Ich weiß nicht genau, wo ich anfangen soll. 2016 ist das bisher schrecklichste Jahr meines Lebens. 2015 wurde unser Sohn geboren. Mitte 2016 wurde bei ihm Down Syndrom diagnostiziert. Es hat, trotz aller Liebe zu ihm, er ist so ein toller Junge, lange gedauert, mich damit zu arrangieren. Im Grunde dauert es noch immer an. Ich habe richtiggehend um mein Kind getrauert. Ich liebe ihn sehr, trotzdem ist plötzlich alles anders. Es ist schwer zu erklären. Ich bin in ein tiefes Loch gefallen. Nach der Diagnose wurde er noch 2 mal operiert, es gab so viele Arztbesuche... Wir haben noch ein Kind. Dies braucht natürlich auch Zeit und Zuwendung. Und ich habe das Gefühl, dem allen nicht gerecht zu werden. Vor allem den Kindern. Zu der ständigen Sorge kommen Müdigkeit, schlechtes Gewissen und Angst.
Mein Mann tut so, als würde ihn das nicht berühren oder betreffen. Jedes Mal wenn ich reden will kommen nur Floskeln wie: Wird schon, ist doch alles gut, dramatisiere doch nicht immer...
Ich schlafe nächtelang nicht. Ob nun wegen meiner Gedanken oder wegen den Kindern. Ständig streiten wir uns. Er versteht nicht wie es mir geht oder was ich mir wünsche. Obwohl ich es schon 100 x gesagt habe. Im Grunde streiten wir seit Jahren wegen der selben Sache. Der Anlass ändert sich, aber der Kern nicht. Wir haben schon öfter schlechte Zeiten gehabt. In denen ich allein die Lösung finden musste. Er sitzt alles nur aus. In guten Zeiten funktioniert es mit uns, in schlechten fühle ich mich allein. Aktuell kümmert er sich zB auch um nichts. Ich muss mich über Therapien informieren und entscheiden, welche die Richtige ist. Er antwortet mit: Hm.
Ich schlage mich mit den Themen Pflegegeld, Schwerbehindertenausweis usw rum. Von ihm kommt keinerlei Eigeninitiative.
Früher, als es nur um uns ging konnte ich es irgendwie vergessen. Streit gab es da auch, aber jetzt geht es um noch zwei Menschen. Die Verantwortung tragen wir doch Beide.
Ich weiß, ich bin nicht einfach. Aber ist es zu viel verlangt, dass er seine Komfortzone für seine Familie verlässt? Bis es sich eingependelt hat? Dass er merkt, dass ich physisch und psychisch am Ende bin? Dass er mich entlastet? Irgendwo, im Haushalt, mit den Kindern, beim Papierkram?
Ich kann nicht mehr mit mir alleine sein. Muss dann ständig heulen. Im Sommer sagte ich, ich würde eine Eheberatung wollen. Lehnte er sofort ab. Er kämpft auch nicht um uns. Er wirkt so teilnahmslos.
Am Freitag hab ich ihm gesagt, er soll bis zum Jahresende ausgezogen sein. Wir haben zuvor wieder gestritten.
Nun hat er einen Termin gemacht. Ende Dezember. Ich weiß nicht, ob es nicht vielleicht schon zu spät ist.
Danke an alle, die bis hierhin ausgehalten haben.
Eheprobleme
Liebe Sharise,
eine schlimme Diagnose ändert das Leben von heute auf morgen. Bei mir wurde vor zwei Jahren Krebs diagnostiziert, also ebenfalls eine Diagnose, die die gesamte Familie betrifft.
Während der Primärbehandlung hat mein Mann mich sehr unterstützt, nachdem diese abgeschlossen war hatte er aber auch den starken Drang zum Alltag überzugehen, und Ängste zu verdrängen. Ich hatte mal in diesem Forum nachgefragt, und bekam eine Antwort das Verdrängen sei durchaus eine legitime und akzeptable Möglichkeit, denn mit der dauernden Angst könne man nicht leben. Inzwischen kann ich das auch so sehen (obwohl ich mit der Angst anders umgehe als mein Mann).
