Schwangerschaftsvorsorge durch die Hebamme
Während der Schwangerschaft sind regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen vorgesehen. Was viele Frauen nicht wissen: Diese können auch von einer Hebamme durchgeführt werden.
Schwangerschaftsvorsorge: Arzt oder Hebamme?
Frauen, die ein Baby erwarten, gehen regelmäßig zur Schwangerschaftsvorsorge, dies ist heutzutage selbstverständlich geworden. Was viele jedoch nicht wissen: Diese Untersuchungen müssen nicht in einer Gynäkologenpraxis vorgenommen werden. Auch Hebammen sind für die Schwangerschaftsvorsorge zugelassen - mit Ausnahme des Ultraschalls. Die Schwangere hat also die Möglichkeit, die Vorsorgeuntersuchungen von einer Hebammen durchführen zu lassen oder zwischen Hebamme und Arzt bzw. Ärztin aufzuteilen. Doch, was zunächst ganz unkompliziert klingt, birgt in Wahrheit manchmal auch Tücken. Denn nicht immer sind die behandelnden Gynäkologen damit einverstanden, dass ihre Patientin nur zum Ultraschall in ihre Praxis kommt. Schwangere können dann im ungünstigen Fall, ohne es vorher zu ahnen, in einen Kompetenzstreit zwischen Hebammen und Ärzten geraten. Was aber sind die Argumente in diesem Streit? Was spricht eigentlich dafür oder dagegen, die Vorsorge bei der Hebamme oder bei der Ärztin machen zu lassen?
Argument der Hebammen: Schwangersein ist keine Krankheit
Hebammen als Nicht-Mediziner haben nach ihrem Selbstbild einen anderen Blick auf eine schwangere Frau und eine Schwangerschaft. Schwanger zu sein ist für sie ein ganz natürlicher physiologischer Prozess, der bei normalem Verlauf nichts mit Krankheit zu tun hat. Weniger als auf die möglichen Risiken konzentrieren sie den Blick auf die Schwangere und was sie in diesem sensiblen Prozess der Veränderung an Zuwendung und Hilfe braucht. Auf einer Delegiertentagung haben die Hebammen eine Erklärung verabschiedet, nach der Vorsorge das Ziel hat, die Kompetenz der Frau zu stärken und ihre Eigenverantwortlichkeit zu fördern. Nur bei regelwidrigen Schwangerschaftsverläufen sollen nach Ansicht der Hebammen die Frauen in die Hand von Medizinern überwiesen werden. Ansonsten sei dies eher wenig förderlich, da die an den Risiken orientierte medizinische Herangehensweise zu einer Überversorgung und zu ständiger Verunsicherung auch der ganz gesunden Schwangeren führe.
Kritik üben die Hebammen daran, dass die steigende Zahl der pränataldiagnostischen Untersuchungen während der Schwangerschaft keineswegs zu mehr Sicherheit der Schwangeren führe, sondern im Gegenteil wiederum neue Schwierigkeiten und Risiken mit sich bringe. Sie fordern dazu auf, die Schwangerschaft wieder mehr als Zeit der guten Hoffnung zu sehen und sie nicht immer mehr zur Zeit der Angst werden zu lassen.
Was ist sonst noch anders bei der Hebamme?
Wie auch Gynäkologen führen Hebammen die nach den Mutterschaftsrichtlinien vorgesehenen Untersuchungen - zunächst alle vier Wochen, später in kürzeren Abständen - durch. Dazu gehören unter anderem Gewichtskontrolle, Blutdruckmessung, Urinuntersuchung, Kontrolle des Standes der Gebärmutter, der Lage des Kindes, der kindlichen Herztöne und die allgemeine Beratung der Schwangeren. Anders ist jedoch bei der Hebamme, dass sie weniger oder anderes technisches Gerät benutzt, mehr ihre Hände, Augen und Ohren einsetzt und auch die Schwangere anleitet, dies zu tun.
Um beispielsweise die Lage des Kindes oder mögliche Wehen zu erkennen, tastet sie mit ihren Händen den Bauch ab. Kindliche Herztöne werden zwar manchmal - je nach Ausstattung der Hebammenpraxis - auch mit dem CTG gemessen, häufig aber ausschließlich mit dem Pinard'schen Hörrohr und/oder dem Dopton (ein kleines Handgerät, mit dem man die Herztöne des Babys hörbar machen kann). Denn Hebammen sehen Schwangerschaft als eine Zeit des In-sich-Fühlens und In-sich-Hörens. Auf diese Art und Weise wird ihrer Ansicht nach ein intensiverer Kontakt zum Baby im Bauch aufgebaut als durch den Blick von außen, wie er durch das Ultraschallgerät möglich wird.
Weiteres Unterscheidungsmerkmal: Der Faktor Zeit. Die freiberufliche Hebamme Gabriele Hesse umschreibt dies so: "Bei uns gibt es keine Wartezeit und ich kann mir viel mehr Zeit nehmen, um im Gespräch auf die Fragen der Schwangeren einzugehen. Auch Hausbesuche zur Schwangerenvorsorge sind möglich."
Hebammenvorsorge - von Gynäkologen nicht immer gern gesehen
Eine Schwangere, die zur Vorsorge sowohl zur Hebamme als auch zur Gynäkologin geht, wird vielleicht hie und da auf einen Arzt treffen, der die Hebammenvorsorge kritisch sieht. Hintergrund, so der Deutsche HebammenVerband, könnten Einbußen der Gynäkologen bei den Honoraren sein.
