Hallo,
war von euch schon mal jemand in der Situation, die Interessen eines anderen gem. Patientenverfügung durchzusetzen?
Meine Mama liegt nun - obwohl vorab alles schon so gut aussah und sie sich im Pflegeheim wirklich wohl fühlte - seit einer Woche im Krankenhaus. Nach mehreren Schlaganfällen hatte sie nun wieder neurologische Ausfälle, dazu noch einen Harnwegsinfekt und - aufgrund des Verlustes des Schluckreflexes - eine Lungenentzündung. Als sie noch gegessen hat, ist da wohl was in die falsche Röhre geraten. (Aspirationspneumonie)
Während der akuten Phase der Pneumonie war sie völlig weggetreten. Nun ist sie wieder wach, dank heftigen Antibiotika sieht es mit der Lunge erst mal besser aus. ABER:
Das mit dem Schlucken geht nicht. Würde sie was in den Mund nehmen, könnte sie daran ersticken. Sie bekommt also Flüssigkeit über Infusion. Und da sie in ihrer Patientenverfügung eine künstliche Ernährung ablehnt, eben keine Nahrung.
Wenn sich das mit dem Schluckreflex nicht wieder gibt, dann ist das wohl das nahende Ende, oder?
Wenn ich bei ihr bin, erkennt sie mich und versteht mich auch. Außer "JA" kann sie aber nichts sagen.
Früher über diese Verfügung zu reden, das war leicht. Wenn man jetzt in der Situation ist, sieht das ganz anders aus.
Sie hat stark abgebaut in den letzten Wochen. Aber ziemlich genau vor einem Jahr, nach dem ersten Schlaganfall in der Reha - da dachten wir auch mal ein paar Wochen, das wars jetzt. Und dann hat sie sich ganz toll wieder erholt. Sie war zwar 10 kg leichter, aber das kam bei guter Verpflegung schnell wieder drauf.
Ob das nochmal gut gehen wird?
Patientenverfügung
Hallo!
"Wenn sich das mit dem Schluckreflex nicht wieder gibt, dann ist das wohl das nahende Ende, oder? "
Das kann dir jetzt noch keiner sagen. Deine Mutter hat allerdings ganz schön viele "Baustellen". Deshalb hat sie wahrscheinlich die Verfügung ausgefüllt, oder?
Wäre ich sie, würde ich keine Ernährung wollen. Ganz sicher nicht! Eine PEG-Sonde habe ich für mich ausgeschlossen. Überleg mal, was das für sie bedeuten würde. Für mich käme ab einem bestimmten Punkt die Qualität meines Lebens vor der Quantität.
Bist du allein oder hast du Menschen zum Reden? EineN SeelsorgerIn? Du könntest bei einem ambulanten Hospiz um Unterstützung für dich und deine Mutter bitten.
Wahrscheinlich wirst du in der nächsten Zeit sehr bedrängt werden, was die Ernährung angeht. Der unnötigste Satz, den ich dazu kenne:
"Sie wollen ihre Mutter doch nicht verhungern lassen???!"
Deshalb musst du dir deiner Sache ganz sicher sein. Du musst fein unterscheiden, was deine Ängste und deine Sorgen sind und was das Beste für deine Mutter wäre. Sie hat ja schon entschieden. Niemand sagt, dass das leicht wird, aber das wird es MIT Ernährung auch nicht.
Persönlich habe ich nun mehrfach die Erfahrung gemacht, dass man besser durch schwierige Zeiten kommt, wenn man selbst Regie führt, wenn man selbst die Entscheidungen trifft und sich nichts einreden lässt. Man muss gut zuhören und abwägen, aber am Ende sollte man so entscheiden, wie man es für richtig hält. Auch wenn 500 Menschen was anderes denken.
"Ob das nochmal gut gehen wird? "
Es wird gut gehen, wenn du im Sinne deiner Mutter handelst, wenn du immer alles hinterfragst, wenn du dich der Aufgabe stellst und sie begleitest. Es wird nicht gut gehen, wenn das Zepter aus der Hand gibst.
Wenn du mit "gut" meinst, dass deine Mutter wieder gesund wird, dann -nein- wird es nicht gut, aber das erwartest du ja gar nicht.
ich wünsche dir viel, viel Kraft, aber ich glaube, du schaffst das. Denn eigentlich denkst du schon das Richtige.
LG
Wirklich schön geschrieben ❤️
Alles Gute der TE❤️
Danke dir für deine liebe Antwort.
Ich selbst habe genauso eine PV und meine
Mutter hat ihre auch schon im Jahr 1998 notariell aufgesetzt. Da war sie 54 und von irgendwelchen Krankheiten noch gar keine Rede.
Auch zum Thema Organspende haben wir die gleiche Einstellung.
Da ich merke, dass sie alles versteht, sich nur nicht artikulieren kann, habe ich sie vorsichtig gefragt, ob es richtig ist, dass ich ihre Wünsche vor den Ärzten vertrete. Da hat sie leise ja gesagt und etwas geweint und hat ganz fest meine Hand gedrückt.
Ich denke, sie ist froh, dass sie jemanden hat, der sich für sie "spricht".
Mein Papa ist bereits 2007 verstorben. Er hatte keine PV, er konnte schlecht über sowas sprechen. Er lag zuletzt im Koma und ich denke, wir haben trotzdem in seinem Sinne gehandelt.
Mein Mann und die restliche Familie und auch Freunde sind bei mir.
