Liebe zum Pflegekind, sollte direkt vorhanden sein oder kommt mit der Zeit?

Hallo Community,

Ich habe seit genau einer Woche eine PT auf Dauer bei mir aufgenommen.
Ich wollte schon seit ich sehr jung war immer ein Pflegekind aufnehmen bzw adoptieren. Da es mit der Adoption in Deutschland etwas schwerer ist bin ich erst mal bei der Pflege gelandet. Einfach weil ich von mir selbst eigentlich weiß, daß ich alle Kinder lieben kann, egal ob Familie oder fremd.
Ich bin 33 Jahre alt und bin langjährige Erzieherin und die kleine ist 2,10.
Als ich sie vor nem Monat beim ersten Kennenlernen gesehen hab, klar fand ich sie ganz süß, deswegen bin ich die weiteren Schritte auch gegangen.

Jetzt ist sie seit einer Woche bei mir, es klappt alles auch ganz gut, ich bin für sie da, wie ein normales Familien Leben und sie nennt mich auch von sich aus Mama, aber mein Problem ist, dass das was ich von mir selbst erwartet habe, noch nicht eingetroffen ist.
Und zwar das ich sie liebe oder irgendwelche Gefühle in dieser Art entstehen.

Jetzt ist meine frage an euch, welche Erfahrungen habt ihr gemacht, ist es Eigenschutz, weil nachher lass ich Liebe zu, und dann muss sie nach 1/2 Jahren wieder weg.
Oder kommt die Liebe und die Zuneigung mit der Zeit ?
Oder stimmt mit mir einfach was nicht ?

Danke schon mal für eure Antworten.

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Warum sollte die Liebe gleich da sein müssen? Das ist sie selbst bei eigenen Kindern nicht immer sofort. Viele Mütter (und auch Väter) berichten, am Anfang ist da nur ein Baby, das versorgt werden muss, und die Liebe kam mit der Zeit.

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Ich kann dir leider nicht aus Perspektive von Pflegeeltern berichten aber aus der einer leiblichen Mutter.
Auch bei uns als leibliche Eltern musste die Liebe zu unserem Sohn erst wachsen. Klar fühlt man sich von Sekunde 1 verantwortlich für das kleine Lebenwesen und man möchte, dass es ihm gut geht und es vor allem Umheil beschützen. Aber wirkliche Liebe ist bei uns erst mit der Zeit gewachsen.
Ein "fremdes" Kind quasi von Sekunde 1 an zu lieben fände ich etwas viel verlangt. Ich denke das wächst bei euch beiden mit der Beziehung und Bindung.

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Hallo,

bei Aufnahme unserer großen PT (sie war knapp über 2 damals) drehte sie sich am zweiten Tag nach mir um und ich wusste, es ist "mein" Kind. Ich fand sie sehr süss, konnte sie "riechen" und hatte sie gern im Arm. Aber Liebe? Ich kann nicht sagen, wann es Liebe wurde/war, es hat sich einfach entwickelt. Ich hab mir aber auch die Frage nicht gestellt. Sie war nach Aufnahme "unser" Kind, die erste Zeit war sehr anstrengend (Krankheit, häufige Besuchskontakte, Traumatisierung) aber ich habe nie gezweifelt.

Unsere kleine PT kam zuerst zu uns in Bereitschaftspflege (sie war sieben Monate). Sie schrie permanent und war sehr "wütend", sie ließ sich nicht ablegen, dann übergab sie sich. Sie war so immer an oder auf mir, entweder in der Trage oder nachts beim Schlafen auf mir mit vollem Körperkontakt. Innerhalb kürzester Zeit haben sich bei mir so starke Gefühle entwickelt, das hätte ich nicht für möglich gehalten. Sie ist dann bei uns geblieben - das sollte so sein.

Setz dich nicht unter Druck. Ich bin sicher, du versorgst sie liebevoll und bist immer für sie da. Gefühle, Bindung, Vertrauen, das alles braucht Zeit. Die Kleine wird schon viel hinter sich haben und wird mit der Zeit auch das Vertrauen gewinnen, ihren Rucksack auszupacken.

Ich wünsche Euch eine tolle Kennenlernzeit - Ihr steht noch ganz am Anfang und ich bin mir sicher, du machst das super!

