Geben Eltern mehr als Kinder?

Die Frage im Betreff mag verwirrend klingen, ich erkläre gleich wie ich das meine:

Ich beschäftige mich aktuell wieder vermehrt mit der Frage, warum mein Vater und ich uns so schlecht verstehen. Ich, w, bin knappe 40 und er mittlerweile 65.
Ja klar, es ist extrem viel zwischen uns vorgefallen. Er war ein sehr dominanter, auf Leistung bezogener Vater.
Was mir aber auch kürzlich bewusst geworden ist: Er dürfte eine komplett andere Auffassung von der "Eltern - Kind"- Beziehung haben.

Ziehen wir als Vergleichssubjekt meine Mutter heran:
Meine Mutter besucht meinen Sohn und mich trotz über 100km Entfernung einmal die Woche. Wir sind umgekehrt nur mehr selten bei ihr auf Besuch, weil es mit Kind einfach schwerer ist und wir auch beim Haus ständig was umbauen müssen.
Sie hält uns das nicht vor. Sie kommt gerne zu uns, weil sie Interesse an mir und ihrem Enkel hat.
Als wir das Haus kauften, hat sie uns finanziell unterstützt, hat beim Putzen geholfen und regelmäßig Essen vorbei gebracht.
Sie macht vieles, ohne gegenseitig aufzurechnen bzw. eine adäquate Gegenleistung zu erhalten.

Ganz anders ist mein Vater:
Ich hatte mit ihm schon vor rund 10 Jahren mal die Diskussion, dass ich den Eindruck hätte, er würde sich plötzlich weniger bei mir melden. Er hat dann gemeint "Man könnte auch sagen, DU hast den Kontakt mit mir nicht mehr gesucht. Im Leben muss man immer mehr Geben als Nehmen." Er ist also der Ansicht, dass man auch innerhalb der Familie jeweils gleich viel Interesse oä zeigen muss.
Würde ich zu ihm sagen "Du kommst uns gar nicht mehr besuchen", würde er vermutlich erwidern "ihr kommt ja auch nicht mehr vorbei".

Ich beobachte jedoch in meiner Umgebung, dass die Eltern (oder speziell die Mütter) sich mehrheitlich eher so wie meine Mutter verhalten. Dass da also ein Ungleichgewicht besteht, dass die Eltern nach unten zu den Kindern immer mehr "leisten", mehr unterstützen, etc als umgekehrt.

Ich könnte das meiner Mutter aktuell auch gar nicht zurück geben und müsste ihr sagen, bitte bleib zu Hause und komm nicht mehr. Vielleicht ist sie irgendwann mal pflegebedürftig und ich kann/muss sie dann aufnehmen, aber das weiß ja heute niemand.

Ich finde dies eigentlich ganz natürlich, dass es so ist. Die Eltern haben oft mehr Zeit (Pension), können finanziell oft etwas beisteuern weil sie schon mehr angespart haben, etc.

Seht ihr das genauso bzw. macht ihr ähnliche Beobachtungen?

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Ich sehe das anders und vor allem in deinen zwei genannten Beispielen sehe ich deinen Vater voll im Recht. Was genau hindert dich daran ihn anzurufen und weshalb sollte die Initiative immer nur von den Eltern ausgehen?

Beziehung ist keine Einbahnstrasse. Mit aufrechnen hat das für mich auch nichts zu tun.

Ich finde deine Einstellung hat so einen leicht undankbaren, verwöhnten Beigeschmack. Und eher so als ob du aufrechnest.

Wir haben letztens meiner Schwiegermutter 1300 Euro für neue Möbel vorgestreckt weil es einen erheblichen Wasserschaden in ihrer Wohnung gab. Die Frau lebte ihr Leben lang am Existenzminimum, wo sollte sie uns helfen? Wir haben meinem Vater einen sehr teuren Herzenswunsch erfüllt, weil er sein Leben lang geschuftet hat und doch nie was sparen konnte als Alleinverdiener mit (ungeplant und trotz Spirale) 3 Kindern. Es reichte auch nicht zum Eigenbesitz.

In einer Familie sollte man sich gegenseitig unterstützen. Ginge die Kontaktaufnahme nur von einer Seite aus, dann hätte ich die Impression von der anderen Seite aus bestehe kein Interesse.

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Ja, ich sehe das ähnlich wie du, zumindest bis zu einem gewissen Punkt.
Ganz klassisch hat unsere Generation (kleine) Kinder, eventuell ein Haus gebaut. Unsere Elterngeneration ist idealerweise gerade frisch im Ruhestand. Diese Generation hat über Jahrzehnte hinweg einen Aufschwung erlebt, konnte noch mit einem Gehalt ein Eigenheim finanzieren, sich ein Auto leisten und in den Urlaub fahren. Ganz klassisch hat diese Generation Geld angespart, womöglich schon von der Kriegsgeneration geerbt.

