Eigentlich hasse ich ihn, liebe ihn aber auch zugleich.
Der Hass resultiert daraus, dass mein Vater periodischer Alkoholiker ist.
Er betrinkt sich dann immer fast bewusstlos, so dass er beim laufen umfällt und dann manchmal an der Stelle einschläft.
Er bringt keinen geraden Satz mehr raus und verwechselt mich mit anderen Familienmitgliedern.
So war es zumindest bis ich vor 4 Jahren, mit 18 ausgezogen bin.
Dazu nötigte er meine Mutter immer sexuell und im Suff hat er meine Mutter meine Schwester und mich verwechselt, sodass er mal in mein Bett kam und sich an mich geschmiegt hat. Es ist nichts weiter passiert, da ich mich unter wahnsinniger Todesangst rausgeschlichen habe.
Im Kindesalter war ich schon immer verstört. Er blieb nächtelang weg und zwei mal war die Polizei bei uns zuhause.
Er brachte und betrunken zur Schule war nur bei 6 von 10 aufführungen in der Schule weil er betrunken war und ich erinnere mich noch an eine Nacht, in der ich als 6 jähriges Mädchen die Nummer der Polizei im Telefon eingegeben habe weil ich Angst hatte dass mein Vater unterwegs wieder schei**e baut und ihm was passieren wird. Ich habe mich aber nicht getraut anzurufen.
Heute sagt mein Vater, dass Kinder doch sowieso nicht wissen worum es geht.
Weshalb ich ihn heute so hasse ist, dass er nicht versteht wie schlimm er gehandelt hat.
Es gab vor 10 Jahren, da war ich 16 eine Situation und zwar haben meine Schwester und ich nach jahrelangem schweigen und Ängsten wirklich die Polizei gerufen, als er dermaßen aggressiv geworden ist, dass er gegen die Türen, gegen den Tisch gehauen hat uns extremst angeschrien hat und die vodka Flasche gegen den Fließen Boden geschmettert hat.
Und ich hasse ihn heute deswegen, weil er uns das bis heute vorwirft. Er ist der Meinung dass man seinen Vater NIEMALS verpetzt an die Polizei.
Ich habe ihm schon 3 mal einen langen Brief geschrieben in dem ich erklärt habe, dass alles allein seine Schuld ist.
Was mich so ohnmächtig macht ist, dass er es bis heute nicht ein einziges Mal eingesehen hat. Er nennt uns “Verräterinnen“.
Das schlimme ist, dass seine Schwester eine manipulative K*h ist, und seinen Bruder immer in Schutz nimmt. Sagt sogar, dass wir an allem Schuld sind, da wir viel gestritten haben als Kinder und mein Vater das nicht ausgehalten hat.
Heute war wieder einer von diesen Tagen, wo das Thema des Ereignisses von vor 10 Jahren aufkam. Er hat nochmal aggressiv betont dass man seinen Vater niemals aber auch nieeeemals “verpetzt“. Als das Thema aufkam wurde mir kurz schwindelig und ich verspürte einen kalten Schweiß auf meinem Körper. Ebenso habe ich Herzrasen bekommen und in meinen Beinen einen „Schlag“ gespürt, so dass ich fast umgekippt wäre. Ich hätte ihn paar Sekunden später anbrüllen können, aber das habe ich nicht gemacht. Ich habe daraufhin meinem Vater eine lange Nachricht geschrieben, dass ich nicht weiß wie unsere Beziehung weitergeht, wenn er uns weiterhin beschuldigt. Er schrieb mir zurück: „Ich wurde anders erzogen, man hat sich früher unterstützt und nicht gegenseitig verpetzt“.
Ich habe ihm geantwortet: “Glückwunsch zu der wunderbaren Erziehung sich vor seinen Kindern hundertfach bewusstlos zu trinken und dann aggressiv zu werden und die leben deiner Kinder zu zerstören“.
Warum ich immer noch mit ihm Kontakt habe?
Weil er periodischer Trinker war und zu 80% unserer gemeinsamen Zeit auf die Jahre gesehen nüchtern. Das heißt, dass er ich den anderen 80% sehr aufopferungsvoll, sehr aufmerksam und lieb war.
Er würde seine Hand für mich ins Feuer legen.
Aber auch aus ganz pragmatischen Gründen habe ich noch Kontakt:
Meine Mama und meine Schwester wohnen noch da. Und ich möchte sie mit meiner kleinen Tochter besuchen.
Ich möchte, dass sie bei Oma im Garten spielt, mit ihr den Tag verbringt.
Ich lebe in einen dermaßigen Konflikt weil ich diese Anschuldigungen von meinem Vater nicht mehr aushalte.
