Hallo Ihr Lieben,
mir schwirrt schon seit längerer Zeit der Gedanke im Kopf ein Pflegekind aufzunehmen.
Ein Kind (4j.) aus dem Kinderheim geht mit meiner Tochter (bald 4) in den Kindergarten. Die zwei verstehen sich super und sie ist ein sehr liebes Mädchen.
Jetzt zu meinen Gedanken:
Kann ich/wir uns überhaupt für ein „bestimmtes“ Kind bewerben?
Sind meine Kinder (bald 4 und bald 2) noch zu klein für ein Pflegekind? Da es ja sehr viel Aufmerksamkeit gerade am Anfang benötigt. Bekomme ich alles unter einen Hut? Kann ich allen Kindern gerecht werden?
„Leiden“ meine Kinder unter der Situation?
Mein Mann würde mich unterstützen und würde zu 100% dahinter stehen.
Klar müssten wir ein neues Auto besorgen, jetzt haben wir aktuell 2 Kinderzimmer zur Verfügung, wollen aber eh nächstes Jahr umziehen.
Ich würde dem Mädchen gerne helfen wollen, da sie auch auf mich fixiert ist, sobald wir sie auf dem Spielplatz sehen usw.
Vielen Dank fürs lesen und Eure Meinungen
Pflegekind, schwere Entscheidung
Es gibt keine einduetige Antwort auf deine Fragen.
Jedes Jugendamt hat andere Richtlinien, jeder Fallmanager entscheidet anders.
Auch jede Situation und Konstellation (Familienzusammensetzung) - Hintegründe - Herkunfstfamilie - Wünsche der Sorgeberechtigten - rechtliche Situationen
Ist einzigartig und individuell, so dass es oft Einzelfallentscheidungen sind die immer den Umständen angepasst und abgewogen werden müssen.
Ich kann ein wenig aus meiner Erfahrung berichten und
für dich hoffen und dir wünschen, dass du kompetente Jugendamtsmitarbeiter hast, gut auf ein Pflegekind vorbereitet wirst - mit allen Besonderheiten die dazugehören (können).
"Kann ich/wir uns überhaupt für ein „bestimmtes“ Kind bewerben?"
- habe ich zwei mal erlebt - ist eher unüblich.
1. Fall - da waren die Pflegeeltern bereits im Vorbereitungskurs und in der Überprüfung - hatten also fast schon das "Go" für ein Pflegekind vom Amt. Sie haben das Kind, das gerade in einer bereitschaftspflegefamilie ist, kennen gelernt - und speziell für dieses Kind angefragt. Sobald fest steht, dass das Kind in Dauerpflege soll (die Perspektive des Kindes ist noch unklar und wird vor dem familiengericht entschieden) kann es zur Anbahnung (Übergang in diese Pflegefamilie) kommen.
Da sehe ich auch ganz gute Chancen, dass das gut läuft - denn die Eltern sind durch die schulung, das bewerbungsverfahren, die intensiven gespräche einigermaßen vorbereitet auf die probleme, die ein pflegekind mitbringen kann.
Anbei - oftmals kommen mit Pflegekindenr auch herausfordernde Verhaltensweisen dazu - weil sie einfach ein großes Päckchen mit sich tragen was sie vermutlich nie ganz los werden.
Das kann anstrengend sein, bezeichne ich hier aber nicht als Problem.
Probleme kommen i.d.R. durch das Ganze "drumherum" entstehen - Entscheidungen des Amtes, des Vormunds, regelmäßiger, oft anstrengender Kontakt zur Herkunftsfamilie, Wünsche, Recht, Ansprüche der Sorgeberechtigten.
Man muss sich bewusst machen dass es nicht die eigenen Kinder sind und - wenn man "Pech hat" - jede Entscheidung im Alltag nicht ohne Rücksprache und Einverständnis geschehen dürfen. Wie KiGa Wahl, ob es einen sportverein besuche, ob ein medizinischer Eingriff oder einfach eine Impfung gemacht werden darf. Manchmal sind es auch so banale Dinge wie das Haare schneiden.
Die Auseinandersetzung mit der Herkunfstfamilie, dem Amt, Familienhelfern, therapeuten, Gutachtern, Fallmanagern, vormündern etc. gehören zur aufnahme eines pflegekindes untrennlich dazu - und das sollte man sich nicht schön reden.
Denn das ist belastend, zeit und Nerven Kostend.
