Deutschland und der Islam

Momentan kochen ja die Wogen wegen Seehofer und seiner Äußerung zum Islam hoch.

Was Seehofer ntv zufolge in der BILD gesagt hat, ist dieses:

"Der Islam gehört nicht zu Deutschland. Deutschland ist durch das Christentum geprägt. Dazu gehören der freie Sonntag, kirchliche Feiertage und Rituale wie Ostern, Pfingsten und Weihnachten. Die bei uns lebenden Muslime gehören aber selbstverständlich zu Deutschland. Das bedeutet natürlich nicht, dass wir deswegen aus falscher Rücksichtnahme unsere landestypischen Traditionen und Gebräuche aufgeben. Meine Botschaft lautet: Muslime müssen mit uns leben, nicht neben oder gegen uns. Um das zu erreichen, brauchen wir gegenseitiges Verständnis und Rücksichtnahme, und das erreicht man eben nur, wenn man miteinander spricht." (Quelle: https://www.n-tv.de/politik/politik_kommentare/Was-Seehofer-auch-noch-sagte-article20340369.html)

In der Sache kann ich ihm da kaum widersprechen: Wo Deutschland religiös geprägt ist, geht es um Prägung durch das Christentum, und je nach Region sogar noch genauer um eine eher katholische oder protestantische Prägung. Insofern hat m.E. Seehofer recht und Wulff mit seiner Aussage, der Islam gehöre zu Deutschland, seinerzeit unrecht.

Aber es geht natürlich nicht nur um das, was gesagt wird, sondern was damit gemeint war. Und in dieser Hinsicht war Wulffs Postulat wichtig. Vielleicht hätte er besser sagen sollen, die Muslime gehören zu Deutschland, aber vielleicht war ihm das zu banal. Und umgekehrt ist Seehofers Aussage auch als Botschaft an rechte Wählergruppen zu verstehen (sofern sie nur den ersten Teil mitbekommen und nicht den Nachsatz: "Die bei uns lebenden Muslime gehören aber selbstverständlich zu Deutschland.")

Und so hat man denn die Wahl zwischen Pest und Cholera: Wulff wollte das Richtige, sagte es aber falsch, Seehofer sagt es richtig, aber aufgrund einer fragwürdigen Motivation.

So oder so finde ich es schräg, wie schnell sich verschiedene Akteure beeilen, welche Religion auch immer als zu Deutschland zugehörig darzustellen. Ist es nicht eigentlich eine zivilisatorische Leistung, Religion aus dem Staatsleben hinaus ins Private zu befördern? Was gehört denn noch zu Deutschland? Buddhismus, Hinduismus, Pastafarianismus?

Und wie merkwürdig wir mittlerweile diskutieren in diesem Land. In der ZEIT wird der Vorsitzende der Linkspartei, Bernd Riexinger folgendermaßen zitiert "Damit er gleichzeitig hetzen und von gegenseitigem Verständnis und Rücksichtnahme schwadronieren kann, unterscheidet Seehofer zwischen der Religion selber und ihren Gläubigen." (http://www.zeit.de/politik/deutschland/2018-03/islam-debatte-horst-seehofer-linke-gruene-fdp).

Es ist also verwerflich, zu differenzieren, verwerflich, dass man unterscheidet zwischen einer Glaubensrichtung und dem Menschen und Menschen nicht nur als Vertreter ihres Glaubens sieht? Und das sagt ein Vorsitzender einer laizistischen Partei...?

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Ich antworte jetzt mal aus einer Perspektive einer Person, die an einer Schule arbeitet, an der der Großteil der Schüler muslimisch ist.
Es gab bei uns an der Schule zur letzten Bundestagswahl eine Podiumsdiskussion, auf der der AfD-Fritze sagte, der Islam gehöre nicht zu Deutschland und damit ins gleiche Horn getutet hat wie Seehofer.
Es tat mir damals entsetzlich leid für all die gut integrierten Schüler, denen ihr Glaube genauso egal ist wie unseren christlichen Schülern bzw. die ihren Glauben so leben, dass es keinen Einfluss auf das Schulleben hat. Natürlich gehören sie zu Deutschland, sie sind genauso sozialisiert wie ihre deutschen Mitschüler. Ihnen zu sagen, sie gehören nicht dazu, finde ich grundfalsch und für extrem kontraproduktiv in Sachen Integration.

