Eine mal ganz andere Sicht auf die Schwiegermutter

Hallo ihr Lieben,

immer wieder liest man hier Beiträge über das veränderte Verhältnis zur Schwiegermutter nach der Geburt. So ist es mir auch ergangen, vorher haben wir uns blendend verstanden und ab der Geburt war das Verhältnis irgendwie anders. Ich wurde auch mit Fragen und Ratschlägen bombardiert im Sinne von "Trägst du den Kleinen den ganzen Tag?" "Wie lange wird er bei euch im Bett schlafen?" oder der Klassiker "Wann wollt ihr mal eine Flasche versuchen?". Ich war zum Ende hin so genervt, dass ich ein klärendes Gespräch gesucht habe und nach dem Gespräch, konnte ich meine Schwiegermutter viel besser verstehen. Vielleicht hilft dem Einen oder Anderen diese Sichtweise, um das Verhalten der eigenen Schwiegermutter besser reflektieren zu können.

Sie erklärte mir, dass die ganzen neuen Erkenntnisse zur kindlichen Entwicklung so sehr von den alten Erziehungsmethoden abweichen, so dass sie das Gefühl bekommt, aus heutiger Sicht als Mutter komplett versagt zu haben und für ihr damaliges Verhalten verurteilt zu werden. Sie selbst befindet sich in einem inneren Konflikt und hinterfragt ihr damals nicht gerade bedürfnisorientiertes Verhalten sehr. Sie hat nach besten Wissen und Gewissen gehandelt und wollte immer das Beste für ihre Kinder und sich somit an die damaligen Ratschläge gehalten. 30 Jahre später heißt es, dass genau diese alten Erziehungsmethoden zu einer frühkindlichen Störung führen und sie mit ihrem Verhalten ihr Kind mehr geschadet hat. Das nun ein gewisser Selbstschutz eintritt, ist mehr als verständlich. Auf der einen Seite sieht sie die fundierten wissenschaftlichen Erkenntnisse und auf der anderen Seite ihren tollen, erfolgreichen Sohn, den ich über alles Liebe. Also was ich damit sagen möchte, macht es euren Schwiegermüttern nicht so schwer, ich glaube die haben eine viel größere Last zu tragen, wenn es um die neuen Erkenntnisse zur kindlichen Enwticklung geht.

Nur einmal ein fiktives Beispiel: Stellt euch mal vor in 30 Jahren bekommt euer Sohn ein Baby und die neusten Erkenntnisse behaupten, dass unser heutiger Erziehungsstil dazu geführt hat, dass diese Generation nicht mehr stressresistent und um ein Vielfaches Burn-out gefährdet ist, weil sie in den prägenden ersten Jahren nie lernen konnten, Stress zu bewältigen, weil wir bedürfnisorientierten Mütter jegliche Stresssituation vermieden haben. Unsere zukünftige Schwiegertochter folgt diesen neuen Erkenntnissen und lässt unseren Enkel mehrmals am Tag schreiend in seinem Bett zurück, damit das Baby lernt, Stressstrategien zu entwickeln. Wie würden wir wohl reagieren? Würden wir da nicht auch unsere Erfahrungen mitteilen wollen?

Ich kann den Betroffenen unter euch wirklich empfehlen in einem Austausch zu gehen und Fragen und Anregungen nicht gleich als Angriff wahrzunehmen :-) (so wie ich vorher).

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Ja, gute Denkweise. Betrifft nicht nur schwiegermütter, sondern auch die eigenen Eltern. Ihnen sagt man damit im Prinzip nämlich, dass sie uns aus heutiger Sicht nicht richtig behandelt haben. Das macht ihnen vielleicht auch zu schaffen.

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Toll geschrieben, danke :)

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Voll super geschrieben. Leider sind jegliche Gespräche mit meiner Schwiegermutter gescheitert. Jetzt hab ichs aufgegeben und bin froh dass sie weit weg wohnt. Ansonsten kann ich mir tatsächlich vorstellen dass es kein schönes Gefühl sein wird. Leider is meine Schwiegermutter aber davon überzeugt dass ihr richtig war und unseres falsch ist.

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"Leider is meine Schwiegermutter aber davon überzeugt dass ihr richtig war und unseres falsch ist"

Ja dann ist ja deine Schwiegermutter genau wie die heutige Generation. Man ist ja auch überzeugt, dass das "jetztige" eigene richtig und das von früher falsch ist. Sonst würde es ja kein solches Gschiss drum geben.

LG

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Ja dass stimmt schon. Aber meine Mama z.b. Hat uns auch vor 35 Jahren nicht schreien lassen weil sie es einfach falsch fand und es nie übers Herz gebracht hätte, obwohl ihr alle immer gesagt haben sie soll uns auch mal schreien lassen. Hingegen hat meine schwiemu ihre kinder direkt nach Geburt alleine in ein zimmer gesperrt und schreien lassen bis sie eingeschlafen sind. Heute haben ihre Kinder kaum ne Bindung zu ihr und wir zu unserer Mama eine sehr starke. Deswegen denke ich dass es offensichtlich ist was der bessere Weg war.

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Sehr schön geschrieben.Das Gedankenspiel mit den Streßbewältigungsstrategien finde ich sehr interessant.Ich lasse unsere Tochter nur bedingt "schreien" entweder weil ich gerade nicht kann Bsp.duschen oder weil ich merke dass sie einfach gerade genervt ist und das so rauslässt (sie kommt nicht an ihr Spielzeug ran obwohl sich einfach nur einmal drehen müsste, sich ihr Teil schnappen und zurück drehen.Sie kann das und macht das auch wenn sie zuende gemeckert hat.Ich sag ihr dann auch das sie es Mal so probieren soll,am Anfang hab ich ihr etwas beim drehen geholfen.Ich glaube das Streß bis zu einem gewissen Punkt nützlich ist um neues zu probieren und zu lernen.Aber wie bei vielen Dingen sieht das jeder anders. LG von Jacky die jetzt hoffentlich nicht gesteinigt wird weil sie ihr Kind "schreien" lässt.

