Hallo,
ich hab mich gerade in diesem Forum angemeldet. Bisher war ich immer stille Mitleserin.
Mir fällt es nicht leicht hier zu schreiben, aber ich denke es wird mir gut tun mir alles von der Seele zu schreiben. Sprechen kann ich darüber mit keinem, da ich nicht weiß mit wem.
Ich weiß noch nicht genau wie ich meine Gedanken in Wort fassen kann, aber ich werde jetzt einfach damit anfangen...
Wie im Betreff schon geschrieben, wurde mein Partner als Kind sexuell missbraucht. Nun nur kurz zu seiner Vorgeschichte, da der Missbrauch nicht das einzige ist was ihn belastet.
Er hatte insgesamt keine leichte Kindheit. Eine alkohlkranke Mutter die ihn abschob und einen Vater der keine Kontakt mit im wollte/will. Er wuchs bei seinen Großeltern auf, auch diese hatten kein großes Interesse an ihm.
Auch ansonsten hat er schon einige Schicksalsschläge hinter sich, die wohl alle mehr oder weniger mit dem Missbrauch zusammenhängen. Wie z.B. einige gescheiterte Beziehungen u. eine gescheiterte Ehe aus der auch Kinder hervorgingen. Aber auch einige Erfahrungen im Bereich des BDSM (hierzu evtl. später nach mehr da auch dies ihn und unsere Beziehung belastet).
Während seiner vorherigen Beziehungen gab es immer wieder Probleme im zwischenmenschlichen Bereich. Im wurde vorgeworfen kein Interesse an seinen Partnerinnen zu haben und kein Zeit für sie zu haben. Er zog sich häufig zurück. Große Probleme gab es auch im sexuellen Bereich. Damals bezeichnete er es einfach als sexuelle Unlust und nahm dies auch so hin. Er machte sich keine großen Gedanken weshalb das so war und verdrängte. Seine Partnerinnen machten ihm oft Vorwürfe, auch Eifersuch (unbegründet) war immer wieder ein großes Thema. In jeder Beziehung kam irgendwann der Punkt an dem er selbst vor den kleinsten Berührungen große Angst bekam. Er flüchtete.
Nach seiner gescheiterten Ehe, hatte er eine Phase der Resignation. Er war damals 27 (heute ist er 38). Er zog häufig um, kreuz und quer durch Deutschland. Arbeitete immer wieder als LKW-Fahrer. Hatte aber auch Zeiten in denen er nicht arbeiten konnte. Während dieser Zeit häufte er Schulden an.
Vor 6 Jahren begann er wegen seiner Probleme eine Therapie. Irgendwann brach er diese ab, da ihm alles zuviel wurde. Sexueller Missbrach war plötzlich ein Thema. Er verdrängte diesen und wollte nicht darüber nachdenken. Er flüchtete wieder und zog umher.
Im März letzten Jahres lernten wir uns kenne. Er sagt, während dieser Zeit ging er ihm gut und er war mit seinem Leben wie es war zufrieden. Er lernte mich ungezwungen kennen, durch Zufall im Internet. Allerdings nicht durch das übliche chatten.
Ich selbst lebte damals in einer unglücklichen Beziehung, für mich stand mehr oder weniger fest das ich mit trennen würde. Ich wusste nicht wie und er half mir.
Wir schrieben uns lange Mails und irgendwann begann wir zu telefonieren, stundenlang. Unsere Gespräche wurden immer intensiver. Ich war faszinierd von diesem Mann. Ein Mann der so gut mit Worten umgehen kann, intelligent, gefühlvoll, emphatisch aber auch witzig.
Zwei Wochen nachdem ich mich von meinem Ex-Partner getrennt hatte trafen wir uns. Wir verbrachten ein tolles Wochenende zusammen. Wir trafen uns in einem Erholungsgebiet, in einer Pension. Die Tage verbrachten wir mit reden und wandern. Wir schliefen in einem Zimmer, mehr wie kuscheln und küssen ist nicht passiert. Ich war froh darüber, endlich ein Mann, der nicht nur das eine will.
