Wieweit muss man mit dem Partner übereinstimmen?

Liebe Urbianer,

seit einem Jahr bin ich mit meinem Freund zusammen. Auf den ersten Blick schien es, wir hätten viel gemeinsam, doch im Laufe der Zeit hat sich herausgestellt, dass wir doch sehr verschieden sind. :-(
Mich stört es nicht, im Gegenteil, ich finde es interessant, wenn man nicht alles gemeinsam macht und über alles der gleichen Meinung ist. Aber in letzter Zeit beschleicht mich das unangenehme Gefühl, als sitze ich auf einem Pulverfass und es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis mein Freund die Konsequenzen aus unserer Verschiedenartigkeit zieht. Er ist so penibel und kritisch, findet überall das Haar in der Suppe, während ich leicht zufriedenzustellen bin. Meine Ansprüche sind nicht so hoch wie seine, meine Grundhaltung ist die einer Frohnatur, eines Optimisten, während er überall Verschwörung sieht. Neulich schwärmte ich ihm von London vor und seine Antwort war: Da wird man doch nur in die Luft gesprengt. Als wir in der Kennenlern-Phase waren, da hat er begeistert von seinen Städtetouren erzählt und ich dachte: bingo, endlich mal jemand, mit dem man verreisen und etwas erleben kann. Ich bin halt ein bisschen lebenshungrig. Ich brauche viel input, aber mehr sensorisches (sehen, erleben, agieren) als geistiges, obwohl ich durchaus Museen und Ausstellungen sowie "gute" Bücher frequentiere. Er ist sehr intelligent und ich bin halt guter Durchschnitt. Er würde gern einen intellektuellen Sparringspartner haben (Strategiespiele, Schach, komplexe Rätsel), wobei ich nicht mithalten kann. Mich stresst das und es nervt mich und ich habe absolut keinen Bock darauf. Mein Job ist anstrengend genug und ich entspanne mich bei "schönen" Dingen: Tanzen, Musik, Schreiben, Träumen. Ich bin eher Konsument mit etwas Kreativität, während er sehr schöpferisch ist und auch ganz klare Qualitätskriterien ansetzt. Bisher war ich der Meinung, umfassend gebildet, intelligent und vielseitig zu sein. Nun schwindet mein Selbst-bewusstsein tagtäglich. Zu Weihnachten sagte er mir, er langweile sich, zu Sylvester schlief er um 22h00 ein und ich saß da und wusste nicht, was ich mit dieser Situation anfangen soll. Unser Biorhythmus ist so verschieden: Er ist Frühaufsteher, ich bin Nachteule. Während ich mich mit Mittelmaß zufrieden gebe und dabei glücklich sein könnte, strebt er immer weiter und weiter und ist nur selten entspannt und glücklich. Im Bett klappt es sehr gut. Aber das kann auf Dauer nicht das einzige sein, was harmoniert. Er ist mir geistig so überlegen, dass ich ohnehin schnell aufgebe. Vielleicht könnte ich mehr aus mir herausholen, aber ich mag einfach nicht diesem Leistungsdruck ausgesetzt sein. Davon habe ich genug im Job. Auch bin ich enttäuscht, weil er in meinen Augen Etikettenschwindel betrieben hat: Hat auf lebenslustiger Genießer gemacht, reisefreudig, offen. Und nun stelle ich fest, dass er misstrauisch, zurückhaltend und eher Couch Potato ist. Nun gut, damit könnte ich leben, ich würde dann manchmal eben alleine losziehen, wegfahren, die Seele baumeln lassen (auch wenn ich es schade fände, seine Gesellschaft bei diesen Unternehmungen zu vermissen), aber das ist ihm auch nicht recht. Vor allem aber habe ich dieses miese Gefühl, seinen Anforderungen nicht zu genügen und ich frage mich, wie lange das noch gut geht. Er hat mich wohl für intelligenter und leistungsbereiter gehalten, als ich bin, obwohl ich ihm da nie etwas vorgespielt habe. Ich probiere gern Dinge aus, aber zwei Sachen, an die er mich herangeführt hat, machen mir keinen Spaß, also mache ich sie nur widerwillig, ihm zuliebe, was ihn wiederum frustriert. Das eine ist ein strategisches Kartenspiel, von dessen Sorte er einige schon viele Jahre spielt (dieses ist neu, um keinen unfairen Vorteil zu haben, aber er ist gewohnt, in gewissen Bahnen zu denken, begreift die Wechselwirkung verschiedener Karten sofort, während ich es einfach nicht sehe). Ich habe darauf einfach keine Lust, fühle mich überfordert und einfach nur frustriert. Er ist enttäuscht, weil ich kein weiteres Interesse daran habe. Das andere ist ein komplexes Rollenspiel, wobei ich immer noch mit der manuellen Steuerung kämpfe, während er längst dabei ist, Interaktionen mit NPCs zu machen. Ich ziehe unkompliziertere Varianten vor, was ihn wiederum langweilt. Nun traue ich mich gar nicht mehr, etwas auszuprobieren, weil ich bei Nichtgefallen doch nur wieder Frust bei ihm auslöse. Wir haben ein paar gemeinsame Interessen, aber die sind ihm auf Dauer zu seicht. Er ist ewig auf der Suche nach Herausforderungen. Für mich ist das Leben an sich Herausforderung genug. Meine Ziele sind bescheidener, für mich umsetzbar. Ich frage mich schon seit längerem, was er überhaupt von mir will.
So sehr ich ihn liebe, wir passen wohl nicht zueinander, eine Fehleinschätzung auf beiden Seiten. Ich bin so niedergeschlagen. Vielleicht habt Ihr etwas dazu zu sagen, was mir irgendwie weiterhilft. Ich weiß nicht einmal, was ich mir erwarte. Es war wohl nötig, das ganze einmal mitzuteilen, denn einen Freundeskreis, in dem ich so etwas erörtern könnte, habe ich nicht.
LG
anonyma

