Ganze Familie "dreht durch" 😔

Hallo,

Ich weiß grad überhaupt nicht mehr, was ich denken, geschweige denn tun soll.

Seit dem Frühjahr ist mein Bruder in stationärer psychiatrischer Behandlung. Er hat ein Unternehmen, aber wie sich nach und nach abzeichnet, wohl nichts geregelt für den Fall, dass er ausfällt. Er hat versucht, es so gut es geht aus dem Krankenstand trotzdem zu wuppen.

Statt besser geht es ihm anscheinend immer schlechter. Ich schreibe "anscheinend", weil uns 400km trennen und durch Corona kein Besuch möglich war.

Von einer anfänglich harmlosen Verdachtsdiagnose steigerte sich der Diagnoseverlauf zu einer schweren Erkrankung.

Meine Mutter hat das alles furchtbar mitgenommen und sie wurde darüber selbst immer instabiler und weniger rational. Trotzdem habe ich nicht gedacht, dass es so schlimm ist:

Nun hat sie tatsächlich versucht, sich umzubringen. Sie ist nun ebenfalls in psychiatrischer Behandlung, sollte aber eventuell heute bereits wieder entlassen werden (vielleicht auch, weil sie den Ärzten nicht alles erzählt hat).

Zu allem Überfluss bin ich seit Frühjahr mit kurzen Unterbrechungen mit unklarer Diagnose körperlich krank. Die Ärzte verneinen stets, dass es was Psychosomatisches sein könnte. Gleichzeitig arbeite ich in leitender Position (gerade auch systemrelevant) und bin aktuell die dritte Woche krank geschrieben. Kurzum: ich bin einfach platt und schaffe es weder zu meinen Eltern (200km), noch zu meinem Bruder.

Und nun frage ich mich, was ich denn für bescheidene Familie bin, wenn ich nicht mal einen Besuch hinbekomme...

Irgendwie warte ich darauf, dass jemand sagt, dass ich kommen soll/darf - aber das ist bestimmt der falsche Ansatz, oder?!

Ach, eigentlich weiß ich gar nicht, wo mir der Kopf steht.

Was tut man denn in so einer Situation?

LG VerunsichertPsyche

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Ich muss mal nachfragen:

- besuchst du deinen Bruder oder deine Mutter nicht, weil du auf ein Signal wartest, dass dein Besuch erwünscht ist? Dann würde ich einfach mal nachfragen „ich würde dich gerne besuchen, ist das ok?“

-schaffst du den Besuch nicht, weil du selber krank bist? Absolut legitim und das würde ich so kommunizieren. „Ich würde gerne kommen, ihr fehlt mir, aber ich schaffe es körperlich nicht!“

-kannst du sie nicht besuchen, weil du nicht weißt, wie du mit der Situation umgehen sollst? Ängste vor dem hast, was dich erwartet? Dann würde ich mir Unterstützung suchen. Falls vorhanden, Partner um Unterstützung bitten, oder eine gute Freundin. Zumindest emotional.

Alles in allem: Gute Besserung! Für alle von euch!

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Hallo,

Danke für deine lieben Worte.

Der Grund, warum ich sie nicht besuche ist eine Mischung aus 1. und 2. - bei 1. hast du recht, es wäre gut, offensiv zu fragen. Allerdings habe ich seit mehreren Wochen immer wieder unklar erhöhte Temperatur (Corona ausgeschlossen und sonst läuft noch immer die Diagnostik). Damit komme ich gegenwärtig in keine Klinik. Ußerdem kann ich die Strecke gesundheitlich gerade nicht mit dem Auto bewerkstelligen und mit dem Zug traue ich es mir gerade auch nicht zu, weil ich so schnell ziemlich platt bin. Allerdings wissen weder mein Bruder, noch meine Mutter, dass es mir so mies geht und ich will sie nicht noch zusätzlich belasten. Allerdings wirst du Recht haben, dass ich es so offensiv sagen muss.

Lieben Dank.

VerunsichertPsyche

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Ach herrje, da ist ja was los bei euch.
Darf ich fragen, um was es sich bei deinem Bruder handelt?

Auch wenn natürlich relevant, das kann ich absolut verstehen, hätte man ihn mit den Belangen der Firma vielleicht nicht noch bedrückenn sollen ... das war mein erster Gedanke beim Lesen.
Und deine Mutter? War das eine kurzschluss Reaktion? Oder hab es vor dem Frühjahr schon solche Tendenzen?

Ich glaube, es ist in Ordnung dass du nicht besuchst. Es sind ja nun mal leider andere Zeiten und offensichtlich geht es dir auch nicht gut.

Wenn irgendwie machbar würde ich es allerdings versuchen, dein Bruder scheint ja für länger dort zu bleiben.

7

Hallo,

Lieben Dank für deine Antwort.

Bei meinem Bruder steht jetzt Schizophrenie im Raum.

Meine Mutter macht sich einfach so große Vorwürfe, dass sie ihn nicht genug unterstützt und wenn, dann in ihren Augen sie alles falsch macht und sie sich quasi die Schuld an der Situation gibt. Sie ist einfach nervlich am Ende der Belastbarkeit angelangt und sieht die Dinge nicht mehr rational.

Die Sache mit der Arbeit wusste ich erst gar nicht. Und erst recht nicht, dass für den Fall des Ausfalls nichts konkret geklärt ist. Ist halt im Nachgang schwierig.