Zwei Wochen später besuchte ich ihn, wir fühlten uns sehr wohl zusammen. Machten Ausflüge und unterhielten uns stundenlang. Wir hatten auch das erste Mal Sex. Ich spürte das er gehemmt war. Damals dachte ich noch es hinge unter anderem auch mit seinen speziellen Vorlieben zusammen. Über diese Vorlieben hatte wir uns vorher schon intensiv unterhalten und er hatte Angst das ich nicht damit zurecht komme. Aber es war und ist kein Problem für mich.
Dann ging alles ganz schnell. Ich suchte eine neue Wohnung und fand diese auch schnell. Er musste aus seiner Wohnung ausziehen. Er lebte in einer WG und sein Mitbewohner zog aus. Alleine konnte er sich diese Wohnung nicht leisten. Er wohnte knapp 150km weit entfernt. Er wollte sich eine Wohnung in meiner Nähe suchen. Wir sprachen viel darüber und beschlossen zusammen zu ziehen. Das war zwei Monate nach unserem ersten Treffen.
Er fand über eine Zeitarbeitsfirme schnell arbeit und wir waren sehr glücklich.
Wir verbrachten viel Zeit zusammen, unternahmen gemeinsam viel und verbrachten die Abende kuschelnd und redend auf dem Sofa. Dazu muss ich sagen, dass machen wir noch heute und genießen es beide. Wir sind auch noch glücklich zusammen, aber der Missbrauch belastet unsere Beziehung.
Nach ca. 1 Monat machte ich mir zum ersten Mal Gedanken. Er schien kein Interesse an Sexuallität zu haben, wollte auch seine Vorlieben nicht ausleben. Ich frage mich weshalb.
Ich sprach ihn darauf an. Er erzählte mir, dass dies häufig ein Thema in seinen Beziehungen war. Er versicherte mir das er gerne mit mir zusammen wäre, gerne kuschelt und mich küsst. Auch sagte er, dass er mich schön findet so wie ich bin. Ich glaubte und glaube ihm noch immer. Er erklärte mir das er keine große Lust auf Sex verspürt. Für ihn dient dies hauptsächlich der Fortpflanzung.
Wir schliefen immer seltener miteinander. Ich machte mir immer mehr Gedanken. Kurz darauf las ich einen Artikel über Asexuallität. Daraufhin las ich im Internet einiges zu diesem Thema.
Einige Zeit später sprach ich ihn darauf an. Er äußerte sich zunächst nicht weiter dazu.
Versicherte mir aber das er nicht Asexuell wäre.
Sexuallität gab es in unserem Beziehung nicht mehr. Ich hatte und habe große Sehnsucht. Ich sprach mit ihm darüber und spürte das ich ihn damit unter Druck setzte.
Aber ich sprach immer wieder darüber, wie unter Zwang. Bitte nicht falsch verstehen, nicht Tag für Tag, aber 1-2x Mal die Woche bestimmt. Ich spürte das es falsch war. Ich wusste nicht was das Problem war.
Irgendwann gestand er mir das er als Kind missbraucht wurde. Er sagte, er wüsste nicht genau was und wie es passiert ist. Aber er hat eine Ahnung davon. Immer wieder hat er Erinnerungen, die er nicht zuordnen kann. Mehr kann und konnte er mir bis heute nicht sagen.
Er sagte, er möchte nicht mehr davon laufen. Er möchte mich nicht verlieren und mit mir alt werden. Er fühlt sich mit mir wohl und genießt es mit mir Zeit zu verbringen. Er sagte, er möchte sich seiner Vergangenheit stellen und möchte wissen was damals passiert ist um es zu verarbeiten. Er wollte nie wieder fliehen und eine Therapie beginnen.