Es gibt aber einige wenige Dinge, an denen ich mich stoße: wir planen unsere Klassenfahrten an unserer Schule z.B. jedes Jahr um den Ramadan herum, weil eben in der Zeit viele Schüler nicht mitfahren wollen/dürfen. Das halte ich für grundverkehrt, wir planen auch nicht um die christliche Fastenzeit herum und es entspricht meiner Überzeugung, dass das der Staat laizistisch sein soll. Auf religiöse Interessen, egal welcher Couleur, darf man keine Rücksicht nehmen. Gerne dürfen wir auch unsere Oster- und Weihnachtsferien in Frühlings- und Winterferien umbenennen. Und ich mag es überhaupt nicht, wenn man da als deutsche Kartoffel auf megatolerant macht und damit dem Islam punktuell einen Stellenwert einräumt, den nicht mal das Christentum hat.

Ebenfalls stoße ich mich an Kopftüchern und z.B. an der Attitüde einiger Schülerinnen, Männern nicht die Hand geben zu wollen. Ich halte das schlicht und ergreifend für falsch. Im Iran kämpfen Frauen dafür, ohne Kopftuch auf die Straße gehen zu dürfen, hier wird das Kopftuch freiwillig getragen. Das Kopftuch ist für mich weniger ein Zeichen von Religion als von patriarchalen Strukturen und einem Mann nicht die Hand geben zu wollen, zeugt für mich für ein derartig vorsintflutliches Geschlechterverständnis, dass ich das niemals unkommentiert so stehen lassen könnte.

Ich würde mich aber auch genau so daran stoßen, mir von den Zeugen Jehova oder von irgendeiner Pfingstgemeinde vorschreiben zu lassen, was ich lehren darf (alles schon vorgekommen).

Insofern halte ich den ganzen Sermon von wegen diese und jene Religion oder dieser oder jener Angehöriger einer Religion gehört zu Deutschland/nicht zu Deutschland für komplett am Thema vorbei. Hier kann jeder gerne leben, der die Werte des GG (Demokratie, Gleichstellung von Mann und Frau-etc.) achtet, wir müssten nur endlich den vermaledeiten Gottesbezug aus der Präambel streichen und uns endlich darauf einigen, dass Religion Privat-, nicht Staatssache ist und konsequent gegen jene vorgehen, die immer wieder das GG in Frage stellen. Wir sind eine wehrhafte Demokratie, kein wehrhaftes Christentum.

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"Ihnen zu sagen, sie gehören nicht dazu, finde ich grundfalsch und für extrem kontraproduktiv in Sachen Integration."

Das sehe ich ganz genauso. Die Muslime gehören als Menschen dazu und Ausgrenzung ist häufig ein Boden für Extremismus.

Als Religion hingegen gehört der Islam für mich nicht dazu, weil er in der Vergangenheit nicht prägend für das Land war und bitteschön auch zukünftig nicht prägend für das Land werden sollte, ebenso wenig wie andere Religionen (und schon gar nicht Pfingstgemeinden, Gott bewahre... ;-))

Aber womöglich kriegt man diese Differenzierung momentan nicht unter die Leute, weil sie lieber schwarz und weiß sehen wollen als Grautöne.

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“Als Religion hingegen gehört der Islam für mich nicht dazu, weil er in der Vergangenheit nicht prägend für das Land war und bitteschön auch zukünftig nicht prägend für das Land werden sollte, ebenso wenig wie andere Religionen (und schon gar nicht Pfingstgemeinden, Gott bewahre... ;-))“

Ich verstehe trotzdem immer nicht, warum man das in Bezug auf den Islam so herausstreichen muss. Da haben Pegida und Co mit ihrer Verbreitung der Paranoia vor der Islamisierung des Abendlandes ganze Arbeit geleistet.
Ich habe nicht das Gefühl, dass unsere muslimischen Mitbürger in den Startlöchern stehen, dem Land einen morgenländischen Stempel aufzudrücken.

