Hallo ihr Lieben,
ich wende mich heute mit einem unserer größten Beziehungsprobleme, die wir haben, weil ich einfach nicht mehr weiter weiß. Wie oben beschrieben geht es um das Diskutieren.
Laut meinem Mann (und angeblich auch anderen Menschen in meinem Umkreis, leider sagt mir das niemand direkt sondern alle nur hintenrum unterinander), diskutiere ich zu viel. O-Ton mein Mann: "Entweder wir diskutieren hier wieder mal 2 Stunden über alles, kommen vom Hundertsten ins Tausendste und dann ist erst Ruhe wenn wir machen was du sagst, oder ich mache gleich was du willst und habe die Chance dass ich danach meine Ruhe habe".
Was ich an den Kritiken die mir zugetragen (immer über Dritte, oder von meinem Mann) gemerkt habe: Anscheinend tue ich es wirklich zu intensiv, zu lange und auch um Banalitäten die es gar nicht wert wären. Ich würde es gern ändern, aber:
Ich merke es selbst schlicht und ergreifend nicht!
Wir z.B. bei seiner Familie waren und er auf dem Heimweg meint: "Hast du nicht gemerkt, dass du schon wieder für alles einen Kommentar hattest und die Leute irgendwann aufhören was zu sagen, weil sie befürchten du weißt eh wieder alles besser?", falle ich aus allen Wolken, weil ich es wirklich nicht bemerke. Bzw. dann der Meinung war, dass ich mich schon sehr zurückgenommen habe und es anscheinend immer noch "zu viel" war.
Ich wurde so erzogen immer zu sagen was ich denke, wenn ich anderer Meinung bin diese kundzutun und auch damit zu leben wenn jemand eine andere Meinung hat, solange man beide gut argumentieren kann. Mir wurde eingetrichtert mir nichts gefallen zu lassen, nachdem ich in der Schule jahrelang gemobbt wurde (wegen Aussehen, familiärem Hintergrund etc.). Meine Mutter war und ist ein Duckmäuserich, die sich seit 30 Jahren von meinem cholerischen Vater herumschubsen lässt...ich habe mir mal geschworen dass mir das NIE passieren würde!
Anscheinend fällt mir jetzt genau diese Einstellung mächtig auf die Füße und ich scheine überhaupt kein Gefühl für die richtige Balance zu haben.
Kann man so etwas lernen? Wenn ja wie?
Nebenbei ist es in meiner Partnerschaft auch recht schwer den goldenen Mittelweg zu finden, da mein Mann noch nie gern Meinungsverschiedenheiten ausgetauscht hat, auch nicht mit anderen, nicht nur bei mir. Lieber igelt er sich ein wenn ihm was nicht passt oder ist beleidigt weil es anders lief als er gehofft hat, ohne dass man überhaupt wusste was er wollte, weil er nicht redet.
Auch organisatorische Sachen kann man mit ihm nicht klären (z. B. dass er unser Kind mal aus der Kita holen muss wenn ich einen Arzttermin habe etc.), es heißt dann gleich wieder ich würde ihm meinen Willen aufzwingen...Ende vom Lied bei sowas: Ich hechte aus der Stadt nach der Arbeit zur Kita, hole das Kind, fahre wieder in die Stadt, habe ihn beim Arzttermin im Wartezimmer dabei und bitte die Schwester kurz auf ihn aufzupassen wenn ich ihm Behandlungszimmer bin. Ich bitte ihn um nichts mehr, ich habe keine Freizeit mehr seitdem unser sohn da ist (wird bald 3) für mich, Ausnahme die kindfreien WE wo der Kleine bei Oma und Opa ist - die verbringe ich aber mit meinem Mann meist gemeinsam. Ich nehme mich was die Arbeit angeht zurück (keine Weiterbildungen mehr über die Arbeitszeit hinaus und keine Dienstreisen), ihm wäre es zuviel hierfür das Kind zu übernehmen ("du musst Prioritäten setzen, Kind oder Karriere"). Habe ich da denn überhaupt kein Recht die Sachen mit ihm solange zu besprechen bis wir einen Kompromiss gefunden haben?
Bitte sagt mir mal, was ihr davon denkt und wie uns/mir geholfen werden kann - gibt es Verhaltenstherapien für mein Problem? Wie kann ich die "Sensibilität" hierfür erhöhen?
Viele Grüße
ichweißnichtwasrichtigist
Ich diskutiere zu viel / er gar nicht = Riesenproblem
"Ich wurde so erzogen immer zu sagen was ich denke, wenn ich anderer Meinung bin diese kundzutun und auch damit zu leben wenn jemand eine andere Meinung hat, solange man beide gut argumentieren kann."
-> nee, man muss nicht immer sagen was man denkt. man kann auch einfach mal die klappe halten.
"Kann man so etwas lernen? Wenn ja wie?"
