Hallo,
meine Tochter (bald 10) hat Probleme in der Schule.
Sie macht im Unterricht nicht mit, stört andere Kinder und zeigt (laut Lehrerinnen) absolut keine Arbeitsbereitschaft.
Sie hat wiederholt ihre Hausaufgaben nicht aufgeschrieben und Stein und Bein geschworen, dass sie keine auf hätte.
Dem war nicht so.
Sie verweigert es, in der Hausaufgabenbetreuung (nur Montags) ihre Hausaufgaben zu machen und ist nun auf dem besten Wege, dort "rauszufliegen".
Ihre Klassenlehrerin sagt, dass sie sie aufgegeben hat und nun die Initiative von meiner Tochter kommen muss. Sie wird nun quasi links liegen gelassen.
Ihr Verhalten zu Hause ist zum größten Teil auch eher anstrengend. Sie ist respektlos meinem Mann (ihr Stiefvater) gegenüber und schreit mich oft an. Hält sich nicht an Regeln und etwaige Konsequenzen sind ihr egal. Ignoriert mich, wenn ich ihr sage, dass sie vom Garten rein kommen soll und Aufgaben, wie z.B Müll raus bringen, aufräumen lehnt sie klar ab und sagt NEIN. Was soll ich noch machen? Hausarrest? Fernsehverbot? Spieleabend oder gemeinsame Aktivitäten ausfallen lassen? Ich denke, das ist nicht der richtige Weg. Aber welches ist der richtige?
Zu ihrem leiblichen Vater besteht übrigens kein Kontakt, weil er das nicht möchte. Er könne keine Bindung aufbauen und es interessiert ihn nicht. Sie leidet sehr darunter! Der letzte Kontakt (den immer ich erbettelt habe) liegt nun fünf Jahre zurück.
Ich habe drei Kinder, meine Tochter ist die älteste. Ihr Bruder 4, die Schwester 2
Lehrerin sagt "Ich habe sie aufgegeben!"
Hallo,
ich bin zwar keine Erziehungsberaterin, aber kenne das Problem sehr gut. Bei uns war mein Stiefsohn genauso. Seine Mutter will kein Kontakt. Und genau da lag damals sein Problem.
Habt ihr denn schon mal Hilfe Dritter in Anspruch genommen? Wir wollten eigentlich eine Psychologische Unterstützung, da seine Mutter jedoch hierfür zustimmen musste, konnten es von uns nicht genutzt werden. Wir haben dann mit dem Jugendamt Kontakt aufgenommen. Bei uns gibt es dort eine spielerische psychologische Betreuung. Dort wurde dann mit uns zunächst die Probleme als "Bezugspersonen" besprochen und mit meinem Stiefsohn dann spielerisch aufgearbeitet. Was genau da jetzt gemacht wurde kann ich nicht sagen, dass blieb unter den zweien. Aber es hat ihm geholfen. Sehr gut sogar. Vielleicht bietet euer Jugendamt ja auch sowas an.
Alles Gute
P.S. Strafen haben es bei uns übrigens nur schlimmer gemacht. Bzgl. Hausaufgaben haben wir immer bei den Mitschülern zur Sicherheit gefragt (hatten eine liebe Mama, mit der wir über das Problem gesprochen haben und sie hat uns da dann unterstützt)
Danke für deine Antwort
Ja, die Lehrerin hat uns gesagt, wir sollen uns an einen Kinderpsychologen wenden, weil ihr Verhalten "auffällig" und "nicht normal" ist.
Ich werde auch gleich am Montag einen Termin machen, eine Überweisung habe ich vom Kinderarzt schon bekommen.
Ich muss ganz ehrlich sagen, dass etwas Respekt davor habe, was dort auf uns zukommt. Ich denke da an Adhs oder eine Form von Autismus (Asperger z.B). Ihr Vater hatte als Kind Adhs und wurde auch mit Ritalin behandelt. Davor habe ich einfach Angst.
Auch ihre Tante (sehr viel und guten Kontakt) hat schon sowas geäußert.
Sie ist auch mit ihren knapp 10 Jahren nicht in der Lage, sich z.B alleine anzuziehen, verweigert sehr oft das Essen, spielt nicht gern mit anderen Kindern, möchte keine neuen Kontakte, weigert sich einem Hobby nachzugehen usw... Noch nicht mal zum reiten kriege ich sie.
Ach Gott, wenn ich das alles lese, was ich schreibe, wird es wirklich höchste Zeit
Hab keine Angst davor. Sollte tatsächlich versucht werden, sie anstatt mit vernünftigen Therapiesitzungen geholfen zu werden, dann such einen anderen Psychologen. Solche Medikamente müssen nicht eingesetzt werden. Normalerweise sollte es auch nicht das Ziel des behandelnden Psychologen in so einem Fall sein.