Denn, so schrieb der HebammenVerband in einer Pressenotiz: "Lässt eine werdende Mutter die Vorsorgeuntersuchungen bei einer Hebamme ausführen, geht aber für die Ultraschalluntersuchung zum Gynäkologen, so kann dieser nicht die Quartalspauschale für die gesamte Vorsorge in Anspruch nehmen, sondern kann nur die Einzelposition Ultraschall abrechnen. Diese Entwicklung ist manchen Frauenärzten ein Dorn im Auge." Also einfach alles eine Frage des Geldes?
Richtig ist, so die Kassenärztliche Bundesvereinigung, dass Gynäkologen pro Quartal (drei Monate) für die Untersuchungen der Schwangerschaftsvorsorge inklusive Ultraschall eine Pauschale abrechnen können, die je nach Region ungefähr bei 74 EUR liegt. Führen sie nur den Ultraschall durch, können sie dafür der Krankenkasse ungefähr 16 EUR in Rechnung stellen. Zum Vergleich: Eine Hebamme kann laut Hebammenhilfe-Gebührenordnung für eine Vorsorgeuntersuchung alle vier Wochen 21,80 EUR abrechnen. Dazu erhält sie 5,45 für eine eventuelle telefonische Beratung der Schwangeren sowie eine zusätzliche Pauschale für die Entnahme von Körpermaterial (z.B. Blutabnahme) in Höhe von 5,45 EUR.
Die heiß diskutierte Frage der Sicherheit
Doch Geld ist nur ein Aspekt, betont die Kölner Gynäkologin Brigitte Steinfort-Görner. Die erfahrene Fachärztin macht keinen Hehl daraus, dass sie Hebammenvorsorge kritisch sieht: "Werden die Schwangeren immer nur dann zu uns Ärzten geschickt, wenn bereits Komplikationen da sind, haben wir wieder den Schwarzen Peter. Denn geht dann etwas schief, gibt man uns die Schuld." Die Ärztin befürchtet, dass im Rahmen der Hebammenvorsorge Komplikationen zu spät erkannt werden könnten und dass dann - zum Zeitpunkt der Überweisung zur Gynäkologin - das Kind sprichwörtlich bereits in den Brunnen gefallen ist. Steinfort-Görner: "Schleichende Prozesse, zum Beispiel durch Plazentainsuffizienz, werden dann möglicherweise nicht erkannt." Der Argumentation von Hebammen, eine Schwangerschaft sei keine Krankheit, setzt die Gynäkologin entgegen: "Es ist richtig, dass 96 Prozent der Kinder gesund und unbehelligt auf die Welt kämen, auch ohne jegliche Diagnostik während der Schwangerschaft. Aber der Grund, warum man die ärztliche Schwangerenvorsorge eingeführt hat, ist doch der, dass man die vier Prozent, bei denen es nicht gut gehen würde, herausfischen und entsprechend versorgen will."
Steinfort-Görner plädiert für eine klare Arbeitsteilung zwischen Gynäkologen und Hebammen, die nach ihrer Vorstellung so aussehen könnte: "Die Hebamme sollte die Schwangere von der 30. Woche an sehen und die Geburtsvorbereitung durchführen." Damit will die Gynäkologin Hebammen jedoch nicht grundsätzlich Kompetenz in Sachen Vorsorge absprechen: "Natürlich gibt es sowohl unter Ärzten als auch unter Hebammen gute und weniger gute."
Die Art der Vorsorge finden, die zu einem passt
Jede Schwangere hat die Möglichkeit zu entscheiden - und damit auch die Qual der Wahl -, ob sie die Vorsorgeuntersuchungen beim Gynäkologen in Anspruch nimmt oder sich während ihrer Schwangerschaft einer Hebamme anvertraut. "Eine Schwangere soll die Art der Vorsorge, des Geburtsorts und der Geburt wählen, die zu ihrem Menschsein passt", so Dr. Edith Wolber vom Deutschen HebammenVerband. "Wenn sie sehr viele kontrollierende Anteile hat und ein größeres Vertrauen in Maschinen und Technik als in Menschen, dann braucht sie eine technisierte, medikalisierte Schwangerschaft und Geburt, alles andere würde sie panisch sein lassen." Und die Hebamme Gabriele Hesse: "Manche Frauen haben die Einstellung, je mehr gemacht wird, desto besser. Diese Frauen sind wohl besser beim Arzt aufgehoben." Ein weiteres Argument zur Entscheidungshilfe bringt die Gynäkologin ins Gespräch. Brigitte Steinfort-Görner: "Frauen, die zur Hebammenvorsorge gehen, sind oft stärker bereit, Krankheit und Behinderung als Teil des Menschseins zu akzeptieren."
Adressen von Hebammen gibt es unter anderem bei urbia unter www.urbia.de/services/hebammen, über Krankenkassen und das Branchenbuch oder die Homepage des Deutschen Hebammenverbands: www.hebammenverband.de
Von einer Hebamme und einem Gynäkologen gemeinsam ist das Buch "SchwangerschaftsSprechstunde" verfasst - ein liebevoll geschriebener Begleiter durch die Zeit der guten Hoffnung für Leib und Seele, Verlag Urachhaus, 25 EUR
Wer sich für den Beruf der und die Ausbildung zur Hebamme interessiert, kann sich auf dieser Seite des Landesverbandes NRW informieren: http://www.zukunft-als-hebamme.de/