Guten Morgen,
meine Frage dreht sich um den Satz der in jedem Patchwork-Haushalt irgendwann fällt.
Wir (Sohn 10 Jahre aus früherer Beziehung, mein neuer Partner und ich) werden in absehbarer Zeit zusammen ziehen. Mein Sohn und mein Partner haben ein wirklich tolles Verhältnis, dennoch bleibt die Angst im Nacken, dass irgendwann im Alltag (spätestens während der Pubertät) der Satz kommen wird: "Du bist nicht mein Papa, du hast mir gar nichts zusagen".
Wie reagiert man da richtig? Ist es meine Sache als Mama da einzuschreiten? Ist es die Aufgabe des Partners hier seine Rolle zu definieren?
(Zusatzinfo: Der Erzeuger des Kindes ist im Alltag nicht präsent. Er kümmert sich an 2-3-4 Wochenenden pro Jahr, ansonsten herrscht durch ihn gewollte Funkstille)
Ich bin gespannt auf einen Profi-Tipp zur Bewältigung dieses "Standart-Problems"
Vielen Dank im Voraus und liebe Grüße
Independent87
"Du hast mir gar nichts zu sagen" - Du bist nicht mein Papa!
Liebe Independent87,
dieser Satz ist in der Tat ein Klassiker und ein gefürchteter zugleich!
Es ist durchaus relevant (weil Sie das nur in Klammern geschrieben haben), dass der KV nicht alltäglich präsent ist, so dass Ihr zukünftiger Lebenspartner voraussichtlich eine Art Ziehvaterrolle einnehmen wird. Das wird anfangs möglicherweise auch eine Umstellung sein: Sie haben ja bislang nicht so eng zusammen gelebt. Ihr Sohn und Sie, das war eine Einheit auch, wenn es einen Partner an Ihrer Seite gab (der ab und an dabei war und mit dem es auch Spaß machte). Das Zusammenwohnen wird einiges verändern und es ist möglich (muss aber nicht), dass Ihr Sohn den "Neuen" dann für eine Weile als Rivalen betrachtet. Der Mann an Ihrer Seite ist nun auch im Alltag da und geht nicht mehr, so dass Ihr Sohn Sie mit ihm teilen muss. Diese neue Situation werden Sie zunächst alle gemeinsam bewältigen müssen, das heißt, jeder muss seinen Platz im Gefüge erst finden. Das kann eine Weile dauern, aber unter bestimmten Voraussetzungen klappt das gut. Wenn Sie von Anfang an deutlich machen, dass dieser Mann nun zu Ihnen und Ihrer Familie gehört, dann wird Ihr Sohn Sie als innerlich gefestigt erleben und die neue Situation an sich nicht in Frage stellen. Geben Sie Ihrem Sohn trotz der neuen Lebenssituation das Gefühl, auch weiterhin ab und zu mal ganz für ihn allein da zu sein. Sie könnten zum Beispiel einen Nachmittag pro Woche wählen, an dem Sie mit ihm allein etwas unternehmen (wenn auch nur für eine Stunde). Für Ihren Partner können Sie sich ebenso immer wieder Zeitpuffer einbauen, so dass beide das Gefühl haben, auch (weiterhin) exklusiv wichtig zu sein. Gemeinsame Aktivitäten erfolgen nun sowieso häufiger und sollten natürlich auch, v.a. an Wochenenden, gemeinsam gestaltet werden.
Natürlich ist es so, dass ein Ziehvater nicht dieselben Rechte hat wie ein leiblicher Vater. So ist das gesetzlich geregelt. Ihr Partner kann aber ein kleines Sorgerecht erhalten und Sie könnten ihm eine Vollmacht für Dinge des Alltags ausstellen, so dass er das Gefühl bekommt, sich beteiligen zu können und zu dürfen. Stiefväter möchten ungern "rechtlose Anhängsel" sein. Denn obgleich er rechtlich nicht gleichgestellt ist, wird er im Alltag durchaus erzieherisch wirken, wenn Sie ihn lassen (Sie sollten das Thema ansprechen und sich mit ihm abstimmen, bis wohin Sie ihn mitentscheiden oder gar allein entscheiden lassen, wenn es um Erziehungsfragen geht). Aus dieser Position heraus hat er Ihrem Sohn natürlich dann doch (bis zu dem Grad, zu dem Sie ihn lassen) etwas zu sagen. Und das können Sie durchaus vorbereiten beziehungsweise gemeinsam erarbeiten und leben, so dass man hoffen darf, dass Ihr Sohn diesen Satz nicht äußern wird.
