Angst vor dem Ehemann - Ausraster

Mir fällt das sehr schwer, darüber zu schreiben, weil ich erstens selber schon mal einschlägige Erfahrung damit habe und zweitens die Sache auch irgendwie einen Namen bekommt, wenn man sie ausspricht.

Es geht darum, dass mein Mann Ausraster hat, die selten vorkommen, aber die mir Angst machen. Es ist so, dass er mich (noch) nicht schlägt, aber ich habe immer das Gefühl, er ist dann ganz kurz davor.

Als Hintergrund muss ich vielleicht zwei Dinge erklären: Als ich meinen ersten festen Freund hatte über 2 Jahre von 17 bis 19 Jahren, da hatte ich mal Situationen mit ihm, die in diese Richtung gingen. Er war eigentlich kein böser Mensch und ist, soweit ich weiß, von seinen Eltern auch nie geschlagen worden. Wir waren beide auf dem Gymnasium und da ist es auch eher normal, dass alles Konflikte mit Worten ausgetragen werden. Er kam aus gutem Hause, seine Eltern waren beide Beamte (Polizei und Lehrerin).

Aber es gab Momente, wo wir uns gestritten haben, da ist er manchmal ausgetickt. Das waren dann auch total unbedeutende Sachen wie wer die Fernbedienung haben darf und wo wir abends hingehen. Wenn seine Freunde in eine Disco wollten und ich in eine andere. Einmal hat er so doll meine Arme festgehalten, dass ich am nächsten Tag beide Oberarme blau hatte. Ein anderes Mal hat er mich gegen die Wand geschubst. usw. Ich habe das niemals jemandem erzählt. Einmal habe ich auch miterlebt, dass er beim Playstationspiel auf seinen besten Freund losgegangen ist und das wurde wirklich ernst, so dass sie ihn dann aus der Wohnung rausgeschmissen haben. Allerdings hat er mich nie ins Gesicht geschlagen und ich habe auch immer geglaubt, dass ich ihn selbst dazu getrieben habe. Deswegen war mir das auch so peinlich.

Mein jetztiger Ehemann ist als Kind selbst heftig von seinem Vater geschlagen worden, das ging weit über eine Ohrfeige hinaus. In meinen Augen ist das schon körperliche Züchtigung. Als unsere kleine Tochter mit 1 1/2 mit dem Bobbycar gefahren ist, ist ihm eine Erinnerung wieder hochgekommen, wo sein Vater ihn als Kind vom Bobbycar runtergetreten hat, weil er zu laut war. :-(

Irgendwann in der Zeit ist mein Mann mal im Schlaf aufgewacht, hat mich hochgerissen und mich an den Handgelenken festgehalten. Er hat mir ins Gesicht geschrieen:"Fass mich nicht an!!! Nimm deine Sch...-Flossen weg! Ich schwöre dir, wenn du mich noch einmal anpackst, bringe ich dich um!!!" #schock

Dann hat er sich umgedreht und ist wieder eingeschlafen. !!!

Ich bin ins Wohnzimmer und habe mich aufs Sofa gesetzt, weil ich nicht mehr im Schlafzimmer bleiben konnte. Ich war total unter Schock, wusste gar nicht, was ich machen sollte. Ich habe auch am ganzen Körper gezittert. Am nächsten Morgen kam mein Mann aus dem Schlafzimmer, ganz normal und meinte nur:"Hey, was machst du denn hier im Wohnzimmer? Konntest du nicht schlafen?" Ich wollte was sagen, aber ich konnte gar nicht sprechen. Dann habe ich so einen Weinkrampf bekommen, dass ich dachte, gleich dreh ich durch. Mein Mann wusste gar nicht was los war, weil er sich an NICHTS erinnern konnte. Als ich meine Stimme wiedergefunden habe, habe ich nur noch geschrieen, dass er weggehen soll, dass er sofort das Haus verlassen soll. usw. Hat er zum Glück auch gemacht. Ein paar Stunden kam er dann wieder und ich habe ihm ihm gesagt, was passiert ist und dann haben wir beide geweint.

Er ist dann zu einem Therapeuten gegangen und natürlich hat der Angriff seinem Vater gegolten, nicht mir. Im Schlaf ist irgendwas wieder hochgekrochen und er hat sozusagen schlafgewandelt. Wir haben dann viel geredet und er hat dann auch erzählt, dass er total Angst hat, dass er selber so wird wie sein Vater.

Unser erstes Kind wurde dann auch ruhiger und vernünftiger und es lief insgesamt weniger stressig. Er hat die Trotzphase mit ihr ganz gut überstanden, ohne dass er geschlagen hat. Das war für uns auch der Beweis, dass er ganz anders ist als sein Vater.

