Pflegekind ?

Hallo zusammen,
mein Mann und ich überlegen, ein Pflegekind in unserer Familie aufzunehmen.
Wir haben zwei eigene kleine Kinder und wir finden es einfach furchtbar, wie viele vernachlässigte Kinder es heutzutage gibt und es werden ja jährlich tendenziell mehr.
Wir haben uns beim Jugendamt erkundigt, wie das so funktioniert, welche Arten es gibt, welche Risiken damit verbunden sind etc.
Interessieren würden uns Erfahrungsberichte von Familien / Pflegeeltern, die ebenfalls ein Pflegekind aufgenommen haben.......

Danke schon einmal im Vorraus für die Info´s,

Lismore2004

1

Hi Lismore,
die letzten tage gab es im Stern oder Spiegel Online einen sehr beeindruckenden Artikel zu diesem Thema. Eine Familie berichtetet über die teilweise sehr belastenden, aber auch schönen Erfahrungen mit ihren Pflegekinder.
Belastend insofern, da teilweise von jetzt auf gleich sehr vernachlässigte, körperlich und v.a.psychisch belastete Kinder in die Familie kamen. Manchmal für ein paar Wochen und manchmal für ein Jahr.

Die Überschrift war irgendwie mit "Die grauen Kinder". Ich bekomme es leider nicht mehr zusammen.

LG
P.S.
Respekt, wenn ihr das macht

2

Hallo lismore,

mein Verlobter und ich haben vor ein paar Wochen 4 Geschwisterkinder aufgenommen. Muß dazu sagen, dass die Kinder aus der Verwandschaft meines Verlobten kommen.

Ich bereue nicht, dass wir sie vorübergehend aufgenommen haben, allerdings muß ich ehrlich sagen, im Anfang war es verdammt anstrengend, weil die 4 eine Menge mitmachen mußten.

Ich hab grad Mittagspause, und leider nicht so viel Zeit alles aufzuschreiben, deshalb habe ich dir eine Antwort von mir kopiert. Hoffe das ist ok.

"Allso unseren 4 Pfegekindern ist es nicht komplett egal, sie kamen erst vor kurzen zu uns, plötzlich und für sie aus heiterem Himmel. Selbst bei dem damals 6,5 Monate alten Baby habe ich verunsicherung fetstsellen können, sie wurde von ihrer Mutter gestillt, sollte sich plötzlich an die Flasche gewöhnen, ich glaub wenn nicht der Hunger gesiegt hätte ( nach einer durchgeschrienen Nacht), war nicht so einfach. Sie wollte nicht allein sein und wollte bei mir an der Brust trinken. Die 3,5 jährige Schwester war verstört, hat nur Schlaf gefunden, wenn sie Körperkontakt zu anderen hatte, war nie ohne ihr Stofftier anzutreffenund hat bei jeder für sie ungewohnten Sache mit hysteruschen schreien reagiert, du kannst dir nicht vorstellen, was bei uns loswahr, als Besuch kam, selbst bei unserer total lieben Hündin( ging schon von sich aus auf Abstand) hat sie geschrien. Der 6 Jährige Bruder war zuerst aggressiv, bei allen was er nicht kannte, Wutanfälle gab s jeden Tag, er konnte viele Sachen nicht, die Kinder in dem Alter können sollte,z.B. hat er nur einen sehr kleinen Wortschatz, zudem Probleme mit der Aussprache, also sch oder st bekam er nicht hin. Eine Logopädin hilft uns hierbei, außerdem viel Bewegung und ein Kinderphychologe. Er wird jetzt eingeschult. Der älteste Bruder, 8 Jahre, ist ein Fall für sich, ein sehr schwieriger. Er ist um so einiges agressiver wie sein Bruder, er hat so ähnliche Probleme wie der Jüngere, nur schöägt sich das noch heftiger wieder, hauen, kneifen,schlagen,treten waren an der Tagesordnung, hinzu kam das er kleine Tiere quälte, vermutlich um seiner Wut her zu werden. Auch er muß zur Logopädin und zum Kinderphychiologen, außerdem macht er 3 mal die Woche Sport, und wenn er wieder zu Hause anfängt auszuticken, muß er sich abreagieren, oft reicht es , wenn er ein paar mal schreiend und schimpfend durch den Garten rennt (Nachbarn akzeptieren das), und anschließend ein paar Minuten Trampolin springt, hat sich dann meist wieder beruhigt. Er wiederholt die 2. Klasse an einer anderen Schule.

Die drei Großen haben im Anfang sehr oft nach Mama und Papa gefragt, dass Mädchen fragt nach Mama gar nicht mehr, ab und zu noch nach Papa(dort werden sie demnächst leben, wir besuchen ihn regelmäßig im KH), der 6 J. fragt fats jeden Tag nach Papa, malt auch sehr viele Bilder von und für ihn, manchmal sogar mit allen drauf, nach Mama hat er etwa vor 2-3 Wochen das Letzte mal gefragt. Der Größte hatte zu erst überhaupt gar kein Verständnis dafür, das er nicht mehr bei Mama sein konnte, obwohl er wegen ihr einen gebrochenen Arm hatte, und zig blaue Flecken. Jetzt fragt er alle paar Tage mal nach ihr, jeden Abend vor dem einschlafen will er wissen, ob wir schon was neues von seinem Papa gehört haben.

