Hallo,
ich möchte mir jetzt einmal etwas von meiner Seele schreiben und ich wünsche mir, nicht angefeindet und verurteilt zu werden.
Ich werde im Sommer 36 Jahre alt.
1992 habe ich im Alter von 16 Jahren einen Sohn zur Welt gebracht. Damals war ich mit dem Kindsvater fast 2 Jahre lang ein Paar, als Daniel zur Welt kam. Kurze Zeit später zog ich aus meinem Elternhaus aus und in sein Elternhaus ein.
Das Zusammenleben war schwierig. Es war eine vorzeige Familie. Nach Außen alles super...schicke Reihenhaussiedlung...
Drin allerdings, wurde heimlich im Keller getrunken, sich geprügelt, geschrien. Am nächsten Tag wurde aber nie drüber gesprochen und einfach so weiter gemacht als wäre nichts geschehen.
Ich erinnere mich an unschöne Szenen, als ich Daniel auf dem Arm hielt und der Vater meines Freundes auf mich einprügelte, weil ich es gewagt hatte ein Babyfon im Kinderzimmer zu installieren, damit ich selbst mitbekomme, wenn mein Kind aufwacht (eine Etage tiefer). Bis dahin hat das gerne mal die Mutter meines Freundes in die Hand genommen. Ich wollte mich selbst kümmern.
Als ich damals erfuhr dass ich schwanger bin, schrien alle aus seiner Familie, ich solle abtreiben. Mein Exfreund brach weinend vor mir zusammen, ich solle ihm nicht sein Leben versauen. Seine ältere Schwester riet mir eindringlich zur Abtreibung- wie auch seine Eltern.
Ich vereinbarte damals entsprechend Termine. Am Tag des Eingriffs, sagte ich diesen ab.
Ich wollte dieses Kind bekommen, ich konnte es lieben. Ob mit oder ohne ihn und seine Familie. Und die Kosequenzen waren mir egal.
Als Daniel 3 Jahre alt war, trennten wir uns. Mein Ex fand immer schon Frauen toll....andere Frauen. Und an allererster Stelle standen seine Arbeit, nach der Arbeit nochmehr Arbeit und dann Parties.
Für mich war das nichts. Meine Vorstellungen waren andere und ich zog vorübergehend zurück zu meinen Eltern.
Daniel war immer ein sehr liebes, sensibles und vernünftiges Kind. Er war schnell zufrieden und es gab nie Probleme mit ihm. Er hatte eine leichte Herzschwäche. Das belastete mich sehr. Er kippte dann einfach so um. Erst viele Jahre später erfuhren wir bei einer speziellen Untersuchung, dass sein Herz einfach so stehen bleibt in diesen Momenten. Bis heute hat sich das allerdings vollständig verwachsen.
Ich hatte immer viele Ängste um ihn. Hinzu kam, dass man als junge Mutter 120% geben muss. Die Leute schauen auf einen, zeigen mit dem Finger drauf..."kein Wunder dass das nicht klappt- sie ist ja noch so jung"..
Davor hatte ich immer Angst.
Ich musste und wollte möglichst alles richtig machen.
Ich fand eine Wohnung für Daniel und mich, hatte einen sehr guten Job, der allerdings Schichtdienste verlangte. Ich arbeitete und schaffte uns ein schönes zu Hause, kaufte uns ein Auto. Es klappte gut.
Durch die Schichtdienste war es allerdings oft nötig, dass Daniel bei seinem Vater in dessen Elternhaus übernachtete (er wohnt heute mit fast 40 noch dort).
Hatte ich Spätdienst und am nächsten Tag Frühdienst, sah ich ihn erst am nächsten Nachmittag erst wieder. Das belastete mich natürlich. Aber eine Wahl hatte ich nicht.
Ich erinnere mich heute noch an ein Telefonat, wo Daniel weinte, dass ich ihn bitte abholen soll. ich erklärte ihm mit Engelszungen, dass ich doch arbeiten muss und es nicht ginge.
