Mein Bruder hat den Kontakt zu unserem Vater abgebrochen

Hallo,

damit ihr die Situation verstehen könnt, muss ich ein bisschen ausholen. Unsere Mutter ist gestorben, als ich acht und mein Bruder sechs war. Mein Vater war mit uns beiden überfordert. Nach einem knappen Jahr sind wir dann als Pflegekinder zu unserem Opa (Vater unserer Mutter) und dessen Frau gekommen.

Unser Vater hat damals eine super schwierige Zeit durchgemacht. Ich glaube, er war depressiv. Ziemlich lange ist es ihm nicht gelungen, regelmäßig Kontakt zu uns zu halten. Das war sehr schwer. Ich glaube, für meinen Bruder noch mehr als für mich. Unser Vater ist schwarz und mein Bruder meinte mal, dass ihm einfach in seiner ganzen Kindheit und Jugend ein schwarzes männliches Vorbild gefehlt hat. Das hat ihn wohl sehr geprägt und nachhaltig belastet.

Unser Vater hat später wieder geheiratet und mit seiner neuen Frau recht schnell drei Töchter bekommen. Für mich war das nicht immer einfach, vor allem als Jugendliche, aber ich liebe meine Halbschwestern auch und fühle mich auch bei der Familie meines Vaters zuhause. So wie man sich vielleicht bei einem Onkel zuhause fühlt, den man regelmäßig besucht.

Für meinen Bruder war / ist das anders. Er hat sich immer geweigert, Teil von sämtlichen Ereignissen im Leben unseres Vaters zu sein. Er war nicht auf der Hochzeit. Nach der Geburt der Kinder hat es Monate gedauert, bis er zugestimmt hat, sie zu sehen. Sie sind mittlerweile zwölf, dreizehn, vierzehn Jahre alt und er hat kaum einen Bezug zu ihnen. Dass sie existieren und bei meinem Vater aufwachsen, fühlt sich für ihn wie ein Verrat an.

Mein Vater kommt aus einem anderen Kulturkreis. Manchmal fordert er Dinge, die ich auch nicht ok finde, aber er bemüht sich offen zu sein. Er wollte zB. dass ich den Vater meiner Töchter heirate, als ich schwanger war, obwohl wir nicht mal zusammen waren, und als ich das nicht gemacht habe, war es auch in Ordnung. Er braucht manchmal einfach eine Weile, um Sachen zu akzeptieren. Für mich war es bisher immer so: Er sagt was, ich mach es anders, ist ok. Aber bei meinem Bruder haben solche Situationen immer dazu geführt, dass er dann monatelang nicht mit unserem Vater geredet hat. Oft war er dann sogar auf mich sauer, weil ich Verständnis für unseren Vater habe und anerkenne, dass er sich bemüht.

Aktuell haben sie wieder keinen Kontakt. Jetzt schon seit ungefähr einem halben Jahr. Damals hat mein Vater sich kritisch über meine Wohnsituation geäußert (Eltern-WG ohne Liebesbeziehung), weil so ja keine weiteren Kinder entstehen würden und unsere Tochter Einzelkind bliebe. Mein Bruder hat sich danach ziemlich da rein gesteigert und ein wenige Tage nach diesem Treffen unseren Vater überall blockiert.

Unser Vater fragt bei fast jedem Besuch oder Telefonat nach meinem Bruder und bittet mich ständig, ihm was auszurichten. Mein Bruder sagt, es geht unseren Vater nichts an, und ich soll da nichts weitergeben. Irgendwie will ich die Wünsche meines Bruders respektieren, gleichzeitig verstehe ich auch, dass unser Vater sich einfach Gedanken um sein Kind macht und wissen will, dass es ihm gut geht.

Was würdet ihr an meiner Stelle machen?

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Liebe Lilasiem,

das Thema Kontaktabbruch innerhalb der Familie kenne ich sehr gut. Meine Schwester hat schon mehrere Male den Kontakt zu unserer Mutter abgebrochen, die längste Zeit waren 18 Monate. Auch wenn unsere Familiengeschichte längst nicht so dramatisch war wie eure (ich bewundere übrigens deine Haltung dazu und zu deinem Vater), hat meine Schwester unsere Kindheit sehr anders erlebt als ich. Da wir sehr verschieden sind, ist es wohl so, dass sie bestimmte Dinge auch einfach anders wahrgenommen und gefühlt hat.