Vielleicht irre ich mich, aber könnte es sein, dass sich da Parallelen zeigen zu Euerer Situation? Du bist sicher unmittelbarer involviert, weil du den Alltag mit den Kindern, die Arztbesuche usw. managen musst. Betroffen ist er jedoch ebenso wie du. Wie kommt er denn mit der Diagnose klar? Hat er das schon verarbeitet oder flüchtet er sich in die Berufstätigkeit und tut so, als wäre alles wie früher? Männer verarbeiten oft anders als Frauen. Flucht in den Beruf kann auch finanzielle Vorsorge sein und damit Verantwortung für ein Kind, das möglicherweise noch lange abhängig sein wird von Euch.
Bei dem was du schreibst fällt mir vor allem die Schlaflosigkeit auf (kenne ich), aus der natürlich eine weitreichende Erschöpfung folgt. Das ist der Punkt wo ich ansetzen würde. Eine Reha bzw. Kur hat mir geholfen wieder Kraft zu schöpfen. Dazu kommt, dass ich bei uns ausschlafen darf, weil mein Mann morgens alles regelt, was mir sehr geholfen hat aus der Erschöpfung rauszukommen (und immer noch hilft).
Bei einer Krebserkrankung bekommt man auf Wunsch onkopsychologische Unterstützung, ich könnte mir vorstellen, dass es so etwas ähnliches auch in Euerer Lebenssituation gibt. Ich hatte nur wenige Gespräche, aber sie haben mir jeweils einen Impuls gegeben, der mir weiter geholfen hat. Oft reicht es ja schon, wenn einem einer emphatisch zuhört, und alles wird klarer.
Ich wünsche Euch alles Gute für Euere Partnerschaft und viel Freude mit Eueren Kindern.
Mein Mann behauptet ständig, dass unser Sohn doch fit ist. Alles gut also.
Ja, unter diesen Umständen ist er sogar sehr fit. Aber es ist lange nicht alles gut!
Er ignoriert es einfach und will nichts gegenteiliges hören.
Reden hilft da sicher sehr. Oft drehen sich meine Gedanken im Kreis. Das ist so anstrengend.
Ich will meine Kraft lieber für unsere Kinder nutzen. Ich sollte mal meinen Hausarzt fragen, was es da für Möglichkeiten gibt.
Danke für deinen Kommentar, alles Gute für dich und weiterhin ganz viel Kraft!
Du und dein Mann ihr liegt irgendwie beide richtig: Euer Sohn ist sehr fit, trotz seiner Behinderung. Das ist gut und dafür dürft ihr dankbar sein. Er hat eine ungewissere Zukunft als andere Kinder. Alle Eltern würden sich da Sorgen machen. Aber JETZT geht es ihm gut. Das Jetzt einfach so für sich stehen lassen muss man oft erst lernen..
Ich musste auch erst lernen, dass es nichts bringt in Prognosen zu denken (Am Anfang habe ich immer gerechnet, wenn ich noch so viele Jahre schaffe, wie alt sind meine Kindern dann. Aber das bringt nichts, außer, dass man sich selbst schwächt.). Ich übe mit wachsendem Erfolg (es gelingt mir nicht immer, aber immer öfter) im Jetzt zu bleiben.
Jetzt ist euer Sohn fit, sehr fit sogar. Sicher ist das Leben für euer Kind schwieriger als für nicht behinderte Kinder. Aber jetzt im Moment entwickelt euer Sohn sich gut. Er ist glücklich. Ihr freut Euch an ihm. (Probleme kann man sowieso erst lösen, wenn sie da sind. Und Schritt für Schritt sind sie auch viel leichter zu bewältigen.)
Vielleicht ist der Ansatz deines Mannes Eueres Sohn so zu sehen wie er IM MOMENT ist sogar ein guter Schritt in ein gesundes, unbesorgteres Leben. Wenn es dir gelingt, das so zu sehen wie dein Mann: dass er "den Sohn" statt "den behinderten Sohn" sieht: Das ist aus meiner Sicht ein wichtiger Schritt. Er will, wie du, dass es euerem Jungen gut geht. Er will nicht, dass man ihn "behindert" indem man seine Behinderung zum Mittelpunkt macht. (so nehme ich das von außen wahr.)
