Richtiges Verhalten gegenüber psychisch kranken?

Hallo,
Ich hoffe hier ist jemand der sich auskennt und mir Tipps geben kann.

Ich habe eine neue Kollegin. Ich weiß nicht wie ich mich ihr gegenüber verhalten soll.
Mein aktueller Ansatz ist ihr zuhören und "gut zureden", das scheint aber leider nicht der richtige Weg zu sein.

Sie ist schon länger in der Firma.

Vor kurzem hat sie ein kleine Macke in den Firmenwagen gemacht, der Chef war dabei und war natürlich nicht begeistert.
Die Kollegin hat sich darauf hin auf den Bürgersteig gehockt die Arme schützend über den Kopf gehalten und war am weinen. Als hätte sie Angst jemand wollte sie verprügeln. Am nächsten Tag habe ich ihr gut zugeredet das alles ja nicht so schlimm ist, passiert jedem mal, der Chef hat sich eben erschreckt und wird sich bald beruhigen. Das sowas passieren kann,
kommt bei ihr aber nicht an, tagelang war sie deswegen am weinen "ich fahr nicht mehr" oder "jetzt werde ich rausgeschmissen" hat sie immer wieder gesagt.
Der Chef möchte das sie wieder fährt, alles vergeben und vergessen.
Vor kurzem waren wir zusammen unterwegs und ich habe ihr angeboten das sie einen Teil des Rückwegs fahren könnte wenn sie sich dabei gut fühlt, wenn man vom Pferd fällt muss man ja auch wieder drauf. Sie hat zugestimmt, schien sich zu freuen. Heute hat der Chef mich angesprochen, ich hätte die Kollegin gezwungen zu fahren! Sie hätte das nicht gewollt.
Sie nimmt alles persönlich und sehr zu Herzen.
Ich weiß das sie mal wegen akuten Suizidgedanken in einer Psychiatrie war und noch immer in Behandlung ist, hat sich selbst eingewiesen.
Egal wie sehr ich versuche auf sie einzugehen, sie motiviere, aufbaue, ich rede mit Engelszunge. Aber bei ihr kommt nur an "keiner mag mich, keiner will mich, alle mobben mich"
Ich bin total überfordert und weiß nicht wie ich mich verhalten soll.
Sie scheint sehr unglücklich zu sein und kein Selbstvertrauen zu haben.
Manchmal überlege ich ob es vielleicht doch nicht so ist wie es scheint und sie nur Aufmerksamkeit sucht.
Sie wohnt zu Hause bei ihren Eltern, anderen Kollegen hat sie mal erzählt das der Vater wohl nicht ohne ist. Die haben ihr auch geraten auszuziehen aber sie ist geblieben.
Ich finde die Tage mit ihr mittlerweile echt anstrengend, aus jeder Kleinigkeit macht sie ne riesen Sache und ich kann ihr nicht helfen, scheinbar mache ich es nur schlimmer.
Diese Woche war sie auch wieder total down weil wir noch nen neuen Mitarbeiter bekommen. Es ist viel zu tun, das weiß sie auch. Für sie bedeutet das scheinbar das sie gehen muss. Keine Ahnung wie sie darauf kommt, nie hat der Chef oder sonst jemand irgendwas in diese Richtung gesagt. Sie hat auch nie eine Abmahnung bekommen oder so was.
Hat jemand Tipps?
Kann ich ihr helfen?
Soll ich so weiter machen?
Oder meint ihr es wäre besser nicht so sehr darauf einzugehen?
Sie tut mir wegen der ständigen negativen Gedanken leid, das ist doch so kein schönes Leben.
Manchmal geht sie auch alleine auf hohe Leitern obwohl wir sowas sonst nur zu zweit machen, ist zu gefährlich. Sie sagt dann aber bei ihr wäre es ja nicht so schlimm wenn sie runter fällt, sie hat das Gefühl in der Firma nicht wichtig (überflüssig) zu sein. Das ist natürlich totaler Blödsinn, sie ist genauso wichtig wie jeder andere auch!

Ich brauche Hilfe für den richtigen Umgang mit ihr.

Liebe Grüße!

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Das hört sich jetzt richtig dumm an, aber zur Not frag sie, was sie braucht.