Ich habe versucht, mich so gut es geht herauszuhalten. Zum einen, um mich selbst zu schützen, zum anderen um die beiden anderen (besonders meine Schwester) dazu zu bringen, selbst wieder den Kontakt zu suchen, wenn sie Informationen darüber möchte, wie es unserer Mutter geht und was sie so macht. Ich bin so gut es geht aus dem System ausgestiegen, habe aber zu beiden nach wie vor ein gutes Verhältnis.

Eines ist mir noch aufgefallen: dein Bruder scheint auch sehr sensibel auf Verhaltensweisen eures Vaters zu reagieren, die eher dich betreffen. Das ist ja wirklich lieb und loyal, aber vielleicht würde ich ihn an dieser Stelle mal in den Arm nehmen und ihm sagen, dass du stark genug bist, deine Auseinandersetzungen mit deinem Vater selbst zu führen (was ja augenscheinlich der Fall ist) und er sich damit nicht belasten soll.

Von Herzen alles Gute,

Lexi

Bearbeitet von lexi77
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Danke für deine Antwort und für das Teilen deiner eigenen Erfahrungen.

"Da wir sehr verschieden sind, ist es wohl so, dass sie bestimmte Dinge auch einfach anders wahrgenommen und gefühlt hat." Ja, das ist bei uns auch so.

Ich finde, dass du total nachvollziehbar erklärst, warum man sich raushalten sollte. Danke.

Stimmt, ich hab oft das Gefühl, dass mein Bruder stellvertretend für mich sauer auf unseren Vater ist.

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Halte dich da raus. Und zwar komplett, auf beiden Seiten.

Dein Bruder und du seid zwar zusammen Kinder gewesen, das heißt aber nicht, dass ihr eure Kindheit gleichermaßen erlebt habt. Dein Bruder scheint mit dem, was gewesen ist, anders umzugehen als du. Das ist ok. Ihm setzt das mehr zu als dir, auch das ist ok.

Bei meiner Schwester und mir war es ähnlich. MEINE Kindheit und Jugend war grauenvoll. Ihre (meiner Meinung nach) ebenfalls. Dennoch hat sie weiterhin Kontakt zu unserer Mutter, ich nicht mehr. Eine Weile kam sie damit klar, dass ich den Kontakt abgebrochen habe. Wir hatten schon immer ein extrem enges schwesterliches Verhältnis.
Zuletzt kam sie nicht mehr damit klar und sagte mir auch deutlich in scharfen Ton, dass sie unsere Kindheit ja anders in Erinnerung hätte.

Das Thema wurde immer spitzer zwischen uns, schlussendlich schreiben wir kaum mehr noch und gesehen haben wir uns ewig nicht. Und das, obwohl wir vorher alles miteinander gemacht haben.

Lass deinen Bruder, wenn du ihn behalten willst. Richte ihm nichts mehr aus und sag deinem Vater, dass du das nicht mehr tun wirst, weil du dich raushalten möchtest.

Bearbeitet von JaneDoe
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Also würdest du in beide Richtungen nichts ausrichten? Also auch unserem Vater nichts über meinen Bruder berichten, wenn er fragt, wie es ihm geht?

Das stimmt. Jeder erlebt Sachen anders. Merkt man allein schon daran, dass ich die gleiche Hautfarbe wie mein Bruder habe, aber es nie unangenehm fand, ein weißes Umfeld zu haben, während das für ihn eine negative Erfahrung war. Ich will meinem Bruder seine Emotionen nicht absprechen, gleichzeitig fällt es mir schwer, die Traurigkeit meines Vaters auszuhalten.

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Nein, würde ich nicht und finde ich auch nicht ok. Dein Bruder möchte das nicht und das ist zu akzeptieren.

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Du solltest dich raushalten. Jeder von euch dreien hat eine eigene Geschichte. Und ich kann euch alle drei sehr gut verstehen.
Trotzdem gibt es kein "der hat Recht" oder "der andere ist im Unrecht".

