Vollkommen unterschiedliche Umstände für Geschwisterkinder

Hallo,

gibt es hier noch jemanden, dessen Kinder in vollkommen unterschiedlichen Situationen geboren wurden? Habt ihr deswegen auch ein schlechtes Gewissen?

Bei der Geburt unseres Sohnes waren wir noch sehr jung und kannten uns kaum. Wir hatten viele Konflikte, bei denen oft eine mögliche Trennung zur Debatte stand, unsere finanzielle Situation war unsicher, wir waren damit beschäftigt, unser eigenes Leben zu regeln (Ausbildung, Studium) und dadurch sehr beschäftigt. Unser Sohn kam schon mit zehn Monaten in die Kita. Außerdem hat mein Partner sehr lange gebraucht, um in seine Vaterrolle reinzuwachsen. Ich denke, mein Fehler war es damals, dass ich vieles akzeptiert habe.

Wir sind als Paar und als Familie zusammengewachsen. Wir haben gute Jobs gefunden, eine Wohnung gekauft, geheiratet. Als wir einen Kinderwunsch hatten, haben wir im Vorfeld ausgiebig darüber gesprochen, was unsere Bedingungen und Vorstellungen sind.

Im Oktober wurde dann unsere Tochter geboren, acht Jahre nach unserem Sohn. Wir nehmen beide jeweils ein Jahr Elternzeit, zuerst ich, dann mein Mann. Unser Zusammenleben ist viel harmonischer. Und während ich hier sitze und unsere Tochter stille, erinnere ich mich daran, wie oft ich nach Konflikten bitterlich geweint habe, während ich mich um unseren Sohn gekümmert habe. Ich habe deswegen ein unbeschreiblich schlechtes Gewissen.

Hinzu kommen andere Unterschiede:
- finanziell, was sich einerseits in Bezug auf Kleidung und die Hochwertigkeit von Spielzeug bemerkbar macht, aber auch auf Gelassenheit und Konflikte
- unsere Tochter schläft noch bei uns, hat aber theoretisch schon ein eigenes Zimmer, was unser Sohn erst mit vier Jahren bekommen hat
- Qualität und Quantität der Babyfotos
- bei unserem Sohn habe ich nichts aufgeschrieben! Das bereue ich sehr. Denn ich kann ihm nicht erzählen, wann er genau krabbeln konnte, wann er seinen ersten Schritt gemacht und wann das erste Wort gesprochen hat. Deshalb führen wir für unsere Tochter ein Babybuch, in das man all diese Sachen eintragen kann

Alles, was wir bei ihr besser machen, führt dazu, mir noch mal vor Augen zu führen, was wir bei unserem Sohn anders hätten machen sollen. Natürlich habe ich mich auch damals bemüht, eine gute Mutter für ihn zu sein, und ich liebe beide Kinder abgöttisch. Doch vor allem seit unsere Tochter da ist, habe ich unserem Sohn gegenüber ein schlechtes Gewissen, weil seine ersten Lebensjahre so turbulent und unharmonisch waren.

Danke fürs Lesen. Ich freue mich auf den Austausch.

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Alles hat seine vor und Nachteile.

Ich denke, vor allem das finanzielle spielt keine Rolle bei einem Baby. Auch ob ein Kind ein eigenes Zimmer hat oder nicht ist doch egal.

Wir sind erst zur Geburt von Kind 2 umgezogen.
Meine Tochter hatte also die ersten 2.5 Jahre ihres Lebens kein eigenes Zimmer.
Egal - brauchte sie nicht.
Dafür hatte sie 2,5 Jahre exklusivzeit mlt Mama und Papa. Das hat ihr Bruder zb gar nicht.
Er muss von vornherein lernen mal zu warten und die Eltern zu teilen.
Dafür hat er das große Glück, mit einer tollen Schwester aufzuwachsen .... ich finde, alles hat seine vor und Nachteile.
Du kannst die Vergangenheit nicht mehr ändern. Mach das beste aus der Zukunft !