Wenn das christliche Abendland bedroht ist, dann doch wohl eher durch die zunehmende Säkularisierung. Wer geht denn heute noch zur Kirche? Wie viele Kinder wachsen denn noch dezidiert im christlichen Glauben auf?

Daher müsste Seehofer m.E. korrekter Weise formulieren: Der Atheismus/Agnostizismus gehört nicht zu Deutschland, wohl aber die Nicht-Gläubigen.

Da wird die Absurdität der ganzen “Wer gehört zu uns-Debatte“, wie sie seid einigen Jahren geführt wird, noch einmal deutlich.

Können wir uns nicht auf eine andere Wertebasis einigen, die nichts mit Religionen zu tun hat?

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Ich finde auch nicht, dass man da differenzieren kann. Also zu sagen Muslime ja, Islam nein. Das ist absurd. In Anbetracht der Tatsache, dass 5 Millionen Muslime in D wohnen, gehört natürlich ihre Religion zu Deutschland.
Und ja, natürlich ist Deutschland christlich geprägt. Im GG ist aber Religionsfreiheit gesichert - also gehören sogar alle Religionen dazu, sowie auch nicht Gläubige.
Deutschland muss von der Haltung weg, dass andere Kulturen nur geduldet sind, sondern sich weltoffener zeigen.

Seehofer und seine Beweggründe sind unerträglich für mich.

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Und ich finde, dass man ganz unbedingt differenzieren muss. Ein Mensch ist zunächst einmal ein Mensch und kein Vertreter seines Glaubens und man sollte sehr gut zwischen beidem trennen. In den Religionen und im Namen der Religionen wird wirklich sehr, sehr viel Mist gebaut, wofür der einzelne Gläubige aber nichts kann. Insofern sollte man meiner Meinung nach den Einzelnen -- Moslem, Jude, Christ -- immer nur nach seinen persönlichen Taten beurteilen, aber zugleich die Religionen dort kritisieren, wo sie es verdienen.

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Warum mit dieser Argumentation den Islam alleine herausnehmen, während das ach so tolle Christentum anscheinend OK ist?

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Ich verstehe ehrlich gesagt das Problem nicht. Nur weil Deutschland christlich geprägt ist, gehört der Islam nicht zu Deutschland? Wieso sollte das eine das andere ausschließen?

Mit dem gleichen Argument würde der Atheismus auch nicht zu Deutschland gehören, obwohl es sehr viele Atheisten in Deutschland gibt. Um nur ein Beispiel zu nennen.

Bissel absurd, höm?

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Natürlich schließt es sich nicht aus, nur halte ich es schlicht nicht für zutreffend, dass Deutschland muslimisch geprägt ist (bei allen Einflüssen der arabischen Hochkultur).

Deutschland ist überwiegend katholisch und protestantisch geprägt, vielleicht nicht ganz, aber so ähnlich wie Pakistan muslimisch, Indien hinduistisch, Israel jüdisch geprägt ist.

Beim Atheismus wäre ich mir nicht einmal sicher, denn mit der DDR gab's einen dezidiert atheistischen Staat, was ja z.T. bis heute Spuren zeigt. Aber für das Land insgesamt ist der Atheismus eher nicht prägend, sonst würde der Staat kaum Kirchensteuern einziehen und Religion in der Schule anbieten.

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Zwischen der Islam gehört dazu und Deutschland ist vom Islam geprägt ist für mich ein Unterschied.