Auch ich will ihn nicht verlieren und versprach ihm zu helfen. Ich war und bin geduldig. Ich versuche verständnissvoll zu sein. Ich bin da wenn er reden möchte und versuche ihn nicht zu drängen. Es ist nicht immer einfach.
Kurz nachdem er mir dies gestanden hatte, machte er einen Termin bei der psychologischen Beratungsstelle von Caritas. Er ging 4 mal hin, dann nicht mehr.
Ich war geduldig und wartete noch einige Zeit bis ich ihn darauf ansprach. Er sagte, er wolle selbst versuchen dies zu verarbeiten. Auch wolle er keine Medikamente (wie in seiner vorherigen Therapie) mehr nehmen.
Ich dränge ihn zu keiner Therapie. Ich dachte mir wenn er es selbst nicht will bringt es nichts.
Aber dieses Thema belastete unsere Beziehung immer mehr.
In letzter Zeit würde es immer schlimmer. Er hat häufig sogenannte Flashbacks. Wenn wir kuscheln oder uns küssen wendet er sich plötzlich ab und fängt an zu zittern. Er hat häufig Albträume.
Vor vier Nächten war es besonders schlimm. Im Bett unterhielten wir uns, ich stellte ihm Fragen, wie ich dachte unverfängliche, keine die mit dem Missbrauch zu tun hatten..
Plötzlich wurde er sehr wütend und sprang aus dem Bett. Ich folgte ihm, er schlug auf das Sofa und schrie mich an. Er sagte, ich solle ihm nicht soviele Fragen stellen. Das hält er nicht aus. Er sagte, in seinem Kopf seien so viele Fragen, Fragen die er nicht beantworten kann und deshalb kann er nicht auch noch meine Fragen beantworten.
Ich war geschockt, wusste nicht was ich sagen soll oder wie ich mich verhalten soll. Ich ließ ihn in Ruhe und beobachtete ihn nur. Er stand da und zitterte. Ich war so hilflos , wie schon so oft.
Irgendwann ging ich ins Bett, er kam ca. 15min. später nach und nahm mich fest in seine Arme. Wir haben nicht mehr darüber gesprochen und sind irgendwann eingeschlafen.
Am nächsten Tag entschuldigte er sich für sein Verhalten und wir sprach einige Zeit darüber.
Vor zwei Tagen war er beim Arzt und hat nun eine Überweisung zu einem Psychiater.
Er möchte eine Therapie machen um den Missbrauch zu verarbeiten. Er sagt, dass er eingesehen hat das er es selbst nicht schafft. Er wird jetzt Hilfe in Anspruch nehmen.
Für sich und für uns.
Er beginnt sein Leben zu ändern. Er sagte mir, dass er die letzten Jahre nur wenige soziale Kontakte hatte und sich abschottete.
Jetzte gerade ist er in einem Dartclub, er möchte dort Mitglied zu werden. Vor Jahren spielte er als aktives Mitglied. Das wird er jetzt wieder tun.
Ich bin sehr stolz auf ihn. Ich bin so froh das er erkannt hat das er es alleine nicht schafft. Ich werde mein möglichstes tun um ihn zu unterstützen. Aber manchmal ist es so schwer. Wir sind erst seit 8 Monaten zusammen.
Ich mache mir ständig Gedanken darüber und bin oft traurig und einfach hilflos.
Ich sehe wie er leidet und kann es nicht ändern.
Manchmal habe ich "schlechte Gedanken". Ich frage mich, warum ausgerechnet er und warum ausgerechnet ich?? Es wäre doch einfacher einfach wegzulaufen.
Meine eigenen Bedürfnisse stehen immer hinten an. Es dreht sich immer nur alles um ihn. Habe ich diese Gedanken fühle ich mich einfach nur schlecht...
Ich werde jetzt aufhören zu schreiben. Der Text ist länger geworden als geplant.
Ich danke jedem dafür der es geschafft hat meinen Text zu Ende zu lesen.
Falls sich jemand über diese Thema austauschen möchte, würde ich mich freuen. Mir fehlt oft jemand zum reden. Schreibt mir dann doch einfach eine pm.