Und versuche selbst wieder Kraft zu schöpfen! (Zwei kleine Kinder- da bleibt so wenig Zeit die eigenen Ressourcen wieder aufzufüllen!) Ich glaube wirklich, das ist das Schräubchen, das Euch am meisten hilft. Sag' deinem Mann, was er konkret tun soll bzw. kann. "Männer brauchen klare Ansagen," sagt mein Mann immer. (Ist so und macht das Leben deutlich harmonischer und friedlicher.)
Danke dir für deine guten Wünsche, und auch dir und euch viel Kraft und Zuversicht.
Liebe Grüße.
Wieviele Kinder in welchem Alter hast du noch?
2 Kinder. 4 und knapp 1,5 Jahre.
>> Am Freitag hab ich ihm gesagt, er soll bis zum Jahresende ausgezogen sein.
Dabei würde ich auch bleiben, selbst mit Option auf Eheberatung, die ihr dringend nötig habt. Die Ignoranz Deines Mannes wird Dich zusätzliche Kraft kosten; außerdem ist er so ständig präsent, unterstützt Dich aber nicht. Du darfst für ihn kochen, putzen, waschen aber sonst alleinerziehend sein. Zusätzlich kannst Du davon ausgehen, wenn Du das jetzt nicht durchziehst, fällt er ab Januar wieder in sein gewohntes Muster und sitzt alles schweigend aus. Weil "passiert ja nix".
Offenbar braucht er die Angst davor, Euch ganz zu verlieren, um in die Pötte zu kommen. Sieht man daran, dass nur die Ankündigung der räumlichen Trennung ihn veranlaßt hat, einen Termin zu machen. Und mehr zu kommunizieren scheint er deswegen aber auch nicht, sonst hättest Du davon geschrieben. Er denkt wohl, Termin machen stellt die Frau schon erstmal schön ruhig. Und Ende Dezember hat sie sich wieder beruhigt und vielleicht muss man da ja dann gar nicht hin.
Das sind so ziemlich genau die Ängste die ich habe.
Seit Freitag haben wir so gut wie nicht mehr miteinander geredet. Ich will auch nicht wieder den 1 Schritt tun. Ich finde, er ist dran. Andererseits kann ich diese angespannte Stimmung kaum ertragen. Ich hoffe so sehr, dass die Kids nicht zu viel davon mitbekommen.
Du kannst ihn ja in eine paar Tagen mal fragen, was seine Wohnungssuche macht.
Und ich würde getrennte Schlafzimmer anstreben, das hat auch schon einigen Herren auf die Sprünge geholfen.
Zeig ihm, daß es kurz vor 12 ist, anders kommst Du wohl eher nicht weiter. Er ist einfach zu gut in Ignoranz, Schweigen, Abwimmeln und Aussitzen geworden.
Liebe sharise,
solch eine Diagnose ist ein Einschnitt in das komplette weitere Leben, den man sich nicht vorstellen mag und kann.
Männer können ja oftmals nicht so mit ihren Gefühlen umgehen wie Frauen. Vielleicht es auch grundsätzlich die "Art" deines Mannes, sowas dann mit sich selbst auszumachen, auszusitzen... wie du sagst. Aber an diesem Verhalten lässt sich arbeiten.
Wenn er nun einen Termin in der Eheberatung vereinbart hat, dann ist das ein erster Schritt. Ich glaube nicht, daß es schon zu spät ist. Es ist gut, wenn er nun bereit ist, sich hier helfen zu lassen. Sehe es so: Der erste Schritt ist getan... und sehr vielen Menschen fällt es leichter, sich mit Außenstehenden Personen über die Gefühlslage auszutauschen, als mit denjenigen, die ihnen wirklich nahestehen. Vielleicht lässt sich da in ihm etwas "knacken". Ich denke, bei diesem Verhalten spielt einfach viel mit ein, was anerzogen wurde oder in der Kindheit erlebt wurde. Aber wie gesagt, daran lässt sich arbeiten...und das schöne ist, daß er dazu nun ein Stück weit Bereitschaft zeigt.
Ich möchte dir noch einen Buchtipp mitgeben: "Glück, ich sehe dich anders". Da schreibt eine Mutter mit einem Down-Syndrom-Kind und einem weiteren behinderten KInd.