Am Anfang in jedem Fall - mit Glück pendelt sich das später gut ein und alle ziehen an einem Strang so dass sich ein pflegekind kaum noch von einem leiblichen Kind unterscheiden lässt. Mit Pech hat man - bis das Kind 18 ist - Kämpfe mit allen am Pflegeprozess beteiligten Personen.
2. Fall - eine Kollegin (Erzieherin) hatte in der gruppe ein Kind, wo die Mutter über Nacht verschwand - das Kind musste ins Heim. Die Kollegin hat sich spontan bereit erklärt, das Mädchen in Dauerpflege zu nehmen. Im hauruck-Verfahren wurde dann mit der Familie der kollegin gesprochen (ob auch Partner und Teeni-Tochter einverstanden sind) und beschlossen, das vorbereitungsseminar könne man ja nachholen. Kind kam zur Kollegin und es ging schief. nach ca. 3 Monaten konnte meine Kollegin + familie nicht mehr und Kind musste zurück ins Heim.
Daher ist es so wichtig, dass auch die Familie gut auf das Thema Pflegekind vorbereitet wird.
In unserem vorbereitungskurs ist das gegeben - beide Partner besuchen nach Möglichkeit für 3 Monate 1x die woche einen schulungsabend. Enthalten ist auch ein gemeinsames intensives Wochenede, wo auch Kinder der angehenden Pflegefamilien miteinbezogen werden.
Nicht nur wird die gesamte Familie auf ein Dauerpflegeverhältnis vorbereitet, auch die zuständigen "Vermittler" können sich ein Bild von den Familien machen.
Nicht jedes Kind passt in jede Familie.
Hier lautet die divise "Wir suchen Familien für die Kinder" - nicht umgekehrt.
"Sind meine Kinder (bald 4 und bald 2) noch zu klein für ein Pflegekind?"
Bei uns gilt die Regel:
Das pflegekind MUSS das jüngste Kind im Familiensystem sein - mind. 2-3 Jahre Abstand.
Bei uns würdet ihr nur einen Säugling aufnehmen dürfen.
(mit minimalen Ausnahmen)
das ist auch sehr wichtig.
Denn ein pflegekind - egal welches Alter - wird sehr viel Aufmerksamkeit benötigen um anzukommen, um sich gewollt und angenommen zu fühlen.
Es reicht nicht wenn ich Kind 1x am Tag sage, wie lieb ich es habe und dass es hier bleiben darf, egal was passiert.
Pflegekinder sind oft massiv verunsichert und unsicher gebunden - von den Eltern verlassen, "rumgereicht", oftmals mehrere Bindungsabbrüche.
Jetzt kommt ein 4 Jähriges in deine Familie - da ist aber noch der 2 Jährige der Altersbedingt viel mehr Aufmerksamkeit und Versorgung benötigt. In einer normalen Geschwisterkonstellation hat das Älteste zunächst die meiste Aufmerksamkeit und lernt dann nach und nach - dem Alter angepasst - diese Aufmerksamkeit zu teilen wenn jüngere Kinder dazukommen. Das ist natürlich. Wird ein älteres Pflegekind in die natürliche Geschwiterreihenfolge dazugesteckt, gerät diese aus den Fugen.
Die 4 Jöhrige wird nie diese "volle Zuwendung" bekommen die es braucht - weil es immer ein jüngeres Kind gibt, was dies mehr braucht.
Die Gefahr ist sehr groß, dass sich das Pflegekind schnell ungewollt, ungeliebt und als "das 5. Rad am Wagen" fühlt.
Große Geschwister stehen außerdem in der Rolle des "Größeren" - Älteren, von denen mehr erwartet und verlangt wird. einfach weil sie älter sind. Das ist in ordnung und natürlich.
Aber an ein pflegekind werden so Erwartungen gestellt (auch unbewusst) die es nicht erfüllen kann - oder müssen sollte.
Vielleicht stellt es selber auch an sich diese Erwartung - vergleicht sich mit dem Jüngeren udn denkt "wieso kann ich das nicht? Ich bin doch die Große?
Bei usnj wird großen Wert auf die natürliche Geschwisterreihenfolge gelegt - und das finde ich gut und richtig.
Ich finde, die Konstellation, 4 Jähriges Pflegekind zu 2 und 4 Jährigen Leiblichen Kindern nicht gut. birgt zu viel konfliktpotential und gefahren. Das leben von Pflegekindern besteht genug aus Konfliktpotential - da sollte nicht noch zuätzlich was drauf gepackt werden.
