....er hat mich aus der Unterschicht nach oben geholt.
Es stimmt. Als wir uns kennenlernten, war ich ziemlich unten. Abiturientin mit Führerschein. Studienabbrecherin, Aushilfsjobs in Kantinen und Autobahnraststätten, eine Zeitlang habe ich über Erotikportale Sex für Geld angeboten. Ich habe oft und zu viel getrunken und mir keine Zukunft vorgestellt weil die Gegenwart so scheußlich war.
Als ich meinen Freund kennenlernte war ich echt im Dreck. Er aber stand genau am anderen Ende der Hierarchie. Er war beruflich erfolgreich, hatte ein Haus, zwei Autos, fuhr dreimal im Jahr in Urlaub. Sein Leben hatte eine Ordnung, er hatte nicht nur ein für mich fantastisches Einkommen sondern auch Vermögen.
Ich habe mich damals wie heute so oft gefragt, was er von mir will. Er ist alles und ich bin nichts und habe nichts. Als dann unsere Tochter zur Welt kam, hatte ich endlich wieder eine richtige Aufgabe und eine Berechtigung, wenn ihr wisst, was ich meine.
Leider fingen vor einem Jahr die Probleme in unserer Beziehung an. Mein Freund hatte eine Affäre aufgrund dessen ich unsere Hochzeit, die für Ende des Jahres geplant war, platzen ließ und mir Bedenkzeit erbeten habe.
Er bemühte sich sehr wieder Vertrauen aufzubauen, ich dagegen konnte mich nicht entscheiden, Vertrauen ja oder nein. So geht das hin und her und ich habe seit dem nur 3 oder 4 mal mit ihm geschlafen. Zärtlichkeiten sind auch sehr sparsam.
Gestern ist es dann im Streit eskaliert. Im Laufe dieser sehr heftigen Auseinandersetzung, bei der wir uns beide nichts geschenkt haben, sagte er dann, dass er mich doch aus dem ganzen Dreck geholt hat und ich ihm alles zu verdanken habe. Er hat mich erst zu dem gemacht, was ich bin, sagte er.
Er hat Recht, ohne ihn stehe ich mit nichts da. Wir sind nicht verheiratet, er muss nur für unsere 6 -jährige Tochter zahlen. Ich denke immer noch an seine Worte, er bezeichnete mich als Geschöpf aus der Unterschicht und genau dahin würde ich zurückkehren.
Ich habe ihn gefragt, was Unterschicht denn für ihn bedeutet. Ich habe es weniger leicht gehabt und habe auch manches selbst verschuldet. Nur weil man nichts oder wenig hat, ist man Unterschicht. Ich habe mich nie wirklich zur Unterschicht gezählt. Jedenfalls nicht dauerhaft.
Er will dass ich ihm verzeihe und wir neu anfangen aber mit solchen Worten hat er bei mir viel mehr das Gegenteil erreicht, Die Distanz ist nun noch größer.
Irgendwie bin ich ratlos. Aus materiellen Gründen bei ihm bleiben obwohl ich nicht einmal weiß ob ich ihn noch liebe oder ob ich ihn jemals wirklich geliebt habe. Es ist schwer. ich möchte unserer Tochter auch nicht ein Leben in Sicherheit verbauen nur weil ich zu egoistisch bin und ihm wegen einer kleinen Affäre nicht vergeben kann.
Momentan bin ich sehr durcheinander. Mein Freund ist für eine Woche auf Geschäftsreise und wünscht eine Entscheidung bei seiner Rückkehr. 7 Tage sind keine lange Zeit um über den weiteren Verlauf seines Lebens zu entscheiden. Ich bin da wirklich hin- und hergerissen.
Seine Worte haben mich verletzt aber ich weiß nicht wo er recht hat und wo ich Recht habe. Muss ich nicht dankbarer sein und sollte ich nicht schneller verzeihen?
Was ist Unterschicht? Mein Partner sagt.....
Nein, musst du nicht. Was ist denn das für eine Gegenrechnung? Weil er dich aus was auch immer raus geholt hat, musst du auf ewig dankbar sein und dir alles gefallen lassen? Er geht fremd und du musst verzeihen, weil er irgendwann mal so gnädig war, sich mit dir einzulassen?