Auch mein Mann und ich haben den Verdacht auf ADS beim Großen gehabt. Zumal er Aufmerksamkeit jeglicher Art (wenn es keine Positive war, dann eben Negative) auf sich gezogen hat. Leider konnte das innerhalb der Beratung durch das Jugendamt nicht geklärt werden.
Was mir noch einfällt ist, dass wir uns auch sehr viel Zeit mit ihm jeder für sich genommen hat. Er hatte quasi einen Papa- Tag und einen Stiefmutter-Tag. Wo wir halt jeder allein etwas mit ihm unternommen haben. War ein Rat den wir erhalten hatten.
Was ich dir leider auch vergessen habe zu sagen ist, dass es bei uns auch nicht dauerhaft besser ist. Er ist mittlerweile fast 15 Jahre alt. Wenn wir etwas schleifen lassen, dann kommt immer mal wieder eine Phase wo er in irgendwelche alten Muster zurückfällt. Insbesondere was die Schule betrifft. Wir müssen zB täglich die Schulsachen auf Vollständigkeit kontrollieren. Machen wir es eine zeitlang nicht, dann fehlen Unterlagen für den Unterricht und es hagelt Mitteilungen durch die Lehrer. Da er aber selbstständig werden muss mit der Zeit, lassen wir es bewusst schleifen bis es wieder nicht klappt.
Also dran bleiben solltet ihr dann auch dauerhaft. Auch wenn es anstrengend ist (siehe Beispiel, dass man mit fast 15.noch schauen muss ob die Tasche richtig gepackt ist)
Huhu
Klingt fast nach meiner Tochter....
Bei ihr wurde dann adhs diagnostiziert (und das nicht grad voreilig, waren da schon über 1 jahr in therapie).
Sie bekommt "medikinet" 2x 20 mg am tag... und weiterhin verhaltenstherapie und familientherapie... und ist (ich zitiere mein kind selbst mal wörtlich):"ein glücklicher, neuer Mensch". Sie ist wie verwandelt. Höflich, hört immer, ist fürsorglich, bekomnt gute Noten, hat endlich Freunde. Auch uns eltern gehts besser. Durch die familientherapie sind wir selbstbewusster.
Falls (!!!) es also auch bei euch adhs ist - ich kann die ganzen horrorgeschichten zur behandlung ebendieser nicht bestätigen. Meinem Kind geht es dadurch nach eigener aussage und meinem empfinden endlich gut.
Alles Liebe!
Ach, das hört sich toll an! Schön, dass es tatsächlich klappt!
Ich erwarte keine Wunder, aber ich würde mich freuen, wenn es auch für meine Tochter leichter wird.
Die medikamentöse Therapie bei Adhs habe ich persönlich nur bei meinem Neffen erlebt und das ist schon 20 Jahre her. Da war Ritalin noch gar nicht so bekannt. Bei mir zumindest nicht.
Mein Neffe war damals 10, sehr aggressiv, unausgeglichen und ansonsten ziemlich ähnlich, wie meine Tochter, vom verhalten her.
Als er dann Ritalin bekam, hat man ihn gar nicht mehr "gemerkt". Er saß am Tisch und machte Hausaufgaben! Redete kaum noch und war sehr in sich gekehrt.
Das ist das einzige, was mir davon in Erinnerung geblieben ist. Er funktionierte plötzlich. Das war für mich damals ziemlich erschreckend. Er war ganz anders. Allerdings war auch der positive Wandel nicht zu übersehen.
Die Schule war wieder ok. Die Familie erleichtert und wieder zusammen ausgelassener.
Heute ist er ein erwachsener Mann, mit Ausbildung, Beruf und eigener Familie
Liebe Frau ...? (Kuschelkind07)
Ich bin (sehr) zufällig auf deinen Beitrag gestoßen und habe mich eigens bei urbia angemeldet, um dir eine Antwort schreiben zu können. Ich bin seit 30 Jahren in dem Feld Erziehung tätig und kann deine Sorgen um dich und dein Kind und auch dein Gefühl von Ohnmacht und Hilflosigkeit gut verstehen. Wahrscheinlich würden viel Menschen in deiner Situation so ähnlich reagieren. Dein Verhalten ist eine ganz normale Reaktion auf eine schwer händelbare Erziehungssituation. Um aus dem Bereich von Spekulationen bzgl. der Deutung des Verhalten deines Kindes herauszutreten würde ich dir vorschlagen, tatsächlich zu verstehen, was deine Tochter in ihrer derzeitigen Lebenssituation so in Beschlag nimmt. Zum Durchleuchten des Sachverhaltes kann eine Aufstellung sehr hilfreich sein. Du könntest dann verstehen, was deine Tochter tatsächlich beschäftigt; entsprechende können im Anschluss Veränderungsprozesse angebahnt werden. Entscheidend ist, dass deine Tochter einen Beratungsbedarf für sich sieht. Ansonsten kannst du eine Aufstellung machen und eure Situation durchleuchten, um dadurch Veränderungen in Gang zu bringen. Ich bin Expertin im Umgang mit besonderen Kindern. Falls du Fragen hast, können wir uns gerne hier über das Forum schreiben. Alles Gute. Claudia
Hallo und vielen Dank für die Antwort!