Dein Bruder kann nicht verzeihen. Du schon. Dein Vater konnte sich nicht um euch kümmern, die Gründe sind nachvollziehbar. Trotzdem darf dein Bruder ihm das nachtragen und sich rausziehen aus der Beziehung, wenn ihm das nicht guttut. Garantiert hätte dein Vater damals mehr für euch tun können, und sei es nur in der Theorie.

Sei einfach neutral, bequatsche deinen Bruder nicht, sag deinem Vater, dass dein Bruder keine Botschaften ausgerichtet bekommen will und du das respektierst.

Und dann warte ab. Vielleicht bessert sich die Situation, vielleicht bleibt dein Bruder beim Kontaktabbruch. Dann solltest du das akzeptieren.

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Danke für deine Antwort. Es stimmt, man kann nicht sagen, dass einer Recht hat und der andere nicht.

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Hey du,

Oh Mann, da stehst du ja wirklich zwischen allen Stühlen.

Ich denke, ich kann sowohl deinen Vater als auch deinen Bruder verstehen.

Frage an dich: Wie erging es dir denn als Tochter von einem schwarzen Vater?
War das in der Schule etc kein Problem, was war positiv, was negativ?
Ich kann mir vorstellen, dass es für dich als Mädchen auch etwas einfacher war als für ihn als Junge. Nicht nur, weil ihm der Vater als Bezugsperson gefehlt hat, sondern weil vielleicht die Gesellschaft offener ist bei einem Mädchen als bei einem Jungen? Ist ja sogar bei perfekt zum Aussehen der Allgemeinheit passenden "kaukasischen" Kindern der Fall, dass Mädchen für viele besser ins Bild passen und Jungs eher Störfaktor sind.
Wie war das denn für deinen Bruder, weisst du das?

Ich kann auf jeden Fall total nachvollziehen, dass er seinen Vater nicht nur als Vater sondern als in DE lebenden schwarzen Mann gebraucht hätte!
Dass dein Vater für euch keiner war und dann noch 3 Kinder bekommen hat- das wäre für mich sicherlich auch schmerzvoll und ich wäre auch wütend. Hut ab an dich, dass du so gelassen damit umgehst ❤️

Ich verstehe auch deinen Vater, der, als ihr klein wart, nicht leisten konnte, was für euch das Beste gewesen wäre und der jetzt aber Kontakt zu seinem Sohn will.

Was du tun kannst?
Deinem Vater sagen, dass er selbst sich um deinen Bruder bemühen muss.
Ungeschehen machen geht nicht. Neustart vielleicht. Aber darum muss dein Vater sich bemühen.

Das würde ich ihm auch genau so sagen.

Du bist nicht die "Informationsquelle". Zumal, wenn dein Bruder sagt, er will das nicht!

Du kannst natürlich parallel mit deinem Bruder sprechen! Ihm sagen, wie es für dich ist, dass du dir wünschen würdest, dass er mit eurem Papa Kontakt hat.
Am Ende ist das die Entscheidung deines Bruders.

Nimm dich so gut als möglich raus ❤️ Du bist du und hast deinen Weg und bist NICHT dafür verantwortlich, was die zwei Männer machen!

Alles, alles Liebe für dich ❤️

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Danke für deine Antwort.

Ich habe natürlich Rassismuserfahrungen in meiner Schulzeit gemacht. Dieses "Woher kommst du denn ursprünglich?" oder "Du sprichst ja echt gut Deutsch." (Danke, ist meine Muttersprache.) oder Leute, die ungefragt meine Haare angefasst haben. Das war und ist für mich immer ein bisschen unangenehm. Ich erinnere mich an ein paar Situationen, in denen ich mich dadurch ausgegrenzt gefühlt habe. Damals haben mich solche Erfahrungen tatsächlich eher bedrückt und nicht so wütend gemacht wie heute. ABER ich habe diese Erfahrungen nicht täglich gemacht und die allermeisten Erinnerungen an meine Schulzeit sind positiv und stehen nicht im Zusammenhang mit meiner Hautfarbe.