Sollte er ihn dennoch äußern, so ist das meistens Ausdruck von normaler Rebellion eines Teenagers nur, dass man dem Ziehvater eben diesen Satz eher entgegnen kann als einem leiblichen Vater. Als Mutter können Sie in diesem Fall ganz in Ruhe erklären, wie die Situation bislang war und ist und dass Ihr Mann durchaus das Recht hat, sich einzubringen. Ich würde aber empfehlen, dass Ihr Sohn und Ihr Partner diese Situation selbst klären. Ihr Partner wird im Vorfeld mit Ihrer Hilfe seine Rolle definiert haben und dann gerüstet sein, etwas Passendes zu antworten. Sollte Ihr Sohn das nicht annehmen, können Sie es noch mal als Mutter bekräftigen.
Sie haben es also schon selbst gesagt: Jeder muss seine Rolle definieren und da der KV kaum anwesend ist, hat Ihr Partner gute Chancen, zu einer festen Größe im Leben Ihres Sohnes zu werden (das geht bei regelmäßiger Anwesenheit des leiblichen Vaters auch, aber manchmal dauert es länger oder ist konflikthafter für die Kinder aufgrund er Loyaliätskonflike, die aufkommen können).
Wichtig ist vielleicht noch zu erwähnen, dass Ihr Partner nicht zu schnell erzieherisch wirksam werden sollte, sondern erst allmählich immer mehr. Denn momentan scheinen Sie die "Erziehungsperson Nr. 1" zu sein. Ihr Kind muss sich langsam daran gewöhnen, dass der Partner nun zu einer "Vaterfigur" wird. Da brauchen alle ihre Zeit und die sollten Sie auch allen geben. Sie werden sehen, auch für Sie gibt es Umstellungen. Tasten Sie sich behutsam alle voran und begegnen Sie sich offen und ehrlich, reden Sie viel und tauschen Sie sich immer über ihre Befindlichkeiten aus. Dann kann das sehr gut klappen!
Viele Grüße,
Melanie Matzies-Köhler
Guten Tag,
wow, herzlichen Dank für diese ausführliche Antwort
Einige ihrer Tipps setzen wir unbewusst schon lange um. Wir reden viel, tauschen uns im Nachgang vieler Situationen aus (Sowohl mein Partner mit mir, ich mit meinem Sohn oder wir alle zusammen z.B. beim gemeinsamen Essen), unternehmen sehr viel um das Zusammengehörigkeitsgefühl zu stärken, und erweitern die Befugnisse je nach Wohlfühlfaktor aller Beteiligten.
"Ein kleines Sorgerecht" hört sich toll an! Das werde ich heute Abend so mit meinem Partner besprechen. Dem ganzen einen Namen zugeben finde ich toll. Auch das Wort "Steifvater" oder "Ziehvater" sind in meinen Augen negativ behaftet. Wir haben uns auf das Wort "Bonuspapa" geeinigt Dazu gehören auch wunderbare Bonusgroßeltern, Bonusurgroßeltern und sogar 2 Bonustanten.
Schön, dass Sie die innere Haltung ansprechen. Wir haben meinen Partner schon in unseren jetztigen Haushalt integriert. Z.B. Haben wir alle eine bestimmte und immer gleichbleibende Farbe bei Zahnbürsten/ Zahnputzbechern/ Handtüchern etc. So hat mein Partner auch für das Kind sichtbar einen gleichwertigen Platz in unserer Wohnung bekommen und ist schon jetzt integriert. Der Zusammenzug ist im Endeffekt nur noch eine Formsache.
Ich bin sehr zuversichtlich, dass das Zusammenleben toll werden wird. Wenn auch sicher die ein oder andere Herausforderung für alle zu meistern sein wird. Wenns Schlag auf Schlag kommt sind wir uns auch nicht zu stolz um Hilfe anzunehmen, jedoch haben wir das schon lange nicht mehr gebraucht.
Qualitätszeit zu zweit zu verbringen ist uns auch jetzt schon sehr wichtig. Sowohl mit Mann als mit Kind (und auch die beiden zusammen ohne mich), das werden wir uns auf jeden Fall erhalten.
Herzlichen Dank
Ich bin leider kein Experte, aber in derselben Situation aufgewachsen, wie du sie beschreibst. Als ich 8 Jahre alt war, zogen meine Mutter und ich zu ihrem wunderbaren und liebevollen Lebenshefährten, der mir mein Leben lang ein wundervoller Vater ist.
