Depressionen und Borderline als Mutter

Ich selbst bin betroffen und mein Mann hat mich daher vor 6 Jahren verlassen.
Auch meine Kinder wollen kaum noch Kontakt, meine Eltern haben sich ebenfalls distanziert.
Es tut sehr weh, und manchmal wünschte ich, ich wäre körperlich krank, im Rollstuhl oder sonstwie eingeschränkt , dann hätten mich sicher nicht alle im Stich gelassen .
Ich habe einen neuen Partner, der zu mir steht und besser mit meiner Erkrankung klar kommt.
Ich bin seit meiner Jugend ständig in Therapie, immer wieder stationär und wirklich durchgehend ambulant in Behandlung bei Psychotherapeuten und Psychiatern.
Bin auch medikamentös eingestellt und auch das wird bei Bedarf immer wieder angepasst.
Ich bin halt nicht zuverlässig, habe immer wieder Phasen, wo ich nicht arbeiten kann, also auch finanziell gibt es immer wieder Probleme.
Auch um die Kinder konnte ich mich nicht durchgehend und zuverlässig kümmern.
Aber ich liebe sie natürlich sehr, und hab immer versucht, an mir zu arbeiten .
Der Vater war immer eine sichere Bezugsperson und meine Eltern auch.
Ich leider unter dem Kontaktabbruch durch meine Eltern und Kinder...obwohl ich sie natürlich auch verstehen kann.
Ich bin halt nicht verlässlich oder vorhersehbar und mit mir kann man nicht rechnen oder planen.
Wer kennt solche Situationen und wie geht man als Betroffene damit um?

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Ich hatte im KiTa - / Grundschulalter eine beste Freundin aus der Nachbarschaft, deren Mutter ebenfalls an Depressionen / Borderline litt (Borderline interpretiere ich mal, damals sprach man eher von 'Hysterie') und das war absolut nicht vergleichbar mit einem körperlichen Gebrechen. Das Problem war die absolute Nicht-Vorhersehbarkeit ihrer Stimmungen. Ich empfand das als extrem beängstigend.
Einmal spielten wir bei meiner Freundin und die Mutter stürmte nackt das Kinderzimmer, posierte vor uns und wollte wissen, ob wir sie schön fänden.
Einmal verkündete sie, sie hätte gebacken, wir sollten kommen und probieren und da standen 6 Torten und Kuchen, die wir alle aufessen sollten. Als wir das (natürlich!) nicht schafften, brach die Mutter in Tränen aus, jammerte, dass wir die Kuchen essen würden, wenn wir sie liebhaben würden, aber das sie ja zu nix gut sei. Wir stopften uns zu viert 6 Torten rein und kotzten zwei Tage.
Einmal stand die Polizei am Nachmittag mit den beiden Kindern vor unserer Tür und fragte, ob die beiden bei uns bleiben könnten, bis der Vater da wäre: Die Mutter hatte einen Selbstmordversuch unternommen und die Kinder hatten sie nach Schulschluss gefunden.

Klar, konnte die Mutter nix für ihre Krankheit. Klar, liebte sie ihre Kinder. Und klar, gab es auch Zeiten, wo sie sich einigermaßen 'normal' verhielt. Aber das war nie verlässlich. Man wusste nie, wie sie in 5 Stunden oder 5 Minuten sein würde. Die Krankheit hat soviel Schäden und Verletzungen bei den Kindern angerichtet, ich konnte absolut nachvollziehen, dass sie direkt nach der Trennung der Eltern zu ihrem Vater zogen. Und auch da waren sie nicht 'sicher'. Alle paar Tage wartete sie vor der Schule, flehte die Kinder an, doch wieder zu ihr zu ziehen, schrieb Abschiedsbriefe, erzählte überall im Dorf, dass sie sich umbringen würde, weil ja niemand sie liebte.

Interessanterweise ist die Interpretation der beschriebenen Mutter eine völlig andere. Meine Mutter trifft sich noch manchmal mit ihr. Die beschriebene Mutter ist der festen Ansicht, der Vater hätte die Kinder mit Geld geködert, denn sie wäre ja immer eine sehr gute Mutter gewesen, nur (und das erinnert mich an Dich) aufgrund ihrer Krankheit manchmal nicht so ganz zuverlässig gewesen wie andere Mütter.