Fazit nach fast 8 Wochen nehmen die Jüngeren die Situation wie sie ist, ganz gut auf, den Großen macht dies immer noch wütend , und er füllt sich hilflos, weiß noch immer nicht was er davon halten soll.

Ich kann noch nicht sagen wie das in ein paar Monaten ist, aber bis jetztsteht für mich fest, das Baby kennt Mama nicht mehr, die Anderen schon, obwohl bei der 3 J. die Erinnerung schon blasser wird."

Ich hoffe ich konnte dir weiter helfen. Ich finde es toll, dass ihr über eine Pflegschaft nachdenkt.

Liebe Grüße Bene

3

Respekt muss ich sagen, und den Kindern wünsche ich viel Hilfe Liebe und das sie es besser haben als bisher.

4

damit würdet ihr wirklich etwas Gutes tun , aber überlegt euch das gut . So einfach kann man das Kind dann nicht zurückgeben , wenn es Ärger macht . Da braucht man verdammt gut Nerven , wenn man das durchziehen will und auf Dankbarkeit dürft ihr nicht hoffen . Es ist keine leichte Entscheidung und vielleicht könnt ihr ja vereinbaren , das Pflegekind am Wochenende zu euch zu holen . Nur solltet ihr auch bedenken , was ihr dem Kind antut , wenn es nicht klappt und es dann zurück in das Heim(oder die verkorkste Familie) muß .
Ich ziehe meinen Hut vor euerer Entscheidung .

Grüßle Kabama

5

Hallo,
ich hatte schon eine Pflegetochter, bevor mein Sohn auf die Welt kam.
Sie kam nach einem Jahr wieder zur Mutter zurück, da die Mutter die an sie gestellten Bedingungen erfüllt hat (Therapie machen, sich aus einer Gewaltbeziehung lösen, umziehen).
Der Kontakt brach leider ab.
Auch wenn die Zeit schön war, die schmerzvollen Erfahrungen mit lügen,klauen, betrügen, heulen, austesten etc. überwiegen. Und es bleibt die Sorge, ob sie es im Leben geschafft hat. Wenn das Jugendamt den Kontakt zur Familie nicht mehr hat, erfährt man nichts mehr, wenn die Eltern das verhindern.

Als mein Sohn vier Jahre alt war, nahmen wir einen elf Monate alten Säugling auf- er war entwicklungsverzögert und etwa wie ein drei Monate altes Baby.
Es war der Anfang vom Ende für unsere Familie.
Von einem Arzt zum anderen, so viel Ängste, durchgemachte Nächte, soviel Liebe gegeben...
Wir haben eine so schwere Leidensgeschichte mit ihm durch....viele Freundschaften zerbrachen, auch unsere Ehe ging dadurch kaputt und mein Sohn ist heute in Psychotherapie.
Der Kleine ist übrigens mit zwei Jahren als geistig behindert diagnostiziert worden und lebt heute wieder bei seinen leiblichen Eltern (Ex-Junkies), die uns vor Gericht gezogen haben um ihr Kind wieder zubekommen.
Wir bekamen damals durch das Jugendamt ein angeblich "gesundes Kind zum dauerhaften Verbleib in unserer Familie".
In unserem Jugendamt werden keine Pflegekinder vergeben, wenn das jüngste eigene Kind nicht mindestens vier Jahre alt ist- zu jung, wie ich jetzt finde.
Denn Pflegekinder haben alle Schädigungen, die sich auf Deine kids und die ganze Familie auswirken.
Ich würde wieder ein Pflegekind nehmen, allerdings wenn meine Kinder beide mindestens acht Jahre alt sind und es mit etwas Abstand sehen können.
LG und viel Glück, marti (Fragen gerne per PN)

6

Hallo!

ich kenne eine solche Geschichte aus meinem Bekanntenkreis.

Das Paar konnte keine Kinder bekommen, und hat zunächst ein Kind als Baby adoptiert.
Das lief soweit wunderbar und problemlos.
Nachdem sie allerdings noch ein zweites Kind wollten - und eine Adoption hierfür zu langwierig war, haben sie sich für ein Pflegekind entschieden - das Mädchen war so irgendwo zwischen 6 und 8 als es in die Familie kam wenn ich mich recht entsinne.

Fazit: Ein komplettes Desaster. Die Familie wäre daran fast zerbrochen.
Sie haben viel zu lange versäumt 'die Reißleine' zu ziehen - teils aus Stolz "kann ja nicht sein das wir an der Erziehung scheitern", teils aus finanziellen Aspekten - denn so schlecht ist die Entschädigung ja nicht, und wenn man die fest eingeplant hat tut der Verlust schon weh.