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Hallo,

ich glaube du machst Dir zu viele Gedanken.
Ihr ward jung und habt Euer bestes gegeben wie jetzt auch. Wichtig sind nicht die Umstände sondern ob ein Kind bedingungslos angenommen und geliebt wird.
Sicher sind Streit und fehlendes Rollenverständnis nicht schön aber Ihr seid an der Verantwortung gewachsen und habt Euch ein Familie aufgebaut.
Heute ist es oft anders. Heute sind viele Paare oft schon viele Jahre zusammen, verheiratet, haben sich aufeinander eingespielt, haben tolle Jobs, viel Platz und dann kommt ein Kind und zerstört dieses ganze Idyll weil es alles umwirft was man sich bisher erarbeitet hat. Die Einen meistern diese massive Veränderung, die Anderen scheitern daran.

Wichtig ist: „Du warst für deinen Sohn da“ und das zählt!

Liebe Grüße
Schnaddel

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Ich kenne das zu gut 😔
Mein Sohn wurde geboren als ich 19 Jahre alt war. Ich hatte keine Ausbildung, kein Geld und Unterstützung fehlte. Ich bin schnell wieder arbeiten gegangen.
Bilder? Damals hatte ich kein Smartphone und auch kein Geld Bilder machen zu lassen...

Vom Vater hab ich mich schon in der Schwangerschaft "getrennt" und konnte mich auf ihn nicht verlassen.
Ich habe meine Ausbildung gemacht und meine finanzielle Situation wurde besser.
Was hab ich manchmal geheult und wollte nur abhauen 😐

Neun Jahre später kam geplant meine Tochter zu Welt, mit Mann an meiner Seite.
Alles war komplett anderst!
Wie du beschreibst!

Aber, es wird besser.. Ich schau so oft mein Sohn an, wie höflich, selbständig und zuvorkommend er ist. Er geht gerne raus hat viele Freunde und Schule läuft ganz okay 🤣

Dann denke ich mir, okay, soviel kannst du nicht falsch gemacht haben, er ist so ein toller Mensch..

Inzwischen weiß er auch was früher so los war in unserem Leben. Er hat mir noch nie nie in irgendeiner Weise Vorwürfe gemacht und er sagt selbst das er weiß wie schwer das früher war.

Kinder haben meist mehr Verständnis als wir denken ☺️

Ich wünsche dir alles Gute und liebe 👋

4

Die ersten Jahre mögen vielleicht etwas chaotisch gewesen sein, allerings ist das die Zeit an die Euer Sohn sich nicht erinnern kann. Und eine Vernachlässigung die Schäden hinterlassen würde kann ich nicht raus lesen.

Spielzeug etc ist in dem Alter völlig nachrangig.

Und ab dem Zeitpunkt wo es wichtig war, habt Ihr die Kurve ja bekommen.... Also kein Grund für ein schlechtes Gewissen aus meiner Sicht.

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Du hast bei beiden Kindern nach deinem besten Wissen und Gewissen gehandelt. Was du heute weißt, konntest du damals nicht wissen.

Meine Geschwister sind über 10 Jahre älter.
Da sagte meine Mutter schon immer, dass es alleine durch den Altersunterschied anders ist.
Würde ich jetzt doch noch mal ein KInd bekommen, würde ich vieles anderes machen. Gleich: wieder auf mein Bauchgefühl und meine Intuition bezogen auf dieses Kind hören. Anderes: alles was sich durch die Zeit verändert hat.

Meine Mutter sagte immer:
bei den Großen war sie jung, sportlich, fit, unerfahren.
Vieles machte sie intuitiver oder unerfahren spontaner. Manches ging gut , manches glich sie durch Flexibilität, Schnelligkeit und Handlungs-schnellere Reaktion aus.

Bei mir war sie erfahrener. Sie vermied schon erfolgte Fehler. Dadurch ersparte sie mir einiges.
Andererseits wurde sie übervorsichtiger, weil sie ahnte, was kommt. Sie ließ mich manche eigene Fehler nicht mahen, weil die Großen es schon hinter sich hatten. Einerseits bewahrte mich das, andererseits fehlten mir dadurch auch ERfahrungen aus denen ich stärker wurde, weil ich es vermisse.

