing körperlich besser zu gehen stürtze ich in ein Loch aus Erschöpfung, Trauer (wegen der Hand) und Unsicherheit darüber wie sie ihre Zukunft meistern wird mit Handicap.
Es blutet mein Herz wenn sie ihre linke Hand sucht und nichts da ist.
Ich stellte die Entscheidung ein Kind bekommen zu haben infrage.
Nicht weil ich doch keins wollte, sondern weil ich mit dem Verlauf der Dinge völlig überfordert war.

Als wäre alles nicht schon genug, stirbt zwei Wochen später die kleine Tochter meines Cousins.
Mit der anschließenden Beerdigung, welche mich immernoch zu Tränen rührt, begann die Zeit in der ich mir über alles mögliche was unserer Kleinen passieren oder zustoßen könnte Gedanken zu machen.
Schrecklich wenn man Dinge nachließt die passieren könnten, man gelangt in einen Sog der einen kaum loslässt und alle Ängste nur verstärkt.
Zudem wird man vor so vielen Dingen gewarnt.
Man weiß auf einmal Dinge die man eigentlich gar nicht wissen will, und über die man sich auch keine Gedanken machen sollte.

Mittlerweile geht es einigermaßen mit der Angst und den Sorgen und die Kleine entwickelt sich auch gut für ihre paar Wochen die sie alt ist.
Trotzdem achtet man auf den kleinsten Furz und muss sich dazu zwingen nicht die Flöhe husten zu hören.

Für jeden Kommentar oder hilfreiche Tipps bin ich dankbar.

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Hi ihr,

erst mal herzlichen Glückwunsch zur Geburt eurer Tochter. Ich kann nachvollziehen was für ein "Schock" ihr bei der Geburt durchlebt habt, gerade weil es so unvorbereitet kam.
Habt ihr denn eine Hebamme die euch unterstützt? Ansonsten gibt es die Seite Rehakids, wo es um Familien geht, deren Kinder auch Beeinträchtigungen haben.
Werdet ihr denn von einem Arzt unterstützt, wann zum Beispiel eine Prothese angebracht wäre? Habt ihr halt von eurer Familie? Eventuell käme auch eine Selbsthilfegruppe in Betracht?
Das mit dem Tod des Babys tut mir auch unendlich leid. Da habt ihr alle echt eine Menge durchgemacht:-(

Aber: eure Tochter wächst mit diesem Handicap auf. Sie wird lernen damit umzugehen, weil sie es einfach nicht anders kennt und ich denke durch Ergotherapie? wird sie alles wunderbar meistern und etwas besonderes sein. Ich weiß, es ist nur ein kleiner Trost.

Ich wünsche euch von Herzen nur das Beste.

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Dass Du da einige Schocks verarbeiten musstest, ist verständlich. Mach bitte nun nicht einen Fehler: rauf und runter zu googeln, was alles so passieren kann oder auch in Bezug auf Deine Tochter - lass erstmal alles sacken.
Die mittlerweile 16jährige Tochter eines Vereinskollegen kenne ich von Geburt an, sie kam mit einer sehr fehlgebildeten Hand auf die Welt, sieht aus wie ein V und ist auch nicht als Hand nutzbar. Das Mädel war immer fröhlich und sah sich nie als behindert an - sie setzte die Hand nur als Stütze ein - fertig. Sie wurde ein bildhübscher Teenager und bringt ihren Vater genauso zur Verzweiflung wie seine beiden anderen Töchter.
Was ich damit vermitteln will: Die Eltern sehen alles viel schwärzer als die Kinder selber. ist ja klar, die Kinder machen sich keine Gedanken. Habe ich bei meiner Tochter erlebt (schwere Skoliose mit mehreren auffälligen Gipskorsettbehandlungen) und auch bei meiner Enkelin, die aufgrund ihres Extremfrühchenstatus immer mal mit ihrer Hüfte Probleme hatte. Die ersten beiden Jahre war sie sehr oft aufgrund Operationen in Krankenhäusern, trug Gipse und Schienen - und auf den Fotos strahlt sie immer wie ein Maikäfer.
Du kannst Dich mal bei den Rehakids.de anmelden und schauen, ob Du andere Eltern zum Austausch findest.
Ansonsten - genieß Dein Kind nun erstmal als Baby und glaub mir: Je selbstverständlicher ihr mit allem umgeht, desto lockerer geht auch das Kind mal damit um. Je mehr man sie betüdelt, desto mehr fühlt sie ihren Ausnahmezustand.
Als meine Enkelin mit ca. 10 Jahren mal aufgrund starker Belastung leicht hinkte und sie in der Schule ein Junge als behindert beschimpfte, sagte sie ziemlich locker zu ihm (wir hatten ihr schon lange vorher den Tip gegeben):
"weißt du, viel schlimmer sind die Behinderungen, die man erst merkt, wenn Derjenige den Mund aufmacht - du Vollhonk". Die anderen Kinder lachten sich kaputt - aber nicht über meine Enkelin ;-) Ruhe war.
Ihr werdet das schon schaffen, man wächst mit seinen Aufgaben und darf sich einfach nicht verrückt machen.
Alles Gute!
LG von Moni

