Gehörlos geboren

Hallo,

gibt es hier Mamas, deren Kind beidseitig taub / gehörlos geboren wurden?

Wir haben vor kurzem erfahren dass unser noch sehr kleiner Sohn gehörlos ist. BERA ergab keine ableitbaren Potentiale.

Ich bin in ein Loch ohne Boden gefallen und will es nicht wahr haben ein so behindertes Kind zu haben.
Wie habt ihr es geschafft euer Kind anzunehmen und das zu akzeptieren?

Ja, es gibt CIs, ich habe aber den Eindruck dass einem dieses Wunderwerk viel zu optimistisch verkauft wird. Die schwere Behinderung wird ja trotzdem immer bleiben.

Wie seid ihr damit fertig geworden?
Im Moment habe ich das starke Gefühl, dass ich das nicht schaffen werde, ich habe noch ein älteres Kind, das sehr viel Aufmerksamkeit braucht.

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Also erstmal solltest du dich beruhigen… so schwerst behindert Ist er damit nicht. Unser Nachbarskind hat dies auch seit Geburt und ziemlich zeitig Implantate bekommen. Sie spricht wie jedes andere Kind und kann zusätzlich die Gebärdensprache… ihr habt es sehr früh festgestellt und somit wird dieses Defizit… für mich ist das keine Behinderung sondern lediglich eine Einschränkung zeitnah behandelt …. Letztendlich erhält er die Chance frühkindlich damit umzugehen und auch die Sprache zeitnah zu erlernen…. Du wirst sehen dein Junge wird damit gar nicht so die Probleme haben wie du sie dir gerade ausmalst und auch du als Mutter wirst die Kraft besitzen dein Kind bestmöglich zu unterstützen… alles liebe

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Ich kann dir wahrscheinlich nur so halb helfen.

Ich habe selbst eine geringgradige Schwerhörigkeit, ausgelöst durch eine Meningokokken-Meningitis.
Ich empfinde es nicht wirklich als Behinderung. Ich kann mich nicht wirklich an die Zeit vor der Meningitis erinnern. Schwerhörig zu sein gehört einfach zu mir. Ich habe zwar Hörgeräte, aber die nutze ich kaum. Das Telefon ist halt sehr laut eingestellt und man kann mich (zur Freude unserer Tochter) sehr gut erschrecken.

Unser Sohn ist ebenfalls behindert, aber keine Gehörlosigkeit, sondern eine Spina Bifida Aperta.
Wir haben uns unmittelbar nach der Diagnose (in der Schwangerschaft) über die Spina Bifida und Behandlungs- bzw. Therapiemöglichkeiten informiert. Wir haben uns für einen fetalchirurgischen Eingriff entschieden, was einige Risiken mit sich bringt. Ich lag seitdem fast ausschließlich, musste auch mit Wehen und Blasenriss frühzeitig ins Krankenhaus. Er musste dann zwei Monate zu früh geholt werden. Aber es bringt auch viele Vorteile und wir sind froh, dass wir so entschieden haben. So kamen wir immerhin um den Wasserkopf und vermutlich auch um die Inkontinenz herum.
Ob er laufen kann, wird sich noch zeigen. Wir haben Hoffnung, dass es zumindest mit Orthesen klappt.

Ich kenne die Ängste in Bezug auf das ältere Geschwisterkind. Unsere Tochter ist nur knapp ein Jahr älter und sehr, sehr fordernd und anstrengend. Bislang hat es immer sehr gut geklappt.
Ja, wir haben mit unserem Sohn einige Termine mehr als mit ihr und da wird sicherlich noch mehr dazukommen, aber sie hat sich schon daran gewöhnt und kümmert sich sehr liebevoll um ihren Bruder.
Sie glaubt, dass alle Menschen eine Narbe auf dem Rücken haben müssen, und wenn sie feststellt, dass mein Mann und ich keine haben, dann hilft sie mit einem Filzstift nach😅
Es klappt einfach irgendwie.

Mich berührt übrigens die aktuelle Werbung von "Aktion Mensch" sehr: Menschen haben keine Behinderungen. Orte haben Behinderungen.
Das finde ich sehr wahr.
Für mich ist sehr wichtig, dass unser Sohn in erster Linie unser Kind ist, das wir sehr lieben. Dass er eine Spina Bifida hat, stelle ich erst dahinter. Ich definiere ihn nicht darüber.

Klar, einige Sorgen um seine Zukunft habe ich immer noch. Die werden wahrscheinlich auch immer bleiben. Aber ich lasse sie nicht die Überhand gewinnen.
Ich bin im Internet auf einige sehr mutmachende Berichte von Menschen gestoßen, die ebenfalls eine Spina Bifida haben. Das hilft.

Ich habe übrigens selbst mal eine junge Frau in meinem Alter kennengelernt, die ein Cochlea-Implantat hatte und sehr gut klarkam. Sie ging zwar früher auf eine Schule für Gehörlose, aber sie hat mit Hörenden zusammengearbeitet und das hat gut funktioniert. Im Sportverein war sie auch mit Hörenden zusammen.

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Hallo ;)

erst mal tief einatmen. Meine Mutter ist auch ohnmächtig geworden, wo sie gehört hat, dass ich taub bds. geboren wurde.
Ich trage 2 Hörgeräte, habe die Gebärden leider erst viel später gelernt. Aber damals waren noch andere Zeiten…. Ich würde dir auf Herz legen, die Gebärden zu lernen. Damit baust du dir ein Urvertrauen zu deinem Kind auf. Dann kannst du nichts falsch machen …
Alles gute :) wenn du fragen hast, gerne PN.

