Pflegekinder - wiederholt sich die Biografie der Eltern?

Meine Stiefschwester und ihr Mann möchten nach langer unerfüllter Kinderwunschreise gerne Pflegeeltern werden. Ich finde das toll und habe mich kürzlich mit dem Freund meiner Schwägerin darüber unterhalten, der selber Pädagoge ist und aus einer Familie kommt, die immer Pflegekinder hatten. Er hat mir erzählt, dass bei den Pflegekindern in seinem Umfeld bis zu einem Alter von 10, 11 Jahrenmeist alles gut lief, sich dann aber oft die Biografie der Eltern wiederholt hat, indem die Kinder angefangen haben zu lügen, stehlen, Drogen nehmen, gefährliches Verhalten zeigen (riskante Partnerschaften, frühe ungeplante Schwangerschaften, von zuhause ausreißen etc.) und teilweise so schwierig wurden, dass die Familie sie abgeben musste, um nicht daran zu zerbrechen. Da er im sonderpädagogischen Bereich arbeitet und Einsicht in relativ viele Fälle auch außerhalb seiner eigenen Familie hat, tue ich diese Aussage von Ihm nicht so leicht ab. Trotzdem würde mich interessieren, ob ihr ähnliche Erfahrungen gemacht habt? Wir als Familie meiner Stiefschwester drücken natürlich alle Daumen, dass es bald mit einem Pflegekind klappt und möchten dann das Kind auch mit offenem Herzen empfangen. Aber es wäre vielleicht trotzdem gut zu wissen, wie sehr sich die Aussage des Partners meiner Schwägerin verallgemeinern lässt.

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Hallo,

man muss ehrlichweise sagen, das alle PK mindestens ein Trauma haben und das oft etwas anderes ist, als mit LK.
Allerdings gibt es auch leibliche Kinder die für die Eltern anscheinend völlig überraschend kein "Mini Me" werden, sondern sich vor allem in der Pubertät völlig anders entwickeln.
Ich kenne PK die schämen sich für ihre leiblichen Eltern und sind komplett anders und ich kenne Pflegekinder die genauso werden.
Ein Kind ist immer eine Wundertüte, egal ob Pflege oder Leiblich.

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Hallo,

Deine Aussage, dass "alle" Pflegekinder ein Trauma haben ist schon sehr pauschalisieren und auch stigmatisierend. Man sollte bei Pflegekindern mit komplexen Themen rechnen, aber je nach Alter und Situation können diese Themen sehr belastend sein, müssen es jedoch nicht.

An die ursprüngliche Fragestellerin: Die Biographie wiederholt sich nicht zwingend. Auch das ist sehr pauschalisierend. Viele leibliche Eltern kamen nicht durch Genetik, sondern durch die jeweiligen Lebensunstände in Ihre Situation. Sei einfach offen und versuche dem Kind ohne Vorurteile zu begegnen. Viele Pflegeeltern, so auch wir, lieben ihr Pflegekind wie ein leibliches Kind und empfinden es als absolute Bereicherung in ihrem Leben.

Liebe Grüße
Katrin

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Viele Kinder sind schwer traumatisiert. Oft schon als Baby. Das manifestiert sich leider in der "Ich-Entwicklung". Da hilft oft nicht nur ein bisschen Liebe und Struktur in der neue Familie, dass es den Kindern besser geht, sondern die Traumata müssen aufgearbeitet werden. Dazu müssen aber die Kinder bereit sein.

Das ist leider oft der Trugschluss, den einige haben, wenn sie überlegen, ein Pflegekind aufzunehmen. Deshalb ist das auch ein Fulltimejob.

Wer sich für ein Pflegekind entscheidet, muss eben auch damit rechnen, dass es zu Problemen kommen kann.

Liebe Grüße

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Wir hatten 3 pflegekinder , die erst als Teenies zu uns kamen, sie haben alle ein normales Leben, nicht eine war drogensüchtig. sie haben alle einen guten Beruf, wir haben das Pflegegeld komplett für Ihre Ausbildung verwendet, 2 von 3 haben studiert, die 3. ist Goldschmiedin

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Die Biographie der leiblichen Eltern kann (!) für den weiteren Lebensweg erschwerend sein, muss aber keine hochdramatischen Auswirkungen haben.

Nachgewiesen ist, dass Kinder die aus dem leiblichen Umfeld herausgenommen worden sind, Probleme mit Selbstwert, Selbstbild, Identität, Impulskontrolle o.ä. haben können (mehr oder weniger natürlich, nicht pauschal).

Wichtig ist hier nur, wie die Pflege- oder Adoptiveltern mit diesen "Problemen" umgehen. Neben Genetik spielen nämlich auch noch Charakter und das soziale Umfeld eine große Rolle für die Entwicklung. Nicht jedes Pflege-oder Adoptivkind rutscht ab und nicht jedes leibliche Kind geht fröhlich und unbeschwert durch Leben. Und nicht jede Abwehrreaktion eines Kindes hat automatisch mit dem Status Pflegekind oder leibliches Kind zu tun.

Wie offen darf das Kind seine Gefühle zeigen und ausleben? Wie sehr wird es darin unterstützt, wütend oder traurig zu sein? Wieviel zuverlässige Bindung bieten die Erwachsenen, auch wenn das Kind Bindung als bedrohlich offen ablehnt? Wie gehen die Erwachsenen mit Sprüchen um wie: Ihr seid gar nicht meine richtigen Eltern? und wie sehr können sie ihre eigenen Befindlichkeiten und Vorstellung von einer "heilen Familie" zurücknehmen?

Und eigentlich gilt das für alle Kinder, nicht nur für Pflege- und Adoptivkinder.