Ansprechen oder lieber nicht?

Es geht um die Familiensituation einer guten Freundin. Sie hat mit ihrem Mann einen Sohn (1,5 Jahre) und erwartet nun im Sommer den zweiten Sohn.
Bei Treffen mit ihr und ihrem Kind (egal ob mit oder ohne Mann) vermisse ich den liebevollen Umgang miteinander. Um das etwas zu verdeutlichen, nenne ich nun ein paar Beispiele.

Das Kind hat eine volle Windel an. Kommentar vom Vater: Geh in dein Zimmer. (Dort ist der Wickeltisch. Alle anderen bleiben im Wohnzimmer.)
Kind versteht das nicht, bleibt auch im Wohnzimmer.
Mutter: Stinki, geh in dein Zimmer!
Kind trottet mit hängendem Kopf in sein Zimmer. Vater geht hinter her.

Vater zu mir: Wie lange dauerte die Phase bis eurer Sohn nicht mehr geweint hat, wenn du/ihr den Raum verlassen habt?
Ich: Das war im Babyalter mit ca. 7-9 Monaten. Meistens ist er aber einfach hinter gekrabbelt, später gelaufen.
Vater zur Mutter: Jap, wir haben einen Jammerlappen.
Mutter nickt zustimmend

Generell werden Kosenamen wie Jammerlappen, Turnbeutel, Boxsack, Biest, Wutzwerg und Zwergi (noch das netteste davon) benutzt.
Das Kind blinzelt auch kaum, sondern starrt mehr vor sich hin.

Kind ruft Mama/Mami
Mama: Ja.
Erklärung der Mutter auf fragende Blicke: Wenn er etwas will, soll er herkommen( Kind befand sich in einem anderen nicht einsehbaren Zimmer.) Ich renne ihm doch nicht den ganzen Tag hinterher.

Bei Anwesenheit von mehreren erwachsenen Gästen wird das Kind in den Hochstuhl geparkt und muss dort leise warten, bis es Essens-Zeit ist.

Die meisten Situationen sind in Anwesenheit vieler erwachsener Gäste bei der Familie entstanden. Dies kann sehr stressig für Mutter und Vater gewesen sein. Daher möchte ich mir eigentlich kein Urteil über die Familiensituation erlauben. Jedoch häufen sich solche Situationen in letzter Zeit. Auch einem anderen Paar ist die angespannte Stimmung innerhalb der Familie nach 2h gemeinsamer Zeit unangenehm aufgefallen.

Soll ich meine Freundin mal darauf ansprechen? Und wenn ja wie? Oder ist das nicht mein Bier? Und ich sollte mich lieber nicht einmischen?

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Also, sorry, aber die Frage des Vaters ("wie lange hat es bei euch gedauert, bis...") ist doch eine Steilvorlage!

Da sagt man doch nicht "ach, schon mit 8 Monaten". Sondern sagt ehrlich, dass man auch seinem 6jährigen Kind noch vorausgeht, wenn es die Gruppe verlassen und alleine irgendwo hin soll.

Man erzählt ab und zu aus dem eigenen Familienleben. Aber eben das, was anstrengend ist. Die Situationen, in denen das Kind liebevolle Begleitung braucht. Man kann doch so schön augenzwinkernd stöhnen, dass man das natürlich gern tut und weiß, dass Kinder das eben brauchen, aber manchmal würde man even doch gerne mal auf dem Sofa sitzenbleiben.

Man kann sogar der Reaktion der Eltern zuvor kommen wenn das Kind ruft: "ach wie gut, dass unsere schon drei Jahre älter sind. Letztes Jahr mussten wir auch noch ständig hinflitzen, soll ich dir schon mal Kaffe nachschenken, bis du wieder da bist?"

Ich würde da kein "Gespräch führen " sondern vorleben, was normal ist.

LG

PS
Wir trafen mal an der Supermarkt-Kasse ein Paar mit Neugeborenem. Wirklich winzig. Und die Mutter wirkte noch nicht übermäßig fit... Wir hatten selbst ein Baby dabei, gucken neugierig, irgendwie redete man miteinander und ich fragte, wie alt das Kind sei. 3 Tage.
Ich (erstaunt/halb bewundernd): "Wow, und da gehen sie schon mit zum Einkaufen!? Das hätte ich am dritten Tag noch nicht gekonnt" Der vorwurfsvolle Blick der Frau an ihren Mann sprach Bände. Sein Blick mit plötzlicher Erkenntnis aber auch...