Ich war oft und lange stationär in Therapie wegen Borderline, PTBS, Depression und Anorexie.
Ich will einfach behandelt werden wie immer, wie ein MENSCH und will kein Mitleid oder sonstiges.
Eine Frau die ich bei der Therapie kennengelernt habe braucht genau das, sie will dann, dass man sich um sie kümmert, gut zuredet, für sie da ist.
Eine andere Freundin die ich dort kennengelernt habe will einfach ihre Ruhe, bis sie wieder "runtergekommen" ist, da kann es sein dass sie Sachen packt und paar Tage abhaut zum Zelten oder so.

Man kann es nicht pauschalisieren, wie man mit psychisch belasteten Leuten umgehen/reden sollte. Jede Person, jede Diagnose usw ist unterschiedlich.

Und auch wenn es sich jetzt gemein anhört, aber ihr seid eben "nur" Arbeitskollegen. Vielleicht will sie gar nicht, dass jemand aus der Arbeit viel davon miterlebt und schämt sich nun? Ich kenne sie ja nicht persönlich deswegen kann ich dir leider auch nicht wirklich mehr weiterhelfen. Am besten solltest du das mit ihr besprechen, denn nur sie kann dir sagen wie man mit ihr umgehen sollte in solchen Situationen

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Danke für deine Antwort.
Ich habe schon das Gefühl sie möchte reden, sie fängt ja selbst damit an.
Ich hätte auch ein komisches Gefühl wenn sie neben mir sitzt und vor Verzweiflung weint und ich ignoriere sie.
Ich sage ihr ja auch sie braucht nicht drüber reden wenn sie nicht möchte. Manchmal schweigen wir ja auch... Sie tut mir leid aber das sage ich ihr nicht. Ich habe auch Probleme, Mitleid will ich aber nicht.
Ich werde sie in Zukunft noch mehr fragen was ihr gerade in dem Moment gut tut.

Natürlich ist sie nur meine Kollegin aber irgendwie finde ich gehört es sich aufeinander zu achten. Hätte sie irgendwelche körperlichen Probleme, z. B. Rückenschmerzen würde ich das doch auch mit ihr thematisieren und versuchen die Arbeitszeit für sie "angenehm" zu machen.

Danke das du deine Erfahrungen mit mir geteilt hast! Alles Gute!

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Hallo!
Bist du denn extra dafür da, sie zu unterstützen? Wenn du dich ständig um sie kümmern musst, kommst du ja zu nichts mehr.
Wenn sie eine 'normale' Kollegin ist, behandel sie auch so. Alles Gute!

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Ich bin natürlich nicht dazu da mich um sie zu kümmern. Wir sitzen oft zusammen im Auto während der Arbeit und da redet man halt, über das Wetter, das Wochenende, smalltalk halt. Sie erzählt aber auch viel von ihren Problemen.
Was soll ich denn dann machen? Ignorieren? Sagen Sie soll mir mit dem Thema nicht kommen? Bisher habe ich gemacht was ich vom Gefühl für richtig empfinde... Vielleicht liege ich damit ja auch falsch.

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Persönlich kann ich verstehen, dass du ihr helfen willst und ihr Gutes tun willst (siehe Angebot des Fahrens). Das kommt bei ihr aber nicht so an, wie von dir beabsichtigt, und sorgt letztendlich bei dir für Stress. Daher würde ich meine Bemühungen radikal reduzieren und wieder auf ein normales Kollegenverhältnis zurück fahren. Sämtliches Gejammer von ihr, würde ich ignorieren. Du bist nicht für sie verantwortlich. Sie hat einen Therapeuten. Ihre Probleme sind nicht deine. :-)

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Sie ist ne Arbeitskollegin und keine zu betreuende Person oder?
Ich würde mich auf meine Arbeit konzentrieren.
Das sind nicht deine Probleme wenn sie sich nicht helfen lässt

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Ich würde tatsächlich eher auf Distanz gehen.

In meinem Team ist jemand mit ähnlichen Tendenzen, nur weniger dramatisch. Aber eine Art andauernde Opferstellung ist auf Dauer sehr mühsam und führt zumindest bei mir im Team zu Konflikten. In der Führungsposition muss man uU anders mit Kollegen sprechen und manche etwas behutsamer im Umgang behandeln. Als gleichwertige Kollegin würde ich vorsichtig sein.