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Wenn man bedenkt, wie lange Muslime schon in Deutschland Teil der Gesellschaft sind und seit wann diese unsãgliche Diskussion stattfindet, dann wird jedem vernunftsbegabten Menschen klar, wieviel Propaganda und Blödsinn in Seehofers Bemerkung steckt. Dass es eben NICHT richtig ist, was er sagt. Richtig wäre eine Aussage, dass Deutschland eine Grundprägung in der christlichen abendländischen Historie hat und andere Religionen und Kulturen dazu gekommen sind.....und in der Anzahl ihrer Gläubigen SELBSTVERSTÄNDLICH AUCH zu Deutschland gehören. Alle anderen Interpretationen dieser Tatsachen sind zumeist xenophob konnotierte Kopfgeburten, die den neuen Rechten den Weg in die Gesellschaftliche Mitte ebnen sollen.

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Wie wäre es eigentlich wenn deutsche sich nicht gleich angegriffen fühlen? Wenn sie das hören was die anderen sagen und nicht nur das hören was sie hören wollen.

Als ich die Zitate bei dir jetzt gelesen habe klang das für meine polnischstämmigen Verständnis in keinster weiße diskriminierend. Wieso denn auch? Fakt ist dass wir eben viele Feiertage von der Kirche zelebrieren weil wir eben ein sehr kirchlich geprägtes land sind. Fakt ist dass das zu unseren Traditionen gehören. Fakt ist dass die Muslimen mit der Zeit hinzugekommen sind. Fakt ist dass sie ihre vom glauben geprägte Traditionen haben und ausleben. Fakt ist dass wir unsere Traditionen ihnen zu liebe aufgeben. Bzw. So Gestalten dass sie sich möglichst nicht diskriminiert fühlen. Sehe allein der Wandel und die diskussionen vom ubd über den Weihnachtsmarkt. Fakt ist dass die Muslimen gar keine Traditionen ändern damit andere mit machen können ohne sich diskriminiert zu fühlen. Fakt ist dass viel zu viele Menschen in Deutschland anscheinend zu viel Zeit haben überall Probleme zu sehen anstatt anzufangen zu leben und zu akzeptieren. Dann gibt's kirchlich ausgeprägte feste. Muslime können mitmachen wenn sie wollen. Wenn Ihnen das aber zu religiös ist dann müssen sie nicht mit machen. Gibt genug andere feste und Feierlichkeiten in Deutschland wo sie mitmachen können. Sie zwingen uns ja auch nicht dazu bei sich mit zu machen wenn sie was religiöses feiern.

Fakt ist am Ende dass es hauptsächlich deutsche sind die da die Probleme sehen und diskutieren und nicht die Muslime. Die Muslime die ich kenne sind sozialer und toleranter als deutsche und behandeln uns nicht wie schwerstbehinderte auf die sie nur Rücksicht nehmen müssen und wo die Welt uns angepasst werden muss. Das tun nur die deutsche und viele Muslime sind davon schon genervt. Sie sind nämlich auch Menschen und wollen wie Menschen behandelt werden. Und nicht eben wie schwerstbehinderte wo man alles an denen anpassen muss damit sie "normal" Leben können.

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Und bevor das alles wieder falsch verstanden wird: Nein ich sehe nicht die Muslimen als nicht deutsch an!!! Die gehören genauso zu Deutschland wie die Kirche. Ich wollte damit nur klar stellen dass in Deutschland nur die nicht-muslimen deswegen n aufriss machen während den meisten Muslimen das egal ist.

Es gibt so viele Klassifikationen hier in Deutschland: Katholik, Evangelist, Muslim, ateist, budhist, Vegetarier, Fleischfresser, etc. Pp. Und das tolle ist: man darf alles in Deutschland ausleben!!! Und das ist so viel wert und jede Gruppe gehört zu Deutschland und macht Deutschland aus.

Ich persönlich bekomme diese deutsch/muslimen-diskussionen nur in den Medien mit. Im realen Leben leben wir brav miteinander. Ich hab da noch nie mitbekommen dass da jemand diskriminiert wurde. Jedenfalls nicht in meinem Bekanntenkreis. Das einzigste was ich mitbekomme ist der hass gegen schnorrer oder die Abneigung gegen Menschen die hier seit zich Jahren Leben und kein Wort deutsch können. Aber diese schwarzen Schafe haben net nur die Muslimen. Da gibt es genauso viele bei den deutschen, polnischen, Russisch-stämmigen. Auch bei schwarzen, weißen und gelbhäutigen und genauso bei den anderen Religionen.