Sowas ist doch keine Beziehung auf Augenhöhe und wird wahrscheinlich auch nie eine sein.
Ich finde es unmöglich, dass dein Partner so mit dir spricht. Es mag ja sein, dass er mehr hatte als du. Aber ist er deshalb mehr wert als du? Bist du ein Mensch zweiter Klasse, weil bei dir nicht alles rund gelaufen ist?
Ich kann dir nicht sagen, ob du dich trennen sollst. Aber ich rate dir, in dich zu gehen und dich zu fragen, was du dir selbst wert bist. Und dich dabei nicht von solchen Gedanken leiten zu lassen, ob du aus der so genannten "Unterschicht" kommst - was immer das sein soll.
Konntest Du Dich innerhalb der Partnerschaft beruflich weiter entwickeln?
Eure Tochter ist ja immerhin 6.
Insgesamt kann man das aber nicht so sagen. Du hast nach dem Abitur (was von Kindern aus der Oberschicht in der Regel erwartet wird) die Kurve nicht bekommt und ein wenig die Orientierung verloren. Das hätte auch ohne ihn mit den Jahren besser und anders laufen können. Vielleicht wärst Du auch von allein wieder auf die Beine gekommen.
Er versucht, Dich klein zu halten.
Was mir noch eingefallen ist, wenn Du wegen Deiner Tochter bei ihm bleibst, lernt sie diese Art von Beziehung als "normal" kennen.
Aus dieser Sicht ist es besser, wenn Du Dich trennst.
Hallo.
Seine Worte zeige mir ganz deutlich, dass er dich nicht als ebenwürdige Person sieht.
Du bist für ihn nicht auf gleicher Stufe. Er stellt sich ganz klar damit als was besseres da. Und diese Tatsache ist schonmal echt Respektlos von Ihm.
Du hast dein Abitur gemacht und bist danach einfach nicht weiter gekommen, na und? Das lässt dich nicht aus einer "Unterschicht" kommen.
Ich habe auch erst einen Hauptschulabschluss gemacht, danach einen Realschulabschluss und dann noch das Fachabitur. Alles habe ich gerade so hin bekommen, weil mir das Lernen schon immer sehr schwer gefallen ist.
Zeitweise lebte ich von ein paar Hunder Euro und ass nur Spenden und Dosenfutter.
Mein Mann hingegen ist sehr Klug und hat studiert. Von Ihm kam noch nie eine respektloses Wort. Im Gegenteil.
Du musst dir nun wirklich gut überlegen, was du dir für dich wünscht, was du dir selber Wert bist.
Ich sag dir nur noch eins...das Leben ist viel zu kurz, vergeude es nicht.
VG, Issi
Hi.
Traurig, wie er mit dir umgeht.
Damals hat er dich "so" kennen - und liebengelernt und heute sollst du ihm die Füße küssen.
Für mich steht fest: Selbst, wenn ich aus dem letzten Loch gekrochen bin, hat mich mein Partner weder zu betrügen noch darauf hinzuweisen, was ich war und woher ich kam.
Deinem Freund traue ich weitere Affären zu, erst recht, wenn du ihm verzeihst.
LG
Naja, was heisst Unterschicht oder Oberschicht.
In jungen Jahren gerade wenn man noch seinen Weg finden muss, ist dann wohl fast jeder Student Unterschicht, wenn man das nur am Geld festmacht.
Auf der einen Seite kann ich seine Argumentation, gerade im Streit verstehen, dass er der Meinung ist, dich aus einer schlimmen Lage herausgeholt zu haben. Aber wie schon geschrieben, vielleicht hättest du selber die Kurve bekommen, wieder dein Studium aufgenommen oder eine Ausbildung gemacht.
Und würdest jetzt in der Lage sein, für dich selber sorgen zu können.
Das ist es nämlich, was mich ziemlich stört, an deinen Beschreibungen. Er stellt sich als dein Retter da. Aber im Grunde ist doch deine Situation, in kompletter finanzieller Abhängigkeit von ihm furchtbar.
Wenn es ihm darum ginge, dass er Gutes für dich will, hätte er dich nicht einfach nur in ein nettes Häuschen gesetzt, dich zur Mutter seinen Kindes gemacht. Sondern er hätte auch dafür gesorgt, dass du zumindest eine Ausbildung hast und dich in der Richtung unterstützt.
