Advent, Advent,...

Es könnte schlimmer sein und vielleicht mache ich auch einen auf Drama Queen. ABER: Nach dem letzten Wochenende überlege ich ernsthaft, den Kontakt zu meiner Familie abzubrechen. Es stand das jährliche 1.-Advent-Familientreffen an. Wochen vorher kamen seitens meiner Eltern die Aufforderungen, mindestens zwei Tage vorher anzureisen oder zumindest meine Kinder vorher abholen zu lassen (weil die ja noch den Adventskranz binden und die Krippe aufbauen sollen, das hat den beiden ja letztes Jahr auch so viel Spaß gemacht) und auf gar keinen Fall vor 19.00 Uhr wieder zu gehen.
Naja, das Interesse meiner Kinder (13 und 16) an dem Aufbau der Krippe und dem Binden eines Kranzes ist eher gering. Und die haben beim besten Willen keine Lust, ein Wochenende bei ihren ewig streitenden Großeltern zu verbringen. Meine Interessenlage ist ähnlich. Also haben ich mich mit den Kindern (die ich alle paar Wochen sehe) und meiner Freundin auf einen Kompromiss geeinigt: Wir schwänzen den Sonnabend mit einer erlogenen Ausrede, fahren am Sonntag los, essen Mittag und verkrümeln uns am Nachmittag wieder.
Die Stunden dazwischen waren ein Desaster. Schwägerin 1 (nach drei erfolglosen Versuchen, Arbeit zu finden hat sie vor 25 Jahren beschlossen, Hausfrau zu werden und seitdem ordentlich zugenommen) sitzt lethargisch auf dem Sofa und beleidigt politisch Andersdenkende. Linke Überzeugungen, aggressiv vorgetragen, garnieren diesen feministischen Paradelebenslauf. Bruder 2 hält Predigten und trötet mit der Posaune rum, dass der Hund heult. Zwischendurch beleidigt er Andersdenkende. Mein Sohn verzieht sich mit seiner Lieblingscousine auf den Dachboden und spielt Brettspiele (in der Situation durchaus eine intelligente Vermeidungsstrategie). Meine Mutter nervt und fragt drei mal, warum die Kinder nicht schon am Freitag da waren. Die wollten doch den Adventskranz binden und sie weiß gar nicht, wie sie das wieder gut machen kann. Zwischendurch erzählt sie Bruder 1, dass ich mit den Kindern am 24. Dezember anreisen und bis zum 26. bleiben würde (wovon nie die Rede war). Bruder 1 lädt daraufhin meine völlig überraschte Freundin zum Weihnachtsessen ein, die spontan zusagt. Meine Mutter freut sich. Bis ich die Sache klarstelle und alles wieder absage. Die Stimmung ist im Zenit. Die Posaune trötet noch ein Weihnachtslied, der Hund heult. Zwei Schwägerinnen und drei Kinder starren aufs Handy.
Weil ich es nicht mehr aushalte, packe ich die Kinder und meine Freundin ein und will losfahren. Meine Mutter protestiert. Ich hatte doch gesagt, dass ich bis 19.00 Uhr bleibe. Freudestrahlend erzählt sie, dass die Kinder die Winterferien bei ihnen verbringen wollen. Meine Kinder würden sich lieber auf einen brennenden Weihnachtsbaum setzen, aber ich weiß jetzt schon, dass das Thema Winterferien mindestens noch drei Diskussionen wert ist.
Meine Kinder, meine Freundin und ich waren uns auf der Rückfahrt einig: Es waren unglaublich anstrengende Stunden.
Muss man sich das jedes Jahr antun? Mehrfach? Es gibt ja auch noch Geburtstage, Ostern, ...
Wenn das nicht meine Familie wäre, würde ich mich im Leben nicht mit diesen Menschen treffen. Und schon gar nicht, mit allen auf einmal.
Wie geht man damit um, dass man ständigen Forderungen ausgesetzt ist (komm früher, bleib länger, schick doch schon mal die Kinder,...) und ein fünfstündiger Besuch (übrigens plus vier Stunden im Auto für An- und Abreise) nicht zu einem "Schön, dass ihr da seid" sondern nur zu Unzufriedenheit und Vorwürfen führt.
Wie macht Ihr das?

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Ich musste bei dem Text echt lachen, gut geschrieben.

Jedes Jahr Weihnachten dachte ich viele Jahre lang, das man mich im Krankenhaus garantiert vertauscht hat und das ich einfach nicht zu meiner Chaosfamilie gehören kann. Und wenn meine Eltern mal nicht mehr sind, dann kann ich endlich ein besinnliches Weihnachten feiern...so wie in der Werbung, alle sind Happy, führen schöne Gespräche, es gibt schönes Essen und keiner fällt danach in ein Freßkoma. Natürlich gibt es keinen Streit, alle haben sich lieb und es gibt nur schöne Geschenke.

