Hallo, ich suche nach Erfahrungen und anderen Perspektiven.
In unserer Familie hat Opa Demenz. Er war schon immer menschlich schwierig laut seiner eigenen Familie, das glaub ich ihnen mal einfach. Die Geschichten die sie erzählen sind tatsächlich die eines kantigen Charakters.
Ich kenne ihn leider nur erkrankt und das ist schon sehr schwierig zu handhaben. Er hat offenbar irgendwann seinen sozialen Filter verloren und ist sehr offen gemein (geworden?), kein Besuch ohne sehr treffsicher einen Tiefschlag zu platzieren, der denjenigen dann ewig beschäftigt. Nicht nur eine Person, eigentlich alle der Familie die ihn besuchen.
Wie ist das denn, muss man damit einfach rechnen für immer? Ich dachte irgendwie naiv, es geht die Fähigkeit verloren, sich an Dinge zu erinnern.
Aber es ist eher so, als ob alle Schwächen der Familienmitglieder als einziges in seiner Vorstellung übrig bleiben und er hackt sofort drauf ein. Aber fast schon beängstigend zielsicher, das was er sagt tut den Besuchern richtig weh.
Irgendwie macht es einem Sorgen, wie das weiter geht. So werden ja die Beziehungen richtig vergiftet und was an positiven Erinnerungen da wäre von diesem Verhalten vergiftet. Und natürlich wollen sie immer weniger zu ihm zu Besuch-er wird also einsam werden.
Wir sind auch in Erklärungsnot gegenüber den Kindern. Bilderbücher beschäftigen sich nur mit „lustig“ vergesslichen Grosseltern die aber ganz lieb sind eigentlich. Das ist aber nicht was unsere da mitbekommen, wenn sie ihn mal sehen.
Gibt es hier z.B. Profis, die damit Erfahrung haben? Kommt da noch sowas wie Milde? Oder ist da einfach ein wütender Kern? Wie geht man damit um? Hat irgendwer Bichtipps die das unschöne thematisieren?
Danke euch
Demenz- was kommt da auf uns zu
Erfahrungsgemäß - die Menschen, die schon immer bösartig waren, sind es auch im Alter und erst recht in der Demenz.
Die meisten Dementen bleiben in einer "Zeitschleife", etwas woran sie sich immer wieder erinnern, es aber selten zuordnen können.
Manche sind in der Kindheit, mache in den frühen Erwachsenalter usw. und da der Opa schon immer schwierig war, wird sich das nicht ändern.
Konkret kann er dafür jetzt natürlich nichts. Das ist jetzt sein aktueller Charakter. Ob es noch abschwächt und der Opa plötzlich lieb wird? Ich denke nicht.
Meine Oma war auch so ein bösartiger Mensch und blieb es unter der Demenz auch, eher wurde es noch schlimmer je weiter die Krankheit voranschritt.
In ihren klaren Momenten, konnte man mit ihr auch mal darüber reden, die wurden aber immer seltener und ihre Weise blieb.
Eure Kinder solltet ihr schützen und sie nicht mehr mitnehmen. Habe ich damals mit meinem Großen auch nicht mehr gemacht, wenn ich Oma besuchen gegangen bin.
Danke dir. Das ist was ich befürchtet habe. Und ja, die Kinder werden nicht mehr mitkommen, um sie zu schützen.
Es ist so traurig, was da passiert. Schwieriger Mensch hin oder her, das wünscht msn keinem.
Meine Mutter wurde deutlich "netter" als sie dement wurde. Komisch, aber so war es.
Büchertipps habe ich leider nicht für dich.
Aber auch ich persönlich kenne das mit der Veränderung bei Demenz von meinem Opa.
Nur war es bei ihm andersrum. Aus einem grantigen und hinterhältigen Egoisten wurde ein ruhiger und freundlicher zugewandter Opa. Leider ist er dann ein paar Jahre später an/mit schweren Krankheiten verstorben.
So hätte ich ihn gern von Anfang an gehabt und nicht so bösartig, dass ich immer Heul- und Angstzustände als Kleinkind bekam, wenn es hieß wir besuchen die Großeltern. Aus diesem Grund gab es den Besuch nur 1mal pro Monat.
Meine zu mir kaltherzige Oma hat diese (für mich positiive) Veränderung leider nicht mehr erlebt. Ihr Verhalten hatte sie damit begründet, dass sie Sorge hatte mein 12 Jahre älterer Bruder würde wegen mir Nesthäkchen (und einzigen Mädchen in der ganzen Verwandtschaft) vernachlässigt werden. Mein Opa hatte keine Erklärung er war halt so (vielleicht Kriegstrauma).
