Gespräch führen mit lebendsfremden Senioren

Habt ihr Tipps für mich?
Meine kinderlosen Tante ist nicht verwirrt oder dement, sie regelt alles selber für sich, Arztbesuche, Finanzen, fährt Auto etc.

Trotzdem sind Gespräche für mich mit ihr sehr nervig. Sie fragt nach jedem einzelnen Familienmitglied, was er bzw. Sie jetzt gerade macht, mit wem und wie lange und ganz viele andere Details, die sie nichts angeht.
Dann redet sie von sich, ihren aktuellen Krankheiten und ihren aktuellen Ärzten und Medikamenten. Und dann immer, immer, immer von früher von den tollen 1
50ger Jahren.

Ich will es nicht mehr hören. Jeder Versuch das Gespräch umzulenken geht nach 2 Sätzen wieder ins " früher". Da findet für Sie alles statt. Was dahinter steckt ist offensichtlich, macht es aber nicht besser für mich.

Wer kennt das und hat eine Idee für mich?

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Hm… ich kenne das von ganz vielen älteren Personen, hat meiner Meinung nichts mit lebensfremd zu tun. Meine Oma hat sieben Kinder und jede Menge Enkel, Urenkel und Ururenkel… und trotzdem erzählt sie immer die gleichen Geschichten, die jeder von uns schon 100 Mal gehört hat. Selbst mein Vater, der noch keine 70 Jahre alt ist, fängt immer wieder mit den selben Themen an.

Was ich mache: ich höre mir das (mal wieder) an und schwenke um zum nächsten Thema.

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Sie will vermutlich die Kommunikation mit dir aufrecht erhalten und ihr eigener Horizont ist wohl eingeschränkter als deiner. Sie wird nicht so viel "erleben" die ganze Woche über, so dass sie keine anderen Gesprächsaufhänger findet.
Kann es sein, dass ihr euch nicht so oft seht??

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Mein Vater erzählt von haargenau denselben Dingen im Loop. Nur dass bei ihm nicht die 50er Jahre, sondern alle Kindheitsjahre prägend gewesen sein müssen (Moment, das waren doch die 50er 🤣; er kam Ende 2. WK zur Welt).
Ich habe verschiedene Fruststadien durchgemacht. Mittlerweile höre ich ihm höflich zu, lass ihn reden. Er braucht das wohl. Wenn er happy ist, dann bin ich es auch 🤷🏻‍♀️.

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Was ist denn daran lebensfremd? Und was heißt lebensfremd überhaupt?

Ich liebe Geschichten von früher. Ich habe früher meine Oma gelöchert und gespannt zugehört und mache ich das bei meinen Eltern und Schwiegereltern.

Grüße Jujo

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Ich habe schon als Kind fasziniert meinem Vater zugehört - er konnte ungeheuer lebendig erzählen - und ich weiß sovieles noch ❤

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Bei älteren Menschen ist es so: Der Hauptteil ihres Lebens fand in der Vergangenheit statt. Aktuell passiert oft nicht mehr viel Spannendes. Klar zum 100.Mal dieselbe Geschichte ist auch öde.
Kenn ich alles von der Oma und der Mutter meines Mannes. Uns nervt es, aber wenn du genau hinsieht begibt sich der Erzähler in eine Zeitreise und nicht selten haben sie dabei einen zufriedenen Gesichtsausdruck. Für sie ist es wie ein kleiner Ausbruch aus der realen Welt in der es zwickt, zwackt und vielleicht einiges nicht mehr so leicht wie früher geht.
Ich hab mir geduldig immer wieder dasselbe angehört. Hatte ich selbst einen schlechten Tag, dann musste ich eben los, weil ich noch.... zu erledigen hab.
An guten Tagen hab ich die angefangene Geschichte zu Ende erzählt. Das kam immer gut an, denn dann wussten sie man hört ihnen zu, auch wenn sie es uns jahrelang eingetrichtert haben;-)

An den Antworten hier merkst du, dass deine Tante bei Weitem nicht die einzige ist. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass wir vielleicht auch mal so werden. #winke

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Das was du da beschreibst ist ganz normal!

Ich arbeite im Seniorenheim und kenne viele ältere Menschen.

Werd du mal alt, dann hast du auch wenig was du noch erlebst.
Dann interessieren dich auch andere Menschen, wirst über deine Krankheiten sprechen und viel von früher.

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I feel you.

