Angststörung zerstört so vieles...

Hallo,

ich habe überlegt, in welches Forum ich schreiben soll, doch denke ich, dass ich hier vielleicht Rat bekommen kann, auch wenn es nur indirekt zum Familienleben gehört, weil es so viel weitläufiger ist:-(

Mein Mann hat nun schon seit ca. 3 Jahren akute Fahrangst. Auslöser war ein plötzlich hoher Puls mitten auf der Autobahn nach einer anstrengenden Sporteinheit...Er ließ sich vom Rettungswachen einsammeln und es wurde ein leichter Herzfehler festgestellt, der aber einfach nur regelmäßig kontrolliert wird und keine weiteren Auswirkungen hat.
Er kann nun seit längerem nicht mal mehr kurze Strecken mit dem Auto fahren. D.h. automatisch auch, es ist ihm nicht möglich mal eine Erledigung (Einkauf oder so) mit dem Auto zu machen, geschweige denn unseren Sohn (9) mal irgendwo hinfahren.
Genauso kann er nur im nahen Umkreis mit unserem Sohn Ausflüge machen, nie könnten die beiden mal zusammen wegfahren....

Wir wohnen zwar relativ zentral, doch bewegt sich mein Mann tatsächlich nur in einem Radius von so einem Kilometer... Bahn oder Bus geht auch nicht gut, setzt ihn massiv unter Stress. Auch als Beifahrer bei mir wird er zunehmend anstrengend, macht genervte Geräusche beim Fahren, mischt sich ein, ob ich dies oder jenes auch gesehen hätte etc... Das führt dazu, dass selbst die Fahrt in den Sommerurlaub, wo ich komplett die ganze Strecke alleine fahre, seitdem sehr strapaziös für mich ist. Meistens kriegen wir uns dann in die Wolle, da ich ihm schon klipp und klar sage, dass er echt aussteigen kann, wenn er dauernd mitmischt als Beifahrer. Die Situation hatten wir bereits öfter...
An Fliegen ist schonmal gar nicht zu denken, also ihr seht, dass ich in meinen Möglichkeiten sehr beschränkt bin, jedoch versuche ich trotzdem immer noch viel mit unserem Sohn unterwegs zu sein. Oft kann mein Mann dann auch schlecht mit, da ihm dieses Unterwegssein Stress bereitet.

Bei ihm äußert sich das in Panikattacken, also Herzrasen, Sehstörungen und Schwindel... das ist natürlich gerade beim Autofahren auch ein Problem. Wir hatten schon die Situation, dass er plötzlich während der Fahrt meinte, er sieht nicht mehr richtig...Schwindel... ICH war natürlich auch in Panik und habe versucht möglichst ruhig zu bleiben, da wir mitten auf der Autobahn waren. War schon darauf gefasst, ihm ins Lenkrad greifen zu müssen....NICHT lustig:(

Ihr werdet nun sicher gleich denken, wie massiv der Leidensdruck sein muss. Doch: Mein Mann findet das alles nicht schlimm. Er sagt, dass ich ja so gut fahren kann, kein Problem. Er sieht null ein, dass er sich Hilfe nehmen muss. Er sieht einfach keinen Grund, sagt, dann bleibt er halt in der Nähe von zu Hause und Urlaub muss ja auch nicht so weit weg sein. kein Problem. Andere können ja auch kein Auto fahren.

Toll. Was macht man denn da?
Habe schon mehrmals eine zeitlang immer alles alleine unternommen aus Protest quasi, damit er mal sieht, dass ihm vieles entgeht, für sich selbst, für uns als Familie... nichts hilft, er hat die Freizeit zu Hause genossen...keinProblem also für ihn...

Ideen????

Bin wirklich hilflos und kann das so nicht mehr, das stresst auch mich massiv:-(
Sonst führen wir eine schöne Beziehung, das möchte ich nicht wegen so einer "Störung" aufs Spiel setzen...

LG A.

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Dein Mann hatte in den letzten drei Jahren die Möglichkeit, sich gut in sein eingeschränktes Leben einzugewöhnen, du regelst ja alles.

>>>Doch: Mein Mann findet das alles nicht schlimm.<<<

Ich vermute, er steckt mittlerweile schon so tief in seinen Ängsten, dass er sogar Angst hat, sich helfen zu lassen. Mit Hilfe meine ich: Ganz dringend eine Therapie bei einem Psychotherapeuten.

Das wird nämlich nicht besser von allein, eher noch schlimmer.