Inzwischen ist unsere zweite Tochter auch 2 Jahre alt und gerade nicht wirklich pflegeleicht. Sie macht das Gegenteil von dem, was sie soll.

Natürlich streiten wir uns auch, gerade in stressigen Zeiten. Die Kinder funktionieren nicht auf Knopfdruck, uns plagen Geldsorgen, Schule und Hausaufgaben, Haushalt usw. Auf unsere Freunde können wir gerade nicht so zählen, weil sich gerade 4 Paare in unserem Freundeskreis trennen und sich dort noch größere Dramen abspielen als bei uns.

So, um es auf den Punkt zu bringen: Neulich haben wir uns darum gestritten, wer von uns das Auto haben darf und da hat er mich vor unserer Zweijährigen Tochter gegen die Wand geschubst und mir den Autoschlüssel aus der Hand gerissen. Die Kleine hat total geweint und er ist einfach zur Tür raus.

Ich mag das sonst niemandem erzählen, weil ich befürchte, dass alle sagen, ich hätte mich damals sofort trennen müssen, als dieser Ausraster nachts passiert ist.

Dann hat er neulich die Große (6 Jahre alt) zusammengebrüllt, weil sie ihr Zimmer nicht aufgeräumt hat. Sie hat schon total geweint und hat immer weiter gemacht, bis ich dazwischen gegangen bin. Ich weiß, dass sie noch nicht alleine aufräumen kann, aber auch,weil wir ihr das einfach nicht konsequent beigebracht haben. Er weiß das aber eigentlich auch. Ich habe ihn rausgeschmissen und ihm gesagt, er darf wieder nach Hause kommen, wenn er sich abgekühlt hat.

Ich werde ständig darauf angesprochen, was ich für ein Glück habe und was für ein toller Vater mein Mann ist. Ich habe auch Angst, dass mir keiner glaubt, wenn ich darüber spreche. Ich habe ihm auch gesagt, dass es mir ganz lieb wäre, wenn er darüber mit seinem ehemaligen Therapeuten spricht. Und er hat nur gemeint, dass da nicht mehr hingeht, weil ihm das nichts gebracht hat.

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Hallo!

Mein Partner ist als Kind schwerst und mehrfach von seinem Stiefvater verprügelt worden - seine Mutter ist allerdings nie dazwischen gegangen. Sie hat sowieso kein Interesse an ihrem ältesten Sohn (da er als einziger von einem anderen Mann ist).

Er ist inzwischen 30 Jahre alt und diese traumatische Zeit hat ihn deutlich geprägt und auch gezeichnet. Er ist schüchtern, hat kein Selbstbewußtsein, traut sich kaum etwas zu, mir gegenüber ist er oft sehr devot und zurückhaltend. Wir haben seit 5 Jahren ein gemeinsames Kind. Er hat mir von Anfang an geschworen, dass er seinem Kind nie so etwas antun könnte, wie es ihm widerfahren ist. Und das ist bis heute so. Wenn mal jemand laut wird, dann bin ich das ...er geht sehr liebevoll mit unserer Tochter um und dafür lege ich die Hand ins Feuer, könnte er ihr niemals wehtun. Und zwar weil ihm das als Kind selbst passiert ist.

Ich würde deinem Mann dringend zur Therapie raten. Er muss seine Kindheit aufarbeiten. Du solltest darüber ganz klar und deutlich mit ihm sprechen. Auch über deine Ängste ihm gegenüber.

Meinem Partner habe ich ebenfalls mehrfach und dringend zur Therapie geraten. Er war auch bereits einige Stunden bei einer Therapeutin, war danach jeweils für etliche Tage wie gebrochen. Er hat Angst weiter zu machen. Aber es ist immens wichtig das Trauma seiner Kindheit aufzuarbeiten.

Du solltest auf jeden Fall mit ihm darüber sprechen, insbesondere über deine Ängste. Vermutlich ist ihm das gar nicht so bewußt.

LG Lena

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Hallo,

ich kann verstehen, dass es Dir schwerfällt, darüber zu reden.

Zu sagen, dass Du Dich hättest trennen müssen, ist meiner Meinung nach zu einfach. Er ist dein Mann und kein Kleidungsstück das kratzt...

Wenn er keine Therapie machen möchte, kann ich Dir nur raten, dass Du eine Therapie machst.

Versteh das jetzt nicht falsch, Du hast nichts falsch gemacht, Eigentlich müsstest Du keine Therapie machen.. Stimmt!

Aber hast Du schon mal darüber nachgedacht, eine Therapie FÜR DICH zu machen?

