Komplizierte Schwiegerfamilie

Hallo zusammen

Gestern ist mein Schwiegervater nach kurzer Krankheit im Alter von 92 Jahren verstorben. Mein Mann hat zwei ältere Brüder. Mit dem mittleren Bruder (Bruder 2) haben wir ein gutes Verhältnis, während die Beziehung zum ältesten Bruder (Bruder 1) eher distanziert, aber dennoch wohlwollend und respektvoll ist. Am Samstag sind wir in die Heimat gefahren, um meinen Schwiegervater in seinen letzten Stunden zu begleiten – es war uns sehr wichtig, diesen Moment mit ihm zu teilen und meiner Schwiegermutter beizustehen. Wir telefonieren täglich mit meinen Schwiegereltern, schicken ihnen Bilder von unseren Kindern und haben ein gutes Verhältnis.

Wir sind vor acht Jahren aus der Region weggezogen und leben nun etwa zehn Stunden entfernt.

Bruder 2 hat seit Jahrzehnten immer wieder Konflikte mit meinen Schwiegereltern, die er nicht loslassen kann. Es sind alte Geschichten. Als wir noch im selben Dorf wohnten, hat mein Mann oft vermittelt, um Streitigkeiten zwischen Bruder 2 und den Eltern zu entschärfen. Bruder 2 hat die Eltern in den letzten Jahren nur sporadisch gesehen, meist zweimal pro Jahr – einmal zu Weihnachten und einmal an Ostern. Obwohl das Pflegeheim meines Schwiegervaters nur fünf Minuten von ihm entfernt ist, hat Bruder 2 ihn zuletzt im April besucht – aus Angst, seiner Mutter dort zu begegnen.

Wenn wir zu Besuch sind, übernachten wir oft bei Bruder 2 und seiner Familie. Zwar fühlen wir uns dort willkommen, aber die Atmosphäre ist oft belastend, da Gespräche ausschließlich um die Schwiegereltern kreisen und es häufig zu negativen Kommentaren kommt. Zudem spricht Bruder 2 auch schlecht über Bruder 1, was die ohnehin angespannte Familiensituation zusätzlich belastet. In meiner Familie werden Konflikte offen angesprochen und gelöst – Lästereien sind unüblich.

In den letzten fünf Jahren sind wir nur noch selten in die Heimat gefahren, bedingt durch meine beiden Schwangerschaften, mein Studium und den Jobwechsel meines Mannes. Wir haben uns bewusst etwas distanziert, da die Besuche oft von Spannungen überschattet waren.

Gestern ist die Situation eskaliert. Bruder 2 hat meinem Mann viele Vorwürfe gemacht, dass er sich nicht genug kümmere und kein Interesse an ihm und seiner Familie zeige – obwohl der Kontakt fast immer von uns ausgeht. Mein Mann hat sich stets bemüht, die Beziehung aufrechtzuerhalten, sei es durch wöchentliche Telefonate oder jährliche Besuche. Auch mit meiner Schwägerin habe ich fast täglich Kontakt. Von Bruder 2 kam hingegen nie Eigeninitiative, Telefonate oder Ähnliches gehen immer von uns aus.

Nun organisieren die drei Brüder gemeinsam die Beerdigung, doch es gibt ständig Streit und Vorwürfe wegen Kleinigkeiten. Bruder 2 verhält sich zunehmend hinterhältig, verdreht Tatsachen und stellt Bruder 1 und uns in ein schlechtes Licht. Mein Mann vermutet, dass Neid eine Rolle spielt. Obwohl es nie um Geld oder Erbe ging, hat er sich offenbar immer benachteiligt gefühlt.

Um etwas Abstand zu gewinnen, haben wir uns in einem Hotel einquartiert. Bruder 1 ist auch im Hotel. Per Zufall haben wir erfahren, wie schlecht Bruder 2 seit Jahren bei Bruder 1 über uns spricht. Das hat mich wirklich sehr getroffen, da ich ein ehrlicher Mensch bin und merke, dass Bruder 2 einen Keil zwischen meinen Mann und seinem älteren Bruder getrieben hat.

Ich kümmere mich um meine Schwiergermutter und halte mich ansonsten komplett raus.

Was mich irritiert, ist, dass Bruder 2 nun überall im Internet postet und ständig telefoniert, um den Tod seines Vaters bekannt zu machen. Es wirkt, als würde er Mitleid suchen – was für mich ganz schräg ist, da zwischen ihm und den Eltern praktisch kein Kontakt bestand und sehr abschätzend über die Eltern gesprochen wird.

Wir fragen uns, was wir in dieser schwierigen Situation tun können. Habt ihr Ratschläge für uns?

Wir sind geneigt, den Kontakt mit Bruder 2 auf ein Minimum zu reduzieren.

Danke und liebe Grüße

Bearbeitet von FamilyTrouble
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Erstmal: mein herzlichstes Beileid!

Jeder trauert anders. Vielleicht ist das gerade seine Art. Auch wenn er den Eltern aus dem Weg gegangen ist, sind das seine Eltern und es wird ihn treffen. Und irgendwas wird der tot mit ihm machen.

Ich würde erstmal gar nichts machen und Zeit laufen lassen. Es ist gerade eine besondere Zeit. Für alle drei Söhne.