Scheiss auf die Arbeit. Ich hätte ihn holen sollen. Das werfe ich mir heute vor. Das war das erste Schlüsselerlebnis.
Kurze Zeit später geriet ich über einen Zivi auf meiner Station in übelst falsche Kreise. Ich stürzte ab. Daniel war zu dieser Zeit viel bei seinem Vater oder bei dessen ungewollt kinderlosen Schwester.
Ich war drauf und dran mir mein ganzes Leben zu versauen.
Ja- das habe ich scheinbar supergut drauf.
Ich war mit einem Typen zusammen, der absolut nicht gut für uns war. Aber schaffte es nicht raus. 5 Jahre lang jonglierte ich zwischen gut und böse und schaffte nach vielen Versuchen mich zu trennen, Schlägen und einer Schwangerschaft die mir raus geprügelte wurde, endlich den Sprung in mein Leben zurück.
Aber mein Leben existierte so nicht mehr. Ich hatte das meiste davon zerstört ohne es zu merken.
Ich wollte keinen Kerl mehr. Nur noch mein Leben zurück.
Kurze zeit später lernte ich einen Mann kennen, der ganz anders war. Ich traute ihm nicht soweit ich spucken kann. Eigentlich dachte ich Anfangs er sei schwul- und somit keine Gefahr.
Dieser Mann liebte mich aber- und mein Kind- und wir IHN!
Zu Perfekt um wahr zu sein.
Durch meine Vorgeschichte war eines klar.
Ich musste weg aus diesem Ort und neu beginnen. Ich freute mich auf ein Leben mit Daniel und diesem Mann in dessen Heimatort- 130 km von dort entfernt.
Kurz vor dem Umzug erklärte Daniel mir, dass er nicht mit möchte. Er weinte...er wollte nicht mit, sondern dort bleiben wo seine Freunde sind, sein Vater, seine Großéltern und seine Tante.
Er war 11 Jahre alt.
Ich quälte mich mit dieser Entscheidung herum und wollte nur das allerbeste für ihn. Ich liebe dieses Kind und wollte auf keinen Fall dass er unglücklich ist.
Nach einer längeren Bedenkzeit entschied ich in seinem Sinne... glücklich war ich schon damals nicht damit. Aber Lieben hiess in diesem Fall scheinbar auch loszulassen.
Ich sagte damals, dass er da bleiben können unter der Bedingung, dass er bei seiner Tante leben kann und nur solange ich sehe dass es auch klappt mit der Schule etc.
So weit war ich ja auch nicht weg. Der Alltag würde ein anderer werden, aber wenn es sein Wunsch war...
Ich fuhr regelmäßig hin, nahm Arzttermine mit ihm wahr, ging auf Elternsprechtage, Elternabende, telefonierte TÄGLICH mit ihm. Keinen gottverdammten Tag in fast 10 Jahren habe ich vergessen ihn anzurufen.
Irgendwann wurden mir diese Termine nicht mehr mitgeteilt, wenn überhaupt erfuhr ich erst im nachhinein davon. Ganze Ferien wurden verplant, an Wochenenden hatte ich wenns hoch kam noch 3-4 Stunden wo ich ihn mal holen konnte weil er ja immer irgendwelche wichtigen Termine oder Verabredungen hatte.
Mir schmeckte das nicht. Ganz und Gar nicht.
In den Ferien wurde hier und dorthin gefahren. Ein Kind findet es natürlich viel toller mit dem Flugzeug weg zu fliegen als bei Mama zu hocken. Auf diese Weise ist es leicht ein Kind zu manipulieren.
Seinen Führerschein mit 17- den er mit 16 anfing, begann er ohne mein Einverständnis bzw. ohne mein Wissen. Er stand schon kurz vor der Prüfung als ich es zufällig mitbekam.
Das wurde alles hinter meinem Rücken gemacht.
Auf seinem 18. Geburtstag traf ich auf meinen alten Freundeskreis. Sie mieden mich und ich konnte es mir nicht erklären. Irgendwann ging ich auf meinen damaligen besten Freund zu und sprach ihn an. Er erklärte mir, dass sie halt nie verstehen konnten, wie ich Daniel abschieben konnte.
