Warum brennt uns das eigentlich so auf der Seele

Langsam frage ich mich, warum uns die Flüchtlingsfrage eigentlich so auf der Seele brennt.

Wir wissen jetzt von Missständen, von denen wir noch nie gehört haben. Da soll eine Schule Fünftklässlern erlauben in der Pause über drei stark befahrene Straßen zum einkaufen zu gehen, da soll ein Marktleiter kommentarlos hinnehmen, dass seine Kunden angepöbelt werden und da will eine Leiterin einer Flüchtlingsunterkunft Menschen "verrotten" lassen.

Ob jemand hier wirklich Kontakte mit Flüchtlingen hatte, die über Kontakte in der Nachbarschaft oder beim Einkaufen hinausgehen sei dahingestellt.

Ein dummdreister Ton ist im Internet nicht selten - aber diese threads unterbieten so einiges, was zu diesem Thema schon zu lesen war.

Warum macht uns das eigentlich so viel Angst? Ist es, weil die Konflikte, die zur Flucht führen kaum beeinflusst werden können? Ist es eine allgemeine Angst vor allem Fremden oder vor einer anderen Religion?

Was meint ihr?

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Hallo,

meine Ängste kann ich dir gerne nennen.

Bei uns leben die Flüchtlinge nur eine Straße weiter. Bereits wenige Tage, nachdem sie hierher gekommen sind, gab es den ersten Überfall. Ein junger Mann wurde von zwei Männern überfallen und beraubt. Selbst als er schon auf dem Boden lag, wurde nachgetreten. Das war hier erst der Anfang. Wir trauen uns kaum noch aus dem Haus.

Eine Bekannte musste die Wohnung räumen, die sie von der Stadt gemietet hatte. Egal, dass sie schon fast 38 Jahre dort wohnte, die Flüchtlinge gehen vor. Sie kam bei ihren Verwandten unter.

Studentenwohnheime sind für die Flüchtlinge vorgesehen. Entweder müssen die Studenten nun teurere Wohnungen anmieten oder sie haben Pech gehabt.
Ich frage mich, was noch alles kommen wird. Achso, unsere Gemeinde fragt schon durch, wer sie privat aufnehmen würde, weil der Platz fehlt.

Hoffe, du kannst dir denken, dass ich nicht positiv gestimmt bin. Habe auch schon von Flüchtlingen gehört, die sehr nett sind, sich einbringen und schon tolle Freundschaften entstanden sind. Wenn ich solch ein Erlebnis gehabt hätte, würde ich wahrscheinlich auch anders denken.

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Das sind die Erlebnisse, von denen niemand wissen kann, ob sie stimmen. Ich unterstelle die keine Lüge - aber es ist schwierig dazu etwas zu sagen,ohne den Einzelfall zu kennen.

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doch genau , das ist das was ich meine , du vermutest hinter solchen Erfahrungen grundsätzlich eine lüge, weil es nicht in Dein Weltbild passt.

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Ich mutmaße nur: Weil es bald knallt/es so nicht weitergehen kann/irgendwann mal Schluss sein muss/nicht alle kommen können/wir überfordert sind. Zumindest sind das die Dinge, die ich hier immer lese.
Ich finde auch, dass wir vieles diskutieren müssen: Wie kriegen wir die Leute in Betreuung, Ausbildung, Arbeit? Wie kann das funktionieren, wenn viele Ungebildete kommen? Wie stellen wir sicher, dass die Gleichheit von Mann und Frau und die Gleichberechtigung sexueller Minderheiten weiterhin ohne Wenn und Aber gilt? Ich sehe da bei Weitem nicht alles rosarot, auch wenn das Menschen, die das Asylrecht für eine gute Sache halten und es nicht beschneiden wollen, ja gern gebetsmühlenartig unterstellt wird.

Aber solange hier noch immer Halbwissen, Lügen und Vorurteile verbreitet werden, die sich sämtlich unter "Die sind fremd, die wollen wir hier nicht haben" und "Oh Gott, jetzt kommt die ganze Welt zu uns" subsumieren lassen, können wir die wirklich wichtigen Fragen gar nicht angehen.