Mein Bruder hat anfangs ähnliche Erfahrungen gemacht. Und sie haben ihn härter getroffen als mich. Ich glaube, er ist vom Typ her sensibler und hat dann da immer noch sehr lange drüber nachgedacht. Für ihn kam irgendwann noch hinzu, dass er ständig das Gefühl hatte und immer noch hat, unter Generalverdacht zu stehen. Zufällige Personenkontrollen treffen ihn zum Beispiel häufiger. Das ist natürlich beschissen. Und das fing an, als er ein Jugendlicher war.

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Ich würde dir so gerne schreiben, dass mich das überrascht, aber tut es wirklich nicht.
So viele Idioten haben so großen Nachholbedarf bei dem Thema 🙄

Einer meiner besten Kumpels seit der Grundschule hat kenianische Eltern.
Ich habe das echt mitverfolgen können. Er kam neu in die erste Klasse und ich in der dritten dazu.
Ich aus Schweden, er aus Kenia. Er hat mir verdammt viel Deutsch beigebracht!!! Wir haben über die Jahre viel angestellt zusammen 😂 Und er war immer der "Schuldige". Sogar, wenn ich protestiert habe und es auf mich genommen habe (und 80% gingen auch auf mich!), die Beschränkungen im Kopf mancher Leute 🙄 Mädchen vs Junge, er schwarz ich blond und blauäugig. Traurig und zum wütend werden und JA!, als wir in den 20ern zusammen in die Disco sind, es waren vielleicht 20 mal, er wurde 5 mal plus davon kontrolliert und ich nie.

So sehr ich Deutschland mag, dieses Land hat ein riesiges Rassismusproblem. Vor allem ggü ausländischen MÄNNERN. Frauen auch, aber Männern ggü ist es nochmal krasser.

Und ich befürchte, dass deinem Bruder da umso mehr der Vater gefehlt hat und es für ihn unverzeihlich ist, dass er nicht da war für ihn. Auch auf der Ebene.

Wobei für euch nicht da sein und dann 3 "neue" Kinder bekommen allein schon Grund genug wäre, den Vater zu hassen, für mich jedenfalls...

Ihr habt da echt viel mitmachen müssen schon und seid so jung noch. Halbwaisen, bei Großeltern aufwachsen, Vater neue Familie, du ein Baby verloren nach 4 Tagen. Sowas erleben andere ihr Leben lang nicht!

Wünsche dir und deiner ganzen Family von Herzen nur das Beste ❤️❤️❤️

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Noch eine Ergänzung: Mein Bruder und ich haben viel über die Aussage gesprochen, die zum Kontaktabbruch geführt hat.

Mein Bruder fand es sehr verletzend, dass unser Vater impliziert hat, dass meine Tochter Halbgeschwister brauchen würde. Das hat bei ihm alte Wunden aufgerissen, da mein Bruder selbst immer Schwierigkeiten hatte, mit der Tatsache umzugehen, dass wir Halbgeschwister haben.

Außerdem war es für ihn dieses Gefühl, dass mein Vater mein Lebensmodell nicht akzeptiert und hat ihn daran erinnert, was für "veraltete" Vorstellungen unser Vater hat und dass seine Werte nicht mit unseren Werten zusammenpassen.

Zudem sollte ich vielleicht erwähnen, dass ich Zwillinge hatte, von denen eine nur vier Tage alt geworden ist. Mein Bruder findet es sehr schlimm, dass mein Vater meine lebende Tochter als "Einzelkind" bezeichnet hat. Und ja, das finde ich auch nicht sensibel.

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Hey nochmal ❤️

Ist das denn in der Mentalität bei eurem Vater so, dass möglichst viele Kinder da sein sollten?

Ich mit meiner mitte-l/nordeuropäischen Mentalität fände es auch verletzend an Stelle deines Bruders bzw an deiner, aber ich verstehe, dass du mehr Einblick hast und solche Aussagen womöglich anders verorten kannst, eben weil du die andere Seite kennst.

Es tut mir so Leid, dass du eines deiner Zwillingsmädels verloren hast! Da weiß ich gar nicht, was dazu schreiben 💔

Fühl dich sehr gedrückt ❤️❤️❤️

Und nochmal meine Bewunderung, wie du trotz solchen Aussagen mit deinem Vater umgehen kannst, wenn auch nur gefühlsmäßig als "Onkel", das ist wirklich krass stark!