Irgendwann war es so eit, meine Eltern verstarben kurz hintereinander und das erste "freie" Weihnachten habe ich einfach durchgefeiert. Dann kam das zweite Weihnachten ohne meine Eltern, ich war bei meinem damaligen Partner eingeladen. Dort war es so besinnlich, ruhig, feines Essen, guter Wein...tiefgründige Gespräche. Ganz ehrlich, es war das ätzendste Weihnachten meines Lebens...und ich hatte danach sogar noch Hunger. In der folgenden Nacht habe ich Rotz und Wasser geheult, ich habe mich so geschämt so fies über meine Familie gedacht zu haben, ich habe das Freßkoma vermisst, den Streit, die Hektik, das Chaos, ja sogar das Stammtischgeseiere und es war so urplötzlich und glasklar: So ein Weihnachten wie zu Hause wird NIE wieder stattfinden! Nie wider iwrd eine Gans so schmecken wie bei meiner Mutter, nie wieder wird mein Vater nach dem Essen schnarchend auf dem Sofa liegen und nie wieder werde ich "praktische" Geschenke ala Mama auspacken.

Mittlerweile sind 12 Jahre vergangen, habe eine eigene Familie gegründet, vieles an Weihnachten ausprobiert. Jedes Jahr aufs neue fehlt mir meine motzende Mutter und mein schnarchender Vater irgendwo ganz tief in mir drinnen. Die Familie meines Mannes ist jetzt nicht ganz so entfernt von meiner Familie, trotzdem....es fühlt sich nicht so an wie früher. Hätte ich kein Kind, dann würde Weihnachten bei mir einfach ausfallen....weil es nie wieder so herrlich bescheuert sein wird, wie damals.
Auch meine Nichten und Neffen trudeln seit dem durch die Weihnachtsfeste, allen fehlt diese besondere Zutat, dieses gewisse Etwas....von dem man so die Schnauze voll hatte.
Und wie oft ist schon der Satz gefallen "Ach, weißt du noch damals....?"

Von daher rate ich jedem der es hören will oder auch nicht: "Augen zu und durch...die Eltern werden nicht ewig leben und solange man nicht Angst um Leib und Leben haben muß, ist alles gut." Ja, es ist anstrengend und irgendwann wird es vorbei sein.

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Ich bin da einfach ehrlich.
Ich sage sorry, Weihnachten komme ich nicht, habe was anderes vor.
Gerade Weihnachten fahre ich mit den Kindern seit Jahren weg.
Und ich sage da auch ehrlich, dass mir das zu anstrengend ist und ich meine Schwester nicht ertragen kann und ich habe auch meinen Eltern gesagt, dass ich sie lieb habe , aber nicht mehrere Stunden am Stück mit ihnen und der ganzen Familie aushalten will obwohl ich mich unwohl fühle.
Ich war noch nie ein Familienmensch, selbst als ich nur 500 m von meinen Eltern entfernt gewohnt habe, haben wir uns nur 2mal Im Jahr gesehen.
Die Kinder waren etwas öfter da, sie konnten rüber gehen wann immer sie wollten....aber ohne mich.
Als sie klein waren, haben meine Eltern sie geholt.
Ich sehe nicht ein, mich zu verbiegen um der Erwartung zu genügen dass Weihnachten ein Familienfest ist und sich alle treffen müssen
Wenn ich damit ihre Gefühle verletze, dann ist das so.
Ich hab auch nur das Eike Leben und möchte nicht jedes Weihnachtsfest fremdbestimmt verbringen nur um meiner Familie ihren Wunsch nach einer gemeinsamen Feier zu erfüllen , auch wenn alle letzten Endesnur gestresst sind.

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Mutig. Traue ich mich noch nicht. Das Theater wäre gewaltig. Aber wahrscheinlich ist das der einzige Weg. Dieses Jahr kann ich noch auf Corona hoffen, aber das ist ja dauerhaft auch keine Lösung.

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Hi,

indem man ehrlich ist und einfach sagt, dass die "Kinder" eben keine Lust haben und es euch das ganze Wochende auch zu viel ist.

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Also dein Text treibt mir zumindest ein Lächeln ins Gesicht, wirklich schön und unterhaltsam geschrieben.

Was den Rest betrifft, so leben mein Mann und ich schon seit Jahren nach dem Muster, dass, nur weil man vielleicht den gleichen Nachnamen trägt, gleiche Großeltern hat oder sonstwie verwandt ist, dies kein Grund ist, unangenehmen Personen einen Platz im Leben einzuräumen. Wir zwingen uns zu gar nichts, zu fordern hat niemand etwas. Zu unserer Hochzeit hatte er niemanden aus seiner Verwandtschaft eingeladen und vor mehr als 9 Jahren den Konatkt endgültig abgebrochen. Er fühlt sich damit sehr wohl. Allgemein geht es uns mit damit sehr gut. Es gint viele Dinge im Leben die außerhalb unserer Kontrolle sind, aber jene, die wir beeinflußen können und uns nicht gut tun, bekommen keinen Spielraum.