Danke dir, wie schön, dass es bei euch andersrum war. Irgendwie ist es zwar traurig, aber du konntest diese Seite noch erleben.
Demenz ist nicht nur vergesslich und ja, manche werden darunter richtig gemein und fies und das ändert sich auch nicht mehr.
Sprecht es trotzdem unbedingt beim Arzt an, vielleicht hat er da besseren Input für euch.
Dieses Gemeine wird zwar thematisiert, aber irgendwie sagt keiner, ob es so bleibt, oder wie das weitergeht, deswegen ja die Frage. Wird er einfach weiter Gift verspritzen bis zum Ende seiner Fähigkeiten oder braucht gemein sein noch ein wenig mehr Kapazität und die geht vorher aus… so richtig wusste ich es nicht, jetzt scheint mir jeder zu bestätigen, dass es duster aussieht für die Hoffnung, nochmal einen anderen Zugang zu finden. Schade aber etwas auf was man sich einstellen kann und muss.
Der Hausarzt ist keine Hilfe, der wollte partout keine Demenz diagnostizieren, auch wenn es schon stark war. Inzwischen kann er nicht mehr anders, aber will weiter nichts dazu sagen. Komisch aber so ist es halt.
Dann ist ein Wechsel vielleicht sinnvoll 🤷♀️ gibt sicher auch Hilfegruppen für Angehörige und so, vielleicht wäre das noch was :)
Es kann sein, dass durch die Demenz eben sein sozialer Filter verloren ging, wie du da schon treffen beschrieben hast und er direkt sagt, was er denkt bzw. fühlt. Vielleicht das sagt, mit dem er sich früher öfter befasst hat. Viele Menschen tratschen ja gern oder ärgern sich über Mitmenschen und es gibt Menschen, die gelernt haben, immer auf Fehler anderer zu achten - und das äußert er jetzt.
Den Betroffenen würde ich empfehlen, sich vorher gut zu entspannen und einen Schritt zurückzutreten.
Das, was uns weh tut, hat meist einen wahren Kern verbunden mit einer Angst. Bspw. wird man als fett betitelt und es kommt sofort der Gedanke "stimm, die anderen verurteilen mich jetzt, weil ich keinen flachen Bauch habe". Oder man war lange als Mutter zu Hause und hat damit im Beruf nicht so viel erreicht wie andere und wenn das angesprochen wird, kommen sofort Sorgen hoch, dass man es nie zu etwas bringen wird und dass einen das gesamte Umfeld dafür verurteilt.
Im Gegensatz dazu: Wenn man "Fat-Activist" oder so ist und als fett betitelt wird, kann man lächeln und "stimmt" sagen und ärgert sich überhaupt nicht. Wenn man den Beruf nur als Broterwerb ausübt und die Familie über allem steht und man am liebsten nur Hausfrau und Mutter bleiben würde, könnte man auf "du hast nichts erreicht" auch komplett gelassen reagieren und sagen "ich bin für meine Kinder da und das erfüllt mich". Also, sobald man mit den Vorwürfen keine Scham, Sorge, Ängste, keinen sozialen Druck verbindet, können sie ja gar nicht treffen.
Daher wäre es wichtig, erst mal allen potenziellen Besuchern zu schreiben, "Egal, was Heinz so sagt - WIR stehen nicht hinter seinen Aussagen und keiner verurteilt hier den anderen für Schwachpunkte, die JEDER von uns hat!"
Das würde schon mal viel Druck raus nehmen.
Ich würde mich mit dem Konzept der Validation befassen - das spiegeln, was er vermutlich sagen möchte, ihm bestätigen, dass seine Gefühle und Wünsche okay sind. Darüber gibt es einige YT-Videos. Gib da mal ein "Validation Demenz".
Dann gibt es noch diesen Kanal, der zwar manchmal etwas überzeichnet wirkt, aber Ideen bietet für typische Probleme mit Demenzkranken:
https://www.youtube.com/@dementiasuccesspath2239
Und ja, es gibt da verschiedene Formen und Stadien, über die man sich informieren könnte.
Ich würde beobachten und überlegen, was er mit seinen Aussagen erreichen möchte. Möchte er nur Dampf ablassen, sagt er nur, was er gerade denkt oder assoziiert oder möchte er die Personen los werden, weil er merkt, dass er überfordert ist, Namen vergisst, nicht weiß, was er sagen oder machen soll? Kann man ihn bestätigen oder hilft es, wenn man ihn kurz in Ruhe lässt?