Nochmals vielen Dank für´s lesen.
-thalia86-
Mein Partner wurde missbraucht. Die Geschichte unserer Beziehung. Ich fühle mich hilflos.
Hallo thalia,
du kannst wenn du möchtest unter folgendem Link Informationen zum Thema finden. Es gibt dort auch ein kleines Forum welches sich mit dem Thema befasst.
http://regen-licht-kind.npage.de/
Sollte es meine Zeit erlauben schreibe ich dich morgen noch über VK an.
Freundliche Grüße und viel Kraft
blaue-rose
Ich bin ehrlich.
Ich würde die Beziehung beenden.
Klar sollte man in einer festen Beziehung zueinander stehen und auch in schweren Zeiten zueinander halten. Aber ihr habt ja noch gar nicht wirklich eure Beziehung erlebt, ihr fangt gleich mit den dicken, sehr dicken Problemen an. Ihr hattet ja quasi diese schöne Verliebtheitsphase gar nicht und nichts, wovon ihr in schweren Zeiten "zehren" könnt.
Es sind massive Probleme, die sich bei Deinem Freund in absehbarer Zeit wohl auch nicht ändern/lösen lassen werden. Und das alles zusammen wäre für mich persönlich zu viel. Überleg es Dir gut, ob Du Dich wirklich darauf einlassen willst.
Wenn ja: Hut ab, meinen größten Respekt!
Aber sei Dir gewiß, dass ihr in absehbarer Zeit kein normales Paar-Leben haben werdet, evtl. nie eine normale Sexualität genießen werdet und die nächsten Jahre eurer Beziehung mit der Aufarbeitung seiner schlimmen Vergangenheit ausgefüllt sein werden.
Alles Gute für euch zwei!
Hallo,
ich sehe nicht nur das was ich nicht habe, sonder das was ich habe.
Ich habe einen Partner der mich liebt und den ich liebe. Trotz der Probleme sind wir glücklich zusammen. Er fühlt sich wohl in meiner Nähe und ich mich in seiner. Er gibt mir sehr viel Geborgenheit. Wir können trotzdem zusammen lachen und unternehmen viel.
Im Dezember verbrachten wir unseren Urlaub in Schweden. Es gibt viele schöne gemeinsame Erinnerungen. Und das alles ist mehr als viele andere haben.
Nur wegen seiner Vergangeheit werde ich das nicht aufgeben. Ich werde nicht davon laufen nur weil es schwierig ist und wohl noch schwieriger werden wird.
Ich bin mir bewusst das die nächsten Jahre mit der Aufarbeitung seiner Probleme gefüllt sein werden. Aber wir haben doch Zeit. Ich hoffe nicht nur wenige Jahre.
LG
Thalia
Es ist bemerkenswert was du in dieser kurzen Zeit deiner Partnerschaft mit ihm gemeinsam durchstehst, Respekt.
Du musst für dich entscheiden ob du das weiterhin kannst und möchtest, einfacher wird es nicht werden. Dein Freund hat eine Menge aufzuarbeiten und das kostest sehr viel Zeit, Geduld und Mühe. Bist du dazu bereit? Wenn, dann solltest du dir parallel auch jemanden suchen. Einfach um selber einen Rat und Hilfe zu bekommen, wie du mit ihm und der Situation umgehen kannst. Das kann kein Mensch vollkommen alleine stemmen!
Wenn ich ehrlich bin, ich würde es nicht wollen und können. Aber ich habe selber einfach sehr viel durch und wäre daher nicht bereit dazu. Was nicht heißt das ich nicht alles für meinen Partner tun würde. Mein Mann und ich kennen uns seit knapp 20 Jahren und wir haben viele Sorgen gemeinsam geteilt und erlebt und durchgestanden. Aber ich habe ihn auch anders kennen gelernt. Das ist für mich ein großer Unterschied. Weiß du wie ich da meine? In unserer Familie gibt es auch sehr viel aufzuarbeiten, aber ich bin da mit reingewachsen.....