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Dankeschön.

Ja, mein Vater ist christlich-orthodox. Ich hab das Gefühl, nach dem Tod unserer Mutter und dieser schweren Trauerphase ist er noch mal erheblich religiöser geworden. Seine zweite Frau kommt auch aus seinem Heimatland Eritrea. Ich gehe davon aus, dass sie noch mehr Kinder bekommen hätten, "so viele Kinder wie Gott uns schenkt", wenn es keine gesundheitlichen Probleme gegeben hätte. Seiner Frau wurde aus medizinischer Sicht davon abgeraten, noch mal schwanger zu werden. Da haben die Vernunft und das Vertrauen in die Einschätzung der Ärzte über die Religion gesiegt.

Unser Vater ist in Eritrea aufgewachsen und befindet sich mittlerweile wieder in einem sehr religiösen eritreischen Umfeld. Ich sehe aber auch, dass er sich bemüht, offen zu sein und uns zu akzeptieren. Das gelingt ihm nicht immer sofort. Manchmal bringt er komische Aktionen. Er hat zum Beispiel mal versucht, mich mit einem Mann aus seiner Gemeinde zu verkuppeln. Da hab ich ihm dann gesagt, dass ich die Aktion blöd fand und danach hat er es auch gelassen und nicht noch mal versucht. Das Thema war dann für mich durch. Mein Bruder hat meinem Vater das noch viel länger vorgeworfen.

Mein Bruder hatte mal lackierte Nägel und mein Vater sagte: "Du bist doch keine Frau." Natürlich finde ich solche Aussagen dumm und mache dann auch den Mund auf. Aber mein Bruder fand das so dramatisch, dass er sofort aufgestanden und gegangen ist und dann wochenlang nicht mit unserem Vater geredet hat. Damals war er sogar sauer auf mich, weil ich weiterhin Kontakt gehalten habe. Aber für mich fällt das unter: Unüberlegte Aussage, weil unser Vater anders sozialisiert wurde.

Ich verstehe aber auch, dass es meinen Bruder verletzt hat. Ich verstehe oft beide und ich liebe beide.

Auch die Sache mit der Aussage "Einzelkind". Klar, das war unsensibel, aber nicht bösartig. Ich weiß auch, dass er sich trotzdem an Tilda, mein verstorbenes Kind, erinnert. Er besucht ihr Grab und er erwähnt häufig, dass er für sie betet. Deshalb finde ich es problematisch, dass mein Bruder dieses Wort dann auf die Goldwaage legt - aber dieses Wort war natürlich nicht der einzige Auslöser für den Kontaktabbruch.

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Hallo!

Das ist wirklich eine emotional belastende Situatrion für alle, das ist gut nachvollziehbar.

Von der Thematik her kann ich mich sehr gut einfühlen, da der Vater meiner Kinder Westafrikaner ist (Land möchte ich hier nicht benennen). Vor mehr als einem Jahr habe ich mich von ihm getrennt und meine Kinder müssen nun mit mir als weisser Mama allein weiter groß werden. Da meine älteren Kinder schon größer sind und in all den Jahren auch kulturell sehr viel von ihrem Vater mitbekommen haben, wissen sie quasi wie der Hase läuft und haben auch immernoch engen Kontakt zu ihm. Aber bei meinem jüngsten Kind (2) ist das nicht der Fall. Er wächst ohne diese Kultur auf und ich hoffe er wird diesen Spagat meistern.

Aber dennoch ist es bei dir ja ein ganz andere Lage. Euer Vater konnte in der wichtigsten Zeit nicht für euch da sein und in der Kinderzeit vorallem die andere Hälfte von euch nicht mitprägen. Das ist für mixed ppl ein großer Verlust. Ich versteh das sehr gut.

Von der Art, der du sprichst weiß ich schon sehr genau was du meinst. Es ist einfach eine andere kulturelle Einstellung und dein Bruder hat nie gelernt damit umzugehen. Allerdings gibt es auch unglaublich viele Erwachsene Schwarze, die wiederum unter diesen Lebenseinstellungen ihrer Eltern heute noch leiden. Also so oder so ist es problematisch, wenn man mit den deutschen Werten aufwächst, aber immer wieder mit der ganz anderen Einstellung konfrontiert wird. Aber sicherlich weiß man es anders zu handeln, wenn man es von klein auf kennt.