Für mich hätten seine Bemerkungen viel kaputt gemacht und wären der Startschuss daran zu arbeiten eben nicht finanziell abhängig zu sein.
Unterschicht/Oberschicht, was ist das? Für mich ist das wenn, dann eher eine Charakterfrage, die Äusserungen und das Verhalten deines Freundes gehören für mich in die unterste Schublade. Gut, du sagst ihr habt gestritten und habt euch nichts geschenkt. Insofern ist unklar, ob seine Aussage (mal abgesehen vom Fremdgehen) seine tatsächliche Gesinnung wiederspiegeln oder nur der Wut entsprungen sind. Ob du nicht genau so verletzende Dinge gesagt hast, wissen wir ja nicht.
Er sieht sich vermutlich als Professor Higgins und dich als Eliza Doolittle aus My fair Lady.
Eine Option, nicht die feinste, aber wie gesagt eine Option: du heiratest ihn, so oder so. Ob aus Liebe oder aus Berechnung. Wenn er dir nämlich dann den Tritt in den Allerwertesten gibt, oder dich weiterhin betrügt, bist du wenigstens anständig abgesichert.
Was die Verletzungen und den Betrug anbelangt: verzeihen kann man weder erzwingen noch beschleunigen, und selbst wenn man verzeiht bleiben Wunden, später Narben, die noch viel mehr Zeit zum Heilen brauchen. Wenn ihr zusammen bleiben wollt, müsst ihr euch dem bewusst sein. Vertrauen kommt nicht einfach wieder über Nacht.
Respektiert er dich eigentlich? Wie lange geht das schon so?
Ela
Hallo,
auch wenn es so ist, dass er dich aus der Unterschicht geholt haben soll, war es seine Entscheidung, dir seine Hände zu reichen. Dafür bist du ihm zu nichts verpflichtet. Er hat es aus eigenem Antrieb und freiwillig gemacht. Du kannst ihm dafür dankbar sein, aber er hat nicht das Recht, von dir eine Gegenleistung zu verlangen.
Die andere Sache ist, er hat dir die Hand gereicht. Du hast sie dankend angenommen und hast dich selber dazu entschieden, "dem Ganzen" den Rücken zu kehren. Du hättest dich auch dagegen entscheiden können. Ohne deine Entscheidung hätte er dir bis an sein Lebensende seine Hand reichen können.
Ihr habt dieses also beide in der Hand gehabt. Es war jeweils eure eigene Entscheidung.
Zum Thema "Recht haben" ein Beispiel:
Wenn du und dein Partner, ihr euch beide so hinstellt, dass ihr euch direkt anschaut und ihr beide die rechte Hand ausstreckt, wer hat dann Recht, wer zeigt nach rechts?
Jeder hat von seinem Standpunkt aus Recht. Wenn der eine den anderen verstehen will und umgekehrt, muss er erst einmal in der Lage sein, den Standpunkt des anderen einzunehmen und aus dessen Sicht die Sache betrachten und beurteilen. Das ist nicht so einfach, da man es gewöhnt ist, die Sache lediglich aus der eigenen Sicht zu sehen und zu beurteilen. Und jeder hat auf seine Weise eben "Recht".
Es gibt da auch schöne Bücher zu diesem Thema (z.B. Willst du normal sein oder glücklich).
Solange dein Partner von dir erwartet, dass du ihm zu Dank verpflichtet bist, und auch noch die Dreistigkeit hat, dies bei dir einzufordern und dich daran auch noch zu erinnern, lebt ihr nicht gleichberechtigt und auf Augenhöhe zusammen.
Vielleicht ist auch das hier etwas für dich bzw. euch: http://www.loverevolution.de/
Die andere Frage, die sich mir gerade aufdrängt ist die: Welches Leben lebst du deiner / eurer Tochter vor? Der Mann ist der Herr im Hause und die Frau ist von ihm (materiell) abhängig und hat zu funktionieren / nach seiner Pfeife zu tanzen? Lebst du deiner Tochter ein Leben vor, dass ihr zeigt, dass Frauen auch selbstbewusst und unabhängig ihren eigenen (!) Weg gehen können und dass es sich lohnt, Frau zu sein, unabhängig und stark zu sein und sein eigenes Leben zu leben?
Herzlichen Gruß
ficus