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Witzig geschrieben ;-)
Ich bin gnadenlos ehrlich. Mit 46 Jahren bin ich zu alt, um mich mit Lügen aus der Affäre zu ziehen. Wäre vielleicht auch ein Weg für Euch?
Dem nervigen Anhang würde ich immer wieder Kontra geben...

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Warum machst Du da mal keine klare Ansage bevor Du überlegst den Kontakt abzubrechen?

Nein, wir kommen erst dann und dann und reisen dann und dann ab. Nein, die Kinder kommen nicht früher (wenn sie das tatsächlich nicht wollen).

Deine Kinder sind 13 und 16 Jahre, warum sagen sie dann nicht mal selbst was sie wollen und was nicht? In dem Alter begreifen das Oma und Opa in der Regel besser und Du als Vater bist halt die letzte Instanz die hinter den Kinder und somit für sie einsteht.
Zudem weiß deine Mutter wohl, dass sie sehr weit bei dir gehen kann.

Ich würde keine Themen anschneiden, die für leidige Diskussionen sorgen und mich irgendwie sinnvoll beschäftigen. Zudem würde ich mir ein Zeitlimit setzen und nicht diskutieren.

Ich halte auch nichts davon dass man sich abquält und würde versuchen, mir die Zeit so angenehm wie möglich zu machen.
Falls das alles nichts bringt würde ich vielleicht auch mal ein Treffen komplett ausfallen lassen.

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"Sinnvoll beschäftigen" finde ich gut. Ich sehe mich gerade dabei, wie ich mich durch das Buffet fräse und die Bierkiste meines Vaters leertrinke. Oder den Hund trete. Spiegel Online verliert ja nach einer Stunde auch seinen Reiz.
Aber Du hast schon recht, wie die anderen Mitschreiber hier auch. An einer klaren Ansage komme ich nicht vorbei.

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Sorry aber sowas kann ich nicht Ernst nehmen. Entweder bist du echt verzweifelt oder Du betreibst hier Satire.
Letzteres zeugt nicht gerade davon.

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Na ja, man muss schon ehrlich sein und nicht mit unnötigen Ausreden daher kommen. Wenn ihr nie sagt, dass deine Kinder darauf keine Lust (mehr) haben, hört das auch nie auf. Wenn du nie was dazu sagst, wird sie immer glauben,
dass das nicht eurer Traumtag ist.

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Wurde schon 10 mal gesagt. Links rein, rechts raus. Meine Eltern sind Großmeister im "Sich-Was-Schönreden".

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Bei uns gab es auch hin und wieder solche Anflüge. Ihr kommt zu selten, ihr geht so schnell, ihr wart so lange nicht da... Bla bla bla. Ich antworte dann einfach, wir machen es wie es passt und wenn es euch so nicht gefällt und ihr weiter nervt, kommen wir gar nicht. Seitdem gibt's eigentlich keine blöden Kommentare mehr. Und wenn doch, reicht ein kleiner Hinweis...

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Also ich muss dir sagen du hast den Text echt toll geschrieben und ich musste gewaltig grinsen. Aber ich glaube dir auch so das es sehr sehr anstrengend ist mit solchen Verwandten. Aber ich denke auch das es hier wirklich nur hilft sich zurückzuziehen und einfach auch zu sagen wenn man keine Zeit hat. Denn wenn du eh schon weißt wie stressig es ist und wie du dich durchquälen musst dann macht es auch keinen Sinn dafür Lebenszeit zu verschwenden. Nur weil es Familie ist muss man nicht alles ertragen.

Liebe Grüße Ela

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Es sind ja deine Eltern, da wäre ich auch ehrlich.

Es ist ja auch schade, dass deine Eltern sich immer Hoffnungen machen und wirklich glauben, die Kinder freuen sich und ihr kommt früher/bleibt länger und dann schmeißt ihr doch alles um und habt fadenscheinige Ausreden.

Dann lieber ehrlich sein: „Wir haben da keine Lust drauf. Wir kommen nur einen Tag und bleiben NICHT bis 19 uhr.“ oder auch „wir haben andere Pläne und kommen gar nicht.“

Du bist erwachsen, das solltest du hinbekommen.

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Genau diese Ansage gab es eine Woche vorher: Wir kommen am Sonntag und werden am Nachmittag wieder fahren. Gut, die Begründung war kreativ gestaltet, aber die Ansage gab es. Links rein, rechts raus. Wurde einfach nicht akzeptiert.

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Aber warum musst du denn kreativ werden bei der Begründung? Dann ist doch klar, dass sie enttäuscht sind und Alternativen suchen, weil sie denken, die Kinder verpassen was tolles.

Wenn du ehrlich bist, kannst du sie mosern lassen und hast dir trotzdem nix vorzuwerfen. Dann kennt jeder die Fakten und es ist sein Bier, was draus zu machen.