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Danke für deine so schnelle Antwort!
Ja, du hast da sicher recht. Doch mein Problem ist: wie kann das praktisch aussehen? Einfach nicht mehr in den Urlaub/wegfahren? Keine Fahrten mehr "für ihn" machen? Der leidtragende wäre ja auch unser gemeinsames Kind. Er möchte zum Fussball nach A oder B gebracht werden....wenn ich das boykottiere?
Und ich müsste ja einfach alleine vor mich hin leben, ihn ich mehr mitnehmen im Auto..? Ich liebe ihn jedoch, will ihn ja dabei haben. --> Somit entsteht kein Leidensdruck...
Es ist verfahren...

LG:-)

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Wie kommt denn dein Mann zur Arbeit?

Das war in meinem vorigen Beitrag nicht als Vorwurf gemeint, dass du alles regelst.

Dein Mann muss dahin kommen, zu erkennen, dass er sich helfen lassen muss, wenn ihr als Familie weiterbestehen wollt. Ich nehme nicht an, dass du den Rest deines Lebens so verbringen möchtest, zumal, wie ich schon erwähnte, sich das alles verschlimmern kann (und wird) und irgendwann dein gesellschaftliches Leben gegen 0 geht.

Vielleicht würden ihm zu Anfang Tabletten helfen, um sich so weit zu stabilisieren, dass er sich zu einer Therapie aufraffen kann.

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Hallo,
Das klingt wirklich ziemlich eingefahren. Zuerst nimmt man Rücksicht, dann gewöhnt man sich an die Situation und schließlich merkt man, dass es doch stört. Mit der Zeit auch massiv. Da der Rest der Beziehung gut läuft, ist es natürlich so, dass man auch nicht ungerecht sein möchte, schließlich geht es ihm sichtlich schlecht.

Da hilft meiner Meinung nach jetzt wirklich nur das klassische offene Gespräch. Ohne Vorwurf, ohne Gemecker: Feststellung der Situation, so wie Du sie siehst bzw. so wie sie sich für Dich anfühlt.
Du verstehst ihn, aber es schränkt Dich zunehmend ein und stört Dich sowie den Familienalltag.
Es klingt schon sehr danach, dass er da ohne therapeutische Unterstützung nicht herauskommt. Deswegen muss er m.M.n. erstmal sehen, dass es ein Problem gibt. Wenn nicht für ihn, so wenigstens für Dich und Euren Sohn. Und er muss wissen, wie "groß" dieses Problem ist.

Aber eben alles sachlich. Funktioniert meiner Erfahrung nach als einziges wirklich zuverlässig...

Viele Grüße

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Hallo du,

Ich berichte dir mal kurz von mir, da ich glaube sehr gut nachempfinden zu können, wie es deinem Mann geht.
Auch ich bin aufgrund einer Angsstörrung lange kein Auto gefahren. Schon abends hatte ich Panik, wenn ich wusste das ich am nächsten Tag mit dem Auto los musste, schlaflose Nächte usw.
Irgendwann war es so schlimm das ich nicht mehr alleine gefahren bin (saß jemand dabei konnte ich es aushalten) und auf die öffentlichen Verkehrsmittel umstieg.
Fahrtraining, Konfrontation etc. brachten rein gar nichts.
Ich habe mich sehr dafür geschämt, es war unglaublich belastend da man sich selbst so wahnsinnig einschränkt. Nach außen hätte ich aber nie gezeigt wie schlimm die Situation wirklich für mich ist.
Bezüglich der Angsstörung habe ich mir professionelleHilfe gesucht, darüber zu reden tat mir unheimlich gut.
Mittlerweile habe ich es geschafft und fahre wieder regelmäßig Auto, auch alleine. Wenn die Angst mal wieder kommt dann schaffe ich es mich selbst zu beruhigen und es auszuhalten.
Aber ich muss sagen, die Entscheidung dazu das ganze wieder in Angriff zu nehmen kam ganz alleine aus mir.
Hätte mich jemand unter Druck gesetzt hätte ich wohl mit Resignation reagiert. Ich bin sehr froh das mein Umfeld in dieser Zeit viel Verständnis zeigte, keiner erwartete etwas von mir, viele boten an mich abzuholen oder mitzunehmen.
Ganz ohne Druck habe ich mit kurzen Strecken angefangen und war tatsächlich stolz wenn ich es hinbekommen habe.
Nach und nach habe ich mir immer mehr zugetraut und fühle mich mittlerweile wieder sicher. Aber das war ein Prozess über Jahre.
Ich glaube am meisten hilfst du deinem Mann mit Verständnis und ohne Druck auszuüben. Das die Situation für dich belastend ist kann ich gut nachvollziehen, aber der Wille sich wiede zu trauen muss aus ihm kommen.
Hast du den Eindruck das es ihm wirklich überhaupt nichts ausmacht oder überspielt er damit wie unangenehm ihm das ganze ist? Hat er sich professionelle Hilfe wegen der Angststörung gesucht? Tauscht er sich mit jemandem darüber aus?