Dann kann ich wiederum noch die andere Thematik sehr gut nachvollziehen, weil z.B. bei uns mein Bruder seit vielen Jahren nichts mehr mit unserer Mutter zutun haben möchte, ich aber bis heute im engen Kontakt zu ihr stehe.

Ich kann die Sehnsucht nach diesem "Vereinen" sehr gut nachvollziehen und diese Ohnmacht, da einfach nicht vermitteln zu können.
Bei uns hat es leider deswegen nicht geklappt und mein Bruder hat komplett den Kontakt zu allem abgebrochen, weil er durch mich natürlich den Balast unserer Mutter spürt.

Mich hat das jahrelang extrem belastet und ich habe ihn sehr vermisst. Aber mittlerweile habe ich ihn "emotional" gehen lassen.


Ich kann dir wirklich nur raten, die Gefühle deines Bruder komplett zu akzeptieren und es irgendwie so für dich einzurichten, das du in 2 Welten bist. Du hast die eine kleine Welt mit deinem Vater und die andere Welt mit deinem Bruder. Und du musst, damit das auch klappt, wirklich Integrität üben. Dein Bruder wird bei Papa kein Thema und dein Vater wird bei deinem Bruder kein Thema. Nur dann wird das auch klappen können. Du musst die Gefühle des Bruders respektieren, sonst wird er sich früher oder später von dir abwenden, weil er damit psychisch nicht klarkommen wird.

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Danke für deine Antwort. Da kannst du ja wirklich auf eigene Erfahrungen in beiden Bereichen zurückgreifen.

"Es ist einfach eine andere kulturelle Einstellung und dein Bruder hat nie gelernt damit umzugehen." Ja, das stimmt. Auch dadurch dass mein Bruder sich immer wieder abgrenzt, hat er viel weniger Kontakt zu anderen Leuten aus der Community als ich. Deshalb denke ich manchmal: Toll, dass unser Vater sich bemüht. Er wurde anders sozialisiert, aber er strengt sich für uns an. Er sagt und macht manchmal Sachen, die nicht ok sind, aber dann akzeptiert er doch unsere Einstellung und unsere Grenzen. Ich kenne andere afrikanische Eltern, die da viel hartnäckiger und dominanter sind. Mein Bruder kennt diese anderen Eltern nicht. Er kennt nur unseren Vater und vergleicht ihn dann mit den weißen Eltern unserer Freunde oder mit unserem Opa und seiner Frau - die wir anderen gegenüber oft als unsere Eltern bezeichnen, weil das einfacher ist, man muss nichts erklären und sie haben uns nun mal so aufgezogen wie Eltern. Obwohl sie älter sind, sind sie liberaler und weltoffener als unser Vater. Sie achten mehr auf ihre Sprache und haben immer versucht, unsere Grenzen zu respektieren und behutsam mit uns umzugehen, vielleicht noch etwas mehr, weil unsere Mutter gestorben ist. Und das ist schon ein Kontrast zu unserem Vater.

Das mit deinem Bruder tut mir sehr leid.

Ich wünsche deiner Familie alles Gute!

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Hi,

Bei mir ist es so ähnlich. Meine Schwester will mit unserer Mutter keinen Kontakt haben (andere Ursache aber die gleiche Gegenwart).
Ich habe nur das nötigste berichtet zb ob es der anderen Seite gut geht und das wars.

Das ist eine Sache zwischen den beiden. Beide sind erwachsen und können für sich Entscheidungen treffen. Es ist unfair jemand zu überreden, weil man selbst einen Wunsch hat.

Ich kann deinen Bruder sehr gut verstehen. Er hat das Recht die Entscheidung für sich zu treffen und ich würde diese an deiner Stelle respektieren.

Alles Gute

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"Das ist eine Sache zwischen den beiden. Beide sind erwachsen und können für sich Entscheidungen treffen."

Ja, das stimmt. Danke für deine Antwort.