Ich selbst habe natürlich schon so oft versucht, ein Gespräch ganz in Ruhe, mit meiner Tochter zu führen. Meistens kommt das übliche, wie "Ich habe halt keine Lust darauf." Sie macht dann dicht. Aber zwei mal hat sie mir eine etwas merkwürdige Antwort gegeben, die ich aber nicht richtig deuten konnte.
Auf meine Frage: "Warum hast du denn deine Lehrerin und mich angelogen? Du musst das nicht!" Kam dann ihre Antwort: "Ich weiß und ich weiß auch, dass das nicht richtig ist, aber mein Kopf hat dann eine andere Idee und dann mache ich das."
Ich war dann erstmal etwas sprachlos...
Zu ihrem Verhalten ansich muss ich auch noch sagen, dass sie sehr unaufmerksam allgemein ist. Z.B läuft sie ohne zu gucken über die Straße neulich an der Schule war es ganz schön knapp... Das passiert leider ab und an mal. Allerdings möchte sie mit knapp 10 Jahren natürlich (und gerade an der Schule!) nicht mehr an meiner Hand laufen. Ich muss ihr täglich sagen, dass sie aufpassen muss.
Ich habe heute bei dem Kinder-Schulpsychologischem Dienst angerufen, leider können erst ab Freitag Termine vergeben werden, da soll ich dann nochmal anrufen und bekommen auch zeitnah einen Termin.
Liebe Grüße
Es ist traurig das eine Lehrerin ein Kind aufgibt.
Alles was du schreibst klingt nach einem Problem, deine Tochter macht das nicht extra.
Insgesamt bekomme ich den Eindruck eines ADHS-Kindes ("ich weiß es, es passiert trotzdem, ich kann nichts dafür", insgesamt unaufmerksam, läuft vor Autos.....), Schade das 4 Jahre Grundschule vergehen mussten und es so schlimm werden musste bevor Hilfe gesucht wird. Warum hast du Angst vor einer Diagnose? Dein Kind bleibt wie es ist. Aber man kann ihm gezielt helfen damit das Leben nicht an ihm vorbei rauscht oder wie ein Gewitter auf es nieder prasselt.
Mensch, es ist doch keine Schande. Ihr habt sie doch nicht verzogen oder sonst was.
Mein 10Jähriger wäre ohne Medikation und ohne Therapie genau so. Die Kinder können das nicht bewusst ändern, egal wie sehr sie das einsehen und verstehen. Ein Diabetiker kann auch nicht mal eben seinen Blutzucker regulieren weil er weiß das schlechte Werte folgen haben. Er braucht dazu Insulin. ADHSler brauchen Anleitung von Außen, Hilfen sich zu regulieren, zu lernen was wichtig ist und was man ausblenden kann (uns wie man es ausblendet) und ggf. auch Medikamente. Mein Sohn schläft z.B unter seinem Kissen. Schon ewig, schon vor der Diagnose. Nur jetzt verstehen wir es. Jedes Auto das vorbei fährt, jeder Vogel der draußen zwitschert...... er kann es nicht ausblenden und ignorieren. Also hat er seinen Weg gefunden sich ab zu schirmen damit er einschlafen kann. Im Unterricht klappt das nur mit Hilfe von Medikamenten.
Hallo :)
Kleiner Tipp... sollte der Vater, wie bei meinen zwei Großen, die Zustimmung für Hilfe für deine Tochter verweigern, kannst du dich im ersten Schritt selbstverständlich trotzdem beraten lassen und zweitens kann sich die Schule an die Schulpsychologische Beratungsstelle wenden, um Beratung zu erfahren. Das bringt auch einiges. Gerade, wenn die Lehrerin nicht weiterkommt.
Das ist nichts, wovor man sich fürchten müsste.
Alles Gute :)
Hallo Kuschelkind07,
vielen Dank für deinen Beitrag. Ich kann mir gut vorstellen, dass du dir große Sorgen um deine Tochter machst.