Ich danke dir für deine ausführliche Antwort und Einschätzung. Am 21.6 haben wir ein Gespräch bei der Caritas. Aber dein Einwand ist schon berechtigt, allerdings würden wir dem Mädchen so gerne ein Zuhause geben.
Das ist gut.
Bei der Caritas? Ist bei euch noch ein Träger zwischengeschaltet der sich ums Pflegekinderwesen kümmert?
Üblicherweise machen das die Jugendämter "alleine".
Darf ich fragen, aus welcher Ecke (wenn du Stadt nicht nennen magst, Bundesland tuts auch) ihr kommt? (und nur wenn du magst)
"„Leiden“ meine Kinder unter der Situation?"
Das können nur du und deine Familie entscheiden.
und auch mit bester Vorbereitung und Zustimmung aller Familienmitglieder -
trotz freudiger Erwartung auf das neue Pflege-Geschwisterchen - kann es passieren dass die realität nachher ganz anders aussieht. Dass sie sagen "es soll wieder gehen", dass ihr alle an Grenzen kommt und deine Kids zurück stecken müssen.
Das gehört einfach zum Risiko - Theorie und praxis unterscheiden sich oft.
"Mein Mann würde mich unterstützen und würde zu 100% dahinter stehen."
Zu 100 % dahinter stehen kann er (und du) eigentlich nur, wenn er eine ungefähre Vorstellung davon hat worauf ihr euch einlasst. Was dazu gejört, was es bedeutet für das Kind einer anderen Familie zu Sorgen und in die eigene aufzunehmem.
Ihr solltet gemeinsam mit dem Jugendamt sprechen und sagen, dass ihr Interesse daran habt ein pflegekind aufzunehmen.
im persönlichen Gespräch wird dann geklärt wie bei euch der Ablauf ist - wie die vorbereitung aussieht (dein Mann sollte unbedingt auch dran teilnehmen), ob ihr euch für dieses Kind bewerben könnt (wie gesagt, ich fände es wegen der Geschwisterkonstellation nicht gut - aber jedes Amt entscheidet anders).
Und dann werdet ihr ja im Gespräch herausfinden was geht und was nicht geht.
Manche Ämter kommunizieren das nicht so klar,
aber denkt daran - ihr könnt während der Gespräche, während des Kurses, während ihr noch nicht in der Anbahnung mit einem Kind seid - jederzeit aussteigen.
Vielleicht weil ihr kein gutes Gefühl mehr bei der Geschichte habt - das muss man auch gar nicht begründen.
"Wir haben festgestellt, dass es im Moment für uns nicht passt, wir sehen zum jetzigen Zeitpunkt von der Aufnahme eines Pflegekindes ab".
Wenn ihr nicht ganz überzeugt seid - und mit gutem Bauchegfühl der Aufnahme eines Pflegekindes zustimmt, ist die Chance des Scheiterns groß.
Hallo
Als Aller Erstes finde ich es wirklich toll, das ihr diesen Kind helfen wollt, die meisten wollen nämlich nur Säuglinge, es gehört schon wirklicher Mut dazu, überhaupt mit dem Gedanken zu spielen ein "grosses Kind " auf zu nehmen.
Meine Meinung dazu, wir haben den Pflegeeltern Kurs gemacht im übrigen aber ich lebe in Österreich daher lasse ich die Amtssachen mal komplett außen vor.