Bei dieser Konstellation ist es mir natürlich nicht möglich, gleich viel Zeit und Geld für meine Eltern aufzuwenden, wie sie es für mich tun.
Das ändert sich dann, wenn die hier angesprochene Elterngeneration alt wird und Unterstützung benötigt.
Ich bin grundsätzlich gerne bereit die Eltern/ Großeltern im Rahmen meiner Möglichkeiten zu unterstützen. Nicht aber finanziell. Die Möglichkeiten habe ich dazu gar nicht.

Unserer Generation und den nachfolgenden wird es später größtenteils nicht mehr möglich sein, die Kinder finanziell zu unterstützen.

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Hallo

also ganz ehrlich kann ich das so nicht sehen. Meine Eltern hatten sich getrennt als ich 12 war. Damals bin ich bei meinem Vater geblieben. Er wurde krank als ich so 16 war und ging in Frührente als ich so 20 war. Demnach hat er heute keine große Rente und ich bin froh, dass er eine liebe Partnerin gefunden hatte als ich 18 war. Ich selber bin nur halbtags tätig und könnte ihn nicht finanziell unterstützen und auch er könnte das nicht ABER wir haben uns als Mensch. D.h wir telefonieren, ich habe ihn zu Weihnachten abgeholt weil er nicht mehr gerne selber Auto fährt und und. Meine Schwiegereltern stehen auch finanziell nicht gut da.

Sie unterstützen uns damit das sie unseren Sohn auch öfter mal genommen hatten als wir arbeiten mussten. Wir übernehmen hingegen andere Dinge wie Gräber gießen und und.
Mein Mann hat aus anderer Beziehung eine mittlerweile volljährige Tochter die ihre Ausbildung abgeschlossen hat. Sie verdient mittlerweile so viel wie mein Mann. Daher gibt es auch keinen Anlass sie finanziell zu unterstützen. Wenn sie kommt bekommt sie mal das Auto voll getankt oder oder.

Da sie allerdings nicht so oft kommt und wir der Meinung sind das die Telefonleitung raus und rein geht hat sich der Kontakt etwas reduziert. Es liegt nicht nur an Eltern da zu sein sondern auch die Kinder dürfen sich gerne melden und mal nachfragen wie es denn so geht ;-).

LG Hexe12-17

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Ich sehe da viele Pauschalisierungen und auch vieles anders ehrlich gesagt.
Ich glaube nicht, dass die Mehrheit der älteren Generation super Geld zur Seite gelegt hat und somit ihren Kindern/Enkeln selbstverständlich finanziell unterstützen können.
Es wird eher eine Minderheit, wenn nicht "nur" ausgeglichen sein, aber dieses Erwarten, so kommt es eben von dir rüber, ist naja ein wenig daneben.
Ja, mir Kind ist vieles etwas anders als vorher, aber man kann doch 2 mal im Monat, wenn man die Oma dann wirklich sehen will, doch wohl selber rüber fahren, anstatt dass nur die Oma kommt und den Opa hätte man dann auch mal gesehen. 100 km sind in meinen Augen dann auch nicht wahnsinnig weit weg... 🤷

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Wenn man aber im Leben immer mehr geben als nehmen muss, gilt das ja auch für ihn.

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Ich finde, Beziehung und Interesse ist nie eine Einbahnstraße, besonders nicht im Erwachsenenalter. Meine Mutter meldet sich nicht? Ich mich auch nicht. Sie scheint es wenig zu interessieren was ich mache also brauche ich ihr nicht hinterher zu rennen. Die erwachsene Tochter meines Freundes fragt im Jahr Vlt ein Mal wie es ihm geht und kommt nicht mal zu seinem Geburtstag? Dann meldet er sich auch nicht. Ist ja nicht so als ob es heutzutage so schwer wäre mal per sms/telegram/WhatsApp/Signal/Messenger etc zu fragen 🤷🏼‍♀️ sofern wir von Erwachsenen reden, sollten beide Seiten gleich viel investieren. Gilt natürlich nicht für „echte“ Kinder-Eltern-Beziehungen

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Aufrechnen muss man bei engen Freunden und Familie nicht, finde ich. Es gibt sicher immer Phasen im Leben, wo der eine mal mehr gibt und mal der andere.

Aber ich finde, man kann von niemandem, nicht mal den Eltern, „verlangen“, dass sie mehr geben. Und dein Vater hat ja recht - du möchtest mehr Kontakt (?), aber wirfst da einfach nur ihm vor, dass er sich weniger meldet. Tatsächlich sollte es schon so sein: wenn du was willst, dann tu es selbst. Ich meine das so - DU möchtest mehr Kontakt zu deinem Vater? Dann melde DU dich, dann fahr DU zu ihm und halte ihm nicht vor, dass deine Mutter aber öfter kommt (überspitzt gesagt).