-> klar. es gibt kommunikations-kurse, z.b. gewaltfreies kommunizieren. kommunizieren bedeutet ja nicht nur reden, sondern auch zu zu hören, und so zu reden, dass ein anderer auch bock hat, weiter mit einem zu reden. da werden auch rollenspiele gemacht. man kommt sich am anfang ein bisschen albern vor, aber es hilft gut, auch beruflich.
"Nebenbei ist es in meiner Partnerschaft auch recht schwer den goldenen Mittelweg zu finden, da mein Mann noch nie gern Meinungsverschiedenheiten ausgetauscht hat, auch nicht mit anderen, nicht nur bei mir. Lieber igelt er sich ein wenn ihm was nicht passt oder ist beleidigt weil es anders lief als er gehofft hat, ohne dass man überhaupt wusste was er wollte, weil er nicht redet."
-> vereinbart doch z.b. eine art stopp-wort, wenn er das sagt, weißt du, es ist ihm zu viel - warum auch immer und du stoppst mit argumentieren, erläutern etc. man könnte auch festgesetzte redezeiten vereinbaren, wo man quasi ein date zum austauschen hat. und jeder darf gleichviel reden. vielleicht hilft hier ein berater weiter.
"Auch organisatorische Sachen kann man mit ihm nicht klären (z. B. dass er unser Kind mal aus der Kita holen muss wenn ich einen Arzttermin habe etc.), es heißt dann gleich wieder ich würde ihm meinen Willen aufzwingen"
-> auch wenn das vielleicht nicht absicht ist, er ist schon so geprägt, dass selbst einfache informationen mit dem falschen ohr aufgenommen werden. - google mal 4-ohren-modell, oder kommunikationsmodell watzlawick. dann weißt du was ich meine. auch hier könnte ein berater helfen, der euch eure kommunikationsstruktur aufzeigt.
letztendlich: wenn ihr beide es wirklich wollt, sollte das kein problem sein dieses zu bessern. man muss halt neue strukturen üben, da kann es auch rückschläge geben. aber das ist normal und sollte euch nicht abschrecken.
Hallo rebanel,
herzlichen Dank für deine konstruktiven Vorschläge! Ich weiß es sehr zu schätzen, dass du mich nicht für den Beitrag "zerrissen" hast im Sinne von "Da biste selber Schuld".
ich werde mal googlen gehen, sowohl nach dem Modell als auch nach Anbietern solcher Trainings.
Sind solche Berater im eigentlichen Sinne auch die sogenannten Mediatoren?
LG
ichweißnichtwasrichtigist
eine schöne Antwort
hallo,
ich antworte mal kurz auf nur kleine Teilaspekte:
bevor man zu viel seine eigene Meinung kundtut, kann man auch mal nachfrage, ob es den anderen interessiert, was du darüber denkst. Oder nur dann antworten, wenn man explizit danach gefragt wird.
wenn du dir eine ganz andere Kommunikationskultur angeeignet hast, als die deines Freundes, kann man sich schon mal überrumpelt fühlen. Eine Freundin von mir quatscht immer weiter, über sich... (ich sag Chip, dass du so wärest) inzwischen treffe ich mich nur noch mit ihr, wenn ich wirklich Lust habe. Da komme ich auch sehr schwer zu Wort. Und ich kämpfe nicht gerne. Manche Leute hören mehr zu, andere reden mehr und bei anderen ist es ausgeglichen. Probier dich doch einfach aus im noch mehr Hinhören und sammle damit Erfahrungen.
Manche Menschen haben es auch noch nicht gelernt, dass es in Auseinandersetzungen darum gehen kann, dass man alle Fakten auf den Tisch legt und dann gemeinsam nach einer guten Lösung, die für alle passt, sucht. Davon würde ich mich erst mal nicht so durcheinanderbringen lassen. Jedoch würde ich in Diskussionen versuchen, dem anderen den dafür nötigen Raum geben.
Einfach keine Panik machen, wäre meine Idee, und weiter Erfahrungen sammeln und dich selbst ausprobieren...
Chip= nicht
----------Auch organisatorische Sachen kann man mit ihm nicht klären (z. B. dass er unser Kind mal aus der Kita holen muss wenn ich einen Arzttermin habe etc.), es heißt dann gleich wieder ich würde ihm meinen Willen aufzwingen--------
------"du musst Prioritäten setzen, Kind oder Karriere"). -----
Dein Mann ist ein Arschloch.
------- "Hast du nicht gemerkt, dass du schon wieder für alles einen Kommentar hattest und die Leute irgendwann aufhören was zu sagen, weil sie befürchten du weißt eh wieder alles besser?"----
Naja....... vielleicht solltest Du mal überlegen ob das nun wirklich so ist, oder ob Dein Mann da ne komische Wahrnehmung hat. Mir scheint das eher so.......
