Hallo zusammen,
Meine Frau und ich sind beide Ende 30 und seit knapp zehn Jahren verheiratet. Ich mache es kurz: Sie wurde vor einem halben Jahr von einem Bekannten vergewaltigt. Sie erzählte mir erst drei Monate später davon, weil sie sich so schämte. Ich war völlig geschockt. Anfangs dachte ich, ich käme ganz gut damit klar. Sie selbst schien auch immer sehr gefasst und ich dachte wir packen das. Na ja, jetzt mit der Zeit merke ich, dass dem leider nicht so ist. Meine Frau leidet unter Schlafstörungen (sie hat Albträume, schlägt um sich, hat Angst vor dem einschlafen) und ist völlig verändert. Früher war sie ein unglaublich lebenslustiger Mensch, eine Frohnatur eben. Jetzt ist sie richtiggehend gebrochen und es tut mir unglaublich weh, das zu sehen.
Unser Sexleben ist natürlich auch nicht mehr so wie es einmal war. Bzw es ist überhaupt nicht mehr vorhanden. Wir haben vor einigen Wochen versucht wieder miteinander zu schlafen, aber sie hat eine richtige Panikattacke bekommen (Atemnot und Flashback, erzählte sie mir später). Gestern wollte sie es von sich aus nochmal probieren, aber wir kamen wieder nicht weit. Natürlich ist das mein kleinstes Problem, alles andere (ihre psychische Verfassung usw) ist viel schlimmer als der fehlende Sex. Trotzdem macht es mich sehr traurig, weil sie früher wirklich viel Spaß an Sex hatte. Und nun scheint alles kaputt zu sein.
Zum nächsten Problem: Sie schämt sich unglaublich und ich kann ihr noch so oft sagen, dass es dafür keinen Grund gibt, es hilft einfach nichts. Wie kann ich ihr wieder ihr altes Selbstbewusstsein zurückgeben? Sie befindet sich bereits in Therapie, aber leider hat das bisher noch überhaupt nichts bewirkt. Dadurch, dass sie sich so schämt, kann sie vor ihrer Therapeutin nicht so recht mit der Sprache rausrücken und dementsprechend schwierig ist es für die Therapeutin, ihr richtig zu helfen.
Was mich ebenfalls sehr irritiert: Während ich unglaublich wütend auf den Typen bin, der das getan hat (ich hasse ihn abgrundtief), nimmt sie ihn sogar in Schutz! Das verstehe ich beim besten Willen nicht. Wieso tut sie das? Sie leidet unter dem was er ihr angetan hat, aber wenn ich abwertend über ihn rede, verteidigt sie ihn! Was hat es damit auf sich?
Was auch schwierig ist: Sie denkt, ich würde mich vor ihr ekeln. Das tue ich nicht und das sage ich ihr auch, aber sie bekommt diesen Gedanken nicht aus dem Kopf. Wie gesagt, die Therapie fruchtet noch nicht so recht ...
Sie ist seitdem wahnsinnig schreckhaft, introvertiert und abweisend (mir gegenüber). Ich will einfach nur wissen was ich tun kann, um ihr zu helfen, sie das Geschehene halbwegs vergessen zu lassen und der glückliche Mensch zu werden, der sie einmal war.
Der Text ist jetzt doch recht lang geworden, Entschuldigung dafür. Vielleicht hat jemand Erfahrung mit sowas oder sonst einen guten Tipp parat, ich bin für alles dankbar.
Frau wurde vergewaltigt - wie damit umgehen?
Hallo,
Zunächst einmal tut es mir sehr leid, was deine Frau und ihr zusammen durchmachen musstet und noch immer müsst.
Aus eigener Erfahrung kann ich dir sagen, dass 6 Monate noch keine lange Zeit sind, um es zu verarbeiten. Du merkst ja selbst, wie sehr sie noch am Anfang steht. Es ist positiv, dass du mehr und mehr erkennst, wie sehr sie die Vergewaltigung belastet.
Ich hätte mir damals gewünscht, meine Familie (ich war deutlich jünger und lebte noch bei meinen Eltern) hätte eine Beratung wahrgenommen. Um eben nicht aus Unsicherheit so komisch zu mir zu sein und mich eben dadurch wirklich noch mehr zu erinnern, als ich es eh schon tat.
Gegebenenfalls kannst auch du sie zur Therapeutin begleiten, sofern deine Frau das wünscht, frag sie ruhig mal! . Ansonsten würde ich dich an den weißen Ring verweisen. Hat sie Anzeige erstattet? Für mich war das damals tatsächlich fast noch einmal so schlimm, ich hatte eine Klobürste von Polizistin erwischt... Bei jedem Kontakt oder auch Schreiben diesbezüglich bin ich fast ausgeflippt. Ich hoffe sehr, dass all die Schulungen in dem Bereich Früchte tragen und ihr besser aufgehoben seid. Die strafrechtliche Verfolgung ist für viele auch ein Teil der Heilung.