Liebe Grüße
Delenn

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Erst mal, vielen Dank für deine Antwort, aber genau das was du beschreibst, hatte ich bisher noch nicht, daß ich sie anseh, und denke, das ist mein Kind.
Alles andere läuft und das mit dem kuscheln und so, lässt sie meiner Meinung nach noch nicht ganz zu.
Aber uhr habt eure ja auch sehr jung bekommen mit 7 Monaten ist sie ja dann quasi wie euer. Meine ist ja schon knapp 3.

Hmm aber hoffe so sehr das du recht hast und das es mit der Zeit noch kommt.
Und dann ist da auch ständig im Hinterkopf, daß sie ja eventuell zurück könnte, obwohl das momentan nicht zu Diskussionen steht, aber in Ein oder Zwei Jahren..

LG Zarina

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Hallo,

unsere Große kam auch mit 2 Jahren und 3 Monaten und ließ am Anfang keine Nähe zu. Nachts bekam sie schlecht Luft und ließ sich nicht trösten. Ich legte mich dann einen Meter hinter sie und berührte ihren Rücken leicht mit meinen Fingern und war nur da. Das erste Mama kam nach zwei Monaten, mir liefen dann nur die Tränen vor Freude.

Wie gesagt, bis die Kinder Vertrauen und Bindung aufbauen - gerade mit 3 - dauert es.

Fühlst du etwas unangenehmes? Ansonsten gib Euch Zeit - das kommt bestimmt. Ich fand die Anfangszeiten auch immer sehr anstrengend, es hat mich emotional sehr gefordert. Eurer Leben hat sich total verändert, auf einmal ist alles anders. Gesteh dir die Zeit zu, die du brauchst. Du verstehst die ganze Situation, die Kinder werden vor vollendete Tatsachen gesetzt. Das muss auch erst mal verarbeitet werden.

Wir machen ja auch Bereitschaftspflege, auch dort "schleichen" sich die Kinder dann in mein Herz. Das eine mehr, das andere weniger. Ich habe auch schon versucht, mein Herz zu schützen, damit die Abschiede nicht so weh tun. Das gelingt mir aber tatsächlich nicht, aber egal.

Liebe Grüße
Delenn

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Hey,
Vor ein paar Monaten habe ich mir genau diese Frage gestellt weil ich auch von mir etwartet habe Meinem Pflegesohn sofort wie ein leibliches Kind zu lieben.Tatsächlich ist es auch bei mir so dass es wachsen muss. Er kam mit 8 Wochen zu uns und wenn er geweint hat hat mich das ehr abgestoßen und genervt.
Jetzt ist das alles anders. Ich möchte ihn nicht mehr her geben, es kann und darf einfach ein bisschen dauern.
Ich glaube ein bisschen Selbstschutz ist normal weil man sich denkt - oh je hoffentlich muss er/sie nicht wieder gehen. Das ist doch legitim und darf sein.
Gebt euch Zeit, sei nicht so streng mit dir und nur Mut. Ich finde es schön das wieder ein Kind eine Familie gefunden hat

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Danke für deine Antwort, aber mir ging jetzt die Frage durch den Kopf, ob das Alter halt auch ne Rolle spielt. 8 Wochen ist ja halt noch ein Baby, kann man ne andere Bindung zu aufbauen und die ist halt schon 3 jahre .?

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Ich weis was du meinst. Ich habe auch erwartet dass es bei einem Baby gar kein Problem ist Bindung aufzubauen. Aber tatsächlich war das dann doch so. Auch weil dir ein Säugling erstmal nichts zurück gibt. Kein Lachen, keine Zuneigung.
Ich glaube es hat jedes Alter Seine Herausforderung

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Grundsätzliches Wohlwollen ist wichtig und die Bereitschaft, auch in schweren Zeiten an jedem Tag neu anfangen zu wollen. Liebe und die Erwartung zurück geliebt zu werden, sind da nicht unbedingt von Vorteil.
Falls du eines Tages bedingungslos - also tatsächlich ohne Erwartung - Liebe schenken kannst, ist das schön. Notwendig ist es nicht., um eine gute Pflegemutter zu sein, die ihrem Kind das Gefühl gibt, als Individuum wichtig zu sein und dessen Schicksal ihr etwas bedeutet, weswegen sie tut, was sie kann, damit es bekommt, was es braucht, um sich so gut es eben kann (emotional) zu entwickeln.

Alles Gute für euch
:)