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Achso: vergessen. Mich treibt das vor allem deshalb so um, weil ich glaube, dass der Umgang mit dieser Krise etwas darüber aussagt, was für ein Land wir in Zukunft sein wollen.

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Das denke ich auch.

Ich bin froh darüber in einem Land zu leben, das niemanden zur Flucht zwingt und vielmehr andere schützen kann.

Natürlich sind da auch Probleme zu erwarten - aber eben auch Chancen.

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Weil es direkt vor unseren Haustüren passiert - und viele Menschen befürchten, dass die Folgen der Flüchtlingspolitik nun in alle ihre Lebensbereichen eindringt und dort für Veränderungen sorgt.

LG
Nele

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Sind das wirklich Folgen der Flüchtlingspolitik?

Ich meine eher, es seien Folgen der Konflikte im Nahen und Mittleren Osten, in Afrika und in Afghanistan. Diese Menschen sind aber ohnehin durch die Genfer Konvention geschützt. Daran könnte eine einzelne Regierung nichts ändern, selbst wenn sie es wollte.

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Ja, natürlich liegen die Gründe für die ganzen Krisen in der Welt viel tiefer.

Aber das interessiert doch den Bürger hierzulande herzlich wenig, solange den Schaden immer nur die anderen tragen.

Hier gilt die Ersatzreligion "Wirtschaftswachstum" - die Mittel dazu sind egal.

Jetzt aber ist der Konflikt direkt im eigenen Dorf angekommen...die Flüchtlinge laufen doch tatsächlich frei auf der Straße rum, deren Kinder werden mit den eigenen Kindern einer Klasse sitzen.

Plötzlich ist die Politik ganz nah...der Konflikt steht vor der Haustür ... Fremde Menschen machen tatsächlich Ansprüche an unsere Gesellschaft geltend.

Das erzeugt Panik.

LG
Nele

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Weil die Aussicht darauf, daß wir einen Zuzug von vielen Menschen haben werden etwas mit unserem Selbstbild macht.

Wir Menschen teilen die Welt in "Wir" und "die" ein
"Wir", das sind immer die Teile, denen ich mich zugehörig fühle (meine Familie, Mein Kollegium, meine Religionszugehörigkeit, Nationalität, meine Fußballmannschaft...) und "Die", das sind immer diejenigen, die in Abgrenzung dazu stehen (Die Nachbarsfamilie, die gegnerische Fußballmannschaft...).

Wenn wir nun jeden Tag vorgeführt bekommen, daß wir eben nicht in einem monoethnischen, monoregligiösen Land leben und sich diese (jetzt schon bestehende) Heterogenität eher noch verstärken wird, werden wir zur Veränderung in unserem Selbstbild, zu einer der "Wir"- Gruppen gezwungen, ohne daß wir darauf Einfluss hätten.

Die Frage, inwieweit die "Heimatvertriebenen" von 1945 zum "wir" oder "die" gehören, hat lange Zeit die Bevölkerung beschäftigt.
Wir holten uns Menschen aus anderen Ländern und nannten sie "Gastarbeiter", was klar machen sollte, daß sie "die" blieben, auch wenn sie hier bei "uns" lebten.
Wir teilen auch 25 Jahre nach der Wiedervereinigung immer noch in "Ossis" und "Wessis" usw...

Es braucht als erfahrungsgemäß eine lange Zeit, um integrieren zu können.
Und jedes Mal verändert es auch "uns", weil sich eine der "Wir-Kategorien" verändert.

Die Ängste auf beiden Seiten könnten nun vielleicht so aussehen
1. Ich möchte mich keinem "Wir" zugehörig fühlen, daß mir so fremd ist, wie ich mir im Moment den "Flüchtling", "den Islam",... vorstelle. Ich habe Angst, daß ich mit neuen Werten und Normen konfrontiert sein werde, die ich nicht gutheiße. Ich habe Angst, daß ich in diesem Veränderungsprozess zu den Verlieren zählen könnte

und auf der anderen Seite

2. Ich habe Angst, daß Fremdenfeindlichkeit wieder normal wird, daß wir zurückfallen in die Schlimmste Episode unserer Geschichte, daß wieder Menschen um ihr Leben fürchten müssen ,weil sie anders aussehen oder einer andern Religion angehören als die Mehrheitsgesellschaft.