Andererseits, wenn ich mit meiner Mama und Schwester Kontakt habe, dann bekomme ich ja auch von meinem Vater mit. Und er ist ja zu 80% ein herzensmensch und schnell bin ich mit ihm auf einer Wellenlänge.
Ich habe dies alles in jahrelanger Therapie aufgearbeitet die dieses Jahr geendet ist.
Ich würde sagen, dass ich alles so gut wie ich es konnte aufgearbeitet habe, aber wenn heute immer noch Vorwürfe kommen von seiner Seite aus, dann kann ich nur Hass ihm gegenüber empfinden.
Ich habe mich mit ca 18-21 Jahren dabei erwischt, wie mein eigener Alkoholkonsum ungesund wurde und ich auch schon in eine Art Abhängigkeit reingerutscht bin.
Ich habe, wenn ich mal angefangen habe zu trinken nicht mehr aufhören können.
Dies habe ich Gott sei Dank erkannt und dank meiner eigenen Therapie habe ich jetzt schon seit Jahren keinen Tropfen mehr getrunken.
Jetzt wo ich meine kleine Tochter habe, steigen meine hassgefühle noch mehr an, weil ich so eine Unschuld in dem kleinen Wesen sehe und ich eine Abscheu Menschen gegenüber empfinde, die so kleine Seelen kaputt machen.
So nun zum Zweck dieses Posts.
Was nun machen?
Reden nützt nichts. Weil er es einfach nicht checkt. Er checkt es nicht. Und ich habe keine Kraft mehr weiterhin unerhört zu bleiben.
Kontakt abrechen bin ich (noch) nicht bereit. Vielleicht muss ich noch ein paar Jahre darunter leiden, bis ich einen Schlussstrich ziehe?
Ich hasse meinen Vater
Hallo Petra,
ich danke dir für deinen eindrucksvollen Bericht über deine Beziehung zu deinem Vater, die einer Hassliebe gleicht. Dein Vater scheint ein typischer Quartalssäufer zu sein, da du sagst, er wäre 80% der Zeit normal und lieb, aber 20% der Zeit würde er saufen und aggressiv werden. Auch die Polizei war schon im Spiel.
Du selbst hast versucht, deine Traumatisierung mit einer Therapie aufzuarbeiten. Zu deinem Entsetzen bist du selbst in eine beginnende Alkoholabhängigkeit gerutscht, konntest aber glücklicherweise abstinent werden.
Derzeit bist du noch nicht bereit, den Kontakt zu deinem Vater abzubrechen, aber deine Kraft schwindet.
Bei deiner Vorgeschichte und nach deiner Therapie ist dir deine Co-Abhängigkeit sicherlich ein Begriff und du hast schon versucht, das Thema anzugehen und aufzuarbeiten. Du kommst aber nicht davon los.
Aus meiner eigenen Erfahrung und der Erfahrung meiner Selbsthilfegemeinschaft - ich lebe als trockener Alkoholiker in einem 12-Schritte-Programm - wird dich das Thema deiner Co-Abhängigkeit und dein beginnendes Abgleiten in den Alkoholismus dein Leben lang begleiten. Es wird dich begleiten unabhängig davon, ob du den Kontakt zu deinem Vater aufrecht erhältst oder ob du ihn abbrichst. Seelisch würde ein Kontaktabbruch bei dir kaum etwas verändern. Die Gedanken in dir werden bleiben, es wird weiter in dir arbeiten.
Ich durfte die Erfahrung machen, mir hilft es sehr, immer und immer wieder in meinen Gruppen darüber zu reden. Ich kann dort alles, auch meine aktuellen Krisen und meine aktuelle Befindlichkeit auf den Tisch legen und treffe dort nur Gleichgesinnte.
Für mich macht es einen gewaltigen Unterschied, ob ich mit einem Professionellen rede, der ja selbst nicht nachvollziehen kann, was im Gehirn eines Süchtigen vorgeht, oder mit anderen selbst von der Erkrankung Betroffenen oder deren Angehörigen.
Ich würde dir daher den Besuch von Selbsthilfegruppen empfehlen. Das geht heute auch ganz bequem über die entsprechenden Zoom-Meetings der jeweiligen Organisationen.
Da wären:
Die Anonymen Alkoholiker (AA):
https://www.anonyme-alkoholiker.de/meetings/onlinemeetings/termin-gebunden/
Da du mit dem Trinken nicht mehr aufhören konntest, könntest du gemäß der 3. Tradition der AA (Die einzige Voraussetzung für die AA-Zugehörigkeit ist der Wunsch, mit dem Trinken aufzuhören) durchaus zu AA gehen.