Ich habe immer gesagt, dass er mich für alles anrufen kann - tut er aber nicht. Sodass ich mich auch nicht aufdrängen möchte. Wahrscheinlich sollte ich es mal tun.

Es war anfangs eben nicht abzusehen, dass es sich a) so lange hinzieht und b) so dramatisch endet.

Lieben Dank für deine Worte.

VerunsichertPsyche

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Deine Situation klingt heftig. Ich finde aber, dass du sie dir nicht noch mit eigenen Vorwürfen erschweren solltest.
Im Flugzeug heißt es ja immer “ setzen Sie zuerst sich selbst sie Sauerstoffmaske auf und helfen dann anderen“. Das passt auch für das eigene Leben.
Versuch erstmal dich selbst wieder fit zu bekommen. Du kannst niemandem helfen, wenn du zwar hin fährst aber dann selber zusammen brichst. Im Gegenteil, das ist ja noch eine zusätzliche Belastung.
Halte telefonisch Kontakt, versuch zu tun für was du Kraft hast, aus der Ferne, aber kümmer dich zuerst um dich. Hoffentlich bist du dann bald wieder gesund und kannst dann auch Energie aufbringen deiner Familie zu helfen.
Gute Besserung!

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Jede hier würde wohl was anderes tun.
Überleg doch einfach, was DU tun MÖCHTEST- und tu es! Du weisst es ganz sicher, was Du willst, wartest aber auf jemanden, der Dich schubst. Darauf kann man aber manchmal ewig warten, die Leute sind meist mit sich selbst beschäftigt.
Es gibt in dem Fall kein richtig oder falsch!
LG Moni

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Was man macht?
Man fährt hin oder nicht.
Hätte jemand aus meiner Familie versucht sich das Leben zu nehmen, dann wäre ich da ohne zu zögern. Für mich hätte das oberste Priorität und meine eigenen Probleme hätte ich erstmal zur Seite gepackt.
Da warte ich auch nicht bis derjenige mich fragt ob ich kommen möchte.
Für mich wäre das wie ein Notfall und keine 10 Pferde könnten mich halten.

In deinem Fall aber musst du selbst abwiegen was möglich ist und was nicht.
Aber wenn du fahren möchtest, dann tu es und warte nicht auf einen Schubs.
Wenn du nicht in der Lage bist zu fahren, dann gibt es noch das Telefon.
Wie Moni schrieb, es gibt kein richtig oder falsch. Du musst machen was du für richtig hältst.
Du weißt wie weit du belastbar bist.
Niemand hier weiß das.

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Bin 100% bei dir!
Wenn mein Bruder in der Psychiatrie wäre und es ihm immer schlechter ginge und zu allem Überfluss meine Mama sich die Schuld gibt und sich umbringen wollte! Um Himmels Willen, ich würde alles stehen und liegen lassen.

Familie ist alles. Da warte ich doch nicht auf eine Einladung. Wenn die Familie ruft, dann hat man zu gehen. Ist aber wahrscheinlich wieder eine innere Einstellung von mir. Meine Familie würde schließlich auch rennen, wenn ich krank wäre oder mich umbringen wollen würde.

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Ich finde du solltest erstmal rausfinden was dir selbst fehlt. Länger immer wieder erhöhte Temperatur ist natürlich überhaupt nicht schön und du musst dich selbst weitestgehend schonen.
Telefonisch mit den anderen beiden am besten in ständigem Kontakt bleiben. Ihr müsst versuchen, euch gegenseitig aufzubauen. Ihr liegt alle flach, seid alle angeschlagen. Keiner kann gerade gut reisen... ihr müsst Videochatten oder ähnliches.
Dein Bruder ist in der Klinik und wird sicherlich bald medikamentös eingestellt. Ebenso hoffentlich deine Mutter. Das heißt für dich zunächst, dass du dir keine ZU großen Sorgen machen musst und dass regelmäßiger/täglicher Kontakt übers Handy meiner Meinung nach das beste ist was du tun kannst!
Und kümmere dich vor allem um dich... es muss ja eine Ursache geben für deinen Gesundheitszustand.

Gute Besserung allen!

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Videochatten wäre auch mein Vorschlag gewesen, oder eben telefonieren.

Mit erhöhter Temperatur kannst du nicht hin, da solltest du dich wirklich erstmal drauf konzentrieren, dass du eine Diagnose und dann die entsprechende Behandlung bekommst.

Du kannst aber gleichzeitig etwas für deinen Bruder und deine Mutter tun, ohne dabei deine eigene Gesundheit zu gefährden: einfach, indem du dich regelmäßig meldest und so für sie da bist. Das geht bequem von der Couch aus. Natürlich wäre es schöner, sich zu treffen. Aber es ist besser als nichts, das haben, glaube ich, viele in den letzten Monaten erfahren.

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Ach so, natürlich wünsche ich euch gute Besserung!

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Hallo,

ja, in manchen Familien kommt alles auf einmal. Ich war in einer ähnlichen Situation, die ich einfach nicht bewältigen konnte. Meine Ärztin haute dann mit der Faust auf den Tisch und sagte mir: "Fräulein, Sie werden sich erstmal um sich selbst kümmern, ansonsten landen Sie im Krankenhaus." Sie hab mir sozusagen den Arschtritt. Und ich möchte Dir ans Herz legen: Werde Du erstmal gesund, frag nach Unterstützung, wenn Du Deine Familie besuchen willst, vielleicht fährt Dich eine Freundin. Geh es langsamer an, kleine Schritte und setz Grenzen, wenn sie erreicht werden. Alles Gute.

LG, Karen