Hätte ich nur meinen Mund gehalten

Hallo ihr,

muss mir nun etwas von der Seele schreiben. Ich habe falsch reagiert, also bitte verurteilt mich nicht. Ich hätte wirklich schweigen sollen, doch nach über zwei Monaten täglich das selbe zu hören, da war ich dann nicht mehr still. Leider!

Mein Bruder hat sich am 12.11.12 das Leben genommen.

Seitdem höre ich täglich von meinen Eltern bzw. eher meiner Mutter:
- hätte ich ihn nur noch einmal in den Arm genommen (konnte sie bei mir nie und er wollte es nie)
- hätte ich nur noch einmal gefragt, ob alles OK ist (er hat IMMER bejaht, ob es so war oder nicht)

Und was ich bis heute nicht verstehe
- hätten wir nur die DVD geschaut, die er mir zum Geburtstag (3 Tage zuvor) geschenkt hat
- hätte ich nur das Buch gelesen, welches er geschrieben hat

Heute morgen konnte ich es nicht mehr runterschlucken, weiß der Teufel, weshalb. Jedenfalls habe ich geantwortet:

Höre endlich auf, dir wegen so etwas Gedanken zu machen. Ich verstehe dich und ich überlege auch, ob ich etwas falsch gemacht habe. Aber glaube mir, wegen einer DVD oder einem Buch hat er sich bestimmt nichts angetan. Dann haben ihn eher eure Aussagen verletzt wie:

- ich war so enttäuscht, als ich erfahren habe, dass er ein Junge wird (sagte mein Vater zu meinem Onkel. Er war damals nicht weit entfernt)
Oder meine Mutter
- wenn er sich nur umbringen würde, dann wären die Sorgen um ihn vorbei und wir könnten beruhigt in Urlaub fahren (sie nahmen ihn fast immer mit)
- er hat als Baby immer geweint, wenn ich ihm "das Lied von Manuel" vorgesungen habe hahahaha (sie sehr oft zu ihrer Schwester).

Diese drei Sätze habe ich ihr vorgehalten und nun ist sie sauer auf mich. Weshalb nur ist mir das ausgerutscht, was mir seit Wochen auf der Seele lag?

Manuel hat mir selbst gesagt, dass unsere Mutter Schuld an seiner Krankheit ist. Er zeigte mir ein Buch über Schizophrenie und da stand es wirklich. Ja, er wurde von meiner Mutter verhätschelt. Wollte er ausgehen, rannte sie hinterher und richtete seine Kleidung. Irgendwann ging er nicht mehr aus.

Soll ich es auf sich beruhen lassen oder nicht? Diese Vorhaltungen bzw. das lachen, weil mein Bruder weinte, haben ihn getroffen. Ich wollte es ihr nie vorhalten, da sie bzw. wir alle fertig mit den Nerven sind, und nun ist es doch geschehen.

Babydestiny

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respekt vor deinem mut zur ehrlichkeit! du hast nicht falsch reagiert, deine eltern haben anscheinend viele fehler begangen. es ist gut, dass du es rausgelassen hast, falsche rücksichtnahme hilft dir gar nicht weiter!

alles gute!

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hallo,

lass dich mal drücken #liebdrueck
es tut mir sehr leid das ihr einen lieben menschen verloren habt.
natürlich war es bestimmt verletzend für deine mutter aber ich kann schon verstehen das dir der kragen geplatzt ist. wieso sagt man als mutter überhaupt sowas? du sagst sie hat ihn bemuttert aber gleichzeitig will sie das ihr kind stirbt weil sie in ruhe urlaub machen will?

der tot ist immer ein schwerer weg und eine belastungsprobe an der die meisten familien zerbrechen. der bruder meines mannes ist jung verunglückt und jetzt, 10 jahre später ist die ganze familie zerbrochen, vieles wurde gesagt was nicht vergessen werden kann.
ich rate eurer ganzen familie zu einer therapie, lasst euch durch die trauer begleiten! es ist schwer aber ich bin mir sicher ihr werdet das schaffen.
vielleicht überlegst du dich bei deiner mutter zu entschuldigen, du hast deinen bruder verloren und irgendwann wird der druck zu groß. ich bin sicher sie vergibt dir!
LG und alles liebe!