Mit jemandem zu reden, der Dir nicht sagst, dass Du dich hättest trennen müssen?
Jemandem alles erzählen zu können, ohne dass er es weiter erzählt?
Dich selber stark zu machen gegen die Attaken Deines Mannes und dadurch Dich und die Kinder zu schützen?

Ist nur ein Tipp!

Viele Grüße!

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Manchmal kommt er halt wieder, der Fluch der Vergangenheit. Das Erlebte dauerhaft zu handeln, auch emotional in die richtigen Bahnen zu lenken, zu verstehen, dass man als Kind nicht selber schuld an der Situation, an der erlebten Gewalt gewesen ist, ist m. E. sehr wichtig, nein, nicht wichtig, es ist existenziell.

Gewalt gegenüber Kindern gehört noch heute für jedes dritte Kind zum Alltag. Das hört sich hart an und ist es auch. Wir hatten das Thema neulich noch auf der Arbeit. Ich habe zwei jüngere Kollegen, die Kollegin selber an erster Stelle hat den Spruch gelassen "Ein Klapps hat noch keinem geschadet, mir nicht und auch meinen Kindern wird er nicht schaden!" Häufig sind diese Einstellungen begründet in der gehörten Begründung, warum die eigenen Eltern einen selbst geschlagen haben.

Zu unterscheiden ob das jetzt korrekt war oder nicht, heißt das Verhalten der Eltern, die man liebt, zu bewerten und ist mitunter eine schmerzvolle Erfahrung für einen selbst.

Die von dir angesprochene Therapie für deinen Mann hat Nebenwirkungen, die Nebenwirkung, sich immer und immer wieder mit dem Erlebten auseinander zu setzen und mitunter auch festzustellen, dass es scheiße war, was die eigenen Eltern mit einem gemacht haben.

In meiner Kindheit habe ich mal mit meinem damals besten Freund im zarten Alter von fünf Jahren die Himbeerhecke seiner Eltern auseinander genommen. Wir waren klein und die blöden Himmbeeren hingen doch so hoch. Also haben wir uns Stöcken bedient. Abends hat mein bester Freund mit der Eisenstange Prügel bezogen, ich mit der Hand meines Vaters. Kommentar: Sei froh, dass es dir nicht ergangen ist, wie Wolli. Das funktioniert! Wenn du deinen besten Freund am nächsten Tag siehst, denkst du echt, dass dein Vater ein Menschenfreund ist.

Ich habe eine Therapie gemacht, mich kritisch mit dem Verhalten meiner Eltern und nicht nur mit dem meiner Eltern auseinander gesetzt. Weißt du wie die reagiert haben? Der Sohn beim Psychiater? Wie eine heiße Kartoffel haben sie mich fallen lassen und quasi als Vorab-Versicherung haben sie mit meiner Ex verbündet, ich könnte ja Konsequenzen aus diesem Verhalten ziehen und ihnen die Enkel sperren.

Meine Kinder, sprich, ihre Enkel haben mir neulich zum Besten gegeben, dass ihre Mutter und ihr zweiter Mann heftig aneinander geraten sind. Warum? Anbrüllen des gemeinsamen Kindes und der vielzitierte Klapps. Meine Ex-Schwiegermutter hat auch zugeschlagen und so werden aus Opfern Täter und so weiter und so fort. Mir tut das weh, ich erlebe meine Vergangenheit immer wieder, bei jeder Gewalt und die Täter tun sich zusammen, sie schützen sich gegenseitig. Das ist leichter, als das eigene Verhalten kritisch zu überdenken.

Irgendwann bist du mit deinem Gedanken am Ende. Du hast deine Konsequenzen aus der Sache gezogen aber immun bist du trotz allem nicht. Schlag deinem Mann doch eine gemeinsame Therapie vor. Er ist dein Mann und ihr beide wollt doch schließlich eine bessere gemeinsame Zukunft. In dieser Nacht damals hat dein Mann dich unbewußt in die dunklen Stellen seiner Seele schauen lassen. Gewalt benötigt, erfordert Grenzen, die musst du für dich und für dein Kind setzen. Wir sind letztendlich alle nur Menschen und machen Fehler, ein Kind anzubrüllen ist sicherlich nicht optimal aber auch weit entfernt von einem Beinbruch.

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Meine Vorredner haben ja schon alles wichtige zu einer Therapie für Deinen Mann, Dich oder Euch gesagt.

Deshalb nur noch ein kurzer Gedanke in eine andere Richtung: wenn er so sein Verhalten geändert hat, kann das auch neurologische Gründe haben. Ein Bekannter von mir hatte das, weil er einen Gehirntumor hatte. Ich will keine Panik machen, aber sowas sollte man auch nicht außer Acht lassen.

Ich wünsche Dir und Deiner Familie alles gute.