Vaterrolle hinterfragen?

Liebe Community,

ich habe mal eine Frage an die Väter hier und bitte schonmal vorab, den Roman zu entschuldigen, den ihr hier zu lesen bekommt.

Kurz zu mir: Ich bin 35 Jahre alt, seit 13 Jahren mit meiner wunderbaren Frau zusammen (davon 7 Jahre verheiratet) und unser Sohn wird nächste Woche 14 Monate alt. Er war ein absolutes Wunschkind und in jeder Hinsicht geplant und gewollt und wir sind überglücklich mit unserer kleinen Familie.

Schon während der Schwangerschaft war für mich ganz klar, was für ein Vater ich sein will. Ich wollte das Gegenteil eines Boomer-Daddys sein. Mir ist es total wichtig, dass meine Frau und ich gleichermaßen emanzipiert sind und wir beide für unseren Sohn denselben Stellenwert haben. Die Kohle ranschaffen und mein Kind nur abends oder am Wochenende zu sehen reicht mir nicht. Ich will präsent für ihn sein und habe daher auch 5 Monate Elternzeit genommen. Ansonsten arbeite ich im Homeoffice und bin somit auch fast immer greifbar.

Auch ansonsten bin ich insgesamt sehr verkopft. Ich reflektiere mich immer selbst, frage mich immer, ob das, was ich tue, gut und richtig ist und ob ich ein guter Vater bin. Ich recherchiere viel, lese viel will nichts dem Zufall überlassen. Meine Frau und ich tauschen uns über jede (für Außenstehende wahrscheinlich belanglose) Kleinigkeit aus.

Insgesamt sind meine Ansprüche an mich als Vater sehr, sehr hoch. Es ist mir wichtig, ein guter Vater zu sein und meinem Sohn alles zu bieten, was er braucht. Ich denke mir immer, dass es UNSERE Entscheidung war, dass er auf die Welt kommt und dass er deshalb alles verdient, was wir leisten können. Er hat sich dieses Leben nicht ausgesucht. Er ist da, weil wir es wollten und daher sind wir beide dafür verantwortlich, dass es ihm gut geht.

Meine Frau und ich haben uns auch bewusst gegen weitere Kinder entschieden, weil wir diesem Anspruch, den wir an uns haben, bei mehreren Kindern nicht gerecht werden können.

Meine eigentliche Frage ist: Ist das bei euch genauso? Wollt ihr als Vater präsent sein oder reicht es euch, eure Kinder nur stundenweise zu sehen? Seid ihr nur fürs Geldverdienen da oder seid ihr wirkliche Familienväter und wie geht es euch damit? Hinterfragt ihr euch und euer Tun oder macht ihr einfach euer Ding?

Ich bin sehr gespannt auf eure Beiträge.

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Ich kann den emanzipatorischen Anspruch sehr gut nachvollziehen. Und ich würde für mich auch beanspruchen, dass ich ein gleichwertiges Elternteil bin, das unter der Woche sogar den größeren Teil der Care Arbeit übernimmt, während meine Partnerin Karriere macht und den Großteil des Haushaltseinkommens beschafft.

Allerdings sehe ich mich dabei nicht als Perfektionisten. Ich glaube generell nicht, dass man Elternschaft unendlich optimieren kann. Kinder brauchen ein paar Bssics in Sachen Aufmerksamkeit, Fürsorge und Beständigkeit. Aber diese Basics können auf unterschiedliche Weise von den Eltern oder auch anderen Personen geleistet werden. Jedenfalls würde ich davor warnen „der perfekte Papa“ sein zu wollen. Niemand ist das, man wird dadurch als Person bloß unauthentisch wenn man sich da in eine Rolle komplett versenkt. Das besondere am Tier Mensch ist doch seine unglaubliche Flexibilität, darauf kann man als Elternteile durchaus auch zählen: es gibt viele gute Wege der Erziehung, nicht bloß einen, den man perfekt umsetzen muss.

Der Schluss, nur ein Kind bekommen zu wollen, um optimale Elternleistung erbringen zu können, erscheint mir logisch nicht zwingend. Denn Kinder freuen sich oft auch darüber, wenn sie nicht in der Minderheit sind. Vielleicht kommt das noch wenn euer Kind etwas älter ist und sich darüber mit euch verständigen kann.

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Finde die Warnung gut!
Und ich möchte noch anmerken, dass man auch zu perfekt sein kann und die Kinder dadurch mit Liebe und Aufmerksamkeit auch erdrücken kann.
Oft würden sich solche Kinder über ein Geschwisterchen freuen, damit sie nicht ständig so im Fokus sind.

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Hallo.

Ich antworte dir mal für meinen Mann:
Er nimmt auch Elternzeit (6 Monate), weil er von der Entwicklung der kleinen was mitbekommen möchte. Am Wochenende ist er super glücklich, genügend Zeit zum Kuscheln und Spielen mit ihr zu haben. Unter der Woche genießen beide exklusive Papa-Zeit mit Baden und Abendflasche geben. Sogar das Tragen im Tragetuch macht er, obwohl er da meint, dass wir Frauen für die Babys einen riesengroßen Vorteil bieten - das anatomisch bereits vorhandene "Kopfkissen". 😂
Er hinterfragt auch oft, ob er alles richtig gemacht hat. Und wir reden viel abends - auch über Kleinigkeiten. Aus meiner Sicht absolut normal.

Ich finde, wenn man auch als Mann auf sein Bauchgefühl hört, dann kann man nur ein guter Papa sein. Und Fehler macht jeder. Da sind wir Mütter aus meiner Sicht auch nicht frei von. Das Baby kommt schließlich ohne Bedienungsanleitung und jedes Baby ist absolut individuell, sodass man - auch wenn man mehrere Kinder hat - nicht Schema F hat und das funktioniert dann.
Du wirst für euren Sohn ein toller Papa sein! Ich wünsche dir und deiner kleinen Familie weiterhin alles Liebe und Gute!