Die Angehörigen-Gruppen von Al-Anon:
https://al-anon.de/meeting-finden/
Die Kinder von Alkoholikern und dysfunktionalen Familien ACA bzw. Erwachsene Kinder:
https://erwachsenekinder.org/meetings/
Bei weiteren Fragen kannst du mir gerne eine PM schicken.
Ich wünsche dir gute 24 Stunden.
Danke dir für diese Nachricht!
Tatsächlich habe ich oft überlegt zu einer Gruppe der Betroffenen zu gehen, habe aber allerdings Angst, ich hoffe du verstehst was ich meine, dass das Thema wieder in den Mittelpunkt rückt? Also wenn ich mich wieder immer und immer wieder damit auseinandersetze.
Ich kann es ja immerhin versuchen.
Und zu der Gruppe der AA, da habe ich ebenfalls Angst, dass ich dann quasi einen “Stempel“ aufbekomme. Das hört sich blöd an und keinesfalls möchte ich jemanden von den AA abstempeln, im Gegenteil ich finde das sogar sehr mutig.
Der Stempel wäre sozusagen von mir mir selbst auferlegt.
Aber ich glaube im Unterbewusstsein gestehe ich mir nicht ein, dass ich ich zu süchtigem Verhalten gegenüber Alkohol neige.
Und während ich es schreibe hört es sich schon fatal an, weil es sich auch völlig falsch einfühlt es “verdrängen“ zu wollen.
Ich danke dir für den Beitrag und die Gedanken die er bei mir angeregt hat!
Du erkennst sehr richtig, die Verdrängung deiner Co-Abhängigkeit und deines eigenen Kontrollverlusts führt nur zu einem inneren Druckaufbau und zu einer latenten inneren Anspannung. Du kommst einfach nicht von dem Thema los, es kreist ständig in dir.
Bei den Selbsthilfegruppen geht es darum, in einer intimen und geschützten Atmosphäre (bei den A-Gruppen auch in einem ritualisierten Ablauf) auf von der selben Erkrankung und Co-Erkrankung betroffene Menschen zu treffen.
Die Freunde in diesen Gruppen können wirklich aus eigener Erfahrung nachempfinden, was in dir vorgeht und warum du so denkst und fühlst.
Die Nicht-Betroffenen schaffen das nicht.
Das Paradoxe an dieser Art von Selbsthilfe ist: Nach einiger Zeit wirst du ruhiger werden und lernen, innerlich loszulassen.
Wenn das Thema wieder in dir hochkocht - es wird lebenslang immer wieder in dir aufploppen - dann kannst du jederzeit in einer Gruppe darüber teilen und es wird dir danach besser gehen.
Die Bedenken wegen einer Stigmatisierung hatte ich anfangs auch, aber inzwischen völlig verloren bzw. ins Gegenteil umgekehrt.
Wenn du zu Beginn Bedenken in dieser Richtung hast, dann schützt dich das Prinzip der Anonymität dieser Gruppen. Für die meisten Mitglieder verliert allerdings die persönliche Anonymität im Lauf der Zeit an Bedeutung, vielmehr tritt dann der spirituelle Aspekt der Anonymität zunehmend in den Vordergrund.
Ich würde Dir weiterführend wieder Therapie empfehlen. Wo warst Du? Verhaltenstherapie, Psychoalanalyse, systemisch,...? Je nachdem, ist jetzt vielleicht eine andere "Richtung" dran, denn nach aufgearbeitet hört sich das nicht an, sorry.
Alles Gute!
Findest du?
Ich weiß nicht ob es überhaupt möglich ist sowas aufzuarbeiten, wenn immer und immer wieder gemeine Anschuldigungen folgen.
Das schmeißt einen ja ungewollt immer in diese Zeiten zurück, so sehr man damit auch Frieden geschlossen hat.
Und viel eher ist es ja das aktuelle Verhalten meines Vaters, welches mich fertig macht. Also die mangelnde Einsicht und darüber hinaus frecherweise noch nach anderen schießen.
Hey!
Ich denke, dass diese 80:20 (nüchtern und lieb/ betrunken und böse) Aufteilung nicht funktioniert, weil er dir auch nüchtern die Vorwürfe macht, ein Verräter zu sein.
Hm. Ich sehe bei dir die Denkweise, die viele Co-Abhängige auch haben: Sie können sich von der Person nicht trennen, weil er auch eine "gute Seite" habe. Diese 80%. Eigentlich sollte uns klar sein, dass diese 20% absolut indiskutabel sind und 80% sie nicht aufwiegen können.
Liebe Grüße
Schoko