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Euer Vater hat in eurer Kindheit für euch versagt. Du sagst, er hatte gute Gründe und dein Bruder kann eben kein Verständnis aufbringen. Auch heute leistet er sich dicke Dinger und mischt sich ungefragt ein, was auch nicht mit anderer Kultur zu erklären ist. Denn er ist ja selbst lange genug hier, um zu erkennen, dass nicht alle Eltern verheiratet sind und es unterschiedliche Lebensmodelle gibt. Er ist intolerant und du nimmst ihn in Schutz. Dein Bruder kann das nicht. Jeder noch so kleine Fehler eures Vaters macht es für deinen Bruder schlimmer.

Es ist an der Zeit, an der du Verständnis für deinen Bruder aufbringst und seine Grenzen akzeptierst. Will er keinen Kontakt zu eurem Vater, ist das so und er wird auch nicht hintenrum mit Informationen von dir versorgt. Sonst ist das Verhältnis zwischen dir und deinem Bruder auch bald zerstört.

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Das ist eine herausfordernde Situation, in der du zwischen den Wünschen deines Bruders und der Sorge deines Vaters stehst. Es klingt, als würdest du versuchen, die Perspektiven beider Seiten zu verstehen und gleichzeitig jedem gerecht zu werden. Hier sind ein paar Ideen, wie du damit umgehen könntest:

Grenzen klar abstecken: Es könnte dir helfen, eine klare Linie zu ziehen, um dich nicht zwischen die beiden gestellt zu fühlen. Erkläre deinem Vater einfühlsam, dass du die Wünsche deines Bruders respektieren möchtest, und sag ihm, dass du deshalb keine Nachrichten weitergeben kannst. Gleichzeitig könntest du deinem Bruder signalisieren, dass es dir schwerfällt, wenn du zwischen ihnen beiden vermittelt wirst, da du beide liebst und dir eine neutrale Position wichtig ist.

Mit beiden über deren Erwartungen sprechen: Manchmal ist es hilfreich, offen mit beiden über die eigenen Gefühle zu sprechen. Dein Vater könnte es besser verstehen, wenn er erfährt, wie schwer es für dich ist, zwischen den beiden zu stehen. Vielleicht hilft es auch, deinem Bruder zu erklären, dass du verstehst, warum er den Kontakt eingeschränkt hat, dass es dir aber schwerfällt, in einer Art „Übermittlerrolle“ zu sein.

Ein Brief als neutraler Vorschlag: Falls es für deinen Bruder denkbar ist, könntest du ihm vorschlagen, einen Brief an euren Vater zu schreiben. In einem Brief kann er seine Gefühle und Erwartungen in Ruhe ausdrücken, ohne den direkten Druck einer Unterhaltung. Ein Brief kann für deinen Vater vielleicht auch verständlicher sein, da er dann klarer sieht, woher die Distanz seines Sohnes kommt.

Selbstfürsorge: Eine Rolle als Vermittlerin ist emotional fordernd und kann auf Dauer viel Energie kosten. Vergiss nicht, dir selbst Raum zu geben, um dich um dein eigenes Wohl zu kümmern und regelmäßig über deine Grenzen nachzudenken. Es ist in Ordnung, wenn du dir Pausen von diesem Konflikt nimmst und nicht ständig für beide Seiten „verfügbar“ bist.

Anerkennen, dass beide Zeit brauchen: Die Situation und die Beziehung zwischen deinem Bruder und eurem Vater ist von schwierigen Ereignissen in der Vergangenheit geprägt. Zeit und Geduld können entscheidend sein, um jedem Raum zur Reflexion und zur Klärung seiner Bedürfnisse und Erwartungen zu geben. Auch wenn du ihnen ein guter Beistand bist, liegt der Schlüssel zur Lösung letztlich bei deinem Bruder und eurem Vater.

Letztlich kannst du für beide da sein, ohne dich direkt in die Lösung einbringen zu müssen. Es ist oft so, dass sich komplexe familiäre Beziehungen mit Geduld und kleinen, respektvollen Schritten langfristig leichter anpassen lassen, auch wenn es nicht sofort eine Lösung gibt.

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Vielen Dank für deine Ratschläge. Besonders das klare Abstecken von Grenzen ist ein guter Punkt.

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ChatGPT?