Auf seinem 19. Geburtstag sagten 2- mir wildfremde- Freunde der Tante zu mir, dass ich mich ja nie um Daniel gekümmert hätte.
All die Jahre ging es mir extrem schlecht. Diese Schuldgefühle machten mich seelisch und körperlich krank. Diese Wunde will nicht heilen und ich kann nichts mehr tun. Das Thema ist durch. Er wird dieses jahr 20 Jahre alt, wohnt inzwischen mit seiner Freundin in einer eigenen Wohnung und hat in Kürze seine Abschlussprüfungen.
Ich habe einen so großen Fehler begangen in der festen Überzeugung das Richtige zu tun.
Nicht aus Bequemlichkeit. Nur aus Liebe! Aus Liebe zu meinem Sohn, der mir heute so fern ist wie nur was. Ich komme nicht mehr an ihn ran. So sehr ich mich auch abstrampel.
Ich frage mich oft wie ich mit diesem Schmerz weiterleben soll, wie ich damit jemals fertig werden soll.
Ich könnte glücklich sein. Ich bin jetzt seit fast 10 Jahren mit dem liebevollsten Mann zusammen, wir haben vor 7 Jahren noch ein gemeinsames Kind bekommen, haben ein schönes haus, einen Garten.
Es könnte perfekt sein. Aber meine Seele ist kaputt- denn mir fehlt das Wichtigste zum unbeschwerten glücklich sein. Daniel!
Der größte Fehler meines Lebens
hast du ihm das schon einmal so gesagt?
lg
Ich habe ihm das in Teilen am vorletzten Freitag gesagt. Aber wie ein Junge in seinem Alter nunmal ist, hatte er dazu nichts zu sagen. Über Gefühle reden ist uncool, Mama ist eh ne Heulsuse und überhaupt ist das doch alles gar nicht so schlimm.
na vielleicht ist es das dann auch nicht. offensichtlich sieht er seine kindheit als gut an.
dass dir das nicht hilft ist aber doch gar nicht so unklar, oder?
du bist traurig über all das, was du verpasst hast. ich denke, du solltest vielleicht mit einem psychologen darüber reden, damit du mit dir selbst ins reine kommst. und dann ist bestimmt auch der weg frei für eine euch beide zufriedenstellende beziehung.
lg
Hallo ... ich drück dich feste und rate dir: Schreibe ... dir alles von der Seele und ganz wichtig: An ihn, an Daniel. Und wenn es ein Buch wird und wenn er dich im Moment nicht so an sich ran lässt. Eines Tages wird er es verstehen und dich wird es auch erleichtern.
All das was du hier in ein "anonymes" Forum und wildfremden Menschen schreibst - diese Worte gehören IHM und nur IHM. Bitte lass ihn diese Gedanken wissen.
Viel Kraft
Danke Dir. Das mit dem Schreiben ist nicht die schlechteste Idee.
Sag es ihm - und zwar genauso. Das einzige, was ich weglassen würde, ist ein gehässiger Unterton über die Familie seines Vaters!
Alles Gute!
Xund
Als ich mit ihm sprach habe ich kein bischen gehässig über seinen Vater und Konsorten gesprochen. Obwohl ich gerne hätte....
Daniel sagte zu mir, dass er mit Papa auch gerade ein schlechtes Verhältnis hat und mich das ja freuen könnte.
Ich sagte ihm aber, dass mich das sicher nicht freut, denn ich war immer darauf bedacht, dass er zu seinem Vater ein gutes Verhältnis hat.
Und wie hat er reagiert??
Also ich finde nicht das du dir was vorzuwerfen hast. Du wolltest schließlich nur in seinem Sinne entscheiden und hast dies auch getan. Sicherlich hätte es an einer Stelle eine Möglichkeit gegeben anders zu entscheiden und wäre wohl auch besser gewesen! Aber war das Absehbar? Zu großen Teilen nein. Wie ist heute das Verhältnis zu deinem Sohn? Wurde er sehr beeinflußt? Wie steht er heute zu dir? Wie zu seinem Vater?