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Zum entschuldigen fühle ich mich noch nicht bereit. Es tat mir damals sehr weh, als sie sich gewünscht hatte, dass er Selbstmord begeht. Obwohl mir klar wahr, dass sie es sagte, weil sie nervlich am Ende war.

Mein Bruder litt an paranoider Schizophrenie. War in Behandlung, setzte aber die Tabletten heimlich ab.

Sie nahmen ihn oft mit in den Urlaub, obwohl er 29 Jahre alt war. Als sie ihn zuhause ließen, ist er durchgedreht (nicht wegen dem Urlaub), hat den Stuhl gegen die Heizung geschlagen und eine Zeitung angezündet und aus dem Fenster geworfen usw. Deshalb nahmen sie ihn mit.

Er war der liebste Kerl, doch manchmal machte uns seine Krankheit Angst. Er schrie mich an, weshalb ich eine Frau bin, sind doch alles falsch usw. Er riss ein Foto von meinem Sohn von der Wand. Er sah ein Zeichen gegen ihn. (Mein Sohn malte einen Pfeil, da er auf der Rückseite was für mich geschrieben hatte. Mein Bruder sah darin einen Penis.) Er sah sich im Spiegel als Teufel usw.

Leider haben wir den Kampf gegen seine schwere Erkrankung verloren. Wir haben so sehr auf ihn aufgepasst.

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Das ist hart. ihr habt also alle lange darunter gelitten. wenn du noch nicht bereit dazu bist dann mach es auch nicht! es braucht viel zeit bis man so einen teifschlag einigermaßen überwunden hat.
wenn du denkst das es für dich richtig ist dann fahr zu ihr oder ruf sie an.
vielleicht ist es dir auch eine hilfe zu einem seelsorger, einem pfarrer, zu gehen. auch wenn man so gar nicht christlich ist hilft einem oft ein offenes ohr.

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Erst einmal mein herzlichstes Beileid.

Ich finde deine Reaktion vollkommen nachvollziehbar!
Deine Mutter macht sich Vorwürfe, das ist auch normal.
Redet miteinander, denn gerade jetzt braucht ihr euch!

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Lieben Dank.

Wir machen uns alle Vorwürfe.

Ich komme zum Beispiel noch heute nicht damit klar, dass ich im Obergeschoss mit meinem Freund gelacht habe (war so froh, ihn nach drei Wochen wiederzusehen). Während mein Bruder seinen letzten Weg in den Keller ging und ... naja.

Es sagen zwar alle, er hätte uns nicht gehört, weil die Tür zu war. Dennoch belastet es mich bis heute. Durch seine psychische Krankheit meinte er, alle würden ihn beobachten und es schlecht mit ihm meinen. Wenn er dann mit dem Strick in den Keller ging und uns lachen hörte, fühlte er sich bestätigt. Der Gedanke ist nicht zu ertragen.

Alles Liebe

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Ja das ist schlimm, natürlich, ABER DU weißt, dass du nicht über ihn gelacht hast! Und auch wenn der Gedanke, dass dein Bruder das anders aufgenommen haben könnte, schmerzt, so darfst du dir da einfach keine Vorwürfe machen, denn sonst machst du dich auch noch kaputt und das würde er ganz sicher nicht wollen!

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Es ist für euch alle eine harte Zeit. Da macht man sich Vorwürfe, da fragt man nach dem Warum, da möchte man die Zeit zurückdrehen. Da rutscht einem auch mal ein unbedachtes Wort raus. Nicht unbedingt gut, aber menschlich.

