Liebe alle,
Es geht in diesem Post um schwierige Mütter, meine im Besonderen. Ich brauche etwas Hilfe, um mich da zu sortieren.
Zum Hintergrund: meine Mutter kommt aus einer Familie mit gelinde gesagt anstrengenden Temperamenten. Aufbrausend, unfair streitend, nachtragend. Kritik äussern mündet immer in Eskalation, weil scheinbar irgendwie die Fähigkeit zur Metaebene oder auch das in andere reinversetzten nicht wirklich da/entwickelt ist.
Sie ist aber auch selbstlos und liebevoll und würde ohne zu überlegen tun, was in ihrer Macht steht, wenn man sie braucht. Und einen dann ausgiebig vollmaulen, was sie nicht alles tut.
Die Ehe meiner Eltern war eigenartig. De facto getrennt im Bett und Tisch, das halbe Jahr sie im Ferienhäuschen. Im anderen Halbjahr jeder in seiner Etage im Haus- er hat sie in Ruhe gelassen, sie ist aber bei ihm rein- und rausgerauscht, wie sie wollte und hat ihn immer angemotzt, über alles was ihr grad einfiel. Er hat das viel ausgesessen denke ich und er war auch der Überzeugung, dass man sich nicht trennt.
Wir Kinder waren immer die Leidtragenden zwischen einem Vater, der sich zurückgenommen hat, um ihr nicht dazwischenzufunken und einer zickigen, streitenden, nachtragenden Mutter.
Klar hatte sie ihre guten Momente/Tage, aber für mich wird meine Kindheit immer eine Erinnerung an ein Kriegsgebiet sein.
Ich habe mit 12 das erste Mal ausgerechnet, wie lange ich daheim noch aushalten muss und war am Boden zerstört, dass es noch 6 Jahre sind, mindestens. Tatsächlich bin ich mit 19 von daheim weg, weil ich tägliche Streits und Drama nicht mehr ertragen habe. Es war eine Befreiung, nicht immerzu unter dem Damoklesschwert zu leben.
Klar habe ich daheim nicht wirklich gelernt, wie man mit Konflikten umgeht, das habe ich von meinem wundervollen ersten Chef lernen dürfen, der mir als väterlicher Mentor und Vorbild zeigen konnte, wie man Dampf kanalisiert, und dass nicht jeder Kampf/Sieg um jeden Preis halt genau diesen Preis wert ist.
Mit Abstand funktioniert unser Kontakt soweit mehr gut als schlecht. Je weniger Kontaktfläche, desto angenehmer ist es. Ein Tagesbesuch geht gut. Mehrere Tage enden meist in Krach.
Nun bin ich Ende 30 und mein wundervoller Vater, der sich als Opa von einer Seite zeigen konnte, die ich als Vater vermisst hätte, ist vor kurzem verstorben und mir kommt das alles massiv hoch.
Diese Jahre an Theater. Diese verpassten Chancen auf friedliches Familienleben. Das dauernde Drama um eine Mutter, die aufbrausend ist, zickt, schmollt und einem eigentlich alles immer versaut mit ihrem Kindergarten.
Nicht ein Fest von mir war unbelastet von ihren Befindlichkeiten. Kein Weihnachten, an das ich mich erinnern kann, ohne den obligatorischen Familienkrach. Erst mit meinem Vater, dann mit uns Kindern - wer halt grad verfügbar war.
Ich hab das für mich nach einer Selbstfindungsphase beiseite getan mit dem Gedanken, es war halt so, egal was ich jetzt dazu fühle, es ändert sich ja nicht mehr was war. Damals habe ich Dinge ihr gegenüber ausgesprochen, was mir guttat - irgendwie ist die Zeit für Aussprachen über die alten Geschichten für mich damit vorbei.
Aber momentan kommt in mir Wut auf sie auf. Über die Last, die sie einem mitgegeben hat. Die Freude, die einem so oft genommen wurde. Dass ich mich in manchen Momenten mit meinen Kindern ansatzweise wie sie verhalte und das von Herzen verabscheue.
Ich kann aus tiefster Seele sagen: ich bin es leid, dass sich immer alles um sie und ihre Befindlichkeiten drehen musste. Auf meiner Abschlussfeier ging es nicht um meine Feier, sondern um ihre Bockerei mit meinem anwesenden Vater. Ein Geschwister hat lieber heimlich ohne Familie geheiratet, als dass es auch da nur um Elternkrach von beiden Schwiegerelternpaaren ging. Ich könnte endlos Beispiele aufzählen.
Was mach ich denn damit? Kontakt abbrechen finde ich nicht die Lösung für alles. Sie ist eine wirklich tolle Oma, solang man keine Konflikte mit ihr vor den Kindern hat.
Aber ich bin es so leid immer diesen Terz mitzuerleben.