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Gute Gedanken!

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Danke!
Leider habe ich nicht das Gefühl als würden gute Gedanken hier besonders interessieren.
Das ist auch der Grund, weshalb ich mich hier an den Diskussionen nicht beteilige.

Wenn ich aber dann doch mal reinlese, dann freue ich mich über Versuche wie die von dir, den verhärteten Fronten mit sachlichen Argumenten zu begegnen.

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In jeder Bevölkerung gibt einen Anteil X an Menschen, denen bevorstehende Veränderungen mit nicht vorhersehbarem Ausgang Angst machen. Die Ängste sind ganz unterschiedlicher Art und nicht selten irrational. Xenophobie ist eine Urangst und sie soll vermeiden, sich unvorbereitet und ungeschützt, dem Fremden zu nähern. Es könnte schließlich eine feindselige Begegnung sein. Das schließt Begegnungen mit Ereignissen genauso ein wie die Begegnung mit unbekannten Menschen und Kulturen. Je weniger Kontakte man in seinem Leben mit Unbekanntem hatte, desto größer ist die Furcht davor. Menschen, die sich oft in fremden Kulturkreisen bewegt haben, können sich schneller und bereitwilliger mit Fremden bekanntmachen, sie einschätzen und sich assimilieren.

Nicht umsonst sind in Deutschland dort Fremdenangst und Fremdenfeindlichkeit besonders stark dort verbreitet, wo es die wenigsten oder gar keine Fremden leben.

Fremd ist aber nur, was ich nicht kenne. Ängste könnten grundsätzlich reduziert werden wenn es Bereitschaft gibt, sich ein Stück weit dem Fremden zu nähern. Sind aber Ressentiments oder Vorurteile zu stark, kapselt man sich noch mehr ab und isoliert sich zunehmend.

Natürlich spielen auch noch eine ganze Anzahl individueller Eigenschaften und Verhaltensweisen bei den unterschiedlichen Anmerkungen zum Thema eine Rolle. Die Beurteilung der persönlichen Perspektiven in direktem Zusammenhang mit dem Flüchtlingsthema ebenso wie persönliche Erfahrungen mit z.B. Migranten oder Flüchtlingen. Abstiegsängste sind ein ernstzunehmendes Thema, auch wenn dies mit Flüchtling ad hoc nichts zu tun hat.

Der eigene Erfahrungsschatz mit dem Thema und dessen Gewichtung wird eine tragende Rolle spielen, ob man Flüchtlinge eher Willkommen heißt oder ablehnt. Auch wenn diese Berührungspunkte nur Schlaglichtcharakter haben.

Schließlich aber werden je nach Ausprägung von Intelligenz, Empathie und kosmopolitischen Erfahrungen Emotionen eine gewichtige Rolle einnehmen. Hartleibigkeit dort, Mitgefühl hier. Fremdenfeindlichkeit dort, Offenheit hier. Zukunftsoptimismus vs. Kulturpessimismus.

Aber Ängste werden eine tragende Rolle bei diesem Thema spielen. Dass Angst bisweilen den Sachverstand außer Kraft setzt, zeigen die vielen Antworten bei dem Thema aus dem Lager der Skeptiker. Dort werden Kleinstigkeiten aufgebauscht, Halbwahrheiten erzählt bis hin zu kompletten Lügen. Nur um letztlich der eigen Angst eine möglichst große Bühne zu geben.

Und der große Bruder von Angst ist Hass. Auch Tendenzen dahingehend, unterfüttert von Neid und Missgunst lassen sich ablesen.

Diese Stimmungen in der Bevölkerung werden von Politikern aufgenommen und erhalten medial einen Verstärkereffekt. Dieser muss sich nicht an ökonomischen Realitäten orientieren sondern vielmehr an den Regeln der Psychologie. "Sag, was das Volk scheinbar hören möchte", so kommt es mir derzeit vor allem bei den Statements der CSU vor. Es geht schließlich auch um Wählerstimmen.