Grüsse
BiDi

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So äußert sich die Krankheit bei mir nicht.
Ich habe halt oft Depressionen und bin dann nicht in der Lage, den Alltag zu bewältigen.
Außerdem leide ich unter kognitiven Problemen, mittlerweile steht auch eine beginnende Demenz im Raum, die jetzt rückblickend vielleicht schon erste Symptome vor 20 Jahren zeigte, da so lange die beginnende Veränderung des Gehirns zurück liegen könnte.
Ich war früher oft wütend, bin ausgerastet, das ist aber seit 10 Jahren kaum noch vorgekommen.
Ich war nie hysterisch oder hab "verrückte" Dinge getan wie du es erlebt hast.
Eher die Depressionen und die Stimmungsschwankungen sind im Vordergrund.
Und dass ich halt oft nicht im Alltag klar komme.
Ich bin mittlerweile nicht mehr arbeitsfähig, konnte aber 20 Jahre zumindest phasenweise Teilzeit arbeiten, etwas worauf ich sehr stolz bin und was mir alles abverlangt hat, aber ich wollte Geld verdienen und den Kindern so viel Normalität wie möglich bieten.
Daher bin ich auch oft, obwohl ich morgens noch an Suizid gedacht habe, nachmittags mit den Kindern unterwegs gewesen oder hab Freunde getroffen, musste dann natürlich immer überspielen wir es mir wirklich geht und das kostet sehr viel Kraft, die mir dann woanders fehlt.
Man ist emotional einfach ständig im Ausnahmezustand und immer am Limit.

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Du musst keine verrückten Dinge tun und trotzdem kann deine Erkrankung sehr belastend sein. Was bedeutet den Alltag nicht bewältigen und Depressionen? Ich habe so etwas auch schon miterlebt. Die Person konnte kaum aus dem Bett aufstehen, war weinerlich, emotional abhängig, hat alle ihre Gefühle bei anderen abgelegt und war innerhalb einer Sekunde von voller Liebe zu voller Hass.

Warst du in diesen Phasen für deine Kinder unerreichbar und unnahbar? Etwas, dass sie als Kinder gar nicht begreifen können und wahrscheinlich die Schuld bei sich selbst gesucht haben. Konntest du dich plötzlich nicht mehr um sie kümmern, musste immer jemand schnell kommen damit sie nicht verhungern oder verwahrlosen?

Hast du Pläne groß besprochen und angekündigt und konntest sie doch nicht umsetzen? Führen deine kognitiven Probleme dazu, dass du manchmal einfache Zusammenhänge nicht mehr begreifst?

Du schreibst zwar, dass du viel machst als Therapie. Du schreibst aber auch, du hast diese Phasen oft. Mit Depressionen und Stimmungsschwankungen können Menschen im Grunde auch nicht besser umgehen. Nicht zu wissen woran man ist und ob die Person im nächsten Moment hysterisch lacht oder schreit oder weint ist nicht ohne.

Seit 10 Jahren bist du kaum noch (aber schon) ausgerastet, da war dein ältestes Kind schon auf der Welt. Sie hat dich also auch in den ganz schlimmen Phasen erlebt.

Ich denke mir, so schlimm es für dich auch ist, dass sich so viele Nahestehende so rigoros von dir entfernt haben bedeutet, dass viel passiert ist. Mehr als du dir eingestehen wirst und mehr als sie verkraftet haben.

Vielleicht kommen deine Kinder nochmal auf dich zu wenn sie älter sind und deine Erkrankung besser begriffen haben. Ich hoffe, dass sich das mit der Demenz bis dahin nicht verschlechtert hat. Aktuell können diese Personen aber nicht der Anker sein, den du verzweifelt in ihnen suchst.

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Hey!

Wie alt sind deine Kinder denn?

Liebe Grüße
Schoko

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Der Große ist 14, der Kleine 7.

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Hallo Hunne
Würdest du mir beschreiben, wie es sich anfühlt für dich nicht verlässlich zu sein? Wenn du zum Beispiel eingeladen wirst oder früher mit deinen Kindern.... wie ist das für dich? Sagst du kurzfristig ab? Wenn ja, wie kommt das zustande?
Ich selbst habe "nur" das Problem Angstpatientin beim Zahnarzt zu sein. Wenn ich hin muss steht alles in mir auf Panik und Angst. Ich schaffe es auch nur einen Termin zu machen, wenn ich Schmerzen habe und es nicht anders geht, was zum Glück selten vorkommt. Ich bringe es ohne Not nicht fertig. Ist es so auch bei Depressionen?
Mein Schwiegervater ist betroffen und mir geht es wie deiner Familie. Ich habe vieles versucht, habe viel Verständnis aufgebracht, Unmengen dazu gelesen um es zu verstehen, nur kann ich mit ihm selbst nicht darüber sprechen.
Unserer Tochter haben wir bisher nicht gesagt, das der Mann, den sie höchstens 2x jährlich aktuell sieht ihr Opa ist. Wir wissen, das er nie eine verlässliche Bezugsperson für sie werden wird.
Wie ist es als Betroffene? Wie äußert sich das im Alltag, wie kommst du damit zurecht? Was hilft dir? Was wünschst du dir von anderen im Umgang mit dir? Wenn dir das zu persönlich ist, brauchst du nicht zu antworten. Ich denke aber, Verzweiflung herrscht in solchen Situationen auf beiden Seiten und um das vielleicht verbessern zu können, ist es wichtig zu verstehen. Dann kann man eventuell Mittelwege finden. Deshalb frage ich.

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Ich verstehe, dass du enttäuscht bist und auch traurig.