Das Ganze schlägt dir bestimmt ganz schön auf‘s Gemüt … Ich sag ja immer: Das Verhalten der Kinder ist unmittelbar mit dem Gefühlsleben der Eltern verbunden. Und wenn dann noch die Lehrerin kommt und einen so schrecklichen Satz von sich gibt … Ganz ehrlich?! Dass jemand mit pädagogischer Verantwortung so etwas sagt, gefällt mir gar nicht. Welche Chance hat dann deine Tochter noch?
Rubikon
Kennst du den Rubikon? Ja, einerseits ist es ein kleiner italienischer Fluss mit großer Geschichte, aus dem das Wort kommt, „den Rubikon überschreiten“, was meint: sich unwiderruflich auf eine riskante Handlung einzulassen. Andererseits ist es auch ein in der Pädagogik gebrauchter Begriff, der diesen schicksalshaften Schritt beschreiben soll, der grob im 10., 11. Lebensjahr stattfindet: Lösen von der Kindheit, feststellen, dass man als Mensch ein eigenes, einzelnes Wesen ist. Merkmal ist wieder mal eine Art Trotzphase, bei manchen etwas leiser, bei anderen lauter; aber auch eine fast depressive Verstimmungen, Einsamkeits- und Verlassenheitsempfindungen begleitet diese Phase der Individualisierung. Wenn deine Tochter sich vorher eher eins mit dir gefühlt hat, tritt nun das Empfinden ein, dass ihr eine Zweiheit seid. Auch Autoritäten werden in anderem Lichte gesehen.
Daraus ergeben sich für mich zwei Überlegungen. Zuerst: Sie braucht vielleicht jetzt besonders deine liebevolle Nähe und einen Raum mit dir, der frei ist von den ganzen Problemen. Ein Raum, aus dem der ganze Alltags- und Schulstress heraus gehalten wird.
Aktiv Zuhören
Zweitens glaube ich, dass deine Tochter zurzeit ganz viel Aktiv Zuhören vertragen könnte. Das ergibt sich aus der wichtigsten Frage der gesunden Kommunikation in der Eltern-Kind-Beziehung: Wer besitzt jetzt im Moment das Problem? Die Antwort lautet: deine Tochter. Sie gibt so viele Hinweise darauf, dass sie traurig, wütend, widerständig usw. ist. Ja, auch Widerstand bieten ist ein klarer Hinweis auf Problembesitz beim Kind. Natürlich haben du, dein Mann, die Lehrerin und andere auch ein Problem – aber eher infolge und damit, wie deine Tochter ihre Probleme löst.
Wenn deine Tochter ein Problem besitzt und keine legale Abhängigkeit von deinen Kenntnissen, Fertigkeiten und Mitteln besteht, dann ist Empfangen die hilfreiche Kommunikationsrichtung. Und die Kommunikationsfertigkeit, mit der du Empfangen optimal umsetzt ist Aktiv Zuhören.
Also, statt sie sinnlos zu betexten, könntest du jedes Mal wenn du bei ihr feststellst, dass sie ein Problem besitzt, aktiv zuhören. Und wenn du dir dafür etwas Zeit nimmst, wirst du ein Wunder erleben. Textest du sie aber weiter zu, wird alles nur noch schlimmer, denn sie wird sich nicht verstanden fühlen.
Besondere Zeit der Zweisamkeit
Falls du eine gemeinsame gestaltete Zeit, alleine mit ihr, unter bewusstem Ausschluss der anderen, nicht einrichten kannst, mach dir keinen Vorwurf, schließlich sind da ja noch 2 andere Kinder. Aber vielleicht findest du Gesprächsmöglichkeiten für deine Tochter außerhalb der Familie (Jugendamt kann hilfreich sein, oder Kinder- und Jugendpsychologe/in, vlt, gibt es ein Therapiezentrum bei euch), so dass sie sich entlasten kann.
Aktiv Zuhören kannst du aber immer. Das hilft grundsätzlich auch, um die Kooperationsbereitschaft deiner Kinder zu fördern. Im Netz findest du viele Tipps dazu. Danach könntest du dich noch – falls nicht schon geschehen – mit Ich-Botschaften beschäftigen, damit du nicht auf der Strecke bleibst. Denn wer ist der wichtigste Mensch in deinem Leben?
Ich danke dir für deine Geduld mit diesem langen Text. Und ich hoffe, dass ich dir eine nützliche Anregung geben konnte. Über eine Rückmeldung freue ich mich.
Alles Gute,
Kay Rurainski
P. S.: Ach ja, Strafen bringen nichts. Sie belasten nur eure Beziehung.