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Schwierig.. Es kann sein dass sie vor den Gästen ein wenig damit angeben wollen, dass sie nicht unter der Knute des Kindes stehen. Stinki etc kann auch liebevoll gemeint sein 🙈.. Boxsack finde ich befremdlich.
Jammerlappen auch..

Das Kind ist pflegeleicht wenn es die Sachen alle widerspruchslos macht. Ich würde das nächste Mal wenn dir was auffällt das direkt ansprechen. Wenn die Eltern von ihrem Kind ein dickes Fell verlangen dann sollten sie besser auch eines haben.

Den Umgang so finde ich auch nicht gut.

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Wutzwerg heißt meiner auch 😅 man kann das auch liebevoll meinen 🫣😅

Jetzt aber zum Rest. Ich könnte mir da nicht lange auf die Zunge beißen. Mag sein, dass das Gastsituationen waren - wenn Gäste da sind, läuft bei uns auch vieles anders, selbst ohne Kind. Ich bin nicht gerne Gastgeber...

Aber spätestens bei der Windelsituation hätt ich was sagen müssen. Ausscheidung ist doch sowas essenzielles & intimes. Ich versteh immer nicht, wie man mit sowas so respektlos umgehen kann. Das Kind lernt doch nie Würde und Respekt vor sich selbst, wenn es "eingeschissen" so behandelt wird... So spring ich nicht mal mit meinen Hunden um, wenn ein "Malheur" passiert ist... Und beim Kind ist das ja nicht ein "Malheur", sondern der normale Vorgang, in die Windel zu machen 😬

Unsrer ist jetzt knapp vier Monate alt. In der Geburtsklinik (!!) waren solche Kaliber Menschen mit mir im Zimmer... Ich musste mir schon in diesen 48 Stunden jeglichen Kommentar verkneifen.

Kind macht in die Windel - todernstes "Uäääh igitt! DU STINKST!"

Mama hat nicht genug Milch (Baby Durstfieber) - "du machst uns nur Probleme!" (zum Neugeborenen)

Baby ist "endlich" eingeschlafen - "aha! Jetzt schläfst du endlich, du kleiner Penner!"

Frischgebackene Mami bittet frischgebackenen Papi, ihr das Wasser rüberzugeben - "mach dich nicht immer so abhängig! Das hab ich dir heute morgen schon gesagt!"

Mama hat immer noch nicht genug Milch - "stell dich nicht so an! Stillen ist keine Wissenschaft!" (!!!!!)

Gefolgt von "du sollst jetzt einfach so lange die Brust stimulieren, bis da eben was rauskommt!", während er auf ihrer Brust rumdrückte.

... die frischgebackene Mami mit sich selbst völlig überfordert (Baby Blues vom Allerfeinsten), und er ständig in dem Tonfall.

Nochmal: das war in Babys 48 ersten Lebensstunden...

Teils fand er seinen Umgang mit ihr sogar lustig, mit Seitenblick zu mir (wildfremde, andere frischgebackene Mami, die zufällig mit im Zimmer war...), ob ich wohl mitlache.

Das war teils so absurd, dass ich tatsächlich kurz auflachen musste. Mit der Vorstellung im Kopf, was ich ihm grade alles an den Kopf werfen würde, wär das meiner. Also wörtlich an den Kopf werfen im Sinne von: was hätte ich griffbereit... Wer mich kennt... Ja, da wäre ALLES greifbare durchs Zimmer geflogen...

Der Höhepunkt kam aber, als der Vollpfosten grade nicht da war, nachts. Hebamme sagt der frischgebackenen Mami, dass sie noch ein zwei Tage bleiben solle, bis das Stillen klappt. Sie: "nein, ich will heim, da hilft mir mein Mann, dann klappt das schon..."

🤦🤷

Also ehrlich. Ich hab mir fast die Zunge abgebissen, um nix zu sagen.

Wären das Freunde von mir, wären es alsbald keine Freunde mehr von mir. Denen würde meine Meinung so ungefragt um die Ohren fliegen, dass sie mich von selbst rausschmeißen würden 😅


PS: der Typ war von Beruf "in einer leitenden Position" 🤷

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Wenn’s doch deine Freundin ist, würde ich es ansprechen. Einfach, ob alles ok ist oder sie überfordert und vllt Hilfe brauchen?