Hier ist noch ein Short-Video über Beleidigungen, vielleicht hilft das schon etwas:
https://www.youtube.com/shorts/b83ZZiTERps
Danke dir für diese tollen Anregungen. Das sind gute Hausaufgaben zum überlegen.
Du sagst was Wahres zum Verletzen, es ist aber viel dabei, das von den Eltern eingeimpfte Pflicht-/Schuldgefühle betrifft, wenn es um die Kinder von ihm geht. Oder auch aus der Herkunftsfamilie bei seinen Geschwistern. Ich befürchte, das kann man nicht so einfach abschütteln und drüber stehen - grad in der emotionalen Anspannung die sie jetzt haben.
Mal sehen, ob wir da etwas finden.
Den Gedanken, warum er das tut finde ich sehr spannend. Wenn wir das rausfinden würde es vielleicht helfen, statt das Gefühl zu haben, er ist einfach nur so aus dem Nichts gemein.
Danke dir. Das gibt das Gefühl, etwas beitragen zu können.
Aggression und Demenz sind für mich mittlerweile Alarmsignale. Meine Oma väterlicherseits hatte auch Demenz und entwickelte leider eine Wut und Aggression, mit der bald niemand mehr umgehen konnte. Sie war aber auch schon vor Krankheitsbeginn eine sehr streitsüchtige Person.
Die Aggressionen gipfelten irgendwann darin, dass sie einmal meine Mutter mit einem Küchenstuhl hinterrücks erschlagen wollte, weil sie sie für einen Dieb hielt. Da war dann der Ofen für die gesamte Familie aus. Oma kam ins Pflegeheim, wurde mit Medikamenten eingestellt und war ab da nur noch ein betäubter Schatten, den niemand mehr besuchen wollte. Zum Glück, muss man sagen, starb sie kurze Zeit später an einer Gürtelrose-Infektion.
Das tut mir sehr leid. Du hast recht, es macht einem Sorgen, was noch kommt.
Aus Erfahrung: Es wird eher schlimmer.
Uns wurde in der Angehörigenberatung gesagt, dass zum einen der Filter, was gesellschaftlich in Ordnung ist, wegfällt. Zum anderen funktioniert das Kurzzeitgedächtnis nicht mehr richtig. Das führt dazu, dass die Betroffene Person sich plötzlich in einer Situation befindet deren Anbahnung sie nicht kennt. ZB ist sie plötzlich im Supermarkt zwischen Regalen, weiß aber nicht wie sie dahin kam. Oder, was teils noch bedrohlicher auf die Person wirken kann, sind Personen in ihrem Wohnraum. Sie weiß nicht, wie die dahin kamen oder vielleicht auch nicht wer das ist. Das verunsichert demente Personen massiv, weshalb sie in ihrem Unverständnis unter Umständen auch aggressiv reagieren. Da ist dann auch egal, ob die Person zuvor ihre Familienmitglieder selbst in den Wohnbereich gelassen hat und mit diesen Kaffee getrunken hat. Diese Sekunden oder Minuten fehlen ihr einfach.
Wir sind jetzt im fünften Jahr der Erkrankung. Die betroffene Person erkennt mittlerweile auch kaum mehr jemanden aus der Familie. Auch nicht diejenigen, die sie regelmäßig sieht. Es ist ziemlich schwer zu ertragen. Vor allem wenn dazwischen wieder ein klarer Moment aufblitzt.
Da wir bereits einen ähnlichen Fall in der Familie hatten, weiß ich das es nach dem Tod trotzdem möglich ist in der Erinnerung eine Trennung zwischen der Person und der an Demenz erkrankten Person zu machen.
Was für uns familiär dabei superwichtig ist: Austausch, Austausch, Austausch zwischen den Angehörigen. Also wirklich nach jedem Besuch werden alle informiert, was war. Es wird vorab gesprochen, wann wer hingeht und wer was plant zu tun. Nur so kann sichergestellt werden, dass die demente Person den Rest nicht gegeneinander ausspielt. Aber bei uns bedeutet das halt auch tägliche Absprachen.
Wegen Buch: Ich weiß nicht, was du suchst. In meiner Familie fanden einige den Roman von "Der alte König in seinem Exil" von Arno Griger hilfreich. Ich selbst habe es aber nicht gelesen.