Dein Freund hat diese Dinge direkt mitgebracht, ihr seid nach zwei Monaten zusammen gezogen. Du kennst ihn nicht wirklich und weißt nicht was früher alles passiert ist. Muss man auch gar nicht sofort alles offen legen, aber er kann damit nicht umgehen und hat sehr große Probleme. Kannst du so eine Beziehung beginnen?
Hi,
ich finde es großartig, wie Du ihn untersützt und wie geduldig Du bist. Ich höre heraus, dass er Dir sehr viel Geborgenheit und Nähe gibt. Er ist empathisch und verständnisvoll.
Ich schätze, dass ist er vielleicht genau wegen seiner Erfahrungen. Ebenso wie er auch seine Eigenarten hat wegen seiner Erfahrungen.
Ohne Therapie kommt er da sicherlich nicht raus. Von daher wäre das für mich ein unabdingbares Indiz für den Fortbestand der Beziehung.
Wenn er da am Ball bleibt, würde ich das, was ihr miteinander habt, das Schöne, nicht aufgeben wollen.
Ich wünsche Dir auf jeden Fall viel Klarheit und Glück!
LG
<<<Er sagt, dass er eingesehen hat das er es selbst nicht schafft. Er wird jetzt Hilfe in Anspruch nehmen.>>>
Dann wird das auch anders werden als bei den vorherigen Versuchen, wo man glaube ich, durchaus "unterstellen" kann, dass er es eher für Dich getan hat, als für sich selbst.
Ich bin ehrlich.....ich weiss nicht, ob ich mir eine solche Beziehung ans Bein binden würde, weiss aber aus Erfahrung, dass wenn der Zeitpunkt gekommen ist, wo man merkt dass alles anfängt, wieder bergauf zu gehen, weil alle Beteiligten wirklich hart und ehrlich daran gearbeitet- und nicht locker gelassen haben, diese Beziehung dann so gut wie nichts mehr erschüttern kann.
Aber bis zu diesem Punkt gibt es bei Dir / Euch sicher noch den einen oder anderen Moment, wo die Kraft scheinbar nicht mehr ausreicht, und alles nur noch "scheisse" ist, und Du sicher auch oft genug zurückstecken musst, was Deine eigenen Wünsche angeht.
Kannst Du-, bzw. willst Du das?
Wo-.....bzw. bei was kannst Du auftanken und neu Luft holen? Denn Du wirst anfänglich (!) diejenige sein, die wesentlich mehr in Eure Beziehung investieren muss, als zurück kommt....aber bei manchen Menschen lohnt sich das....jede einzelne Träne und jeder einzelne dunkle Moment. *lächelt*
Ich wünsche Euch Beiden alles Gute.
Tomm
Heirate mich
Wat´ willste´ denn mit zwei Kerlen?
Eines vorweg: Ich putze keine Fenster !
Du machst Dir wirklich viele Gedanken und dies zeigt, wieviel Dir an diesem Mann liegt.
Einfach wird das nicht werden, eher sehr, sehr schwer. Inwieweit das Ganze von Erfolg gekrönt sein wird, kann Dir auch nur jemand mit Kristallkugel sagen (und glaub mir - der lügt auch wie gedruckt).
Die Frage: Was verlierst Du, wenn Du investierst. Wird Deine Persönlichkeit durch diesen Kampf (denn nichts anderen wird es werden auch wenn es ein gemeinsamer ist) übel beeinträchtigt und kommst Du dabei zu Schaden? Gehst Du das Risiko ein, ein "Kollateralschaden" zu werden, weil Du ein Mutter Theresa-Syndrom entwickelst?
Oftmals führen Rettungsaktionen zu einem kollektiven Untergang. Du solltest schon sehr stark für ihn und Dich sein um die Nummer durchzuziehen. Andererseits kann man immer seine Sachen packen und fliehen - vorausgsetzt man sitzt nicht schon zu tief drin.