Meine Mutter ist auch so. Da haben wir gerade einen 3 Wochen Italienurlaub gemacht, aber mehr als zwei Sätze davon zu erzählen schafft man nicht, danach geht es nur noch um IHREN Italienurlaub in Ihrer Kindheit. Bei dem ich jede Station schon runterbeten kann, denn die Geschichten kehren sowieso immer wieder. Braucht nur jemand "Italien" rufen, oder mit ihr zum Italiener gehen. Und alle Erzählungen werden an geeigneter Stelle unterbrochen mit "aber das könnte ich ja jetzt nicht mehr, weil ich krank bin".

Macht man sie darauf aufmerksam, dass man ihre Geschichte schon kennt, wird das einfach ignoriert. Uuuund weitergehts.

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GENAU so ist es bei meiner Mutter!!!
Null Interesse an dem, was wir zu erzählen hätten, aber immer und immer wieder die selben Sachen von sich - und, was noch schlimmer ist, von irgendwelchen Bekannten, die ich kaum kenne.
Unser Sohn geht nächste Woche für ein Jahr ins Ausland und wir bekommen dafür nacheinander 2 Gastkinder aus weit entfernten Ländern. Und meine Mutter möchte vom Austausch nichts erzählt bekommen und auch nichts von den Gastkindern wissen, weil es sie überfordern würde. Da kommt die Welt quasi noch einmal zu ihr nach Hause und sie will nichts damit zu tun haben. Aber gleichzeitig beschwert sie sich, dass nix neues mehr passiert und ihr Leben ja nur noch auf dem Sofa stattfinden würde?!?

LG Sabine

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Hallo! Ich weiß nicht mit wie vielen älteren Menschen du zu tun hast, aber meine Großeltern mütterlicherseits sind bereits tot, wir haben sie viele Jahre gepflegt. Meine Großeltern väterlicherseits sind knapp 90. Ich gehe davon aus, du siehst deine Tante nicht jeden Tag mehrere Stunden. Mich haben die Jahre mit meinen Großeltern sehr demütig werden lassen. Das Miterleben des körperlichen und geistigen Verfalls bringen mich sehr zum Nachdenken. Für mich gibt es nur eine Version mit älteren, teils dementen Menschen umzugehen. Die gleiche Geduld aufzubringen wie mit Kindern. Es ist schwierig genug, dass man sich selbst langsam mit eigenen Schwächen auseinandersetzen muss, da braucht man nicht auch noch das Gefühl, dass man seinen Liebsten nur mehr auf die Nerven geht. Wenn du mit ihr tagtäglich mehrere Stunden zusammenbist, ja, dann kannst du mal genervt sein. Und trotzdem erzählen lassen.
Sie hat dir vermutlich auch zugehört als du als Kind non stop geplappert hast.
Lg von einer, die gerade wieder den wirren Ausführungen ihres Großvaters zugehört hat und hofft, dass sie das auch noch länger können wird

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Es hat halt jeder sein "Steckenpferd".

Manche Mütter kennen nur noch ihre Kinder als Thema, jeder Entwicklungsschritt wird ausführlich geschildert, auch wenn das eigentlich niemanden interessiert.
Andere erzählen nonstop von ihren Hobbies oder der Nachbarschaft.

Ältere Leute, gerade wenn sie bereits Einschränkungen haben, erleben nicht mehr so viel, was soll man dann erzählen außer "alte Geschichten"?
Im Nachhinein könnte ich mir in den Hintern beißen, bei meinen Großeltern nicht mehr Interesse gezeigt oder nachgefragt zu haben wie deren Leben verlief. Von den Standardgeschichten mal abgesehen.

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Manche Mütter kennen nur noch ihre Kinder als Thema, jeder Entwicklungsschritt wird ausführlich geschildert, auch wenn das eigentlich niemanden interessiert.
Danke! Daran dachte ich gerade auch.

Hallo? Das kann doch garnicht sein, dass es irgendwann echt nicht mal interessiert, JEDEN Windelinhalt, jeden Huster, jede Bewegung des Babys nicht hundertmal erzählt zu kriegen.
Keine Geduld mit Älteren ist ein trauriges Zeichen unserer Zeit, unter dem auch mein Mann in den letzten Jahren vor seinem Tod sehr litt. Dabei hat er nicht mal von der Nachkriegszeit erzählt sondern von echt tollen Erlebnissen während seines Jobs mit Großbeschallungen, wo er wirklich interessante Leute kennenlernte - und das machte er bis 2006. Selbst das war manchen Leuten schon lästig - und nein er wiederholte sich nicht dauernd.
Ungeduld ist heute sehr weit verbreitet und Respekt/Verständnis fordert man lauthals nur für sich selber ein.
LG Moni