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Ja, das ist bei mir auch so. Hier wird dir wohl kaum ein Vater schreiben, bei dem es anders ist. Mein Sohn ist fast 3 und ich habe jetzt meine Arbeitszeit reduziert, um noch besser für ihn da sein zu können. Da meine Frau weniger pro Stunde verdient als ich, war das keine "vernünftige" Entscheidung, aber das ist mir egal. Wir fahren auch gerne zu zweit mal für ein paar Tage weg oder machen Ausflüge, so dass die Mama in Ruhe arbeiten kann oder Zeit für sich hat.

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Das klingt ganz unglaublich, dass bei euch alles ohne Diskussionen lief.
Wie erklärst du dir das im Rückblick, Mat?

Seid ihr eine Regenbogenfamilie? (Weil du hier als Vater über deinen Partner schreibst.) Ich denke man kann als normcore Hete sehr viel lernen von den Regenbogen-Communities. Im Prinzip haben die emanzipatorischen Bewegungen, die heute als LGTBQ zusammengefasst werden, Rollen und Beziehungsmodelle schon viel früher durchreflektiert und neue Varianten ausprobiert.

Da du offenbar ein Veteran bist mit 28 oder 30 Jahren Vaterschaftserfahrung: Wie hat sich dein Verständnis der Vaterrolle über die Zeit verändert?

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Ich danke euch allen sehr für eure Beiträge und Gedankenanstöße und finde sehr interessant, was ihr zu sagen habt :)

Es geht mir gar nicht darum, perfekt zu sein. Wenn man das sein möchte, scheitert man zwangsläufig an den eigenen Ansprüchen. Das ist mir voll bewusst. Mir geht es einfach darum, so wenige Fehler wie möglich zu machen und so präsent wie möglich zu sein. Gleichzeitig räume ich mir auch ein, Fehler zu machen, weil ich eben auch nur ein Mensch bin. Aber ich nehme meine Vaterrolle einfach ernst. Einen wichtigen Gedankenanstoß haben meine Frau und ich von einem befreundeten Paar bekommen, das in einer ähnlichen privaten und beruflichen Situation ist wie wir. Kinder brauchen zwar liebevolle und präsente Eltern, aber sie brauchen keine Märtyrer, die sich um der Kinder willen komplett selbst aufgeben und sich komplett aufreiben. Das ist meiner Einschätzung nach ein ganz wichtiger Punkt. Meine Frau und ich achten sehr darauf, dass wir beide auch noch Me-Time haben, in der wir machen können, was uns gut tut (Musik machen, zum Sport gehen etc). Und wir achten auch darauf, dass wir im Rahmen des Möglichen auch Us-Time haben (ist halt bissel schwierig, da wir keine Verwandten haben, die mal auf das Kind aufpassen können), sodass man sich auch als Paar nicht verliert. Nur wenn man selbst glücklich ist, kann man auch eine gute Mutter bzw ein guter Vater sein.

Was häusliche Pflichten angeht, ist bei uns auch alles fair aufgeteilt. Wir sprechen auch nie über Aufgaben, sondern jeder macht halt einfach irgendwas, damit wir nicht in einem Saustall leben :D

Was das Einzelkindthema angeht: Meine Frau und ich sind uns aus mehreren Gründen absolut sicher, dass wir keine weiteren Kinder möchten. Ein wichtiger Punkt ist, dass wir - einige Jahre, bevor der Kinderwunsch da war - eine Wohnung gekauft haben, die für eine vierköpfige Familie einfach nicht geeignet ist. Mit einem Kind funktioniert das nach einigen Umbauten wunderbar, aber mit mehr Kindern wäre das unmöglich. Aber das ist nicht der Hauptgrund. Bei uns ist es tatsächlich so, dass wir beide unsere Ressourcen auf ein Kind konzentrieren wollen. Sei es finanziell oder emotional. Wir denken hier insbesondere auch schon an später. Wir könnten es uns leisten, einem Kind eine gute Schule und/oder das Studium zu finanzieren (wenn es das denn möchte - es gibt hier keinen Zwang!) , aber bei zwei Kindern wäre das unmöglich. Eines müsste dann immer ein Stück weit zurückstecken und das wollen wir nicht. Meine Eltern haben mich nicht unterstützt und ich weiß, wie hart das ist! Außerdem könnten wir die Betreuung von mehreren Kindern überhaupt nicht leisten, da wir - wie ich oben schon erwähnt habe - keine Verwandten in der Nähe haben, die greifbar sind und uns unterstützen können. Daher steht unser Entschluss auch soweit fest, dass ich mich zwei Monate nach der Geburt hab sterilisieren lassen. Außerdem sind wir beide selbst Einzelkinder und fanden es cool, keine Geschwister zu haben. Aber hier gehen natürlich die Wahrnehmungen und Bedürfnisse auseinander und ich verstehe jeden, der sagt dass er/sie aus welchen Gründen auch immer mehrere Kinder möchte. Nur für uns kommt das einfach nicht in Frage.

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Das klingt gut durchdacht und überzeugend. Genau auf diese „Märtyrer“-Geschichte wollte ich hinaus mit dem Perfektionismus.

Ich kann auch die Überlegung zu den emotionalen und finanziellen Ressourcen gut nachvollziehen. Wir haben dasselbe Thema im Prinzip auch. Und es lohnt sich, das langfristig zu denken (Ausbildung, Wohnsituation, ..) und auch ehrlich die eigenen Grenzen zu betrachten.