Liebe Grüße

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Also Leidensdruck ist tatsächlich wohl kaum da...es ist alles in fußläufiger Entfernung... Würden wir auf dem Land wohnen, würde das ganz anders aussehen.
Somit besteht für ihn kein Anlass etwas zu ändern. Es geht ja alles in der näheren Umgebung noch. Fahrdienste für unser Kind übernehme ich, Verwandtschaft weiter weg wird nicht so besucht, das macht er eh nicht gerne...Ansonsten gibt es für ihn so gar keinen Anlass unzufrieden zu sein, denn es läuft ja alles. Ich glaube ihm das schlimmerweise sogar.
Ok, er würde gerne mal den ein oder anderen Ausflug machen, doch er hat sich ganz gut damit arrangiert, da hier ja vor Ort auch genug ist. Wir wohnen in einer kleineren Großstadt und da hat man ja so alles....
Deshalb will er nichts ändern, ich habe ihm schon offen gesagt, wie schlimm ich das finde.
Er sieht den Leidensdruck bei mir, meint aber eher wir haben doch alles so schön, wegen solcher "Kleinigkeiten" soll ich nicht alles kaputt reden. Da ist meistens so das Ende der Gespräche.
Doch: so kann man doch nicht für immer leben???

Danke für eure zahlreichen Rückmeldungen:-D

anna

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Hallo,

Herjeh, eine Zwickmühle!!! So eine angststörung ist wirklich blöd!!! Da wird dein Mann alleine nicht rauskommen! Ohne professionelle hilfe, sehe ich da keine Chance, gerade auch, weil es schon so lange besteht!
Die Frage ist aber, woher wisst ihr, dass er eine angststörung hat? Wer hat diese Diagnose gestellt? Oder benennt ihr es einfach so?
Dann wäre zu klären, was das eigentliche Problem deines Mannes genau ist! Die Angst vor dem fahren allgemein, die Angst das ihm beim fahren etwas passiert oder das er die Kontrolle verliert (evl. Kontrollverlust)...
Leider ist das Problem, dass er wie du sagst kein Leidensdruck hat... ein Patient der kein Leidensdrucks hat, kann schlecht therapiert werden!!!
Ich lese aus deinem Beitrag heraus, dass du einen starken Leidensdruck hast, weil an Dir die Arbeit mit eurem Sohn (das fahren) hängen bleibt und das urlaube schwierig werden... aber ... da scheint dein Mann ja dann doch mit zu fahren, auch wenn die Fahrt nicht rosig ist... (was ist dann anders??) findest du, wenn du mal in dich hinein horchst etwas, das dich doch mehr ärgert, als dass das fahren deines Sohnes an dir hängen bleibt??

Hier bleibt Dir nichts anderes übrig, als vernünftig ein klärendes Gespräch mit deinem Mann zu führen und ihn zu bitten eine Therapie zu machen, bzw das beim Arzt abklären zu lassen, weil du durch seine „Angst“ überlastet bist und so langfristig nicht weitermachen kannst!! Es ist Fakt, dass er die Therapie wollen muss, wenn sie auch funktionieren soll, aber es geht auch nicht, dass du doch immer schlechter fühlst und selber noch erkrankst, während es für deinen Mann ok ist... spätestens wenn es dir dadurch so schlecht geht und dein Sohn darunter leiden würde (weil ihn keiner mehr fährt), bestünde bei deinem Mann ein Leidensdruck und das Interesse sich behandeln zu lassen!!!

Ich wünsche euch alles gute 🍀

Lg

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Gerade so eine Angststörung, wie dein Mann sie hat, ist total gut über eine Verhaltenstherapie bei einem Psychotherapeuten behandelbar. Da reichen manchmal nur ein paar Stunden und es geht überhaupt nicht darum, irgendeinen "Knacks" wegzutherapieren oder als schwerkrank abgestempelt zu werden, sondern einfach nur zu lernen, wir man sich anders verhalten kann, damit solche Situationen vom Betroffenen selber gelöst werden können.

Sag ihm, dass DU unter der Situation leidest und es sinnvoll fände, wenn er eine Therapie - mehr im Sinne eines Coachings - machen würde, damit sich die familiäre Situation wieder entspannt.