Zum Einen scheint sie offenbar keine Probleme damit zu haben, anderen den schwarzen Peter zuschieben zu können um wieder in der Opferrolle zu landen (siehe Autositution) und je nach Ausgangslage könnte es für dich noch unangenehmer werden. Zum Anderen ist das ihre Arbeit und keine Therapie. Ich denke auch, dass du sie indirekt in ihrem Verhalten unterstützt, je mehr du darauf eingehst und auf sie einredest. Letztendlich ist es die Aufmerksamkeit, welche sie will.

Du solltest selbstverständlich weiterhin freundlich und respektvoll sein. Allerdings dir klar vor Augen führen, dass du nicht für Ihre Gefühle verantwortlich bist.

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Vielen Dank an alle für ihre Beiträge!

Ihr habt mich auf jeden Fall zum Nachdenken gebracht, einige sind ja der Meinung ich sollte mich mehr zurück halten.
Gerade weil manch andere Kollegen nicht besonders geduldig sind wollte ich ihr z. B. nach der Macke am Auto helfen und sie langsam wieder ran führen.
Vielleicht ist das alles zu viel des Guten...

Ich werde wohl noch ein paar Nächte drüber schlafen und mal sehen wie die nächsten Tage mit ihr laufen. Vielleicht spreche ich sie auch mal etwas direkter an ob sie Hilfe braucht.

Danke!

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Ist sie deine Kollegin oder bist du ihre Vorgesetzte?

Als Vorgesetzte oder Weisungsbefugte ist es natürlich noch mal anders.

Als Kollegin ist die Frage, wie viel du an dich heran lassen kannst.
Zum Chef schicken, was sein Bereich ist und was NICHT deine Aufgabe ist. - Nicht wegen Abmahnen, sondern um mit ihr zu besprechen, was sie firmenintern braucht, an Hilfen, an wie kann es medizinisch in Bezug auf ihren Arbeitsvertrag weiter gehen - Absprache zum Arzt zu gehen, was Personalrelevant erlaubt und sinnvoll ist.

Wenn du Kraft hast und sie mittragen kannst - sofern ihr das nicht schadet, um echte Hilfe zu bekommen: Gespräch mit Vorgesetztem über andere Möglichkeiten,

dann frag sie ganz konkret, was sie braucht.

Wer mit Engelszungen versucht mich zu motivieren, wirft mich komplett zurück!
Das ist bei mir kontraproduktiv. Ich bin zwar nicht psychisch krank, aber es ätzt mich an. Lähmt mich. Macht mich klein. Verunsichert mich. Macht mich wütend.

Wer mir z.B. wirklich helfen will, der fragt mich
- wie es mir geht
- was ich brauche
- ob die Person mir überhaupt helfen kann! Manchmal ja, dann kann ich konkretes sagen; manchmal nein, dann ist es auch ok.

Ein zielloses herumstochern bringt oft nichts.

Psychisch krank, kann alles und nichts bedeuten.
Ein zurück liegender Suizid kann trotzdem Gesundheit im heute bedeuten.
Noch in Therapie sein, kann bedeuten, dass sie es zur Stabilisation braucht oder auch, dass noch mehr dahinter steckt.

Jedes Krankheitsbild ist anders, jeder Mensch innerhalb eines Krankheitsbildes ist anders.

Ein Zusammenbruch kann von der bestehenden Krankheit kommen,
kann aber auch eine ganz andere Ursache haben.

Wenn du sie mittragen und ihr helfen möchtest, dann sag ihr das. OHNE auf sie einzureden. Ohne sie zu bevormunden, gängeln, sonstiges. Frag sie WIE und OB du ihr überhaupt helfen kannst. Wenn nicht - dann ist das nicht deine Baustelle. Es sei denn du wärst ihre Vorgesetzte oder aus der Personalabteilung, wo du ggf. handeln müsstest.

Wenn sie konkret sagt, dass sie konkrete Hilfe braucht, dann prüfe, ob du das REALISTISCH machen kannst.
Ich kann z.B. einiges an Hilfe nicht anbieten. Ich würde gerne, aber ich kann es nicht. Dann ist der Person mehr geholfen, wenn ich das ehrlich so sage. Ich würde gerne, aber das konkret kann ich nicht.
Das heißt nicht, dass ich die Augen verschließe, im Gegenteil. ich überlege dann, wer diese Hilfe geben kann, die gebraucht wird - ich aber nicht dazu in der Lage bin.