Danke für deine Antwort, humanianimi.
ganz so hart würde ich es nicht ausdrücken, es gibt ja auch viel positives, sonst wäre ich nicht mehr bei ihm
Ich weiß ich rede viel und oft auch zu viel - vergleichbar mit der Freundin die gag99 in ihrem kommentar erwähnte.
Aber ich habe mich eben auch schon gefragt, ob mein Mann nicht auch zum Teil so geworden ist, weil das Miteinander nicht-kommunizieren können von uns beiden über die Zeit auch irgendwie mürbe gemacht hat, sowohl mich als auch ihn.
Wir sind beide schon so getrimmt, immer gleich was vermeintlich angreifendes aus dem kommentar des jeweils anderen zu hören und merken erst nach langem reden darüber, dass es eigentlich ganz anders gemeint war.
Der tollen Antwort von Rebanel ist nichts hinzuzufügen. Die einzige Frage ist, ob das Andere wirklich so empfinden oder ob Dein Mann Dir das nur einredet. Da würde ich vertrauenswürdige Personen mal konkret ansprechen und fragen, ob Du so bist wie beschrieben und um eine wirklich ehrliche Antwort bitten.
Hinsichtlich eines Aspekts noch mein Senf:
("du musst Prioritäten setzen, Kind oder Karriere").
Da würde ich ihn fragen, ob das rein zufällig auch sein Kind ist und warum das Ding mit den Prioritäten nur auf Dich zutrifft?
Wenn er da nicht umgedenkt, dann würde ich die entsprechenden Konsequenzen daraus ziehen.
LG
Vielen Dank für deine Antwort.
ich weiß zumindest, dass seine Familie es großteils auch so sieht - sowohl vom hörensagen als auch aus direkten Gesprächen.
Bei Kollegen war es mal eine zeitlang so, aber eher aus Missverständnissen heraus - als sie mich näher kennengelernt haben, haben viele ihre Meinung relativert.
Die Kind-Diskussion hat auch noch einen anderen Hintergrund, den ich hier nicht weiterausführen möchte, aber wir sind was das angeht eindeutig auf dem Weg der Besserung.
Hallo,
mein Mann ist genau so, wie du dich hier selbst beschreibst
Ich finde das nicht wirklich problematisch, aber manchmal nervt es natürlich irgendwann haben wir mal den Spruch gehört: "Man soll immer die Wahrheit sagen, aber die Wahrheit nicht immer sagen" und den muss man ihm ab und zu mal stecken, damit er sich wieder besinnt. Alles was er denkt, muss er immer und sofort auch sagen, nicht immer seinem Gegenüber selbst, aber wenigstens mir. Er hält nichts davon, Sachen durch die Blume zu sagen oder mal zu schweigen, wenn es unpassend ist. Er will immer alles begründet haben, wenn man wogegen ist, diskutiert bis aufs letzte kleinste Detail..das hört sich erstmal negativ behaftet oder zwanghaft an, ist es aber gar nicht. Meine/seine/unsere Freunde kennen ihn so, wissen wie er ist und manchmal ist es sogar ganz lustig, ihn damit aufzuziehen. Andererseits wird seine Meinung auch sehr geschätzt, er wird oft um Rat oder Meinungen gefragt, weil die Leute dann wissen, dass er es auch wirklich so meint. Und wenn er wirklich mal ein Kompliment macht, ist das fast doppelt so viel wert, weil es von ihm kommt. Ich gehe da eher den bequemen Weg, lasse mich von ihm aber auch nicht in Grund und Boden quatschen. Den goldenen Mittelweg gibt es in dem Fall wahrscheinlich nicht, wenn 2 so völlig verschiedene Typen aufeinander treffen, es ist nicht möglich, dass er von dir verlangt, dich zurückzunehmen und du kannst nicht von ihm verlangen, offensiver zu sein. Ihr braucht einfach Verständnis füreinander. Was euer Kind betrifft kann ich dir nur empfehlen, klare Ansagen zu machen, bevor er von zu viel Möglichkeiten/Kompromissen genervt ist, wie ihr was organisiert. Ihr müsst die Sachen nicht so lange besprechen, bis ihr einen Kompromiss gefunden habt, ihr beide seid gleichermaßen für euer Kind verantwortlich, wenn du einen Arzttermin hast und er es beruflich einrichten kann, holt er euer Kind ab. Wenn du eine Weiterbildung machst, kümmert er sich. Das wäre für mich gar nicht diskutabel, da müsst ihr einfach mal Grundsätzliches besprechen. Ein Arsch ist dein Mann nicht, aber bestimmt überfordert. Nicht du musst für Kind oder Karriere Prioritäten setzen, IHR müsst das tun.
Herzlichen Dank für deine Antwort, sehr konstruktiv. Du hast die Sache ziemlich auf den Punkt gebracht, ich denke wir müssen auf jeden Fall lernen zu unterscheiden wo man diskutieren und Kompromisse machen muss und wo bestimmte Dinge einfach vorausgesetzt werden dürfen/müssen.