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Ich muss dir Recht geben. Es sind die Deutschen die Probleme aus allen machen.
Ich habe dunkelhäutige Freunde und die verstehen z.B. nicht, warum es die debatte mit den Mohren Apotheken gibt, selbst den Namen Negerkuss finden Sie nicht schlimm.

Was ich schlimm finde, das sich hier sovie Leute an den Einwanderern anpassen wollen, für mich wird andersrum EIN Schuh draus.

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Was ist denn eigentlich
-der Islam-?

Gibt es ihn losgelöst von agierenden Menschen?

Wenn
-er-
nicht zu Deutschland gehört, die, die sich ihm zugehörig fühlen aber schon, ist das ein Paradoxon.

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Den Islam ist eine Konstruktion und gibt es somit nicht losgelöst von den agierenden Menschen, aber er ist trotzdem mehr als die Summe seiner Teile.

Und insbesondere hat der einzelnen Muslim (schon rein logisch, aber noch verstärkt durch die Aufspaltung in unterschiedliche Glaubensrichtungen) mit dem, was auch immer eigentlich unter "Islam" subsumiert wird, meist nur peripher etwas zu tun. Der einzelne Mensch kann und muss sich vielleicht sogar dazu verhalten, aber der einzelne Muslim hat a priori z.B. mit islamischem Terror so wenig zu tun wie ein Katholik mit sexuellem Missbrauch durch Priester.

Und nein, ich finde nicht, dass das ein Paradoxon ist.

Anderes Beispiel: Ich fände die Aussage, "der Kommunismus gehört zu Deutschland" Stand 2018 sachlich falsch, weil nicht prägend für unser Land (trotz der Herkunft von Marx und Engels), aber vermutlich gibt es viele Deutsche, die sich als Kommunisten bezeichnen würden.

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Ich finde die Frage schon schwirig. Was soll der Islam gehört zu Deutschland bedeuten? Deutschland ist jüdisch , christlich geprägt. Heute ist der Humanismus doch das wichtigste. Die Vorstellung Gott ist für mein Leben verantwortlich , ist den meißten Menschen doch sehr fremd. Gläubige sind doch sehr selten. diese Entwicklung hat lange gedauert und
Kardinal Lehmann, Bischof von Mainz und Vorsitzender der Deutschen Bischofskonf
erenz, äußerte sich selbstkritisch zum Verhältnis von Christen und Muslimen zu
Freiheit: „(...) Wiederum geht es dabei nicht darum, christliche (oder gar westliche) Übelegenheit vorzuführen. Stattdessen sollte die schwierige Geschichte, die das europäche Christentum mit der neuzeitlchen Idee der Freiheit verbindet, auch im Gespräch mit den Muslimen dargestellt werden. Maches Argument, das heutige Muslime gegen die modernen Freiheitsrechte ins Feld führen, ist uns auch aus der Geschichte des Christems bis weit ins 19. Jahrhundert hinein geläufig:
In den mehrheitlich islamischen Ländern hat eine Aufklärung, wie sie Europa durchlaufen hat, bisher (noch) nicht stattgefunden. Der Islam steht vor der Herausforderung, diese „muslimische Aufklärung“ gleichsam nachzuholen. Hierzu gehört insbesondere die Weiterentwicklung der Scharia. Ihre Anpassung an die Bedingungen der Neuzeit hin zu einem modernen Menschenrechtsverständnis steht noch aus, wobei noch nicht fest.steht, ob und wann sich eine neue Sichtweise in Richtung einer Demokratisierung in der islmischen Welt, insbesondere von Seiten der gegenwärtigen islamischen Theologendurcsetzen wird.

Religon ist nicht nur privat Sache sondern prädgt auch Wertevorstellungen.