Die Frage ist ja, ob ihre Baustellen soweit eingestellt werden können, das es eine Aussicht auf Besserung und eine „lebenswerte“ Zeit gibt. Falls ja, dann würde ich nicht wollen, dass es am Ende daran scheitert, dass sie nicht (zeitweise?) künstlich ernährt werden wollte.
Da glaube ich nicht wirklich dran, leider.
Sie selbst hat vor einigen Wochen gesagt, dass sie ihr momentanes Leben nicht mehr so toll findet, auch wenn sie sich im Heim wohl fühlt.
Aber alles was ihr Leben vorher lebenswert machte, ist nicht mehr möglich. Ich glaube, sie hätte besser im Rollstuhl sitzen können als ihre Sprache zu verlieren. Die Welt bereisen, sich mit anderen Menschen austauschen, lecker essen und shoppen gehen, das hat sie geliebt. Am Morgen des Schlaganfalls hat sie noch Onlinebanking gemacht.
Mit ihrem smartphone konnte sie auch nichts mehr machen, wenn ihr das wenigstens geblieben wäre, der schriftliche Austausch mit anderen . . .
Die Nahrungskarenz bleibt oftmals bei solchen schwerwiegenden Erkrankungen bestehen, denn die Gefahr für Aspirationsoneumonien sind einfach extrem hoch (oder leider fürs Ersticken).
Sie scheint mehrere Erkrankungen zu haben, dh zwar nicht unbedingt, dass es jetzt schnell etc zu Ende gehen muss, aber wenn sie vermerkt hat, dass sie künstlich nicht ernährt werden möchte, dann muss man das akzeptieren.
Für Außenstehende oftmals viel viel vieeeel schwieriger als für die Patienten selber.
Kannst dich gerne an einen Seelsorger wenden, mit diesem speziellen Thema haben sehr viele Menschen ihre Probleme.
Ich wünsche euch alles Gute und viel Kraft.
Hallo,
ich würde das Gespräch mit dem Pflegeheim suchen, in dem sie lebt. Du schreibst, dass sie sich wohl fühlt das. Die Mitarbeiter dort kennen sie gut und kennen sich auch mit der letzten Phase im Leben gut aus. Egal wie lange diese dauert. Denn wenn wir ehrlich sind, dann verlässt man ein Pflegeheim eigentlich nur, wenn man verstirbt.
Und dann würde ich deine Mutter aus dem Krankenhaus ins Pflegeheim verlegen lassen, denn dort ist sie in guten Händen.
Alles Gute für euch
lilavogel
Hallo!
"Denn wenn wir ehrlich sind, dann verlässt man ein Pflegeheim eigentlich nur, wenn man verstirbt."
Ja, das wäre schön, wenn es so wäre. Meistens ist das aber anders und Bewohner werden in der finalen Phase ins Krankenhaus verlegt. Die palliative Versorgung in den Heimen ist noch sehr schlecht ausgebaut, das Personal dafür gar nicht vorhanden.
Meine Erfahrung damit ist, dass sich Heime absichern wollen. Die hätten lieber eine PEG-Sonde, um auf der sicheren Seite zu sein. Dann hängt man regelmäßig Sondennahrung an, muss nicht viel Zeit, die woeiso nicht vorhanden ist, für Schluckversuche aufbringen. Auch das Heim wird "Druck" machen. Man muss sich als Zugehöriger schon sehr, sehr sicher sein, was das Richtige ist, und braucht ein breites Kreuz, um sich nicht verunsichern zu lassen.
LG
Das kann ich bestätigen, was du schreibst. So toll das Heim auch ist und die Leute da, was momentan in der Klinik gemacht wird, könnten die gar nicht leisten.
Und sobald sie sich unsicher werden, rufen sie wieder die 112. So geschehen vorletzte Woche im 3-Tage-Rhythmus Die ersten beiden Male kam meine Mutter nach ein paar Stunden zurück "es wären nur Krampfanfälle" - Tabletten angepasst und gut.
Beim dritten Mal klappte das dann wohl nicht mehr.
Aber die im Heim sagten, das Krankenhaus hätte sie immer wieder zurück gebracht. Denen wäre es lieber gewesen, dass sie in der Klinik bleibt, allein schon dieses Hin und Her, was für ein Stress.
Naja, jetzt ist sie ja (erst mal) dauerhaft da . . . . . . .
Macht sie denn Schlucktraining? Wie sieht die Prognose aus?
Eine Woche ist noch nicht lang...alles Liebe
"Macht sie denn Schlucktraining? Wie sieht die Prognose aus?"
Genau das würde ich auch erst mal besprechen. Was sagen die Logopäden dazu? Die sind normalerweise ganz gut darin zu beurteilen, ob mit Zeit und Training das Essen wieder möglich sein wird.
Ja, seit zwei Tagen kommt eine Logopädin und Physio auch.
Als ich heute zu ihr kam, bekam ich erst einen Schreck. 1. weil sie so seltsam da lag, mit offenem Mund und 2. an dem Gestell für Infusionen hing so ein Beutel mit Flüssignahrung o.ä. Ich hab sofort ihren Bauch gecheckt, war aber alles gut. Das gibt es per Infusion. Weil sie müssen sie zumindest etwas aufpeppeln, damit das Training starten kann. Ich hab sie gefragt ob das ok ist, und sie sagte ja.
Heute konnte sie schon drei Worte mehr als gestern. Und ich hab mit ihr ihre Lieblingsmusik gehört. Freddie Mercury/Queen. Das fand sie toll.
Aber immer wenn ich gehen muss, dann macht sie irgendwie zu.