Trotzdem fiel auch bei uns dieser berühmt-berüchtigte Satz.
Mein Dad (so nenne ich ihn jetzt mal) hat ganz gelassen reagiert, meine Eltern hatten auf diesen Satz oder Ähnliches gewartet. Er war vollkommen gelassen und erklärte mir, dass es stimmt. Er ist nicht mein richtiger Vater. Aber wir leben als Familie in einem gemeinsamen Haushalt und das funktioniert nur mit gegenseitigem Respekt. Er machte mir auf sehr liebesvolle und umsichtige Art klar, dass er mich sehr respektiert, ich das aber auch tun muss, da ein Zusammenleben ansonsten nicht funktioniert.
Nie wieder in meinem Leben habe ich so einen Satz zu ihm gesagt.
Danke für deine Erfahrung.
Toll, dass aus der Sicht des "Kindes" zu hören. Ich bin mir sicher, dass dies der Satz ist den jedes Patchworkkind irgendwann mal sagt und wenn es nur im Zorn ist um den anderen damit zu verletzten.
Ich hoffe, das wir wenn es soweit ist auch cool reagieren und nicht hitzköpfig sind.
Alles Liebe
Hallo Indie,
mein Freund hat auch zwei Kinder aus frührer Ehe (Tochter 5, und Sohn, 8). Der Sohn ist nicht sein leiblicher Sohn, seine Ex-Frau hat ihn mit in die Beziehung gebracht.
Der Sohn ist sehr sehr anstrengend, hat furchtbare Ängste und bei ihm wurde vor kurzem ADS diagonstiziert. Wir waren darüber auch nicht überrascht, da seine Ausraster etc. schon dafür sprachen.
Die Kinder sind die Hälfte der Woche bei uns. Klar, ich als neue Freundin von Papa, da werden erstmal die Grenzen ausgetestet. Da sind auch von dem Sohn (die Tochter gar nicht), schon die Worte gefallen: "Du hast mir gar nichts zu sagen. Dann geh ich eben zu Mama!" etc.Dazu muss man sagen, dass die Mutter meinen Freund wegen eines Anderen verlassen hat, und die Mutter, wenn die Kinder bei uns sind, ständig den Kindern bei Übergabe sagt: "Ihr könnt immer zu Mama und immer die Mama anrufen!"
Was ich persönlich, total daneben finde, weil die Kinder es auch ausnutzen, sobald man sagt: NEIN, kommt "dann geh ich eben zu mama".
Ich wurde den Kindern gegenüber nie laut oder sonst was. Wenn der Sohn mir gegenüber sowas erwähnt, wie: "Du hast mir gar nichts zu sagen", dann erkläre ich ihm, dass wir in der Wohnung zusammen wohnen und jeder, auch der Papa und ich, uns an gewisse Regeln zu halten haben, dass das alles funktioniert. Und dass wir uns nicht anschreien, Türen knallen oder sonst was.
Klar kommt, dann "Bei Mama darf ich das". Dann sage ich aber auch, dass wir das bei uns nicht ok finden. Meist stimmt das auch nicht, dass er das bei Mama darf.^^
Ich glaube, dass Kinder schon lernen können, dass es bei Papa zu Hause und Mama zu Hause nicht 1:1 abläuft. Die Kinder testen das einfach aus, und der Satz: "Du bist nicht mein Papa, du hast mir gar nichts zusagen", wird aus Wut schon mal fallen. Aber ich habe gelernt, einfach ruhig zu bleiben, dem Kind erklären, dass man zusammenlebt und es Sachen gibt, an die man sich halten muss. Mein Freund stärkt mir natürlich den Rücken, aber solche Sachen, lässt er mich selbst mit den Kindern regeln, bevor er eingreift (wenn es sein muss).
Bisher hat es auch ganz gut so funktioniert!
Lg
Danke Mikala,
für deinen Erlebnisbericht.
Unsere Situation ist ja komplett anders. Der Vater meines Sohnes ist in seinem Leben quasi nicht existent (2-3-4 Besuche pro Jahr) von daher gibt es dieses Thema gegeneinander ausspielen bei uns gar nicht.
Ich bin aber sicher dass savior sich perfekt in unser Konstrukt einfügt. Da habe ich gar keine Zweifel mehr!
Grüße Indie
Ach, 2-3-4 Besuche im Jahr?
Ok, das ist ja recht wenig!
Dann wird sich das bestimmt fügen!
Liebe Grüße!