Aber vermutlich mussten deine Eltern, sowie dein Mann und seine Kinder sich selbst schützen. Deine Krankheit betrifft halt leider auch sie und kann ihre (psychische) Gesundheit belasten.

Wäre loser Kontakt in guten Phasen möglich? Also dass du halt nicht zuverlässig bist, aber wenn es sich ergibt, ist es gut? Oder habt ihr das versucht und es ist gescheitert?

Ich wünsche dir auf jeden Fall alles Gute!

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Ich hoffe es klingt nicht böse wenn ich das sage aber warum hast du dich denn mit so einer Diagnose für mehrere! Kinder entschieden ? Ich finde, das war vielleicht auch eine etwas egoistische Entscheidung ( wobei ich den Wunsch ansich natürlich vollkommen verstehen kann). Kinder können ja nichts dafür und sowas ist für Kinder natürlich schwer zu ertragen.
Vielleicht schaffst du es ja, wieder Kontakt aufzubauen, ich hoffe sie können dich dann vielleicht so akzeptieren wie du bist ohne dass sie dadurch verletzt werden. Alles
Gute. Schau nach vorn.

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Vergleiche dich nie mit anderen… meine Ma sitzt im Rollstuhl und kann nicht mehr sprechen. Dennoch wurde sie damals von vielen Freunden und Bekannten einfach fallengelassen.
Krank ist krank und egal welche Krankheit es ist, die Mitmenschen können unterschiedlich gut damit umgehen, manche gar nicht. Häufig ist der Umgang mit Kranken mit Unsicherheiten besetzt.

Du bist in Therapie und du wirst dir immer so viel zumuten wie möglich und kennst deine Grenzen sicherlich genau.
Deine Kinder sind nicht mehr allzu klein. Erkläre es ihnen doch mal in einer guten Phase. Vielleicht können sie es dann ein wenig verstehen.

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Die Kinder meiner Freundin (jetzt 20 und 22) haben die Depression und borderline Störung ihrer Mutter in Gänze mitbekommen. Von ritzen, Selbstmordversuche, Psychiatrie Aufenthalt, Partynächte und Unmengen an Alkohol, war alles dabei.

Ganz ehrlich: für die Kinder wäre es besser gewesen, wenn der Vater sich getrennt hätte.

Im Kleinkind und jungem teeny alter schienen beide das gut zu verkraften. So ab 16/18 fingen dann auch beide Kinder an ähnliches Verhalten zu zeigen. Bis jetzt beide kurz nacheinander Suizid Versuche inklusive stationärem Psychiatrie Aufenthalt hinter sich hatten.

Bei beiden wurden ptbs erkannt. Also eigentlich keine Depression und kein borderline. Eher das verdrängte Erlebte inkl der Schrei nach Aufmerksamkeit und generell eine Art Störung mit Konflikten umzugehen,da beide es nie wirklich erlebt haben wie mit Problemen anders umgegangen werden könnte

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Wie war das denn vor den Kindern? Hattest du auch mal längere gute Phasen ?

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Es gab immer wieder gute und schlechte Phasen, da gibt es keinen Unterschied.
Vor den Kindern war ich längere Zeit stabil, sonst wäre ich nicht in der Lage gewesen eine Schwangerschaft durchzustehen.

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Hallo,

deine Familie versucht nur, sich zu schützen. Für dich ist das natürlich schwer und traurig.
Es ist aber nötig. Oder möchtest du, dass deine Kinder unter deiner Krankheit leiden und später auch psychische Probleme bekommen? Wenn du deine Kinder von Herzen liebst, lass sie ziehen und eine glückliche, unbeschwerte Kindheit erleben.

Ich selbst durfte auch schon Erfahrungen mit einer Borderlinerin machen. Ich habe mich nach 3 Jahren Freundschaft mit ihr "getrennt". Sie war ein "Energieräuber". Ich merkte, dass mich ihre Probleme (die eigentlich keine waren) immer mehr belasteteten. Irgendwann zog ich die Reißleine. Um mich zu schützen und nicht weiter manipulieren zu lassen.

Und ja, sollte jemand in meiner Familie mit Bordeline sein, würde ich mich auch distanzieren.

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Das ist ja eine wahnsinnig einfühlende Antwort! Sind wir mal froh, dass in deiner Familie niemand eine psychische Erkrankung hat und unter deiner Ausgrenzung leiden muss!

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Nur als Anmerkung: "Borderline" ist sowas wie ein Sammelbegriff. Das was du beschreibst, trifft auf zwei Menschen, die ich mit der Diagnose kannte komplett zu, bei anderen sieht das Krankheitsbild und die vorherrschenden Symptome/Schwerpunkte ganz anders aus. Also, unabhängig ob deine Antwort sehr empathisch war, solltest du nicht jeden Menschen, der diese Diagnose bekommt, über "den gleichen Kamm scheren", auch wenn ich dir natürlich nicht wünsche, dass eine psychische Erkrankung in deiner Familie auftritt.