Gruß Ela
In seinen Augen wäre es sicher besser gewesen, gar nicht erst weg zu ziehen.
Unser Verhältnis ist...kaum vorhanden. Wie ich ja oben schon schrieb. Er ist fern.
Zu seinem Vater ist es solala. Sie streiten viel.
>>>Aber war das Absehbar?<<<
Natürlich ist das absehbar, wenn man 130 Km zwischen sich und sein elfjähriges Kind bringt.
Ich habe offen mit meiner Tochter darüber geredet.
Es war ein Gespräch mit vielen Tränen, vielen Fragen und (scheinbaren) Verstehen.
Wir haben heute ein recht gutes Verhältnis zueinander, aber ich denke dass meine Tochter irgendwann wieder Fragen haben wird.
Ob sie mir je vergeben wird weiß ich nicht.
Aus heutiger Sicht würde ich auch anders entscheiden, damals war ich der Meinung das Beste für uns zu tun.
Klar ist das Vergangene kann ich nicht mehr ändern, aber in der Zukunft kann ich für sie da sein soweit sie es zuläßt.
Karna
Du hast also ähnliches durch. Dann weisst Du ja wahrscheinlich ziemlich gut wie es mir geht.
ich hab mir die Finger im Netz wund gesucht nach Menschen die mich verstehen können, aber weiss nie so genau wonach ich suchen muss.
Daniel kann mir verzeihen, die absolution erteilen und was weiss ich noch alles.
ICH- verzeihe mir nicht.
Ja das kenne ich... sich selber vergeben oder sich selber betrügen, damit man erst mal weiter leben kann...
Mit sich selber betrügen kommt man erst mal ein kleines Stück weiter, aber es holt einen wieder ein.
Spätestens dann wenn die Vorwürfe aus den eigenen Reihen kommen,mal nett verpackt mal direkt und schonungslos.
Am Besten noch sind die Vorwürfe von Menschen die niemals in diesen Situationen steckten mit den Möglichkeiten die man damals hatte.
Das Verurteilen ist so leicht für Außenstehende, und die die mich verurteilen standen damals nicht da und halfen MIR.
Du kannst gern per PN schreiben
Karna
hallo,
deine vergangenheit einschließlich der sorgen, der ängste, deiner wut und deiner trauer wirst du nicht alleine aufarbeiten können.
vertraue dich jemanden an in form von einem/er psychologen/ in.
alles gute
Ich weiss nicht ob der mir helfen kann.
Ich werde mir das niemals verzeihen können. Da kann man nichts austherapieren oder gerade rücken.
Danke Dir.
Hallo,
Auch ich würde die raten, einen Brief an Daniel zu schreiben und zwar genauso, wie du es hier getan hast.
Jede macht mal einen Fehler in seinem Leben, wNn der allerdings so schwerwiegend ist, das man nich selbst nicht verzeihen kann, dann sollte man doch ein Arzt zu rate ziehen. Schon aus dem Grund um zu versuchen Dir zu selber zu verzeihen.
Ich wünsche dir alles gute.
Lg
Ich bin nicht weg gegangen um mit jemandem zu poppen. Dafür muss ich nirgends hingehen, das kann ich überall. Ich bin heute noch mit diesem Mann zusammen- habe ihn geheiratet.
Ich musste weg aus diesem Ort.
Ich sage heute, dass es mein Leben gerettet hat. Es hat nichts mit ruiniertem Ruf zu tun.
ich brauche kein Mitleid. Davon bekomme ich genug von Menschen die mich lieben- denen ich mich aber nicht öffne. Weil sie mir nicht helfen können. Das kann niemand.
Ich bin nicht stolz auf das was ich getan habe und ich schäme mich dafür.
Wie sollt Ihr auch anders denken? Ich musste damit rechnen, das so etwas kommt.
Danke denen, die ein paar nette Worte hatten.