Alles Gute!
Hallo,
Tut mir leid, dass du das auch erleben musstest. Das macht mich traurig und wütend.
Meine Frau hat leider keine Anzeige erstattet. Sie sagt das wäre das letzte gewesen, was sie hinterher gewollt hätte. Als sie es mir erzählt hatte, war die Tat ja schon ein paar Monate her und Beweise gab es keine ... Sehr schwierig die ganze Sache. Ich hoffe derjenige, der dir das angetan hat, wurde verurteilt?
Ich habe sie gefragt, ob ich mitkommen soll zur Therapie. Aber das will sie partout nicht. Sie sagt sie will das ganze möglichst von mir fernhalten. Aber das macht es natürlich nicht leichter für mich. Ich weiß praktisch auch überhaupt nichts über das, was damals geschehen ist. Nur dass es passiert ist und fertig. Mehr kann sie nicht erzählen.
Hast du ihr gesagt, wie verunsichert du bist? Evtl hat sie die Sorge, du würdest mitkommen und dann hören, was sie erzählt. Es geht aber nicht darum, dich mit Details zu füttern, sondern dir aufzuzeigen, wie du sie in der Heilung unterstützen kannst, ohne "es" dauernd in den Mittelpunkt zu rücken.
Die Beweise gibt es nun nicht mehr, und ob deiner Frau nun eine Anzeige etwas bringen würde, außer einen Konfrontationseffekt, den sie derzeit nicht braucht, wage ich zu bezweifeln. Das Verfahren wird "aus Mangel an Beweisen" eingestellt werden. Allen heren Gerechtigkeitsgedanken hier zum Trotz, das Leben ist kein Ponyhof und so viel Realitätssinn muss hier angebracht sein. Blinder Aktionismus nutzt selten. Ich würde zum Beispiel nicht sicher sagen können, ob ich nochmals Anzeige erstatten würde mit allem, was es nach sich gezogen hat. Tut mir leid!
Da sie derzeit zumindest nicht möchte, dass du zur Therapeutin gehst, wende dich bitte an den Weißen Ring!!!
Es wird euch vermutlich noch viele Jahre begleiten, deine Frau muss sich jetzt neu "finden" und diese Erfahrung aus Demütigung, Gewalt und Schuld in ihr Selbstbild integrieren.
Wie du sie dabei geduldig und verständnisvoll begleiten kannst, ohne sie dauernd zu erinnern, ist vermutlich ein Eiertanz, bei dem es viel Stillstand und auch Rückschritte geben wird. Und mit viel Zeit und Geduld hoffentlich auch Fortschritte. Euch beiden wünsche ich viel Kraft und auch dir eine Unterstützung an deiner Seite!
Ist der Täter in Haft? Ich finde es ganz wichtig, dass er für seine Tat büßt.
Nein, ist er leider nicht. Ich habe alles getan um sie zu einer Anzeige zu überreden, aber sie will partout nicht.
Und jetzt, wo ich mich intensiver informiert habe, frage ich mich, ob es überhaupt etwas gebracht hätte. Es gibt keine Beweise und somit wäre es vielleicht gar nicht zu einer gerichtsverhandlung gekommen. Einfach nur traurig.
Hätte sie ihn sofort nach der Tat angezeigt, hätte vielleicht etwas nachgewiesen werden können, allein durch die ärztliche Untersuchung.
Vergewaltigung kommt gleich nach Mord und wird empfindlich geahndet.
So besteht natürlich das Risiko, dass er das (an anderen Frauen) wiederholt, immerhin ist er einfach so davon gekommen.
Außerdem hätte eine Verurteilung Deiner Frau ein wenig Genugtuung und Selbstbewußtsein wieder gegeben.
Hallo,
ich kann mir vorstellen, dass die Situation auch für dich sehr schwer ist, deine Frau jetzt so zu erleben. Aber für die Verarbeitung von derlei traumatischen Ereignissen gibt es keine zeitliche Fristsetzung. Verständlicherweise, ich meine das absolut nicht verurteilend, wirkst du sehr ungeduldig auf mich. Verständlicherweise, da du dir ja wünschst, dass es deiner Frau gut geht. Trotzdem denke ich, dass ebenjene Ungeduld aktuell nicht angebracht ist. Du solltest dir selber Hilfe suchen, um dich zu entlasten, denn im schlimmsten Fall setzt du deine Frau unter Druck mit deinem - ich betone noch einmal - durchaus verständlichen, nachvollziehbaren Bedürfnis, es möge ihr bitte besser gehen.
Genau das kann sich aber zuweilen fatal auf den Verarbeitungsprozess auswirken. Auch würde ich nichts dergleichen mehr von Anzeige o.ä. erwähnen.