Wenn ich Dich richtig verstanden habe, dann hatte Dein Bruder Schizophrenie (ärztlich diagnostiziert?). Das ist eine sehr schwere und behandlungsbedürftige Krankheit. Die Ursachen für diese Krankheit sind bis heute nicht ganz klar. Familiäre Ursachen sind wissenschaftlich nicht hieb- und stichfest belegt, also schiebt euch nicht gegenseitig die Schuld zu. Wahrscheinlicher sind genetische Veranlagungen und/oder Veränderungen im Gehirn, an Letzteren wird derzeit stark geforscht.

Vielleicht wäre eine familientherapeutische Begleitung jetzt für euch das Richtige, damit ihr einerseits die Trauer, andererseits die Probleme miteinander und untereinander bewältigen könnt.

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Ja, es wurde ärztlich bestätigt. Deshalb taten mir die Worte meiner Eltern so weh.

Ich bin schon länger in Therapie, seit der stillen Geburt meiner Kinder und ich kann mit meiner Therapeutin auch über meinen Bruder sprechen. Meine Eltern lehnen Hilfe von außen komplett ab.

Mein Cousin hat einen Stammbaum und da kam heraus, dass zwei Vorfahren die gleiche Krankheit hatten und sich auch umgebracht haben.

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Das spricht sehr für eine genetische Veranlagung.

Deine Eltern sind völlig überfordert mit der Situation. Schade, dass sie nicht bereit sind, Hilfe von Außen anzunehmen. Das einzige, was Du tun kannst, ist Deine eigene Trauer zu bewältigen und einen Umgang mit Deinen Eltern zu finden, der Dich nicht belastet.

Leider kannst Du Deine Eltern ebenso wenig zur Therapie zwingen wie Du Deinen Bruder zwingen konntest, seine Tabletten zu nehmen. Schizophrenie ist eine schlimme Krankheit, für die Betroffenen wie für die Angehörigen. Ich hatte mal einen schizophrenen Mitbewohner in einer WG, der eine andere Mitbewohnerin verdächtigte, für das FBI zu arbeiten und ihn auszuspionieren. Er suchte täglich mehrfach sein Zimmer nach Wanzen und Kameras ab. Wenn zwei von uns sich miteinander unterhielten, vermutete er immer, wir würden über ihn reden. Schließlich kam körperliche Aggression dazu. Für die gesamte WG wurde die Krankheit irgendwann zu einer unerträglichen Belastung.

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Also zuerst mal glaube ich nicht, das irgendjemand an einer Krankheit eines anderen Schuld hat. Jemand wird krank und ein andere bleibt gesund.

Ich kann die Schuldvorwürfe und Schuldgefühle seiner Mutter gut verstehen. Man macht sich natürlich Gedanken darüber, was man hätte anders machen können oder ob es unter anderen Umständen nie zu so einer Katastrophe gekommen wäre.

Meine Mutter ist 10 Jahren gestorben ( Kehlkopfkrebs). Sie konnte nicht mehr sprechen, schmecken und riechen. Das alles hat sie stark belastet und sie manchmal auch sehr ungerecht und aggressiv werden lassen. Sie hat dann Dinge runtergeworfen oder Türen grundlos zugeschlagen. Damals hatte ich kaum Nerven dafür und war verständnislos. Vor ein paar Monaten hatte ich eine Kehlkopfentzündung und konnte mehrere Tage nicht sprechen. Erst da verstand ich wirklich, was es für sie bedeutet haben muss.

Sucht euch Profihilfe, denn ich denke das kann jeder nicht mit sich allein ausmachen. Das schafft man nicht. Einer trauert laut und der ander still in sich hinein.
Viel Kraft für Euch

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Hallo du. Erstmal mein herzlichstes Beileid zum Tod deines Bruder. Ich kann aber deine Reaktion verstehen. Deine Mutter trauert, egal welchen ANteil sie daran hat. Kein Mensch ist natürlich gezwungen sich umzubringen und dein Bruder hätte früher vielleicht auch bei manchen Dingen einfach nur laut NEIN sagen müssen. So oder so aber finde ich deine Reaktion nicht schlimm. Deine Mutter verdrängt jetzt auch vieles und du hast es ihr ins Bewußtsein gerufen. Vielleicht genau das, was sie einfach zwanghaft versucht hat auszublenden damit sie sich nicht die Schuld gibt. Wenn sie ihn aber so behandelt hat finde ich das nicht falsch wenn sie das gehört hat. Denn du leidest schließlich auch.

