Hallo zusammen,
ich habe gerade die Nachricht erhalten, dass mein Vater im Sterben liegt.
Vor 5 Jahren habe ich mich dazu entschieden den Kontakt zu meinen Eltern und meiner Schwester abzubrechen. Die Entscheidung war die Richtige, ich kann seither endlich mein Leben leben.
Trotzdem trifft es mich. Was soll ich tun? Der Prozess des Kontaktabbruchs war für mich bereits wie ein Trauerprozess. Ich habe bereits Abschied genommen. Ich Frage mich, wie oder ob ich überhaupt reagieren soll.
Ich hoffe auf einen Rat von euch!
Seit 5 Jahren kein Kontakt, Vater liegt im Sterben
Wenn es für dich ein absolut endgültiger Kontaktabbruch war und du dir sicher bist, nie wieder etwas mit deiner Familie tu tun haben zu wollen, dann würde ich nicht darauf reagieren.
Hallo!
Ich sah meine Eltern fast zwei Jahrzehnte nicht und habe keinen Kontakt. wie du sagst: die Trauer hat längst stattgefunden. Jeder Versuch, die Situation zu ändern, scheiterte schon in Ansatz.
Ich frage mich oft, was eigentlich passiert, sollte ich erfahren, dass sie sterbend sind oder gestorben sind. Dann merke ich schnell: Nee, ich werde nicht an ihr Bett eilen. Das haben sie schließlich auch nicht getan als ich Kinder bekam oder als mein Mann starb. Es wird nichts mehr gut zwischen uns.
Im Todesfall graut es mir eher von dem Formalkram wie Erbe ausschlagen, Bestattungspflicht und Gedöns, sonst ist da nix.
Wenn du das alles mit dir klar hast, dann lass die Geschichte laufen. Da bin ich ganz bei meiner Vorschreiberin.
Alles Gute!
Danke für eure schnellen Antworten.
Das was ihr schreibt entspricht auch meiner ersten Reaktion. Ich habe damit abgeschlossen und bin mit der Situation im Reinen.
Der Gedanke der mich jedoch beschäftigt ist, dass mein Vater sehr unter dem Kontaktabbruch gelitten hat. Ich würde lediglich zu ihm fahren um ihm einen Abschied zu ermöglichen. Aber wahrscheinlich ist das totaler Schwachsinn.
Gibt es auch positive Erinnerungen / Momente mit deinem Vater? Oder überschattet das negative was zum Abbruch geführt hat alles andere?
Falls ersteres würde ich nochmal fahren um dem sterbenden den Abschied zu ermöglichen. Nichtsdestotrotz bist du sein Kind.
Dieser Rat gilt nicht wenn Dinge vorgefallen sind, mit der die Elternschaft verwirkt wurden, quälen, Missbrauch, massive Gewalt.
Anderen uneigennützig etwas gutes zu kann sich schön sein.
Schwachsinn ist es nicht. Wenn du das guten Gewissens tun kannst, dann mache es natürlich.
Du hast ja aber sicher den Kontakt auch nicht ohne Grund abgebrochen und gelitten und es war deinen Eltern ja scheinbar auch egal, sonst hättest du ihn ja nicht abgebrochen.
Also „schuldig“ bist du es auch deinem Vater nicht. Wenn du das einfach gerne tun möchtest, ist es natürlich was anderes.
Ich würde mich fragen, ob ich stabil genug bin (reißt Kontakt/ein letzter Abschied alte Wunden auf?), was der andere vielleicht erwartet und ob ich das ggf erfüllen kann (z.B. eine Entschuldigung, weil der Vater Vorwürfe macht ob des Kontaktabbruchs; oder auch umgekehrt, dass er um Verzeihung bittet und Reue zeigt).
Es ist ein bisschen wie Schrödingers Katze. Du musst entscheiden, ob du die Kiste öffnen und die Fakten sehen willst.
Naja, es kommt auf die Vorgeschichte an, die wir hier nicht kennen.
Sollten dich deine Eltern missbraucht haben, oder andere heftige Dinge gemacht haben, dann würde ich auch sagen - lass es sein.
In allen anderen Fällen finde ich: ein letzter Abschied sollte einem sterbenden Menschen zugestanden werden.
Vor allem, wenn du weißt, dass dein Vater unter deinem Kontaktabbruch so sehr gelitten hat.
So sehe ich es auch.
Da schließe ich mich ebenfalls an. Und ich gebe zu bedenken: Es könnte auch der Tag kommen, wo du bereust, es nicht getan zu haben. Wohlgemerkt "könnte". Vielleicht kannst du das auch, je nach Vorgeschichte, für dich komplett ausschließen.
Sofern es nichts derart Schlimmes ist, dass dich ein Besuch retraumatisiert oder ähnliches, würde ich da tatsächlich gnädig gegenüber dem Vater sein und ihn ein letztes Mal sehen.
wenn du deinen Freiden finden willst, wirst du ihn noch mal sehen müssen.
andernfalls beschädigt einen das meist über Jahre
Aus persönlicher Erfahrung:
Nein.