Den etwas Beleseneren wird klar, welche Versäumnisse in der Einwanderungspolitik generell in den letzten Jahrzehnten vorliegen. Dass sich z.B. die CDU/CSU seit Jahrzehnten daran klammert, dass Deutschland kein Einwanderungsland werden darf. Gleichzeitig versagen sich die Verantwortlichen eine Antwort auf den demographischen Wandel.

Wir unterhalten uns auch nicht über die eine Wahrheit, die Gültigkeit für jeden hat. Das Bedrohungspotential für z.B. einen gutausgebildeten Gymnasiallehrer stellt sich ganz anders dar als im Niedriglohnsektor.

Je nach Sichtweise geht für den einen die deutsche Kultur unter, für den anderen wird sie bereichert und erweitert.

Dass wir viele Dinge im Alltag aus anderen Ländern und Kulturen bereits komplett übernommen haben und kaum noch hinterfragen werden, zeigt, dass Wandel ein ganz natürlicher Prozess ist. Kommt dieser Wandel aber, wie es momentan scheint, mit solcher Vehemenz, dann kapitulieren viele vor der scheinbaren Unlösbarkeit. Dabei kann man mit einigem Recht sagen, dass auch diesmal das Kölsche Sprichwort " Et is noch immer jot jejange" zum Tragen kommen wird.

Ich wage sogar die Prognose, dass in einem Jahr diese Diskussionen hier oder woanders in der Form nicht mehr geführt werden. Der Mensch ist vor allem ein Gewohnheitstier. Und auch an das Thema Flüchtlinge wird man sich gewöhnen und, wenn der Druck groß genug ist, auch politische Lösungen, das Thema befrieden.

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Warum? Weil es uns nicht möglich ist, dieses Thema objektiv zu betrachten. Entweder wir sehen alles düster oder wir sehen alles rosarot. Sieht man doch an dir. Bloß, weil du bestimmte Missstände nicht kennst, gibt es sie eben einfach nicht. Ob wohl das Zulassen oder reden über solche Dinge mit nichten bedeutet, dass alle Flüchtlinge schlecht sind. Es ist einfach das Erkennen, dass es neben weiß auch immer schwarz und viele, viele Grautöne gibt.

Aber vielleicht hast du ja eine Idee, woran das bei dir liegt?

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Stop - ich bezweifle nicht, dass es auch im Umgang mit Flüchtlingen Probleme gibt. Das tut auch kein vernünftiger Mensch.

Das heißt aber nicht, dass jede noch so abstruse Geschichte von vornherein wahr sein müsste. Solche Stories sind sinnlos, weil es nicht möglich ist sie auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen.

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aber all das was du von dir gibst ist wahr? falsch#aha nicht mal ein Bruchteil davon, fast alle Deine Thesen wurden bisher widerlegt oder?#aha

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Ja, warum brennt es dir so auf der Seele?
Es ist doch alles gut und du hilfst ja " angeblich"

Warum es mich nervt?

Wir werden demnächst vorübergehend einen unserer Läden schliessen.

Ich habe keine Angst, mir geht alles tierisxh auf den Geist. Vor allen auch solche Leute, wir Du es bist

Gruss

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Ich finde es unter aller Sau, wie persönlich die Threaderöffnerin hier angegriffen wird. Und wie sich dann ganz schnell die Leute gleicher Ansicht zusammenrotten und hetzen und glauben, entscheiden zu können, wer sich in diesem öffentlichen Forum wie äußern darf.
Und irgendwie wundert es mich so gar nicht, dass das gerade von denen kommt, die offenbar mit einer offenen, liberalen Gesellschaft so ihr Problem haben.

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Hallo,

vielleicht erinnern sich einige an die Ausschreitungen 1992 in Rostock. Hier kann man einiges nachlesen:

https://de.wikipedia.org/wiki/Ausschreitungen_in_Rostock-Lichtenhagen

Zu 1992 und heute sehe ich einige Parallelen: viele Flüchtlinge, Ängste der Deutschen, Überforderungen, Zunahme der rechten Parolen und Gewalt. Ich befürchte, daß sich dieses Ereignis wiederholen kann. Hoffen wir, daß der gesunde Menschenverstand die Oberhand behält.

LG
Manu