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Vielen Dank schonmal fürs durchlesen und kommentieren.
Es wird Tag für Tag besser mit den Sorgen die man hat und die schönen Momente wie ein Lächeln etc. werden mehr und lenken ab.
Internet durchsuchen ist Fluch und Segen in Einem.
Viel Interessantes aber schürt auch viel „unnötige“ Angst.
Es wird noch ein langer Weg zur Ausgeglichenheit, aber wir sind von Tag zu Tag optimistischer.
In diesem Sinne wünsch ich ein frohes Fest und einen guten Rutsch.

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Hallo,
herzlichen Glückwunsch zur Geburt des Töchterleins... #blume

Ich kenne das ähnlich, nur etwas anders... Mit der Geburt des Sohnes, der so perfekt, niedlich und klein war, gesellte sich mit der Zeit eine Trichterbrust dazu...
Zuerst war ich unsicher, bin es sogar noch immer etwas, aber ich habe gelernt, dass es nichts bringt ständig Angst zu haben...
Bring deinem Kind bei selbstbewusst mit dem Handicap umzugehen, alles andere wäre falsch...
Mein Sohn ist mittlerweile 8 und als der Orthopäde ihm mal sagte, dass in der Pubertät was dagegen getan werden könnte, da wollte er das nicht. Er fand das sogar toll, anders zu sein... #scheinNaja, spätestens in der Pubertät sieht er das dann aber doch anders... ;-)

Nun kannst du sagen "ja, aber eine Hand weniger ist schon etwas anderes"
Mag schon sein, aber es ist nun einmal so - und eure Aufgabe ist es, wie bei allen anderen Eltern auch - ein fröhliches selbstbewusstes Kind zu erziehen/zu formen, das den Widrigkeiten des Lebens gegenübertritt und Lösungsstrategien hat...

Ich bin sicher, ihr werdet diese Aufgabe meistern - sobald das Selbstmitleid verschwunden ist... #herzlich

Und ja - sobald man selbst Kinder hat, trägt man das Herz außerhalb des Körpers - das ist so... #verliebt
Lass dich nicht von deinen Ängsten auffressen, damit ist dem Kind nicht gehlfen....

Alles Gute für euch... Tanja

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Lieber r85,

Deine Gefühle bzw. Sorgen gegenüber deiner Tochter kenne ich nur zu gut.
Diese quälende Ungewissheit hat mich vor 2 Jahren fast verrückt gemacht.
Kam doch unsere Tochter im Mai 2017 als scheinbar gesundes Kind zur Welt.
Dies änderte sich aber nach 4-5 Monaten, wo wir ein Horrorszenario durchleben mussten.( Die Geschichte würde den Rahmen jetzt sprengen)
Was ich dir aber mitgeben wollte ist...
Versuche das beste für deine Tochter rauszuholen, klar wird es länger dauern bis ihr euch an die neue Situation gewöhnt habt und es wird auch immer wieder Tage geben an denen es euch eventuell nicht besonders zu Mute ist, aber denke immer daran eure Tochter kennt es nicht anders. Ihr müsst für sie stark sein und sie zu einem Selbstbewussten kleinen Menschen erziehen.
Ich, für mich, brauchte um dies aufzuarbeiten auch professionelle Hilfe. Mein Mann wiederum nicht, der mit dieser Situation ganz anders umgegangen ist und sich teilweise fragte was mein Problem ist, denn sie ist und bleibt ja unsere Tochter, egal mit Handicap oder ohne.
Auch Eltern von gesunden Kindern können nicht sicher sein, dass es so bleibt.
Wie mir der Oberarzt in einem Gespräch sagte...
Kinder sind wie Schmetterlinge im Wind, der eine fliegt höher als der andere, dochjeder fliegt so hoch er kann!
Und er hat so recht damit!
Sei für deine Tochter da, vor allem als Elternteil und genieße die so kurze Zeit mit ihr im Babyalter,denn sie geht so schnell rum.
Wenn mir vor 2 Jahren noch jemand gesagt hätte... in 2 Jahren siehst du alles viel lockerer,hätte ich ihn wahrscheinlich ermordet! Aber es ist wirklich so, du wächst mit dieser Situation mit.
Und eben, auch wenn es schwer fällt, hör auf zu googeln, deìen Tochter wird ihren Weg gehen.
Gerade die Kinder mit Handicap, sind stärker und ehrgeiziger als andere.
Informiere dich am besten mal wegen dem SBH und der Pflegestufe vom MDK.
Ich wünsche dir und deiner kleinen Familie alles gute und ihr werdet es schaffen denn... Am Ende wird die Ente fett!