Macht unbedingt zuerst den Pflegeeltern Kurs. Fragt nach ob es Pflegeeltern gibt die sich bereit erklärt haben, möglichen Zukünftigen Pflegeeltern sich aus zu tauschen. Stellt da Ruhig auch unschöne Fragen. Warum Rate ich es euch? Damit ihr ein Gefühl bekommt wie die Realität wirklich ist. Wie eure Ämter gewisse Dinge Handhaben. Es bringt euch nix wenn ich euch erzähle, das zb unser Jugendamt sagt, das Pflegekind so behandelt soll wie die eigenen und natürlich in den Sportverein genauso darf und uns da freie Hand überlässt, den es gibt genauso welche die wo du anfragen musst du ob das Pflegekind mit in den Urlaub fahren darf. Bei unseren Jugendamt wäre das überhaupt kein Thema da muss man nur bescheid geben von da bis da, wenn man übers Wochenende fährt interessiert es sie nicht mal. Das nächste Jugendamt 30km weg ist wieder komplett das Gegenteil. Und das sind alles so Dinge da muss man sich selbst fragen mit was kommen wir als Familie klar mit was nicht, für uns zb wäre es ein Absolutes No Go wenn unsere Tochter im Sportverein sein darf und das andere Kind darf nicht. Wir fahren öfters spontan übers Wochenende einfach so weg das ginge beim anderen JA nicht weil ich da ja erst anfragen muss 🙄
Ob es mit dem Kind klappt wegen dem Alter, liegt komplett Individuell an euch, euren Kindern und dem Pflegekind. Und auch daran wie ihr zusammen geführt werdet welche Unterstützung ihr bekommt. Auch das ist sowas von Individuell vom Jugendamt. Also ich sehe das sowas von neutral. Probleme kann es immer geben, vor einigen Jahren gab es in den Nachrichten mal einen Beitrag wo das Jugendamt einfach die Info zurück gehalten hatte, das die leibliche Mutter während der Schwangerschaft Drogen genommen hat. Dieses Kind hat dann ganz andere Probleme die nicht mehr zu beheben gehen, mit einer geistig gesunden 4 Jährigen kann man schon einiges in einer Familien Therapie verarbeiten usw.
Informiert euch einfach, schaut euch das an und dann entscheidet zusammen mit dem Sozialbetreuer ist es was für euch oder nicht.
Im übrigen fürs uns wars nix, weil man ein Pflegekind nie als Ersatz für den eigenen Unerverfüllten Kinderwunsch sehen sollte. Daher sind wir dann doch in die Kinderwunschklinik gegangen. Ganz abgeschlossen für uns haben wir mit dem Thema allerdings nie.
Hallo,
die Entscheidung, ein Pflegekind aufzunehmen, sollte nicht aus Mitgefühl einem konkreten Kind gegenüber getroffen werden. Sondern zunächst ganz neutral.
Die Voraussetzungen wurden hier ja bereits gut geschildert, u.a. die Bindungs-Problematik und die Alters-Konstellation des Pflegekindes sowie der leiblichen Kinder. Die wäre in Eurem Fall erfahrungsgemäß denkbar ungünstig für alle drei Kinder. Ein seriöser Träger würde das nicht befürworten bzw. auch ein Jugendamt dem nicht zustimmen.
Ich kann nur bestätigen, dass das Mädchen nicht an Dir im Besonderen "hängt", sondern sich da "anhängen" wird, "wo es (übertrieben ausgedrückt!) gerade passt". Mit seinen gerade vier Jahren hat es schon einen Rucksack zu tragen aufgrund seiner Biografie. Es werden mit großer Wahrscheinlichkeit dauerhaft Therapien erforderlich sein, die man als Pflegeeltern vor allem auch emotional begleiten und gemeinsam mit dem Kind aushalten muss. Das Empfinden und Verhalten des Kindes wird über Jahre immer unvorhersehbaren Schwankungen ausgesetzt sein; die Idee, ihm ein liebevolles Zuhause zu bieten und alles ist gut , funktioniert in der Realität so nicht.
Da Eure eigenen Kinder selbst noch so jung sind, wären Frust und Eifersucht auf beiden Seiten vorprogrammiert. Dieses Mädchen betreffend kann ich Euch leider nur dringend davon abraten, gehe allerdings davon aus, dass Eure Fachleute vor Ort das ebenso einschätzen. Das Mädchen lebt sicherlich auch nicht ohne Grund in einer stationären Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe. Da geht es gar nicht darum, dass sich keine Pflegefamilie findet, sondern dass nicht jedes Setting für jedes Kind geeignet ist. Oft ist eine Pflegestelle erforderlich, in der mindestens einer von beiden Pflegeeltern eine pädagogische/therapeutische Ausbildung mit entsprechender Erfahrung haben muss.
Mein gut gemeinter Rat: wenn Ihr wirklich Pflegefamilie werden möchtet, lasst diesen Gedanken- wie gesagt unabhängig von einem bestimmten Kind- allmählich reifen. Und Eure beiden leiblichen Kinder ein paar Jahre älter werden. Was da alles auf Euch zukommt mit Schule, Entwicklung, besonderen Herausforderungen, ... könnt Ihr in vier, fünf Jahren schon viel eher einschätzen.
Viele Grüße!