1

Hallo Du !!

Das klingt ja nicht gerade berauschend, und ich denke, Du hast Dir die Antwort bereits selbst gegeben.

Wenn du soviele Sachen bereits entdeckt hast, die euch aneinander stören und ihr nicht harmoniert, dann wäre ein Ende mit Schrecken wohl besser als ein Schrecken ohne Ende.

Mit meinem Exmann hatte ich NULL Gemeinsamkeiten, kein gemeinsames Hobby, nichts, und trotzdem waren wir 7 Jahre zusammen. Aber im Nachhinein finde ich haben wir nur nebeneinander hergelebt :-(

Mit meinem jetzigen Freund ist das alles anders.
Wir lieben es beide, Sport zu treiben, und motivieren uns gegenseitig. Wir können über die selben Dinge lachen oder weinen und es ist uns noch nie langweilig geworden #freu

Allerdings hat er mir auch schon Dinge näher gebracht, wo ich aber sagen musste, ist nicht mein Ding #schmoll Umgekehrt wars auch schon so.
Da muss ich sagen, kann passieren, ist aber auch nicht schlimm.

Aber wenns bei euch bei sovielen Dingen hakt,
dann hat das meiner Meinung nach keinen Zweck, sorry.

Trotzdem wünsche ich Dir alles Gute...

Liebe Grüsse
Smash79

#blume

2

Liebe anonyma,

was man hier ließt scheint nicht von einem "dummen" Menschen zu stammen. #pro

Druck das Posting aus und gib es Deinem Partner! Anschließend sprich mit ihm darüber, über Deine Gefühle (Liebe zu ihm, Leistungsdruck etc...) und frage nach seinen Gefühlen zu Dir, zu eurer Partnerschaft!

Ich wünsche Dir viel Glück #klee
rosaundblau

3

Hallo du,

ich wuerde auch vorschlagen, deinem Freund mal diesen Beitrag zu zeigen. Wer weiss, was er dazu zu sagen hat?

Meiner Meinung nach gibt es verschiede Formen von Intelligenz und was und vor allem wie du geschrieben hast zeigt, dass du ganz bestimmt nicht dumm bist. Vielleicht liegen deine Staerken nur in anderen Bereichen und du bist eben kein Strategie Mensch.