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Vielen Dank für deine Worte und dein Mitgefühl. Du hast recht, jeder trauert auf seine Weise, und es ist wichtig, das zu respektieren. Wir werden versuchen, geduldig zu sein und ihm den Raum zu geben, den er braucht. Die Zeit wird hoffentlich helfen, die Situation zu klären.

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Mir kommt das alles bekannt vor.

Meine Tante ist recht ähnlich, rennt jedem Euro hinterher weil sie Angst hat um einen Cent zu kurz zu kommen, ist permanent unzufrieden und lästert über jeden aus der Familie der gerade nicht im Raum ist. Gestern "meine liebe Schwester", heute "die Zicke mit der ich verwandt bin." Weiterhin Zoff mit dem Vater und "ich will nichts mehr wissen von dem" vor dem Tod - und dann "ich war die Lieblingstochter" nach dem Tod.

Ich persönlich würde auf Unzufriedenheit tippen. Womit? Wer weiß. Mit den Familienverhältnissen?

Was mir auffällt ist der Vorwurf "Du kümmerst dich nicht (genug)", sowas lese ich meist immer im Zusammenhang mit Mütter die ihre erwachsenen Kinder nicht loslassen können und damit eigentlich verlangen, dass z.B. der Sohnemann öfter nach Hause kommt um "Sohn" zu spielen.

Müsste ich raten: der Bruder kommt mit dem Streit nicht zurecht den er mit seinen Eltern hat, und nun wurde es noch schwerer, weil dein Mann als "Familienklemptner" nicht mehr permanent zur Verfügung steht. Vermutlich resultiert daraus ein Haufen Frust, den er an allem und jedem auslässt.

Bei meiner Familie empfehle ich da schon lange einen Familentherapeuten mit dem sich alle mal an einem Tisch setzen, aber bei denen ist der Zug wahrscheinlich schon abgefahren.

Ggf. würde es was bringen, sich mit dem Bruder mal zusammenzusetzen und zu fragen, was er denn eigentlich möchte, was er sich wünscht, was er gerne anders hätte.

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Danke für deine ausführliche Antwort und die Einblicke in deine Erfahrungen. Es tut gut zu hören, dass andere ähnliche Situationen erlebt haben und ich bin dankbar für deinen Ratschlag. Es könnte tatsächlich sein, dass der ungeklärte Konflikt mit den Eltern bei meinem Schwager eine große Rolle spielt. Dein Vorschlag, ein klärendes Gespräch zu suchen und herauszufinden, was er wirklich möchte, ist ein guter Ansatz. Vielleicht lässt sich so etwas Druck und Frust abbauen.

Aber das Gespräch wird erst in der Zukunft stattfinden. Aktuell ist er zu emotional und geladen. Wir wissen auch, dass er immer wieder Konflikte in seiner Ehe hat und es dort einfach nicht so gut läuft. Er hat uns sogar schon gesagt, dass er unsere Ehe beneidet. Das könnte ebenfalls ein Teil seines Frustes sein. Wir werden abwarten, bis sich die Situation etwas beruhigt hat, bevor wir versuchen, das Gespräch zu suchen. Danke nochmal für deine Unterstützung!

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Für mich klingt es auch sehr danach, dass jemand grundlegend unzufrieden ist. Gerade wenn du schreibst, wie sehr die Ehe an Ende ist, erinnert mich das sehr an meinen Bruder und seine ältere Schwester. Deren Verhältnis war auch immer bisschen schwierig, aber es wurde erst recht schwierig, als er geheiratet hat. Irgendwann meinte sie dann, es sei einfacher gewesen, als sie beide unglücklich waren. Und das verstehe ich auch. Wenn man selber etwas vermisst und gerade der Bruder oder die Schwester hat vermeintlich alles, ist das hart. Am besten mal offen drüber reden, wenn sich alles etwas gelegt hat. Ich würde nicht einfach auf Abstand gehen.

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Ich würde auf Abstand gehen, den Kontakt reduzieren.
Wenn ihr in der Gegend sein wollt, geht ins Hotel und schlaft nicht beim Bruder.
Wenn er nachfragt, dann sagt, dass die Atmosphäre beim letzten Mal nicht gut war.

Mit Bruder 1 würde ich Kontakt halten.
Aber: Der hat auch seinen Anteil dran. Wenn Bruder2 bei Bruder1 schlecht über euch spricht/über euch herzieht, warum glaubt Bruder 1 das dann? Er sollte bei sowas dran denken, dass ihm nur eine Seite der Geschichte erzählt wird. Dass da ein Keil zwischen deinem Mann und Bruder1 ist, ist somit auch Mitschuld von Bruder 1.

Auf Vorwürfe würde ich nicht eingehen. sagt, ihr macht das so, wie ihr es für richtig haltet mit dem Kontakt.

Wenn sowas losgeht "aber die Atmosphäre ist oft belastend, da Gespräche ausschließlich um die Schwiegereltern kreisen und es häufig zu negativen Kommentaren kommt." sagt, dass ihr das nicht hören wollt/darüber nicht sprechen wollt. Wenn dann nicht aufgehört wird, müsst ihr aber konsequent sein und gehen (ins Hotel)

Was der Bruder im Internet postet und ständig telefoniert, sollte euch egal sein.

Für die Planung der Beerdigung würde ich das ganze auf die schriftliche Ebene verlegen. Whatsappgruppe? Mail? Und dann ausschließlich auf der Sachebene bleiben. Eine Nacht drüber schlafen, bevor ihr eine Antwort schreibt und nur sachlich auf das organisatorische eingehen.