Du hast bei deiner Mutter Glück, dass SIE euch wohl so oft sehen will und es daher auf sich nimmt. Aber das ist ja nicht grundsätzlich so.

Zudem finde ich absolut gar nicht, dass die ältere Generation automatisch mehr Zeit hat. Bei uns sind, bis auf meinen Vater, alle noch berufstätig (wenn dein Vater erst 65 ist, Arbeitet er ja vielleicht auch noch?); auch mein Vater ist dank Ehrenämter usw gut ausgelastet.

Du hast grundsätzlich Groll auf deinen Vater. Das hat sicher noch ganz andere Gründe und die könnte man sogar vielleicht auch verstehen (wie war denn seine Kindheit? Was haben seine Eltern erwartet? Auch Leistungen, auch, dass die Kinder mehr gehen?); vielleicht kannst du dann nachvollziehen, warum er so ist, wie er ist und dass es gar nicht unbedingt persönlich gegen dich geht.

Kennst du „Das Buch, von dem du dir wünschst, deine Eltern hätten es gelesen“? Da gibt es gute Ansätze drin 😊

Das sind zumindest mal so meine Gedanken dazu 😅

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Ich sehe das wie dein Vater.

Meine Eltern haben in Ihrem Leben genug für mich getan, sodass ich Ihre Hilfsbereitschaft im Erwachsenenalter nicht „ausnutze“.
Ja, meine Eltern würden auch alles für mich tun, aber ich auch für sie. Ich würde niemals Geld von Ihnen annehmen. Wenn ich mir Luxus leisten möchte, dann muss mein Geld dafür reichen, ansonsten geht es eben nicht.
Auch besuche ich meine Eltern öfter als umgekehrt. Wir wohnen auch gute 100km entfernt, aber die fahre ich in meinem Alter einfacher als mein Vater in seinem Alter, besonders wenn es dunkel ist.
Das Kind und der Hausumbau ist da bei euch einfach eine Ausrede, denn hindern würde euch keines davon deine Mutter/Vater regelmäßig zu besuchen.

Also nein, es ist nicht pauschal so, dass Eltern mehr geben als Kinder. Es ist irgendwann an der Zeit, wo Kinder mehr geben sollten, als die Eltern 😉

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Wir versuchen eigentlich immer, das Gute, was uns getan wird, auszugleichen und das nicht erst Jahre später, sondern eher direkt im alltäglichen Miteinander.
Bei uns gab es, seitdem wir erwachsen sind, eigentlich nie die Situation, dass nur meine Eltern uns besucht haben oder nur sie sich meldeten und wir unser Leben lebten. Es war schon immer ein Geben und Nehmen, auch als die Kinder noch ganz klein waren.
Klar, unmittelbar nach den Geburten bin ich nicht schon losgefahren, genauso wenig wie ich erwartet habe, dass mein Vater nach seiner Reha sofort zu uns kommt. Aber wir sind dann doch sehr zeitnah (also nach dem Wochenbett) abwechselnd gefahren. Und ich habe auch für meine Eltern Kuchen gebacken und ihn mitgebracht oder was bei ihnen repariert oder sonst wie geholfen trotz Arbeit und Kindern und oftmals stressigem Alltag.

Es kommt eigentlich auch selten vor, dass sich nur eine Seite meldet. Egal wieviel Stress der Alltag bringt, eine kurze Nachricht oder ein Anruf alle paar Tage ist immer drin.
Der Vorwurf "Man hört ja gar nichts von dir." kam zuletzt wohl als ich vielleicht 20 Jahre alt war und oft und gerne um die Häuser zog. Damals ging das dann meinerseits doch oft unter. Seitdem nicht mehr.

Aber ich kenne es auch nicht, dass meine Eltern mit nur einem Gehalt ihr Haus abbezahlen konnten. Meine Mutter hat schon immer gearbeitet und gemeinsam mit meinem Vater für unseren Lebenstandard arbeiten müssen. Es gab auch kein großes Erbe. Ein Auto und Urlaube ja, aber das erarbeiten mein Mann und ich uns heute auch. Meinen Eltern ist genauso wenig in den Schoß gefallen wie uns, würde ich sagen.

Bei euch klingt es aktuell so, als würdest du mehr nehmen, aber wenig geben und da kann ich deinen Vater schon etwas verstehen.
Es gibt immer mal Phasen, in denen der eine ausgelasteter ist als der andere, aber wenn ich selber weiß, dass ich kaum gebe, dann werfe ich nicht jemand anderem vor, dass er genauso handelt. Erstmal selber besser machen, was man bei anderen kritisiert.