Beim ältesten Geschwister war die finanzielle Lage noch im Aufbau. Dafür tolle Jahre.
Beim Jüngsten (ich) begannen die tollen Jahre, dafür endeten sie vor meiner Volljährigkeit mit finanziellen Fragen, da zwei Pflegefälle zu versorgen waren und hin und her überlegt wurde, wie wer was macht.
Für meine Geschwister war die lange Sorglosigkeit toll. Die Schwierigkeiten am Anfang haben sie nicht so mitbekommen.
Ich habe die tolle Zeit kaum in Erinnung. Dafür die finanziellen Sorgen später. Wobei ich daraus auch gewachsen bin. Weil ich es mitbekommen habe, aktiv anwesend war, habe ich viel für das Leben gelernt und komme alleinerziehend super zurecht.



Wenn dich die Anfangszeit noch so belastet, dann wäre evtl. eine Therapie oder Seelsorger etwas.
Dabei denke ich eher in Richtung Trauer oder für sich selbst abschließen können. Die Zeit als eure gemeinsame Vergangenheit akzeptieren. Als Teil von euch.
Zugeben und ehrlich sein können, wenn euer Sohn mal fragen sollte.
Aber ohne dass es emotional immer wieder hoch kocht.

So, dass es nicht Einfluss auf die Geschwister nimmt.
Weder, dass er immer der Arme ist, der einen schweren Start hatte. DEn hatte er, dafür hat er JETZT tolle Eltern, die ihn lieben, versorgen, sich gut um ihn kümmern auch.
Noch, dass die Kleine irgendwann spürt, dass sie es "besser" hat. Sie hatte einen anderen Start, aber jetzt seid ihr als Eltern für beide Kinder da, liebt sie.

Wenn du dazu stehn kannst, nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt zu haben, dann tut das beiden Kindern sehr, sehr gut.
Es kommt nicht nur auf die Umstände konkret an. Sondern viel mehr um das Gefühl zu vermitteln:
- ich habe Mist gebaut, dazu stehe ich
- ich hätte es gerne anders gemacht. Nach bestem Wissen und Gewissen habe ich mich unter den gegebenen Möglichkeiten entschieden. Weil ich dich liebe. Weil alles andere keine Option für mich war.
- ja, es lief nicht perfekt. Aus den Möglichkeiten habe ich gewählt
- heute würde ich es anders machen - weil ich heute andere Möglichkeiten habe. Wäre die gleiche Situation heute noch mal, könnte ich es gar nicht so machen wie jetzt.

Dieses Rückrat ist wichtig und stärkt.
Du liebst ihn so sehr, dass du den Umständen getrotzt hast und alles gegeben hast, dass es so gut wie möglich wird.

Trauerst du sehr viel um das, was nicht war, kann er das für sich mitnehmen. Das Gefühl immer der Pechvogel zu sein. Der, der es nicht so gut hatte.

Etvl. würde ich wirklich mal mit einem Seelsorger darüber sprechen. Gefühle offen frei lassen. Auch um die Zeit trauern, sich verabschieden.
Auch um Lebensabschnitte darf man trauern, um sich später mit gutem Gefühl daran erinnern zu können.

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Ich verstehe dich.
Bei uns ist es genau andersherum.
Bei unserem Sohn waren wir 18 und 21, beide Studenten, hatten massig viel Zeit als Familie und als Paar und für unseren Sohn. Wir hatten ganz viele begeisterte Großeltern, die mein Sohn riesig liebt und total glücklich drüber ist. Ich habe alles genau dokumentiert und aufgeschrieben weil einfach die Zeit da war. Medienkonsum etc. war ihm unbekannt, wir haben als Familie die tollsten Reisen und Ausflüge gemacht und waren wirklich entspannt und glücklich. Er kam mit 1,5 in die Kita die er über alles liebt und täglich fragt wann er endlich wieder gehen darf. Wir wohnten in einer kleiner Wohnung mit vielen tollen Parks etc. um uns herum in verkehrsberuhigter Lage - ohne Haus fiel zeitaufwändiger Haushalt weg und man hatte wirklich mega viel Zeit zusammen und draußen auf Spielplätzen etc. .
Wir denken immer häufiger über Kind 2 nach. Kind 2 hätte jedoch deutlich weniger von Mama und Papa - wir sind nunmal keine Studenten mehr sondern müssten regulär Elternzeit nehmen. Ich weiß, Luxusproblem wenn man sich andere Länder anschaut - aber eben traurig, wenn man vergleicht wie viel Zeit für unseren Sohn von beiden Seiten aus da war. Die Großeltern sind alle nicht mehr so fit wie sie es bei unserem Sohn waren. Weitere Bezugspersonen die Kind 2 lieben und verwöhnen würden also für Kind 2 wegfallen. Da wir nun an die Ferien gebunden sind und nicht mehr so viel Zeit wie Studenten haben, wäre auch große Reisen und einfach Zeit zur 4iert deutlich reduziert.