Ich bin seit 4 Jahren mit meinem Mann zusammen und es war sehr schnell klar, dass wir kaum Gemeinsamkeiten haben. Trotzdem klappt die Beziehung gut, es gibt immer wieder Reibereien, klar, aber wir haben uns arangiert.

Zum einen gehen wir hin und wieder mal Kompromisse ein, er macht was, was mir gefaellt und umgekehrt. Ansonsten drehen wir eben unser eigenes Ding, jeder fuer sich.

Wir lieben uns und das ist die Hauptsache. Wir leben auch nicht nebeneinander her, beziehen uns immer wieder gegenseitig ein, auch wenn es den anderen vielleicht nicht sooo doll interssiert. Ich will wissen, was in ihm vorgeht, ihn interssiert und hoer ihm gern zu.

Wenn eure Verschiedenheit dich aber so belastet, gar keine Gemeinsamkeiten da sind und auch der Wille (egal auf welcher Seite) Kompromisse zu schliessen fehlt, wuerde ich mir doch Gedanken machen, ob so eine Beziehung Zukunft hat. manchmal ist eine Trennung trotz aller Liebe das Beste.

Versuch einfach, mit ihm drueber zu reden.
Und lass dich auf gar keinen Fall von seiner "Intelligenz" runter ziehen, du bist so wie du bist ein toller Mensch der es verdient hat geliebt und hoch angesehen zu werden. Vielleicht ist ihm gat nicht bewusst, wie sehr er dich mit seiner Art verletzt?

Ich wuensche dir auf jeden Fall alles Gute!

4

Diese Gegensätze-ziehen-sich-an-These trifft nur kurzfristig zu, denn es ist fast nicht möglich, mit jemandem zusammen zu sein, mit dem einen nichts verbindet außer die ein oder andere Kleinigkeit.
Insbesondere Charaktäre lassen sich eben nicht verbiegen.
Gefühle können diese Gräben, die sich da auftun, nur bedingt auffangen.

Gleich-und-gleich-gesellt-sich-gern ist da wesentlich zukunftsträchtiger. Man hat die gleichen Vorlieben, Interessen und Hobbies - ist einfach auf einer Wellenlänge.

Ich denke auch, daß Ihr langfristig ein Leben nebeneinander her führen werdet oder aber ständig faule Kompromisse eingeht, aus schlechtem Gewissen oder um den anderen zufrieden zu stellen.

Eine harmonische, glückliche Beziehung sieht sicher anders aus. Ich würde auch sagen, sprich mit ihm darüber, auch wenn's vielleicht schwer fällt.

LG
Babette

5

Erinnert mich irgendwie an "My fair Lady"
Wo er, der Professor, einen Versuch startet, ob man aus einem (bildungsmäßigem) "Gossenmädchen" was Gescheites machen kann.
Lies dir durch, was du geschrieben hast.
Du fühlst dich nicht wohl mit seinen Ansprüchen und ich denke, das wird nicht besser.
Was soll das denn, dass du dich zu igendwelchen Spielen zwingst?
Du mußt ihm doch nichts beweisen.
Wie du dich beschrieben hast, scheinst du eine Frau zu sein, die offen für viele Dinge ist und die ihr Leben genießen möchte, mit dem, was sie hat, ohne oberflächlich zu sein.
Ich denke, du weißt, was du in naher Zukunft tun wirst... :-)