Danke dir, das bestätigt die Sorgen, aber deine Erklärung hilft auch beim Verständnis.
Der Buchtipp war zwar für die Kinder gemeint, aber ich schau mir dein Buch trotzdem gern mal an, es mangelt bei mir genauso an Vorstellungsvermögen merk ich.
Hallo,
Demenz ist nicht Demenz, ganz simpel ausgedrückt.
Was auf euch zu kommt, kann am Besten der behandelnde Arzt erklären. Es hängt von der betroffenen Hirnregion ab.
Viele Grüße
Hallo,
bei meiner Oma wurde es nur immer schlimmer.
- wenn wir auswärts waren, hat sie sich lautstark über fremde Leute beschwert: Bedienung, Kassierer, später über die Pfleger im Altersheim. Handwerker und sogar mit Nachbarn hat sie Streit begonnen.
- im Pflegeheim (da war das Ganze schon fortgeschrittener) hat sie hinter allem einen Komplott gegen sie gewittert: Kameras in den Zimmern, sie wird überwacht und das Personal will sie umbringen und vergewaltigen.
- wir haben sie oft besucht, sie wollte uns aber nicht mehr gehen lassen und machte uns bittere Vorwürfe wie wir sie so im Stich lassen können
- sie wurde hysterisch was etwaige Krankheiten angeht. Man musste zu allen möglichen Ärzten gehen, die nie etwas feststellten. Vor allem „kribbelte“ es immer unter ihrer Haut.
- es musste immer dieselbe Routine sein. Ist man irgendwie einen anderen Weg gegangen/gefahren, ist sie komplett hysterisch geworden: wo bringen wir sie hin? Das dauert alles so lange. Sie schafft es nicht.
Alles gipfelte in einem Selbstmordversuch. Sie ist einfach aus dem Fenster im Pflegeheim gesprungen. Man hat sie noch notoperiert, aber einige Wochen danach haben ihre Organe dann versagt.
Ihre einzige Tochter (meine Mama) hat es nicht mehr geschafft sie alleine in ihrem Haus zu pflegen. Sie hat auch andauernd gedroht, vom Balkon zu springen. Nachts hat sie andauernd den Notarzt gerufen. Meine Mama konnte es nicht mehr verantworten und sie kam ins Pflegeheim. Von den ersten Symptomen bis zum Tod waren nur 3 Jahre vergangen.
Der Opa einer Freundin wollte sogar sein Haus mit einem Verkleinerungsglas anzünden. Man hat Brandstellen überall im Holz gefunden bis sie ihn in Pflege gebracht haben.
Es ist der absolute Horror und ja, der Charakter meiner Oma wurde immer präsenter.
Alles Liebe für Euch
Danke dir, die Jahre die du schilderst waren sicher für alle schwer. Tut mir leid, dass ihr das erlebt habt.
Darf ich fragen, ob ihr die Oma vor oder während der Demenz mehr in der Erinnerung spürt? Hat es etwas nachhaltig verändert?
"Im Pflegeheim (da war das Ganze schon fortgeschrittener) hat sie hinter allem einen Komplott gegen sie gewittert: Kameras in den Zimmern, sie wird überwacht und das Personal will sie umbringen und vergewaltigen."
Das fand ich eigentlich die allergraumsamste Phase. Klar, als dann irgendwie die Russen die Laternen vor dem Haus geklaut haben, war irgendwie klar, dass das nicht stimmt. Aber irgendein Idiot war halt immer verunsichert und fragte sich mehr oder weniger laut "Was wenn sie doch recht hat"? Was, wenn wirklich ihr Exfreund von vor 35 Jahren der "angeblich" seit 20 Jahren Tod ist aber das nur vorgetäuscht hat, gerade dabei ist einen Mordkomplett zu schmieden und wir sie nicht ernstnehmen?
Dieses Lernen, dass diese hochintelligente Frau einfach nur Stuss von sich gibt und eben nicht die angebetete Mama und grandiose Richterin ist, sondern ein Mensch der überhaupt nicht mehr in der Realität leben und dessen Ratschläge keinen Sinn ergeben - das war und ist bis heute wirklich schwer zu verstehen und zu begreifen.
Ich bin wirklich froh, dass wir nach ihrem Tod wieder zueinander gefunden haben, auch wenn sie in gesund unendlich und schmerzhaft fehlt und da immer eine riesen Lücke sein wird. Hätte sie noch länger gelebt, hätten wir wohl alle keinen Kontakt mehr, weil es einfach so unfassbar belastend für die ganze Familie war.