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Es gibt einige Bücher zu "Baby-Signale", also Gebärden für/mit Babies. Es werden auch Kurse angeboten. Bereits mit 6 Monaten können Babies so lernen zu kommunizieren.

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Hallo

In unserer Klasse ist eine junge Frau, die ebenfalls taub geboren wurde und nun Hörgeräte trägt bzw CI.
Sie liest viel von den Lippen ab. Sie hat einen ersten handwerklichen Beruf gelernt und macht jetzt die 2. Ausbildung. Und fährt große Reisebusse dabei.

Du siehst also, dass man so ein normales Leben führen kann.

Viele Grüße!

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Du weißt aber, dass ein Fehlen der Potentiale beim BERA allein noch nicht eine Schwerhörigkeit oder gar Taubheit bedeuten, oder?

Bei meinem Jüngsten war bei Geburt auf der linken Seite kein BERA ableitbar. Es wurde später wiederholt...wieder nichts. Dann wurde er in den folgenden Zeit ständig wieder getestet. Irgendwann stand fest, dass er beidseits richtig hört. Dann hatte er mit 7/8 Jahren einen schweren Unfall inkl. Schädelbasisbruch und Verletzung der Wirbelsäule. Es wurde wieder getestet, ob er hören kann (neben vielen anderen Dingen)...er konnte. Heute, 5 Jahre nach diesem Unfall, bekam er nun die Diagnose einseitige Taubheit (rechts). Das waren insgesamt 4 verschiedene Hörtests die gemacht wurden. Teilweise wurden diese auch auf dem rechten Ohr mehrfach wiederholt. Erst wenn all diese Tests identisch sind im Ergebnis, stimmt die Diagnose. Der BERA allein sagt nichts. Hätte der BERA damals bei meinem Jüngsten recht gehabt, wäre mein Sohn jetzt vollständig taub, das ist er aber nicht.

Was sagt denn die HNO-Klinik bei euch? Hörgeräte gehen bei uns auch nicht. CIs nur vielleicht. Allerdings sind wir da absolut dagegen. Er hat ja noch ein gesundes Ohr.

Was Behinderungen angeht... Mein Sohn ist zum Glück „nur“ auf einer Seite taub, aber er ist auch noch geistig behindert, Autist, Epileptiker, hat eine Stoffwechselstörung, einen Gendefekt, eine Essstörung und eine ganze Menge Fehlbildungen. Ich denke als Mutter ist man da eh voreingenommen, nur das geht nicht nur mir so... Er ist sehr beliebt...überall. Ich habe echt noch nie einen schwer mehrfachbehinderten Menschen gesehen, der so beliebt ist - auch bei den Gesunden. Und wenn Fremde schon so auf ihn reagieren, was glaubst du denn, wie wir Eltern auf ihn reagieren? Natürlich lieben wir ihn über alles.

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Dein letzter Absatz transportiert so viel Liebe für dieses Kind 💓 ich wünsche euch das Allerbeste!

@TE: durchatmen und einen Schritt nach dem anderen gehen. Dein Baby braucht dich und genau deshalb wirst du es schaffen was auch immer auf dich zukommen wird. Alles Liebe

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Liebe Einzelgängerin,

das ist natürlich ein Schock für euch, aber vielleicht könnt ihr euch später noch einem anderen Aspekt zuwenden: Gehörlose sind nicht nur behindert. Sie sind Teil einer lebendigen Kultur mit einer wunderschönen Sprache. Sie sind heute gut vernetzt und haben alle beruflichen Chancen. Wenn ihr Eltern die Gebärdensprache lernt könnt ihr problemlos mit eurem Kind kommunizieren und Teil dieser Community werden.
Ja, ich verstehe dass man auch trauern muss, um den Wunsch nach einem völlig gesunden Kind, aber vielleicht könnt ihr es ja irgendwann von dieser anderen Seite betrachten.

LG
Muriel

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Bitte melde Dich bei den rehakids.de an. Dort kannst Du auch sehr viel Rat und Hilfe bekommen.
LG Moni

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Hallo,

du machst dir viele Gedanken um dein Kind und schaust dabei auf das "Defizit" und dann kommen Ängste, Sorgen und Gedanken, die kein Ende nehmen. Das ist normal, völlig normal. Aber es engt dich ein, so dass du sogar das denkst:
"Wie habt ihr es geschafft euer Kind anzunehmen und das zu akzeptieren?"
Das geht.
Versuche die Perspektive zu wechseln, weg vom Defizit. Einen Menschen machen nicht seine Defizite aus, sondern so viel mehr. Persönlichkeit, Charakter, liebenswerte Eigenschaften.
Vielleicht gibt es in eurem Umfeld eine Beratungsstelle für Hörgeschädigte, die sollte es in jeder größeren Stadt geben. Da arbeiten Sozialarbeiter, die tief in der Materie drin stecken und gut beraten können.
Was die CI Versorgung angeht gibt es eine Pro Seite und natürlich auch eine Contra Seite. Auch dabei würde ich zu einer umfassenden Beratung raten.
Ich wünsche euch von Herzen alles Gute!