Alles Gute
geha

6

Liebe Urbianer,

danke für die Antworten. Sie haben mir insoweit weitergeholfen, als sie mich aufgebaut haben. Das habe ich wohl gebraucht. Die Überlegung, dass ihm vielleicht nicht bewusst ist, wie sehr mich seine Art belastet, hat mich genauso inspiriert, wie der Vorschlag, mit ihm darüber zu reden, aber ohne gleich die Flinte ins Korn zu werfen. Ich habe dann gestern mit ihm gesprochen, habe ihm gesagt, dass ich im guten Mittelfeld, er aber in der Oberliga spielt und dass ich da nicht mitkomme. Er hat mich in den Arm genommen und gesagt, dass er mich so liebt wie ich bin und dass er sich zusätzlichen Input aus anderen Quellen, unabhängig von mir, holen wird. Er hat auch verstanden, dass mich mein Job viel Energie kostet und dass ich abends dann halt eher etwas Entspannenderes denn etwas Herausforderndes machen möchte. Am Wochenende können wir dann ja Kompromisse machen und die ganz abgehobenen Sachen, naja, die wird er an mich nicht mehr herantragen. So werden wir nächstes Wochenende ein philosophisches Buch, das wir begonnen haben zu lesen, auch weiterhin lesen, da dort sowohl etwas für einen Naturwissenschaftler wie auch für einen geisteswissenschaftlich Interessierten enthalten ist. Das macht mir beispielsweise Spaß und ihm auch. Denn Philosophie ist neben Strategie eines seiner Lieblingsthemen. Er meinte auch, es wäre bestimmt schön, mal wieder Billard spielen zu gehen, sozusagen als Kontrastprogramm (und es gefällt ihm und mir gleichermaßen - natürlich ist er mir auch da haushoch überlegen, aber das stört mich nicht, kratzt nicht an meinem Selbstwertgefühl). Er ist halt ein Typ, der viele Dinge sehr gut kann. Es war nur dieser Leistungsdruck und dieses geistige Gefälle, das mich so niedergedrückt hat. Natürlich sehe ich die Zukunft jetzt nicht sofort völlig rosig, aber ich habe einen Hoffnungsschimmer, dass wir vielleicht solchermaßen eine gute Basis schaffen können. Jedenfalls war er sehr betroffen und hat mir gesagt, dass ich ihn bloß nicht verlassen soll, obwohl ich davon nichts gesagt habe. Er hat anscheinend - aus anderen, für mich nicht nachvollziehbaren Gründen - genauso große Verlustängste wie ich. Er meinte, er fände mein Sprachtalent bewundernswert (obwohl er hervorragend Englisch spricht und ich sicher bin, wenn er wollte, könnte er auch leicht andere Sprachen erlernen). Nun, ich habe das nie als etwas besonderes empfunden. Ich musste mich in dieser Hinsicht nie anstrengen. Dagegen ist die Relativitätstheorie, mit der er sich eingehend beschäftigt hat, ein ganz anderes Kapitel. Ich kann bis zu einem gewissen Grad folgen, aber dann...
Ihn stört es nicht, sagt er (gleichzeitig meint er aber, dass ich mein Potenzial nicht richtig ausschöpfe, worauf ich ihm sagte, dass ich nie Etikettenschwindel betrieben habe, immer auf den Unterschied hingewiesen habe - bereits in der Kennenlernphase. Er hat gelächelt und gesagt, das sei richtig, ich hätte es immer behauptet, aber er glaube es nicht so recht, doch er respektiere die Tatsache, dass ich mich nicht unter Leistungsdruck setzen lassen möchte und dass ich insbesondere unter der Woche eher abspannen möchte.)
Nun, wir werden sehen. Immerhin bin ich ja Optimist und nicht mehr ganz so niedergedrückt. Der Gedanke, ihn nicht mehr zu sehen, ist jedenfalls für mich momentan indiskutabel und wenn wir tatsächlich eine gute Basis finden, dann brauche ich ihn gar nicht zu denken. Falls nicht, dann kann ich ja immer noch eine andersgeartete Entscheidung treffen. Ich habe Zeit, solange ich lebe und keine Angst "meine Zeit zu verschwenden", da ich Zeit, die ich mit einem geliebten Menschen verbringe, auch wenn sie konfliktbelastet ist, nie als verschwendet betrachte. Die Sorge, die viele Menschen bewegt, etwas zu versäumen, die Hast, mit der sie durch ihr Leben rennen, sind mir fremd. Ich lasse mir die Zeit, die ich brauche, um Erkenntnisse zu gewinnen. Sei es auch die Erkenntnis, dass eine Partnerschaft keinen Sinn mehr hat. Selbst meine gescheiterten Beziehungen haben letztendlich mein Leben bereichert. Ich bin an ihnen gewachsen, habe aus meinen Erfahrungen gelernt und ich wäre ohne die Erfahrungen und Lernprozesse nicht der Mensch, der ich heute bin.
LG und danke an Alle
anonyma