Eben vorsichtig ran tasten.

Bei meinem Mann und mir wirkt der Ton auch mal rauer, dabei ist es gar nicht so gemeint. Und unsere Tochter hat auch manchmal „merkwürdige“ Spitznamen, aber alle sind liebevoll gemeint ❤️ war bei mir als Kind auch so 😂

Aber man hat in den Situationen ja schon ein Gefühl dafür, ob jemand es nett meint oder mit einem Augenzwinkern oder es eher doch etwas beleidigend ist.

Wie gesagt, einzeln könnten so Situationen hier auch vorkommen (Motte hat im ersten Jahr viel geschrien und auch ausgeprägte Wutanfälle; da war sie auch schon mal ein „Jammerlappen“ und ich renne tatsächlich auch nicht permanent/sofort zu ihr, wenn sie was will, man hört ja am Tonfall, ob es wichtig/dringend ist). Aber wenn es NUR negative Beispiele gibt und gar keine liebevolle Situation, ist das ja schon was anderes.

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Seh ich auch so. Mein kind ist manchmal auch ein kleiner jammerlappen. Trotzdem wird hier jedes kleine aua gepustet und dann je nach dem wie groß das aua ist, auch getröstet. ( kleinen auas lassen sich hier auch immer sehr schnell weg pusten)
Und alles was er nicht kann,da helfe ich gerne. Dafür hilft er mich auch wo er nur kann;-) ob ich es will oder nicht.
Gib doch einfach einen Denkanstoß,
Wenn er mit seiner vollen Windel ins Zimmer geschickt wird, dann frag ganz doof, ach krabbelt er schon mal allein auf den wickeltisch.
Oder Ach krass nun sitzt er ja schon 2 Std im Hochstuhl, will er gar nicht spielen gehen?
Liebe Grüße

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Unsere Tochter heißt: Satan, Diktator, Terrorist .... wir lieben sie trotzdem über alles und würden sie niemals eintauschen ;-) die Spitznamen mögen seltsam sein (Jammerlappen und Boxsack finde ich jetzt auch arg grenzwertig), aber vlt. meinen sie das gar nicht so, wie du es auffasst.

Ansonsten - wenn ihr befreundet seid, schnapp sie dir alleine und sprich mit ihr. Ob alles okay ist, sie Hilfe benötigen, sie irgendwie unglücklich ect. ist.

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Ehrlich gesagt finde ich eure Spitznamen nicht besser als die, die die TE genannt hat... Und wenn mein Kind aus dem Kindergarten kommen würde und erzählt dass sein Freund ihn nur noch Diktator nennt weil das ja für das andere Kind ein netter Kosename ist, hätte ich kein gutes Bild über die Familie und würde sicher auch nicht wollen, dass mein Kind so genannt wird. Woher soll dein Kind wissen, dass es nett ist, wenn du Satan zu ihm sagst und es weniger nett ist, wenn es selbst Satan zu den anderen Kindern im Kindergarten sagt?

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Hallo, es ist sicher auch für ein kleines Kind zu verstehen, in welchen Situationen solche "Kosenamen" vergeben werden.

Ist die Situation generell eher angespannt, merken auch kleine Kinder, dass etwas nicht stimmt und es eben nicht liebevoll gemeint sein kann. Das wäre sehr bedenklich und sollte auch von außen kommentiert werden.

Ist ein Augenzwinkern, Lächeln oder Durchkitzeln dabei, ist der Fall auch klar.

Hier heißt meine Kleine (6 Jahre alt) auch oft Diktatorette, Jammerläppchen etc. Das wird immer liebevoll gesagt, aber sie weiß dann auch, dass sie den Bogen gerade überspannt. Also hier eher Erziehungsmaßnahme.

Was andere Familien dazu sagen, weiß ich nicht, ist mir aber auch egal. Denn unsere Tochter ist ein glückliches, fröhliches, eigensinniges, selbstbewusstes Kind.

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Ja, ich würde das definitiv ansprechen. Ich würde im Traum mit keinem mehr keiner so reden. Das ist fürchterlich und mmn psychische Gewalt.

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Also Stinki und Wutbürger sind hier auch benutze Kosenamen allerdings nett/liebevoll ausgesprochen nicht wütend oder böse.