Ich persönlich möchte nicht mit Dir tauschen - wäre aber wahrscheinlich emotional nach 8 Monaten schon recht tief drin.
Auch ich wünsche Dir viel Kraft.
GzG
Irmi
Hallo,
Erst mak ist es sehr lobenswert dass du an ihm festhälst.
Aber eines sollte dir endlich bewusst werden: hör auf so viele Fragen zu stellen. Lass es einfach sein.
Kannst du dir ansatzweise vorstellen wie viele offene Fragen die Überlebenden Tag für Tag ertragen müssen und wahrscheinlich nie im Leben eine Antwort darauf bekommen?
Ich kann seinen Ausraster vollkommen nachvollziehen und für mich wäre es ein Trennungsgrund wenn mein Partner mich Tag für Tag mit Fragen löchern würde.
Aber du scheinst es zu versuchen es zu unterlassen.
Manchmal möchten Betroffene nicht mehr reden. Ja, es geht sogar mir so, und ich werde schon seit frühren Jahren therapiert. Und er hatte jahrzehnte keine Hilfe.
Nein, du machst Dir gar kein Bild und Selbstmitleid sollte da fehl am Platz sein.
Verschwende deine Energie nicht für sowas, du wirst nämlich viel Kraft für seine Therapie brauchen.
Also, auch wenn es nicht nett klingt, lass ihm mal etwas mehr Ruhe und Freiraum wenn er es aufarbeiten möchte. Wenn er reden möchte wird er das tun. Sonst lass es einfach. Sowas tut nur unnötig weh und ist total anstrengend, zumal er dir keine Rechenschaft schuldig ist was seine Aufarbeitung betrifft.
Nichtbetroffene haben einfach keine Vorstellung davon welcher Tumult im Kopf und in der Seele herrscht. Denkt Ihr, da müssen wir uns auch noch um euer Wohlergehen kümmern und euch auf dem neuesten Stand der neu entdeckten Erinnerungen halten?
Biete ihm an, dass du ihm immer zuhörst. Mehr kannst du nicht tun.
Ich denke, dass alle Ratschläge gut gemeint sind. Doch sie werden dir vielleicht keine Hilfe bieten und ihm auch nicht. Keiner kann in ihn reinsehen und wissen was und wie er es fühlt. Selbst du nicht. Es ist schwer für Menschen, die sexuell mißbraucht worden sind, sich überhaupt jemanden zu öffnen und damit offen umzugehen (Scham, Ekel, Hilflosigkeit, Erinnerungen usw.), geschweige denn bei Nachfragen zu reagieren. Sicher möchtest du wissen was los ist und helfen. Menschen, die Opfer sexuellen Mißbrauchs geworden sind, müssen sich gegenüber selbst erstmal öffnen und das Verdrängte an sich ran lassen. Bis sie eben merken es geht so nicht weiter. Die Angst, die Unklarkeiten, die wechselnden Gefühle, die Gedanken - all das muss sortiert werden, um damit umzugehen. und solch eine Sortierung kann Jahre dauern. Bis derjenige dann selbst bereits ist aus der Spirale auszubrechen. Es ist ein Kreislauf und wird immer einer bleiben, solange derjenige nicht selbst was unternimmt. Und Therapie heißt schließlich auch Konfrontation mit dem Erlebten.
Es gibt für dich selbst letzlich 2 Varianten, die du wählen kannst: a) bei ihm bleiben und dies mit Liebe und Geduld selbst durchstehen (wobei du auch verletzt werden kannst und an deine Grenzen kommen wirst) oder ein Leben ohne ihn. Du hast ja selbst schon geschrieben, dass du hinten anstehst... daran siehst du was für "Arbeit" auf dich zukommt und du zurückstecken musst (wenn er denn nicht die "Kurve" bekommt).
Ich wünsche dir ganz viel Kraft für deine Zukunft.
LG