Ich wünsche euch von Herzen alles Gute!
Bia14

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Herzlichen Glückwunsch zur Tohter!
Das du völlig erschöpft warst ist nach der Stresssituation für mich sehr gut nachvollziehbar. Mein Sohn musste mit wenigen Tagen an einem Leistenbruch operiert werden, mir ging es gut nach der Geburt, trotzdem war es belastend und Stress pur. Du hast dir sorgen um deine beiden Frauen machen müssen plus die Pendelei, das hinterlässt Spuren. Habt ihr eine Hebamme? Auch du darfst über Ängste und Probleme mit ihr reden, die ist nicht nur für deine Frau da.

Das ihr geschockt seid weil die Hand nicht angelegt wurde und vor allem weil es nicht gesehen wurde und ihr unvorbereitet getroffen wurdet ist klar. Wer wäre das nicht?
Ich kenne eine Frau die auch ohne Hand geboren wurde, der Unterarm ist ca 3/4 so lang wie an dem "kompletten" Arm. Die arbeitet hier in einem Laden. Und als wir hier her zogen ist mir erst nach Wochen aufgefallen das da was fehlt. Sie kann und macht alles. Selbst tolle Flechtfrisuren bei ihren Töchtern (die ich wahrscheinlich mit 2 Händen nicht hinbekäme). Ich hab sie mal gefragt wie sie das macht. Antwort "Ganz einfach. Ich kenne es ja nicht anders." . Wenn sie einhändig flechtet oder Schleife bindet denke ich "Oh Gott, ich würde mir die Finger verknoten". Sie sagt aber "Gäbe mir jetzt einer eine voll funktionierende 2. Hand, ich glaube ich könnte nichts damit anfangen". Sie sagt das einzige, was sie "Extra" hat ist das sie ein Auto mit Automatik fahren MUSS und das ihr Motorad umgebaut werden musste.

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Hallo,
zunächst möchte ich euch eure Sorgen nehmen. Mein Sohn wurde auch vor zwei Jahren mit einer dysmelie an der rechten Hand geboren. Wir wurden auch überrascht. Vor einem Jahr wurde er in Hamburg operiert, die Klinik kann ich mir empfehlen, weil sie auf Handfehlbildungen spezialisiert sind. Des Weiteren möchte ich euch den Verein ahoi ev. and Herz legen. Dort treffen sich ausschließlich Leute mit einer Handfehlbildung einmal jährlich, das nächste Mal im Frühjahr. Außerdem gibt es bei Faceb. Eine dysmelie Gruppe und auch von ahoi ev. eine Gruppe. Mein Sohn kann alles, was andere Kinder auch können, halt auf seine Weise. Bald wird der Schock überwunden sein und ihr könnt euch ohne Wehmut an eurer Tochter erfreuen. Alles Gute

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Ach so, deine Tochter wird ihre Hand erstmal nicht vermissen, weil sie es nicht anders kennt. Interessant wird es erst, wenn sie realisiert, dass sie anders ist, aber anders ist ja nicht schlecht. Es gilt ihr Selbstbewusstsein zu stärken, dann kann sie alles erreichen, was andere auch können. Ich habe Kinder gesehen, die haben sich ohne Hände Zöpfe geflochten, da kann ich mir eine Scheibe von abschneiden.

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Klar sucht sie die Hand noch nicht bewusst, aber es tut einem weh wenn man sieht dass sie rechts ihr Spielzeug greifen kann, und links nicht.
Durch den Ablauf mit meiner Frau danach und den Tod der Tochter meines Cousins sind wir halt auch noch ziemlich angeschlagen und ängstlich, aber auch das wird mit der Zeit.
Die Kleine entwickelt sich gut und lacht auch schon richtig, das baut auf :)

Grüße