Letztlich hätte es das zweite Kind immer noch super bei uns - aber im Vergleich zu Kind 1 eben nicht. Und das führt schon dazu, eher zu einem Einzelkind zu tendieren und kein weiteres Kind zu bekommen.

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Hallo, mach dir keine Gedanken, du liebst den Großen genauso wie die Kleine. Vielleicht wird es sogar schwieriger mit der Kleinen, da ihr sie mehr"verwöhnt" als den Großen. Das könnt ihr aber jetzt noch nicht sehen. Ich hatte 8 Jahre Unterschied zu meinem Bruder, und er nennt mich heute noch " du verwöhntes Stück" lol. Gruß

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Huhu, ich glaube das ist gar nicht so selten was du da schreibst und vor allem vermutlich dort, wo etwas größere altersabstände zw geschwisterkindern eine Rolle spielen, eben weil man sich oft in unterschiedlichen Lebensphasen befand bzw befindet.. ich habe da kein schlechtes gewissen, das war auch bei uns einfach so.. beim ersten Kind (mittlerweile 12) waren wir deutlich ..wir kannten uns noch nicht so lang wie später dann bei kind 2 und 3.. wir hatten eine Stadtwohnung..bauten seinerzeit unser Haus aufwendig aus und lebten wochenende teilweise mit baby auf einer Baustelle.. mit 11 monaten musste er dann in Fremdbetreuung, weil ich hauptverdiener war und es finanziell sehr knapp war. Mein Mann verdiente auf dem bau leider nicht die Welt und war zudem meist nur am wochenende zuhause. Bei meinen Mädchen, nr. 2 (mittlerweile 4) kam als nur nr. 1 8 Jahre alt war und nr. 3 (mittlerweile bald 1 jahr) dann nochmal 3 jahre später.. unsere beiden Mädchen haben das Stadtleben gar nicht mehr kennengelernt.. wir hatten zwischenzeitlich geheiratet, leben sehr ländlich und idyllisch in unserem großen Haus.. ich habe mir 3 Jahre jeweils für Mädchen genommen.. mein Mann startete irgendwann seine Selbstständigkeit und finanzielle Probleme gab es seitdem nie wieder.. wichtig ist.. alle kinder wurden und werden gleich geliebt.. unabhängig von den äußeren Umständen und daher freue ich mich mehr, dass es jetzt so ist wie es ist, als dass ich früheres bereue.. denn um dort wo wir jetzt stehen, gehört eben auch die (teilweise unbequeme) Vergangenheit dazu. Liebe Grüße

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Du liebst deinen Sohn und darauf kommt es an. Ihr seid zusammen geblieben und habt einen tollen Weg gemacht. Hut ab, das schafft nicht jede Beziehung und auch euer Sohn profitiert davon. Es war eine andere Zeit. Zurückdrehen geht nicht mehr. Akzeptieren aber schon.
Ihr habt daraus gelernt, also ist alles in Ordnung.
Dein Sohn wird es dir verzeihen, wenn es von ihm kein typisches Babyalbum gibt. Meine Kinder haben beide keines. Der Wille war da, aber die Zeit hat gefehlt.
Ich glaub bei dir spielen vielleicht noch die Hormone ein wenig verrückt.
Wenn jeder in sich hinein horcht, würden vielleicht viele gewisse Dinge anders machen. Ich auch. Ich hab auch nicht immer richtig reagiert, richtig gehandelt. Tja, was soll ich machen? Ich bin auch nur ein Mensch. Und das bist du auch. Es muss nicht immer alles perfekt sein. Auch das ist ein Punkt, der gute Eltern ausmacht. Man muss sich Fehler eingestehen und es in Zukunft einfach besser machen. Genau das habt ihr gemacht.