Drahtseilakt

Guten Abend,

nun komme ich endlich dazu, diesen Thread zu verfassen. Doch ansonsten komme ich zu nicht sehr viel.

Ich arbeite im Home Office. Wenn ich auf zwanzig Stunden pro Woche komme, ist das gut. Besser wären 25. Das schaffe ich aber nicht. Zum Glück hat meine Chefin Verständnis. Zumindest noch.

Unser Kind ist 1,5. Ab letzten Monat sollte er vormittags zur Tagesmutter gehen. Leider gab es Probleme, weshalb wir den Betreuungsvertrag gekündigt haben. Etwas Neues zu finden, ist schwer.

Meine 20-25 Stunden arbeite ich mit hundert Unterbrechungen ab. Mal kurz kann er sich alleine beschäftigen, dann braucht er wieder Aufmerksamkeit.

Haushalt versuche ich so einfach wie möglich zu gestalten. Direkt alles wegräumen (wenn das Kind es zulässt), jeden Tag spülen, jeden Tag ein bisschen putzen, inzwischen greife ich beim Kochen oft auf TK-Gemüse zurück. Das klappt ganz gut. Doch es reicht ein längerer Termin, Besuch über ein paar Stunden oder ein Tag, an dem ich mich auf die Arbeit konzentriere, um mich aus der Bahn zu werfen. Ich brauche dann meistens mehrere Tage, bis ich mich wieder gefangen habe. Wäsche bleibt oft lange liegen. Da muss ich mich auf jeden Fall besser organisieren.

Mein Partner verschärft das Problem noch. Er ist chaotisch und kann oder will es nicht ändern. Unordnung stört ihn nicht. Er ist Krankenpfleger auf der Intensivstation, arbeitet Vollzeit und macht meistens noch Überstunden. Er ist dementsprechend erschöpft, wenn er nach Hause kommt. Unser Familienleben beschränkt sich auf seine freien Tage.

Unser Kind muss viel warten und sich oft alleine beschäftigen, was mir unglaublich leid tut. Wir gehen jeden Tag auf den Spielplatz, aber oft nur für eine halbe Stunde, und ich lese ihm jeden Tag etwas vor. Ansonsten läuft er meistens so nebenher. Ich erkläre ihm, was ich mache oder singe, aber ist natürlich was anderes, als ihm meine volle Aufmerksamkeit zu widmen.

Zeit für mehr bleibt nicht. Sport? Nur die Bewegung im Alltag. Freunde? Treffen wir höchstens alle zwei, drei Wochen und dann meistens auf dem Spielplatz. Hobbys? Bevor ich Mama war, habe ich viel gelesen und viel gezeichnet, war immer informiert. Jetzt bin ich froh, wenn ich wenigstens beim Spülen die Nachrichten hören kann.

Es fühlt sich an wie ein Drahtseilakt. Es funktioniert nur, wenn ich mich zusammenreiße. Ich bin immer müde. Der Kleine schläft schlecht. Abends bin ich fast zwei Stunden damit beschäftigt, ihn ins Bett zu bringen. Nachts wacht er mehrmals auf. Ja, ich weiß, wir haben nur ein Kind und andere arbeiten mit drei Kindern Vollzeit. Ich bewundere euch und hoffe auf ein paar Tipps. Ein paar Mitmacher. Vielleicht auch Gleichgesinnte, denen es ähnlich geht?

Jetzt aber zurück an die Arbeit.

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Oh je das ist heftig und du leistest verdammt viel. Hast du Chancen deine Stunden nochmals (temporär) zu reduzieren oder Elternzeit zu nehmen um die Situation zu entschärfen bis dein Kind einen neuen Kita Platz hat? Vielleicht eine Kinderfrau oder eine Haushaltshilfe für einige Stunden in der Woche? Oder über den Sommer eine Studentin die täglich 2-3 Stunden kommt um mit deinem Kind zu spielen?
Was kannst du im Haushalt einsparen? Bügeln lassen? Mehr den Trockner nutzen? Sachen komplett wegräumen damit du nicht ständig hin und her schiebst? Noch mehr auf Fertigprodukte zurück greifen.

Hör aber auf dir ein schlechtes Gewissen zu machen wegen Tiefkühlgemüse. Klar ist gerade Sommer und man bekommt frisches aber es ist eine Ausnahmesituation und der nächste Sommer kommt bestimmt. Einmal für 3 Tage kochen und dann 2 mal warm machen?

Kannst du an Tagen an denen der Papa da ist mehr arbeiten?

Was du leistest musst du nicht klein machen. Klar arbeiten andere Vollzeit aber die haben ihr Kind betreut oder der Papa hat einen Nine To Five Job oder eine Oma ums Eck.

Sprich auch mit deinem Freund. Du brauchst Entlastung. Auf welcher Art auch immer. Je nach Gehalt muss vielleicht auch er mal nein sagen bei Überstunden.

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Das größte Problem ist ja anscheinend die Betreuung - habt ihr wirklich alle Möglichkeiten an Kindergärten, Tagesmüttern, Spielgruppen, etc. abgeklopft? Es würden ja rein theoretisch 3 Tage an Betreuung reichen, in dieser Zeit kannst du locker 20-25 Stunden arbeiten.