Ela

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Ich finde Deine Reaktion sehr ehrlich und in Ordnung.
Ich denke, bei so einem Verhalten, muß sie sich die Kritik wegen ihres Verhaltens gefallen lassen.

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Kritik zu üben ist eine Sache, eine andere Sache ist aber jemanden vorzuwerfen Schuld am Tod seines Kindes zu sein und das hat die TE in meinen Augen getan.

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Weißte.. wenn es nur die diese 3 Dinge waren, die eure Eltern vermasselt hätten, hätte er sich mit sicherheit nicht das Leben genommen. Aber scheinbar ist deine Mutter blind... oder sie will nicht wirklich hinschauen, warum er sein Leben beendet hat. Dass mehr schief gelaufen ist, als die DVD...

Ein Mensch der sich umbringt wird von einer Verzweiflung, und HOffnungslosigkeit angetrieben, die in aller Regel lange lange lange zeit an einem genagt hat.

Ich ehm... nein... ich glaube nicht dass du wieterhin schlucken sollst.. Wenn etwas so offensichtlich aus dem Ruder läuft, macht man entweder den Mund auf oder die Fliege.

Der zeitpunkt mag schlecht gewählt sein. Aber letzten endes, haben es doch deine Eltern vermasselt.

Lass sie sauer sein. Es tut weh, sowas vorgeworfen zu bekommen. Und noch mehr schmerzt es, dass man vll nicht ganz unschuldig ist.

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Die Eltern sind aber sicher nicht schuld, dass er paranoide Schizophrenie hatte, nur weil sie mal eine verletzende Bemerkung gemacht haben.

Ich finde das ganz schön hart gegenüber den Eltern, die offensichtlich mit dem Sohn zusammengelebt haben und ihn auch als Erwachsenen nicht aus den Augen gelassen haben.

Ich verstehe das Bedauern der Mutter über die CD oder das Buch auch nicht so, dass es ihm das Leben gerettet hätte, aber so, dass man dass mit ihm hätte teilen sollen/können.

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das mit der Schizophrenie hatte ich wohl überlesen. Aber egal, man sagt niemals dem eigenen Kind das es sich umbringen soll! Egal wie durch man ist, mit der Erkrankung. Meine Oma hatte uns als wir... naja ich war 6 als meine mom den hirntumor hatte, gesagt: Wir Kinder wären schuld wenn unsere Mutter stirbt, Weil wir so böse sind etc pp... 21Jahre später, bringt sie so einen spruch wieder.. Der Vater von meiner Schwester ihrem Expartner sei gestorben, weil sie sich von seinem Sohn getrennt hatte... Ehm... egal.. wie rum man es dreht und wendet... sowas sagt man nicht zu seinen Kindern! NIEMALS!

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Hallo Babydestiny,

niemand hat Schuld an einer Krankheit wie Schizophrenie. Ich weiss ja nicht, welches Buch er dir gezeigt hat, aber das ist einfach falsch.

Natürlich können schlimme soziale Verhältnisse die Krankheit beeinflussen, aber es muss eine genetische Veranlagung geben und offensichtlich lag diese bei deinem Bruder vor.

ES gibt sicher viele Gründe, warum du jetzt damit rausgeplatzt bist, dass du deinen Eltern dis Schuld gibst. Ich denke, es ist rein natürlich in der Trauerphase einen Schuldigen zu suchen.

Aber es ist trotzdem falsch und sehr verletzend deine Eltern/Mutter für den Selbstmord deines Bruders verantwortlich zu machen.

Du solltest Dich entschuldigen und das Gespräch mit deinen Eltern suchen um über deinen Bruder und seine Erkrankung zu sprechen.