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Das liest man immer wieder, dass der Islam die Aufklärung noch nachzuholen hat. Das liest sich wahnsinnig klug und verteilt die Rollen für uns sehr angenehm in “die Aufgeklärten“ (wir) und die Barbaren (Muslime), die quasi gerade erst vom Baum geklettert sind.
Das ist in meinen Augen Kulturrassismus per excellence und blendet mal eben ganze Jahrhunderte aus, indem der Islam Wiege der Kultur war und weit fortschrittlicher als das damalige Christentum.
Ausgeblendet wird z.B. auch das die Türkei unter Atatürk in Sachen Laizismus so weit war wie wir uns momentan nur träumen lassen können.
Afghanistan war ein blühendes Land, bevor Russland und die USA im Rahmen ihres Stellvertreterkrieges zermalmt haben.
Fundamentalismus, der heute scheinbar das westliche Bild vom Islam prägt, ist auch ein Kind der Umstände, in die islamisch geprägte Staaten u.a. aufgrund westlicher Interventionen geraten sind.

Ganz davon ab traue ich jedem Menschen, unabhängig von seiner Religion zu, Werte zu entwickeln, die eher postmaterialistisch als materialistisch sind. Und dafür halte ich z.B. andere Faktoren für viel entscheidener als die Religionszugehörigkeit.


Unabhängig davon traue ich jedem

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> Kulturrassismus per excellence und blendet mal eben ganze Jahrhunderte aus,
> indem der Islam Wiege der Kultur war und weit fortschrittlicher als das damalige Christentum.

Dass der Islam vor 1000 Jahren zwei Jahrunderte lang kulturell fortschrittlicher war als das Christentum, sagt wenig über den Islam aus, aber viel über das Christentum.

Im übrigen wird das "Goldene Zeitalter" des Islam oft propagandistisch überhöht und hält einer historischen Überprüfung nicht stand. Viele Einflüsse aus dem indisch-hinduistischen Raum (z.B. in der Mathematik) werden einfach vereinnahmt, und eine Blüte gab es nicht wegen, sondern trotz des Islams.

> Ausgeblendet wird z.B. auch das die Türkei unter Atatürk in Sachen Laizismus
> so weit war wie wir uns momentan nur träumen lassen können.

Merkwürdig, dass du ausgerechnet die Türkei als leuchtendes Beispiel erwähnst:
Das riesige osmanische Reich herrschte 600 Jahre lang und zwang seinen Untertanen islamischen Glauben und Kultur auf, ob so wollten oder nicht. Als es im ersten Weltkrieg zerfiel, verübte es den ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts mit einer Millionen armenischer Opfer. Und heute setzt Erdogan alles daran, dieses Reich wieder zu errichten.

Atatürks Laizismus war gerade eine Abkehr und kein Verdienst des Islam, und leider nur eine kurze Episode.

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Seehofer ist nicht erst seit gestern Politiker. Er wusste sehr genau, was er da sagt, warum er es sagt und welche Konsequenzen es haben würde. Ebenso wusste er, auf welchen Satz man ihn festnageln würde.

Im Grunde ist es doch völliger Quatsch, was er da von sich gegeben hat. Islam nein, Muslime ja? Was genau macht Muslime denn aus? Was macht Christen zu Christen? Doch natürlich der Glaube. Das geht nicht zu trennen. Der Islam gehört durch die bei uns lebenden Menschen, die dieser Religion angehören, natürlich zu Deutschland.

Ich habe seltsamerweise auch eher selten erlebt, dass sich Muslime über ein Kreuz im Kindergarten aufgeregt haben. Das waren eher die ausgetretenen Ex-Katholiken. #gruebel

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Zunächst einmal zeigt die Tatsache, wie sehr über den Islam, (gläubige) Muslime und Anhänger islamischer Ideologien debattiert wird, dass die Integration in westliche Gesellschaften und sei es auch nur die Koexsiztenz mit anderen Weltanschauungen eben nicht so reibungslos abläuft, wie gerne suggeriert wird. Um Herrn Broder zu zitieren: Gehörte der Islam so selbstverständlich dazu, würde sich die Frage, ob er das denn tue, nicht immer wieder stellen.