Ansonsten bliebe nur vor dem Kind aufstehen und abends arbeiten, wenn das Kind schläft und vielleicht wenn das Kind Mittagschlaf macht.

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Ich arbeite auch im Homeoffice, allerdings seit fast 9 Jahren. Meine Kinder kennen das nicht anders, der Große (10) ist so aufgewachsen und da wir keine Kinderbetreuung bis zur ersten Klasse hatten, mussten wir Wege finden. Zum einen habe ich viel gearbeitet, wenn er bereits im Bett war oder bin früher aufgestanden und habe auch den Mittagsschlaf genutzt. Wichtig war mir, ihn ordentlich auszupowern, damit er gut tagsüber schläft. Dann nochmal auspowern Nachmittags und schon ging er müde und freiwillig ins Bett. Zwischendurch musste er sich auch alleine beschäftigen, wenn ich kochen oder putzen musste oder er half eben mit.
Nach der Einschulung wurde es viel leichter, ich konnte dann auch Vollzeit arbeiten während er in der Schule war.
Seit der Geburt der Kleinen (22 Monate) habe ich wieder auf ca 25h/Woche reduziert. Sie kann sich allerdings auch prima zwischendurch mit dem Großen beschäftigen oder der Papa springt ein (er arbeitet seit fast drei Jahren jetzt auch im Homeoffice).

Ich weiß nicht, ob es es dir möglich ist, aber vielleicht kannst du die Stunden auf 7 Tage/Woche verteilen? Ich mache das und finde es super, weil pro Tag nur 3,5h Arbeit anfallen und die sind echt fix gemacht. Der Rest des Tages gehört der Familie.

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>> Ja, ich weiß, wir haben nur ein Kind und andere arbeiten mit drei Kindern Vollzeit. <<
Und haben einen Betreuungsplatz.

Als meine Jungs klein waren (und auch keinen Betreuungsplatz hatten), hatte ich einen 20h Stunden Arbeitsplatz, bei dem ich mir auszusuchen konnte, wann und wo ich arbeiten möchte. Ich habe sehr schnell festgestellt, daß es für alle Beteiligten reiner Stress war, wenn ich versuchte zu arbeiten, während die Jungs wach waren.

Also bin ich Samstags, wenn mein Mann zuhause war, ins Büro gefahren und habe dort 8 Stunden gearbeitet. Blieben noch 12 Stunden. Die habe ich von zuhause gearbeitet. Sehr frühmorgens, wenn die Jungs noch schliefen und/oder während ihres Mittagsschlafs.
Wenn die Jungs wach waren, habe ich nicht mal versucht beruflich produktiv zu sein. Das wäre eh zum Scheitern verurteilt gewesen. Jeder konstruktive Gedanke, der sich formte, wurde zuverlässig durch 'Mamaaaaa!' unterbrochen.

Die häuslichen Arbeiten liessen sich ganz gut mit den Jungs machen. Zumindest die dringlichen. Sie wurden halt eingebunden. Sie haben gerne mit viel Wasser die Badewanne 'geputzt', sind beim Saugen auf dem Staubsauger mitgefahren, haben Wäsche in die Maschine gestopft und beim Kochen auf den Tupperdosen Schlagzeug gespielt.
Und wenn's gar nicht lief, wurde das Konzept von 'dringlichen Arbeiten' grosszügig angepasst.

Und nachmittags waren wir viel und stundenlang unterwegs. Spielplätze, Zoo, ganz oft mit anderen Müttern und deren Kindern. Das hatte den angenehmen Nebeneffekt, daß die Jungs abends innerhalb von Minuten einschliefen. Und ich habe mir angewöhnt, diese Touren zu geniessen und mich nicht davon stressen zu lassen, was alles noch auf meiner ToDo Liste steht.

Als die Jungs dann endlich einen Betreuungsplatz hatten, wurde es natürlich nochmal einfacher, weil planbarer.

Aber nichtsdestotrotz kroch ich natürlich auch manchmal auf dem Zahnfleisch. Das ist einfach so und ich vermute, es gibt kein Rezept, das gänzlich zu vermeiden. Aber: Es wird jedes Jahr leichter.

Grüsse
BiDi

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Du hast zwei Probleme:

A) deinen unfähigen oder faulen Mann.

B) deine fehlende Betreuung.


Zu a) hier würde ich ganz klar deinem Mann eine Ansage machen, entweder es ändert sich sofort etwas oder du trennst dich.

Zu b) es ist nicht möglich zu arbeiten und gleichzeitig ein 1,5 Jahre altes Kind zu betreuen. Du merkst das ja. Vermutlich ist die faktische tatsächliche Arbeitszeit noch deutlich niedriger. Du bzw ihr solltet euch also sehr zügig einen neuen Betreuungsplatz suchen. Warum ihr den alten direkt „nach Probleme“ gekündigt habt, ist mir schleierhaft, anstatt diese Probleme zu lösen