In mir drin sagt alles, dass es echt mal gut sein muss, und dass ich sowas vor allem niemals als Familienfluch weiterleben möchte.
Was ich aber auch ganz bewusst anders handhabe. Aber die Angst davor ist in mir drin und ich möchte einfach so nicht mehr.
Ich weiss einfach nicht, wie ich die innere Distanz zu dem ganzen - Entschuldigung - Mist wiedererlangen kann.
Ich kann sie einfach nicht mehr ertragen
Du liest dich sehr reflektiert. Chapeau. Und ich lese „ich bin müde“ aber auch eine angestaute Wut. Sehr verständlich.
Ich hätte dir 2 Impulse, und nicht das übliche Kontakt abbrechen oder reduzieren. Das kann jeder. 😉
Erstens, wie wäre es, alle Meilensteine und Feiertage komplett ohne sie zu machen? Einschulung Kind, Geburtstag, Weihnachten. Ohne sie. Man kann sich am Wochenende drauf treffen, aber der eigentliche Tag und Feiern sind tabu.
Zweiter Impuls, wenn sie kein Drama macht und Streit vor dem Kind anfängt ist sie eine tolle Oma sagst du. Macht sie aber oft. Was macht das mit deiner Tochter? Ist das ok? Oder trägt deine Mutter ihre Attitüde nicht doch in die nächste Generation? Wie reagierst du? Ist es eine Option/kannst du es stemmen die binnen 30 Sekunden aus der Tür zu schieben wenn sie wieder loslegt?
Das sind beides Abfangjäger-Moves. Wir praktizieren die mit bisher gutem Erfolg.
Danke dir! Guter Impuls und vermutlich deutlich eleganter zu bewerkstelligen, als man denkt.
Die Motzerei hier hat mir gut getan und mir klar gemacht, was vermutlich diese neue Welle in mir ausgelöst hat. Die Nummer, dass man nicht mal ohne ihre Showeinlagen den Tod meines Vaters betrauern konnte hat mir einfach den inneren Abstand geraubt.
Es ist mir unbegreiflich, wieso manche Menschen alles auf sich und nur sich beziehen.
Ich kann dir so gut nachfühlen. Nur dass meine Mutter nicht alles stehen lassen hat wenn man sie gebraucht hat.
Du musst nicht den Kontakt abbrechen. Du kannst auch einfach reduzieren. Wenn du magst, dann geh ans Telefon, wenn nicht, dann nicht. Antworte auf Nachrichten, wenn du das möchtest.
Besuche sie nur so lange, wie es für dich ok ist. Und wenn ihr euch mal eine Weile nicht seht, ist das auch in Ordnung.
Entscheide, wieviel Kontakt dir gut tut. Geh wenn es dir reicht. Mal kannst du mehr ertragen, dann hast du mehr Kontakt, wenn nicht, seht ihr euch mal monatelang nicht...
Danke dir und tut mir leid mit deiner Mutter. Irgendwie macht es mich traurig, dass es nicht nur uns so geht.
Ich denke, du hast recht, es ist wieder höchste Zeit für mehr Abstand.
Leider suche ich noch immer nach der Lösung, sie innerlich abzuschütteln. Mich ärgert, dass sie einen Nerv trifft.
Hallo du, wenn ich dich richtig lese hast du schon ganz viel Klarsicht, einiges auch ausgesprcohen und mehr oder weniger verarbeitet. Käme es für dich infrage, Gesprächstherapie oder alternative Beratung zu suchen? Einfach nur für dich. Deine Vergangenheit ändert das nicht und auch deine Mutter wird sich nicht drehen, aber du kannst Kraft gewinnen und den Fluch hinter dir lassen. Da bist du ja schon gut unterwegs - Unterstützung auf deinem Seelenweg schadet ganz bestimmt nicht. Kontaktabbruch muß gar nicht sein. Könnte passieren, wenn deine Mutter mit ihrem Gezicke nicht mehr landet, aber sie ist über 18 und ab einem gewissen Alter ist bockiges Aufstampfen nicht mehr niedlich. Ich wünsch dir viel Kraft, hör auf dein Herz!
Das Bild vom nicht mehr niedlichen trotzigen Aufstampfen werde ich mir mitnehmen, es trifft sehr viel auf den Punkt.
Danke dir!
>>>Ich kann sie einfach nicht mehr ertragen<<<
Wenn du das wirklich so meinst, wie du es geschrieben hast, bleibt doch nur der Kontaktabbruch .
Ich ertrage die Steuererklärung auch nicht wirklich, aber mach sie trotzdem unter Heulen und Zähneklappern. 😄
Spass beiseite, es gibt immer mal Impulse, wie man mit unschönen Realitäten umgehen kann. Genau danach habe ich geschürft.