Dass die Diskussion so merkwürdig abläuft liegt daran, dass die politische Linke die wirkliche Auseinandersetzung mit dem Islam als Ideologie scheut. Die Angst, als islamophob und somit intolerant und nicht weltoffen zu gelten, macht den Islam und die Reflektion über ihn zu einem Gegenstand, den man kaum berühren kann, ohne als kulturrassistisch darzustehen.

Denselben Eifer, für das positive Recht auf Religionsfreiheit einzustehen, findet man interessanterweise bei den Linken nicht, wenn es um den christlichen Glauben und die christliche Lebensart geht. Da wird dann eher das Säkulare betont und die christliche Prägung unserer Gesellschaft relativiert.

Der Islam ist dagegen beinahe immunisiert gegen Kritik. Das gipfelt darin, dass man die Verfehlungen und das Leid, die aus der islamischen Ideologie heraus weltweit geschehen, nicht einmal mehr dem religiösen und ideologischen Einfluss zuschreibt, sondern den Folgen des westlichen Imperialismus.

Die Diskussion über den Islam ist relativierend und diskutiert unter falschen Vorzeichen beziehungsweise nicht differenziert genug. Trennen muss man nicht nur zwischen Gläubigen, Anhängern und Religion, sondern auch zwischen Religion und Ideologie.

Die Diskussion verläuft darüber hinaus, obwohl sie sich des Anscheines der Diskriminierung und des Rassismusin in jedem Falle verwehren will, gerade diskriminierend. Warum werden Muslime auf ihren Glauben reduziert, muss man da fragen. Man kann selbstverständlich den Islam getrennt vom einzelnen Menschen, der ja aus mehr als seinem Glauben besteht, besprechen:

Als Religion, als Religionsgemeinschaft, als Ideologie, die politischen und kulturellen Einfluss nimmt. Wenngleich natürlich der Einfluss auf Individuen und ihre Kultur Gegenstand der Diskussion sein muss.

Der Islam als Religion und Religionsgemeinschaft ist Teil von Deutschland wie andere Religionen auch. Er ist allerdings, muss man vielfach sagen, prägender als einer freiheitlichen Gesellschaft gut tut. Dazu reicht der Blick in wirklich islamisch geprägte Länder.

Der Islam ist eben nicht nur Religion, Glaubensrichtung, deren Ausübung durch das Recht auf Religionsfreiheit geschützt ist.

Er ist eine von innen heraus intolerante, unreflektierte und aggressive Ideologie, die eine stark politische Dimension hat, das Kollektiv über das Individuum stellt und andererseits die freiheitlichen Rechte des Individuums nicht vor dem Kollektiv schützt. Äußerungen zur Gleichberechtigung, der Anerkennung von Minderheiten und Andersdenkenden sind bis auf ganz wenige Ausprägungen reine Lippenbekenntnisse. In der Praxis gibt es keine Toleranz oder Kritikfähigkeit.

Der Allmachts- und der Herrschaftsanspruch der islamischen Ideologie ist nicht wegzudiskutieren.

Selbstverständlich üben auch die christlich-jüdischen Religionsgemeinschaften gesellschafts-politischen Einfluss aus, der vielfach nicht gerade positiv zu bewerten ist. Aber der Allmachtsanspruch ist im Rahmen der Aufklärung und der wissenschaftlich-kritischen Reflektion von innen heraus einer prinzipiellen Kritikfähigkeit gewichen.

In einer fernen Zukunft und unter der Voraussetzung, dass der Islam in einen wirklichen interreligiösen und interkulturellen Dialog treten kann, sich eine selbstkritische islamische Theologie ausbildet, halte ich den Einfluss des Islams auch für unproblematisch. Dann könnte man auch selbstverständlich sagen, der Islam gehöre zu Deutschland und sei hier willkommen, weil er zwar identitätsstiftend und kulturell prägend sei, aber ebenso mit den freiheitlichen Werten einer säkularen Gesellschaft vereinbar.