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Ich habe leider gar keine Schwiegereltern. Würde mich freuen, wenn mein Sohn auf beiden Seiten Großeltern hätte.

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Sehr schön geschrieben, aber da bin ich auch selbst schon drauf gekommen.
Es gibt jedoch Schwiegermütter, die die Situationen trennen können in Heute und vor 30 Jahren (und dann auch wissen, dass sie sich keine Vorwürfe machen müssen) und es gibt diejenigen, die trotzdem nur von ihrer Methode überzeugt sind und sich persönlich angegriffen fühlen, weil man die ganzen super Ratschläge nicht umsetzt....


Ich finde es schön, dass du es mit deiner Schwiegermutter klären konntest.
Meine ist immer noch beleidigt, dass sie meinen Kleinen nicht zuqualmen darf und meint die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben.
Ich finde es sehr schade, dass man gar nicht mit ihr darüber reden KANN.

Meine Ma zB ist der Ansicht, dass sie früher tatsächlich etwas falsch gemacht hat (hat früher geraucht in der Wohnung und konnte erst nach dem Aufhören verstehen, wie ekelig und vor allem gesundheitsschädlich das für Kinder ist). Sie weiß aber auch, dass ich sie trotzdem liebe und sie sich immer die meiste Mühe gegeben hat usw.
Sie kann mit Veränderungen umgehen.

LG 🍀

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Sorry, ich weiß ja nicht, welcher Jahrgang deine Schwiegermutter ist - aber ich habe zwei erwachsene Kinder, könnte also jederzeit Großmutter werden - und ich bin 49, also Jahrgang 69, meine Kinder sind in den 90ern geboren. Das ist noch gar nicht soooo lange her.

"Die ganz neuen Erkenntnisse" der Kinderbetreuung sind jetzt nun auch nicht so neu - auch in meiner Generation hat man die Babys nicht stundenlang in die Abstellkammer geschoben. Auch damals gab Mütter, die 2 Jahre gestillt haben, und andere, die es nicht getan haben. Damals wie heute gab Verfechterinnen von Familienbett und Tagebuch - und Frauen, die ihre Baby lieber im Kinderwagen durch die Gegend schoben. Es gab Nur-Hausfrauen, und arbeitende Mütter. Babys wurden auch damals auch schon geliebt und die allermeisten Mütter (und Väter) haben sich einfach nach besten Kräften um ihren Nachwuchs gekümmert - komplett mit Spaß am und mit dem Kind, Bedürfnisorientierung und gelegentlichen Tagen, wo es einfach nur stressig war.

Ihr tut grad so, als wären eure Schwiegermütter aus der Nachkriegsgeneration und hätten allesamt eine posttraumatische Belastungsstörung, die sie an ihren Kindern ausgelebt haben. Aber zu dieser Generation gehört nicht mal mehr meine Mutter, sondern das waren meine Großeltern - also eure Urgroßeltern.

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Kann ich voll unterschreiben.

Manchmal nervt es mich, wenn die jungen Mütter hier oft so tun, als sei vor 30 Jahren noch das finsterste Mittelalter gewesen.

Meine älteste Tochter wurde 1980 geboren. Von damals zu heute hat sich nicht viel verändert, wenn ich so daran denke, wie ich mich verhalten habe.
Alle fünf Jahre gab es andere wissenschaftliche Erkenntnisse, welche Schlaflage für ein Baby optimal ist :-).
Früher gab es den Ausdruck "bedürfnisorientierte Erziehung" nicht, man machte es einfach. (Wobei ich der Meinung bin, dass es heute damit manchmal übertrieben wird.)

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Ich denke, das Internet verführt dazu, aus allem eine Wissenschaft zu machen - auch und gerade aus dem Kinder kriegen/Baby versorgen.

Im Mutterschutz hat man viel Zeit, zu googeln, und so bekommt man nicht 6 gute Ratschläge von Mutter und Tanten sondern 600. Und eine Menge Fachbegriffe dazu ;-)
Schließlich kennt man sich so gut aus, dass es natürlich ein ganz spezielles Tragetuch mit genau bestimmter Form, Länge und besonderem Stoff sein muß, damit man 7 verschiedene Tragevarianten anwenden kann, von denen man ein Jahr vorher noch nie gehört hatte - ungeachtet der Tatsache, dass das Kind täglich nicht mehr als 45 Minuten im Tragetuch verbringt und in der kurzen Zeit vermutlich noch nicht mal im viel verschmähten Babybjörn Schaden nehmen würde...!

Und während man früher die Elternzeit genutzt hat, um für den Hausgebrauch nähen zu lernen, kann man heute gleich mit der dritten Babyhose in Serienproduktion gehen und die überschüssige Ware im Internet verkaufen - wenn das dann schon keinen Gewinn bringt hat man wenigstens sein Hobby teilfinanziert....

Gut ist diese Entwicklung natürlich wie immer für diejenigen, die davon profitieren und tatsächlich aus der Elternzeit heraus ein Geschäft eröffnet haben, Babyhose nähen oder Tagebücher weben.

Alle anderen lernen dann spätestens beim zweiten Kind, den Ball flach zu halten und einfach dafür zu sorgen, daß es den Kindern einigermaßen gut geht und sie zu anständigen Menschen werden.

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