Das mit dem anderen Zimmer sehe ich genauso. Hier schreit ständig jemand vom Garten oder der oberen Etage. Maaaamaaaaa!!!

Ich wäre nur noch am hoch und runter rennen würde ich ständig springen. Wollen die Kinder etwas von mir müssen sie kommen. Anders verhält es sich wenn jemand weint oder ich an der Stimme höre das etwas passiert ist, natürlich gehe ich dann sofort zu meinen Kindern.
Aber für den 2. Apfel, ein Glas Sprudel oder das Umkleiden der Puppe müssen sie schon zu mir kommen.

Alles andere finde ich auch eher befremdlich und würde das selbst nicht machen. Ob ich etwas sagen würde weiß ich nicht. Das kommt auf das Verhältnis an. Ich schätze mich so ein das ich eher mal in der Situation sagen würde: Ohje schaut mal euren Schatz an wie traurig er schaut! Also eher darauf hinweisen.
Richtig ansprechen nicht, da die Sachen nicht so schlimm sind und es euch schlichtweg nichts angeht.

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Stinki finde ich jetzt nicht schlimm - sage auch öfter zu meiner Tochter "oh, hast du einen Stinki/Stinkerchen/Drückerchen gemacht?". Und komischerweise kriegen viele Babys/Kleinkinder Kosenamen die eigentlich gar nicht schön sind aber man als Elternteil in dem Moment liebevoll meint. Ich nannte mein Kind z.B. manchmal "Dickerchen" oder "Moppelchen", weil sie so viel Babyspeck hatte und auch jetzt (sie ist 1,5) kommt das ab und an noch. Sie ist nun zwar ein schlankes Kind, aber hat noch ein richtiges Babygesicht - gaaanz kurze, helle Haare (sieht auf Fotos fast noch nach Glatze aus) und Pausbacken #herzlich

Ich würde die Familie der Freundin nicht direkt so verurteilen. Sie bekommen gerade ein 2. Kind und eventuell ist die Schwangerschaft in Kombination mit dem Versorgen eines Kleinkindes gerade mega anstrengend für die Eltern. Als ich mit dem 2. Kind schwanger war, gab es auch die ein oder andere Situation, wo das Kümmern um die Große einem Kraftakt glich - und sie war damals schon 2,5 und dementsprechend selbständiger und verständiger! Vielleicht fühlen die Eltern sich bei Besuch auch verpflichtet den guten Gastgeber zu spielen und wissen in dem Moment nicht wohin mit dem Kleinkind und wie sie Gäste und Kind unter einem Hut bekommen können...wie wäre es deshalb, wenn ihr beim Besuch einfach mal ein Angelspiel o.ä. für Kidner ab 1 1/2 mitbringt und das alle zusammen mit dem Kind spielt - habe ich mal gemacht und man konnte super gemeinsam als Gruppe mit dem Kind spielen und sich dabei dennochunterhalten. Und einige Erwachsene (eher Männer *g*) hatten sogar richtig Spaß an dem Spiel und wollten dauernd selber die Angel haben! ;-)

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Na ja, es ist aber ein großer Unterschied ob ich mein Kind in Zweisamkeit liebevoll Stinki nenne (was ich persönlich auch nicht mache) oder vor anderen Menschen laut Stinki, geh zum Wickeltisch rufe. Da frage ich mich wie man sein Kind so bloßstellen kann, geht für mich gar nicht. Und Jammerlappen und Boxsack sind für mich völlig inakzeptabel, welches Selbstwertgefühl wird einem Kind dadurch vermittelt??
An die TE: wenn es eine gute Freundin ist würde ich es unter 4 Augen ansprechen, ob sich dadurch das Verhalten gegenüber dem Kind wirklich ändert bezweifle ich. Ich vermute so oder so wird die Freundschaft längerfristig abkühlen...

Bearbeitet von Sommerkind.82
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Tja, das war bei einer guten Freundin auch so. Sie wurde liebevoll Moppel von ihren Eltern genannt und das hat sich dann auch bei den Geschwistern als Kosename eingebürgert. War dann später einer der Haupttrigger ihrer Essstörung. Ich kann daran so gar nichts lustiges finden.

Kleine Kinder können übrigens noch keine Ironie verstehen.

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Du schreibst von einer guten Freundin, dann würde ich mit ihr darüber reden.