Liebe Community.
Ich habe gestern ein sehr offenes Gespräch mit meinem Mann geführt, hauptsächlich darüber, dass ich ständig unter Strom stehe, wahrscheinlich ein kleiner Kontrollzwang. Ich teilte ihm dann mit, dass ich mir auch oft Sorgen über vielleicht absurde Dinge mache, was, wenn uns auf der Autobahn was passiert, hauptsächlich habe ich Angst um unser 2 jähriges Kind, dass ihm etwas zustößt oder uns etwas zustößt und er alleine ist.
Ich neige schon dazu kleine Veränderungen an meinem Körper ernst zu nehmen, Google dann auch Symptome etc.
Ich muss dazu sagen, dass ich aus dem medizinischen Bereich komme und viele Dinge erlebt und gesehen habe, die sich andere nicht vorstellen können.
Exemplarisch: ich habe Angst vor einem Schlaganfall, Krebs, plötzlichem Herztod. Ich hatte Angst bei der Geburt zu sterben, ich hatte Angst dass unser Kind im Bauch stirbt.
Sollte ich mir wirklich Hilfe holen? Ist er zu unbeschwert?
Diese Ängste bestimmen NICHT unser Leben, wir sind nicht ständig beim Arzt etc., das ganze findet nur in meinem Kopf statt, wir leben unser Leben schon normal mit sozialen Kontakten etc. einzig bei offensichtlich kranken Kindern gucke ich schon, dass wir etwas Abstand halten, wenn es möglich ist.
Danke, für jede Meinung
Wie viel Angst ist „normal“
Angst und Kontrolle sind zwei Seiten einer Medaille… die Angst suggeriert dir, dass du Kontrolle hast (du kannst, wenn was passiert ist, immerhin sagen: ich hab’s gewusst/geahnt/immer gesagt). Die Angst gibt dir das Gefühl, Schicksalsschlägen nicht völlig hilflos ausgeliefert zu sein. Die Angst lässt dich verstärkt Dinge kontrollieren und das gibt dir wiederum ein Gefühl von Sicherheit.
Fakt ist aber: So richtig verhindern kann die Angst, das, wovor wir uns fürchten, in der Regel nicht: wir können ganz viel Angst haben und trotzdem einen Schlaganfall erleiden, zu jeder Kontrolle rennen und dennoch Krebs bekommen, nie schneller als 120 fahren und trotzdem mit nem betrunkenen Fahrer kollidieren…
Für mich ist “gesunde Angst” die Angst nicht ans Lenkrad in meinem Leben zu lassen. Sie darf ein Beifahrer sein, der sich zu Wort meldet, zu dem man aber auch mal sagen darf: Bitte nicht mit dem Fahrer sprechen.
Ich war eine Zeit lang in meinem Leben nicht navigationsfähig, da ich die Angst ans Steuer gelassen habe. Die wollte verständlicherweise die Garage nicht verlassen, zu gefährlich ist die Welt da draußen. Aber ein Auto ist nicht für die Garage gemacht, nicht wahr?
Ich merke heute, dass die Angst zu dominant wird, wenn ich mich in Gedankenspiralen verliere: Dieser Knubbel da, was wäre wenn, aber der Arzt hat mich beruhigt, aber was ist, wenn… und das ohne Punkt und Komma, Tag und Nacht…
Gesunde Angst finde ich: Ich hab ein Symptom, da geht 2 bis 3 Wochen nicht weg, ich gehe zum Arzt, lass es abklären und glaube dem Arzt, wenn der Entwarnung gibt.
Krankhafte Angst ist, ein 10jähriges Kind jeden Tag bis vors Schultor zu begleiten. Gesunde Angst ist, die Verkehrsregeln mit dem Kind zu üben und auf einen Helm zu bestehen…
Ich bin für meine Angst nicht so undankbar, seitdem sie auf dem Beifahrersitz bleibt: ich lebe ziemlich gesund, bin vegleichsweise umsichtig und dann informiere mich ausführlich, bevor ich mich in neue Abenteuer des Lebens stürze.
Was ich nicht mehr möchte: aus Angst Dinge nicht mehr machen, auf die ich eigentlich Lust habe, oder mein Kind einschränken in seiner natürlichen Entwicklung.
Für mich ist das ein Balanceakt. Mir hilft Meditation: ich setze mich mit meiner Angst aufs Kissen und höre zu, was sie sagen will. Danach überlege ich, was davon ich annehmen möchte.
Danke, für deine ehrliche Antwort. Das mit der Kontrolle wird es sein, ich will auf alles vorbereitet sein.
Ich fahre ja trotzdem Auto, etc. wahrscheinlich eher vorsichtig in den Augen anderer, aber ich komme trotzdem pünktlich ans Ziel
Hallo!
Ich arbeite im Hospiz, mache schon seit über 20 Jahren Sterbebegleitung in verschiedenen Bereichen.
Auf der einen Seite ich: Waaaaaahhhhh, was man alles kriegen kann! Was alles passieren kann! 1000000000 verschiedene Möglichkeiten! Waaaahhhhh!
Auf der anderen Seite denke ich aber sofort: He, mich wird nur eines treffen, vielleicht zwei Dinge, aber nicht alle unendlichen Möglichkeiten. Und diese eine Erkrankung/dieser eine Unfall/Schicksalsschlag muss mich erst mal finden. Ich kann mich jetzt auf elfendrölfzich Möglichkeiten vorbereiten, aber dann wird was gänzlich anderes passieren. Ich kann mich jetzt ständig fürchten, aber tritt was ein, mit dem ich nie gerechnet hätte. Also locker weiteratmen!
Leben ist immer lebensgefährlich. Kontrolle haben wir auch nie. Trotzdem dürfen wir einfach leben. Wenn Angst einen lähmt, sind die Gefahren trotzdem da. Es ist vollkommen egal, ob ich mich fürchte oder nicht. Also fürchte ich mich (meistens) nicht.
LG
Auch dir danke, für deine Antwort.
Übrigens ein toller Job, den du machst.
"Übrigens ein toller Job, den du machst."
Mmh, die Geschichten im Hospiz sind meist nicht so "märchenhaft" wie es in den Medien dargestellt wird und nicht so fürchterlich wie in den Köpfen von Menschen, die dem Thema immer aus dem Weg gehen wollen. Der Job ist manchmal toll und manchmal zum Abgewöhnen. Der Pflegenotstand hat auch uns erreicht.
Wenn du dich traust, dann taste dich ran an das Thema. Das macht vielleicht erst mal Angst, aber später hilft es dagegen. Das erzählen die meisten Ehrenamtlichen, die diesen Hospizkurs vor ihrem ersten Einsatz machen.
Es gibt "Letzte-Hilfe-Kurse". Die gehen nur einen halben Tag und werden u.a. von den Maltesern angeboten:
https://www.malteser.de/aware/hilfreich/letzte-hilfe-kurs-sterbende-wuerdevoll-begleiten.html
Die sind für alle, die das interessiert.
LG