Aktuell macht die (von ganz wenigen Ausnahmen mal abgesehen, die bezeichnenderweise mit dem Tode bedroht werden) fehlende innerislamische Reflektion, der Absolutheitsanspruch von Koran und Sunna, das Fehlen einer wissenschaftlich-historisch-kritischen Beschäftigung mit der Religion und ihren heiligen Schriften seitens ihrer Anhänger und Gläubigen bereits den ersten Schritt eines wirklichen interreligiösen Dialogs unmöglich. Von flächenddeckender Reformation und Dialog mit der säkularen Gesellschaft kann erst recht keine Rede sein. Und so lange Koran und Sunna als unverhandelbar gelten, kann man auch Islam von Islamismus nicht trennen.

Von daher darf der Islam mit allem, wofür er außer der Religion noch steh,t nicht zu Deutschland gehören. Und es ist auch absolut willkommen, dass Muslime mit der Aussage, der Islam gehöre nicht zu Deutschland, vor den Kopf gestoßen werden. Denn es ist es dringend nötig, zur Reflektion über den eigenen Glauben und die religiös geprägte Kultur angehalten zu werden.

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"Selbstverständlich üben auch die christlich-jüdischen Religionsgemeinschaften gesellschafts-politischen Einfluss aus, der vielfach nicht gerade positiv zu bewerten ist."

Was ja an sich schon ein Paradoxon ist.

Jüdisch-christlich gibt es nicht.

Für Christen ist Jesus der Messias gewesen, Juden warten immer noch auf Messias und sehen in Jesus lediglich einen durchgeknallten Rabbi, der bestenfalls einfach als "verrückt" zu bezeichnen ist.



Ich glaube, das ist so ein Deutschen-Ding, immer wieder die christlich-jüdische Mentalität des Abendlandes hervorheben zu müssen, um ja nicht auf die 12 Jahre zu reduziert werden.

Deutschland ist ein christliches Land, hier hängen Kreuze mit einer Leiche darauf in Krankenhäusern herum und am Sonntag ist Ruhetag, Weihnachten ist überall Deko und für nicht-christliche Festtage interessiert sich kaum jemand und das ist doch auch überhaupt kein Problem.

Wenn Lieschen Müller als Jüdin Schabbes feiert oder an Purim säuft bis zum umfallen stört das doch die Deutschen nicht-Juden überhaupt nicht, ebenso wenig wie wenn Lieschen eine vollkommen säkuläre Jüdin ist, die die jüdischen Feiertage genauso wenig der Reihe nach aufzählen kann, wie der handelsübliche Christ, der seine Kinder taufen lässt, zur Konfirmation in die Kirche wackelt und ansonsten einfach als Mensch lebt.


Für Juden ist es völlig unerheblich, was ein anderer glaubt. Ein Mensch ist erstmal ein Mensch - egal ob Christ, Jude oder Klappstuhlanbeter. Im Jahr 2018 sind nicht einmal mehr Männer wählerisch, was ihre Frauen betrifft denn die meisten können problemlos konvertieren, wobei die Extremisten natürlich die Übertritte von Nicht-Extremisten nicht anerkennen.

Ich fände es verwerflich, würde Weihnachtsdeko verbannt werden, nur damit das Land laizistisch ist.

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"Der Islam ist dagegen beinahe immunisiert gegen Kritik. Das gipfelt darin, dass man die Verfehlungen und das Leid, die aus der islamischen Ideologie heraus weltweit geschehen, nicht einmal mehr dem religiösen und ideologischen Einfluss zuschreibt, sondern den Folgen des westlichen Imperialismus."

Der westliche Imperialismus ist Terrorismus in Bestform.

Bitte informiere Dich mal, wie viel Muslime durch westliche Bomben getötet worden sind und wie viele Menschen in den westlichen Ländern durch islamische Ideologie getötet werden.
Um Menschen zu tötet, brauche ich keine Religion, das beweist die westliche Welt jeden Tag.
LG Leah

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