Liebes Forum,
gibt es hier zufällig jemanden, der konkrete Tipps zur Bewältigung einer hochfunktionalen Depression geben kann?
Zum Hintergrund: Ich habe mich dazu im Internet informiert und finde wirklich alle Anzeichen bei mir wieder (außer Selbstmordgedanken), insbesondere die fehlende Freude über Alltägliches. Wo ich einsehe, dass eine gewisse Begeisterung gefragt ist, zB. im Beruf, bringe ich diese pflichtbewusst auf, ansonsten fällt es mir sehr schwer. In letzter Zeit bin ich stark reizbar und Corona hat mir die "Erleichterung" verschafft, mein Sozialleben gegen null fahren zu können; dennoch bin ich bereits früh am Abend immer vollkommen erschöpft. Ein Buch zu lesen oder einen Flim zu schauen ist mir nicht möglich. Stattdessen esse ich zu viel, und ich habe ständig 100 Dinge auf der ToDo-Liste, ohne deren Erledigung ich mir keine Entspannung gönnen will. Panikattacken habe ich größtenteil abzuwenden gelernt, immer gelingt mir das aber nicht.
Leider bin ich beruflich und privat stark eingebunden. Ich kann mir daher nicht vorstellen, wegen einer eher milden psychischen Erkrankung eine Auszeit zu nehmen oder mich auch nur von Hausarzt zu Facharzt zu Therapeuten schicken zu lassen. Lieber möchte ich zunächst versuchen, mit Euren Tipps etwas an der Situation zu ändern. Darüber hinaus bräuchte ich schnellen Rat, denn es steht bald eine mehrtägige Diensreise mit abendlichem Beisammensein an und ich habe noch keine Ahnung, wie ich das durchstehen soll.
Vielen Dank Euch allen!
Hochfunktionale Depression
Hallo,
Zur Depression direkt kann ich dir nicht weiterhelfen, aber wurden denn schon körperliche Ursachen ausgeschlossen?
Bei mir war's die Schilddrüse die massiv auf die Psyche ging (Autoimmunerkrankung), im Umfeld habe ich das noch mit Vitamin-D bzw. B-Mangel, Eisenmangel und Nahrungsmittelunverträglichkeiten erlebt. Vielleicht gibt es ja einen Grund der (mehr oder weniger) einfach zu beheben ist. Seit ich die richtigen Tabletten für meine Schilddrüse nehme bin ich nämlich absolut nicht mehr depressiv.
Ich wünsche dir auf jeden Fall gute Besserung!
Hallo und vielen Dank für deine Antwort und die Anregung! Vielleicht muss ich doch mal zum Arzt und wenigstens das checken lassen. Es wäre wirklich toll, wenn ich diesen Zustand mit ein paar Schilddrüsenmedikamenten loswerden könnte.
Wenn du noch gar nicht beim Hausarzt warst würde ich auf jeden Fall einen kompletten Checkup inklusive großem Blutbild und ein paar zusätzlichen Werten (Vitamin D & B, Schilddrüsenantikörper, Eisenspeicher) machen lassen. Dauert bei meinem Hausarzt alles in allem keine Stunde, das ist es wert! Wenn dir vor den Fachärzten bang ist musst du beim Hausarzt ja nichts von Depressionen sagen, Müdigkeit und mangelnde Leistungsfähigkeit reicht doch erstmal. Und falls du, auch leichte, Verdauungsprobleme hast lass eventuell noch Unverträglichkeiten abklären, die können sich auch so auswirken.
Nicht dass du dich unnötig quälst! Wenn du bisher nie psychisch anfällig warst ist die Wahrscheinlichkeit für eine körperliche Ursachen auf jeden Fall da, man kennt sich ja selbst. Ich war psychisch immer stabil, aber die Schilddrüse hat mich völlig aus der Bahn geworfen. Auch heute noch merke ich akute Schübe etwas, aber wenn man die Ursache kennt kann man leichter damit umgehen.
Ich kann dir als Betroffene berichten...