Erst als es das soweit ging das das Kind den Pflegevater völlig grundlos in der Öffentlichkeit des Missbrauchs bezichtigt hat haben sie aufgegeben.

Es ist halt ein problematisches Thema. Sicherlich gibt es auf der einen Seite das ehrenwerte Ziel einem 'verlorenen' Kind auf diese Weise ein halbwegs normales Leben zu ermöglichen,
leider sind es auf der anderen Seite wiederum ja praktisch ausschließlich Problemkinder, bzw. Kinder aus Problemfamilien welche Pflegekinder sind.
Gerade wenn es bereits Kinder in der Familie gibt würde ich mir gut überlegen ob es den eigenen Kindern zuzumuten ist das fortan das Pflegekind 90% des Aufmerksamkeit der Eltern bekommt, und die beiden leiblichen Kinder sich die verbleibenden 10% teilen.

DAS muss jeder selber für sich entscheiden.
Für mich käme es in einer solchen Konstellation nicht in Frage.

Gruß

Smartie

7

Also,

ich finde die Idee sehr gut, aber bitte bitte seht zu es realistisch zu sehen. Ganz ernst: Auch wenn ihr nur Gutes im Sinn habt werdet ihr sehr oft als "die Boesen" dastehen. Die meisten Kids haengen an ihren Eltern, egal wie schlecht sie behandelt oder wie sehr sie vernachlaessigt werden. In ihren Augen seid ihr die Boesen, die sie von ihren Eltern weggenommen haben.

Klar hat man im Kopf mit Liebe und Geduld alles loesen zu koennen. Aber die Kids koennen richtige Biester sein (so a la "ist die Welt ein Arschloch bin ich auch ein Arschloch", entschuldigt bitte meine Sprache...). Viele haben auch kaum Grenzen aufgezeigt bekommen und "freuen" sich endlich welche zu haben...aber wie spuehrt man Grenzen? In dem man sie testet.

Ich war damals selber ein Pflegekind. Meine Pflegemutter war sehr streng. Aber genau das habe ich gebraucht. Keine "ich rette jetzt deine Welt" Dingens, sondern eher "Nichts entschuldigt Menschen schlecht zu behandlen".

Mein Problem war damals dass es mir insgeheim einfach echt peinlich war in eine "fremde" Familie zu kommen weil es meine einfach nicht auf die Kappe gekriegt hat, und das Gefuehl hatte dass nun von mir erwartet wurde dass ich dankbar bin, obwohl ich ja gar nicht da sein wollte. Also war ich demonstrativ NICHT DANKBAR, eben weil es mir so peinlich war. Das ist ganz schwer zu erklaeren.

Ich find es gut dass ihr das macht/machen wollt. Meine Pflegemama wurde zu einer der wichtigsten Personen in meinem Leben (auch nachdem ich wieder zurueck nach Hause gekommen bin).

Aber: sie hat nie behauptet dass sich mich nun rettet und hat auch nie erwartet dass ich ihr dankbar bin. (Bin ich, aber sie hat es nie so dargestellt). Das einzige was ich halt nie durfte ist andere Menschen schlecht behandeln.

Diese Frau war etwas ganz Besonderes, sie hat mich (und auch die anderen Pflegekids, die sie ueber die Jahre hatte) nie mit Samthandschuhen angepackt aber sie hat uns mit Respekt und Fairness behandelt und uns diese Eigenschaften so beigebracht.

Damit will ich nur sagen dass ich so ne Sache echt super finde, aber ihr solltet wirklich versuchen nicht diesem Kind als "Retter" zu begegnen.

Fragen gern als PN!

neighbour22

8

Hallo,

meldet Euch beim JA, macht die Anerkennung und in der Zeit werdet ihr merken ob PE sein etwas für Euch ist oder nicht.

Für uns war es eine der besten Entscheidungen PE zu werden die wir je getroffen haben.

LG dore

9

Unsere Familie hat durch die Aufnahme eines Pflegekindes sehr viel gewonnen und ich würde es jederzeit wieder machen. Dass es nicht immer leicht sein würde, war uns vorher klar. Dass es Konflikte geben wird, auch. Aber man steht ja nicht allein da. Die Zusammenarbeit mit dem JA funktioniert bei uns ganz gut.

Wir haben ein recht problematisches Kind aber wir sind alle an der Situation gewachsen. Wir Erwachsenen genauso wie unseren leiblichen Kinder. Und wir haben auch ganz viel gelernt.
Es ist eine echte Herausforderung aber man bekommt auch ganz ganz viel zurück.

Rechne aber nicht damit, dass dir das Pflegekind vor Dankbarkeit zu Füßen liegen wird. Die Dankbarkeit muss aus dir selber kommen. Wenn du ohne Erwartungshaltung an das Kind dankbar sein kann, dass du einem benachteiligten Kind eventuell zu einem besseren Start ins Leben verhelfen kannst, dann wird eine Pflegschaft ein Gewinn für dich sein.

Ich wünsche dir alles Gute dafür, falls ihr euch für eine Pflegschaft entscheidet.

LG
Suse