Das als pauschales Damoklesschwert stimmt einfach nicht. Und es verkennt auch den Leidensdruck, der vor dem Kontaktabbruch bestand. Du brichst ja nicht aus einer Laune oder Mode mit Menschen, mit denen du aufgewachsen bist.
Wenn du deine Trauer bearbeitet hast - um das was die Beziehung hätte sein können - dann brauchst du keinen Abschluss, es verfolgt dich auch nicht für die kommenden Jahre. Der Kontaktabbruch war das Ende der Beziehung und bereits genau der von dir als nötig genannte Schritt, den eigenen Frieden zu finden.
Das ist Zeug, was dir die Familie gern erzählt, weil Famiiiilie. Und iiiiirgendwann bereust du es...
Hab ich von meiner Mutter auch jahrelang zu hören bekommen. Eine Person, mit der ich vor 15 Jahren gebrochen habe ist seit 7 Jahren tot. Die andere kämpft gerade sehr, ich denke da reden wir von Wochen.
Mir tun die gemeinsamen Verwandten leid, denen das gerade sehr zusetzt. Ich selbst fühle da nichts. Ich war beim ersten im reinen mit mir selbst. Da hätte ich nicht fahren können weil ich es erst danach erfahren habe. Und ich werde auch jetzt nicht fahren wenn's so weit ist.
Liebe TE, wenn du zweifelst, spür hin. Ergebnisoffen. Wenn nicht ist es gut wie es ist.
Es kommt darauf an was passiert ist und wie sehr dein Vater involviert war ( war er der Hauptgrund für den Abbruch, war er gewalttätig usw). Und am meisten könnt es darauf an, was du fühlst!
Im Endeffekt musst du dein Leben lang damit zurecht kommen.
Kannst du ein Leben lang ganz sicher sein, dass du dich nicht verabschieden wolltest und auch damit gut leben ohne zu hadern, dass dein Vater nicht Abschied nehmen konnte?
Wenn ja würde ich ihn nicht besuchen
Wenn nein schon.
So würde ich es persönlich machen. Ich kenne deine Vorgeschichte nicht und bin auch sehr sicher, dass niemand ohne Grund den Kontakt zu seiner Herkunftsfamilie abbricht. Deshalb ist das eine sehr persönliche Entscheidung und man kann dir schlecht einen Ratschlag geben.
Man kann nur schreiben,was man selbst in der Situation tun würde.
Für deinen inneren Frieden würde ich mich verabschieden.
Ich habe seit 37 Jahren keinen Kontakt zu meinen Eltern mit gelegentlichen Versuchen einer Versöhnung mal von meiner Seite mal von Seiten meiner Eltern.
Leider werde ich von Jahr zu Jahr dünnhäutiger. Begegnungen auf Beerdigungen fallen mir von Jahr zu Jahr schwerer. Trotzdem würde ich, wenn ein Signal von meinen Eltern käme, z.Zt. ist m.E. meine Mutter krank, wahrscheinlich hineilen selbst auf das Risiko es zu bereuen, weil es doch wieder nur Unfreundlichkeiten gäbe. Ich würde es nicht aushalten es nicht ein letztes Mal versucht zu haben.
Im Freundeskreis kenne ich Versöhnungen am Sterbebett und auch die letzte Gelegenheit dem Kind eins reinzuwürgen.
Von daher würde ich deinen Bauch befragen. Meist hat er eine ganz gute Meinung dazu, was in diesem Moment für dich richtig ist.
Beide Entscheidungen können goldrichtig oder grundverkehrt sein. Aber die Reue wird größer sein, wenn du nicht das tust, was dein Herz (wie pathetisch) dein Verstand oder dein Bauch dir sagt. Versuche dir die Begegnung vorzustellen, geht es dir besser damit oder schlechter? Kannst du jemanden mitnehmen? Gibt es irgendetwas was die Situation entspannen könnte? Willst du es selbst oder eigentlich nicht?
Ich hoffe, du hast noch genug Zeit, dir die Entscheidung ein bißchen zu überlegen
Die Frage ist eher, ob es wirklich keine „Reste“ mehr gibt für dich? Alleine, dass du dir überhaupt Gedanken machst, gab mir bei deiner Frage zu Denken. Ich weiß nicht, was vorgefallen ist und sicher wirst du es am Sterbebett nicht mehr klären. Das braucht es mMn auch nicht, aber vielleicht kannst du (und auch dein Vater) Frieden damit finden und du kannst es loslassen und bist wirklich frei. Darin liegt ein Geschenk, dass du dir selbst machen kannst. Ich denke nämlich auch, er ist und bleibt dein Vater, egal was war und ist.
Wenn du es nur aus dem Gefühl einer Schuld machen würdest, wäre es für mich nicht der richtige Weg.
Es ist keine einfache Situation. Ich wünsche dir, dass du den für dich richtigen Weg findest. LG