Bei mir hat wirklich niemand bemerkt, wie schlecht es mir ging, trotz massivem Gewichtsverlust. Ich musste mich morgens aus dem Bett quälen, hatte Schlafstörungen und war ausgelaugt. Bei Arbeit, bei Hobbys oder ähnlichem, wo Menschen aufeinander treffen, hatte ich automatisch mein "Happy Face" im Gesicht. Auf die Frage, wie es mir geht, kam automatisch ein "mir geht es gut". Ich konnte es nicht steuern. Niemand konnte das traurige, verzweifelte, erschöpfte, hilflose Häufchen Elend erkennen.
Da wieder rauszukommen war ein langer Weg, durchzogen mit Rückschlägen, ausgelöst durch negative Ereignisse.
Ich kann dir nur raten, hör auf deinen Körper, deine Psyche. Du musst für niemanden funktionieren, parat stehen oder sonst was. Nimm dir Zeit für dich. Geh spazieren, hör ein Hörbuch, gehe deinen Interessen nach, so wie es für dich machbar ist. Vllt ist ja mal ein Kurzurlaub möglich.
Eine psychische Erkrankung ist nie banal und harmlos. Du kannst auch ohne Arzt einen Therapeuten kontaktieren.
Vielen Dank für Deine Antwort! Es fühlt sich an wie ein Teufelskreis, aber ich darf ihn nicht durch zusätzliche Anstrengungen durchbrechen. Eher durch etwas mehr "bewussten Müßiggang." Was ich bisher unfreiwillig tue (erschöpft auf dem Sofa liegen), muss ich durch etwas ersetzen, das mir hilft. Aber ohne das Gefühl, mich zu zwingen. An der Stelle komme ich gerade nicht gut weiter, denn mir fällt alles sehr schwer. Vielleicht geht es in ganz kleinen Schritten.
Aromatherapie: Rosen oder Orangenöl oder Rosenblütentee
generell wirkt die Farbe orange stimmungsaufhellend
Wenn du körperlich gesund bist, dann es ist es wahrscheinlich, dass es irgendetwas in deinem Leben nicht passt für dich. Und diesen "niederdrückenden Faktor" solltest du finden.
Bei dir klingt das mehr nach Erschöpfung... Prioritäten setzen (sagt sich so einfach (; )
Pflichtbewusstsein ist nicht alles; man braucht auch Zeit um das Leben zu genießen...
Ich leide ebenfalls an einer funktionalen Depression.
Ich funktionierte dort, wo ich es mir nicht leisten kann NICHT zu funktionieren. Das war auf der Arbeit und bei meiner Tochter (die mein kleiner Lebensretter ist , durch sie gebe ich nicht auf). Dort läuft alles wie gewohnt ab, ich zimmerte mir morgens das Lächeln ins Gesicht und dann funktionierte ich. Dafür kratze ich meine letzten Reste Serotonin zusammen und brech dann Abends wenn meine Tochter im Bett ist zusammen vor Erschöpfung. Ich hatte an nichts wirklich mehr Spaß, alles war ein grauer Einheitsbrei und manchmal fragte ich mich: Wozu das Ganze? Ich mache und tue und am Ende kommt nicht wirklich was bei rum.
Ich habe einen guten Job, einen Mann, eine wunderbare Tochter, es ist alles gut... bis auf dieses lauernde Gefühl, dass jeden Moment wieder dieses graue Gefühl kommt. Der Ganze Tag fühlt sich an, als würde ich einen Film schauen, der mich nicht interessiert. Ich fahre auf Autopilot bis ich für mich sein kann und alles über mir zusammenstürzt. Ich kann die kleinsten Situation bis ins unendliche zerdenken. Manchmal habe ich das Gefühl als wäre nur Lärm, aber das bin eben nur ich, wie ich mal wieder alles durchdenke.
Ich bin aktuell in psychologischer Behandlung. Nehme auch Antidepressiva. Damit geht es mir deutlich besser. Ich habe wieder gute Tage, an denen ich mich auch an den kleinen Dingen erfreuen kann und dankbar sein kann. Wenn man es so sagen kann: Das Leben fühlt sich wieder heller an, intensiver.
Ich würde dir einfach raten, einen Termin bei einem/r Psychotherapeut/in zu machen. Der erste Termin ist ganz unverbindlich. Du beschreibst deine Situation und ihr schaut gemeinsam wie ihr weiter vorgehen möchtet.
Ich wünsche dir alles Gute