Eine ehemalige Arbeitskollegin von mir hat ein Kind mit Down-Syndrom. Ich erinnere mich noch sehr genau, als sie damals entbunden hatte (zu der Zeit waren wir in einem sehr engen freundschaftlichen Kollegenverhältnis). Wir warteten täglich auf ihren Anruf, wo sie uns endlich über die Geburt informieren würde... der kam und kam nicht. Etwa zwei Wochen nach der Geburt erfuhr ich, daß sie eine Tochter hätte und eben am zweiten Tag diese Diagnose gestellt wurde. Ich war erstmal geschockt, wusste überhaupt nicht, wie ich reagieren sollte, hatte Hemmungen sie zu besuchen. Zum Glück rief sie mich dann ein paar Tage später von sich aus an und erzählte es. Ich habe sie damals oft besucht, sie hat sich dann auch oft einfach "ausgejammert" ... es fiel ihr die ersten Jahre verdammt schwer, das alles einfach so hinzunehmen, sie erzählte, wie sie oft neidisch war auf andere, die einfach gesunde Kinder hatten, daß sie den Umgang mit diesen "normalen" Müttern manchmal umging, wo es nur möglich war. Es dauerte etwa zwei/drei Jahre bis sie dann wirklich ihr Leben so akzeptierte und das beste daraus machte, wieder die positiven Seiten sah.
Sieben Jahre später brachte sie gesunde Zwillinge zur Welt. Die ersten Jahre damals waren wahnsinnig streßig, da hat sie sich auch wirklich helfen lassen wo es ging. Heute ist die Große 18 J. und halt immer noch Kind - das ihr sehr ans Herz gewachsen ist! Das Mädel hat einfach eine dermaßen offene und herzliche Art, auf andere Leute zuzugehen, daß es einem ein Stück weit das Herz öffnet.
Ich wünsche euch alles Gute und dass du und dein Mann einen Weg miteinander und zueinander findet!
LG
Vielen Dank!
Das Buch habe ich mir gerade angesehen, ich habe es mir gemerkt, kaufen will ich es noch nicht. Zur Zeit kann ich es, glaub ich nicht vertragen.
Ich hoffe sehr, dass uns die Therapeutin helfen kann. Dauerhaft. Ich bin sehr gespannt, was dort passiert, wie es abläuft.
Unsere Kinder werden beide so sehr geliebt. Von allen. Ich habe keinen Unterschied im Verhalten von Verwandten festgestellt. Unser Jüngster macht es einem ach sehr leicht. Er ist Zucker. Und bisher auch altersgerecht entwickelt. Etwas langsamer als der ältere, aber noch absolut im Rahmen. Selbst die Physiotherapeutin hat nichts zu meckern.
Hallo nochmal,
ja-kann ich absolut verstehen, wenn du das Buch nicht lesen willst, vielleicht irgendwann.
Ich habe mit meiner Ex-Kollegin damals oft gesprochen, ihr einfach zugehört. Irgendwann erklärte sie mir es mal so: Ihr ist es damals unwahrscheinlich schwer gefallen, sich von all diesen Zukunftsträumen, die man eben so hat, wenn man schwanger ist, das Kind da ist... zu verabschieden. Sie habe es sich eben ursprünglich so vorgestellt: Familie gründen, mit den Kindern gemeinsam deren Kindheit genießen, Urlaubsreisen, aktive Familienausflüge, stolz zusehen, wie sie das erste Mal Fahrrad fahren, den ersten Schultag sich über all das Neue freuen usw. Und sich von diesen ganzen Vorstellungen eben ein Stück weit zu distanzieren, es so anzunehmen, daß manches ganz anders ist (auch anders als bei vielen Nachbarn, Freunden etc), das sei ihr selber eine Zeit lang wahnsinnig schwer gefallen. Bei ihr war es ja auch das ERstgeborene, sie hatte momentan mit einem weiteren Kinderwunsch wirklich erst mal abgeschlossen.
Die ihr erteilten Prognosen waren weitaus negativer als du dies beschreibst. Sie würde nie Fahrrad fahren können etc. Heute fährt sie sehr wohl Rad ... die Eltern (v. a. die Mutter) hat sie in allem viel gefördert, wo es eben ging.
Heute sagt sie sogar: Als Familie profitieren sie im Umgang miteinander, daß dieses Mädchen ihres ist - sie könnte es sich nicht mehr anders vorstellen, möchte mit niemanden anderem tauschen.
LG