Bei einer Vergewaltigung wird einer Frau u.a. das Recht auf Selbstbestimmung genommen. Es ist IHR RECHT auf Selbstbestimmung, was sie wahrnimmt, wenn sie sich weigert, den Täter anzuzeigen.
Des Weiteren langt ein Blick auf die Statistiken, was Vergewaltigungsprozesse und deren prozentualer Anteil an Verurteilungen angeht. Neben den blanken Zahlen ist alleine schon das Ermittlungsverfahren eine höllische Belastung für Opfer von Vergewaltigungen. Es ist nicht gesagt, dass es jedem Opfer einer Vergewaltigung durch eine Anzeige besser geht, manche destabiliseren dadurch zusätzlich.
Insofern hör bitte auf, sie dahingehend überzeugen zu wollen.
Hab Geduld mit ihr, suche dir selber Hilfe. Zeige Verständnis und achte deine eigenen Grenzen, und ganz besonders jetzt ihre.
LG
Hallo,
Ja, was die Ungeduld betrifft hast du wohl recht. Ich habe nur Angst um sie und davor, dass sie nie wieder glücklich werden kann. Ich weiß auch, dass ein halbes Jahr nicht lange ist, aber wenn ich sehe wie sie leidet, ist es natürlich gleichzeitig viel zu lang.
Das mit der Anzeige habe ich mittlerweile auch schon sein lassen. Sie hat es mir mit denselben Argumenten wie du erklärt und leider sind die ziemlich überzeugend.
Das braucht Zeit.
Sie muss das Geschehene verarbeiten, und muss erst wieder lernen, Nähe zuzulassen.
Da gleich mit Sex "einzusteigen" ist vermutlich der komplett falsche Weg. Der Vergleich hinkt jetzt wohl, aber viele Menschen bei denen in die Wohnung eingebrochen wurde brauchen Monate und Jahre um die Verletzung ihrer Privatsphäre zu verarbeiten.....wie schlimm ist das dann also bei einer Tat bei der es um Psychische und Physische Gewalt an einer Person geht?
Suche ihre Nähe, aber bedränge sie nicht. Klingt vermutlich seltsam, aber ihre Hand zu halten bringt ihr vermutlich gerade mehr als innige Umarmungen.
Habt ihr gemeinsame kleine Rituale......wie zB. ihr den Kaffee ans Bett zu bringen oder ähnliches? Richte Dein Augenmerk verstärkt auf diese kleinen Gesten. Es mag trivial aussehen.....das ist es aber nicht !!
Erwartet keine Wunder von der Therapie...so etwas zu verarbeiten dauert lange, und ist auch von Mensch zu Mensch verschieden. Mitunter ist vielleicht auch die Therapeutin nicht die richtige, was ich aber natürlich nicht beurteilen kann.
<<< sie ihn sogar in Schutz! Wieso tut sie das?>>>
Vermutlich gibt sie sich unsinnigerweise die Schuld für das was da passiert ist. Evtl. fragt sie sich immer und immer wieder, ob sie dem Typ bewusst oder unbewusst irgendwelche "Signale " gegeben hat.
Das ist für jemand "Aussenstehenden" natürlich absoluter Quatschfug.....ein Nein ist immer ein Nein, egal zu welchem Zeitpunkt..... aber sie wird sich das dennoch fragen, immer und immer wieder, und zusammen mit den Bildern die sich eingebrannt haben ergibt das einen üblen Gedankensalat, bei dem alles immer wieder um das gleiche dreht.
Evtl. hilft es DIR ja auch mal, mit Profis zu sprechen. Wende Dich doch mal an eine Institution wie zB. den weissen Ring.
Auch Angehörige von Opfern einer solch miesen und schändlichen Tat sind Opfer !
Danke für deine Antwort.
Das mit dem Sex war gar nicht unbedingt meine Idee, ich bin momentan selbst eher gehemmt. Sie wollte es probieren, ich denke um sich zu beweisen, dass sie es "kann". Das konnte ja nur schiefgehen ...
Diese Rituale haben wir, ja. Ich bemühe mich eh schon besonders aufmerksam und zuvorkommend zu sein, koche, frage ob ich ihr einen Tee oder eine Wärmflasche machen soll usw. Leider scheint sie derzeit eher auf Distanz aus zu sein ... Ich komme gar nicht mehr an sie heran.
Nochmals danke für deine nette Antwort.
Zum eigentlichen Sachverhalt hast du schon viel gehört.
Ich möchte noch etwas sagen zum "Täter in Schutz nehmen".
Das ist eine normale Reaktion auf eine Gewalttat. Man kennt den Begriff auch unter Stockholm-Syndrom. Ein Opfer einer Gewalttat versucht unbewusst, sich mit dem Täter zu identifizieren, sich eine Mitschuld oder gar ein Einverständnis einzureden um so dem Gefühl des totalen Kontrollverlusts etwas entgegenzusetzen zu können. Es ist eine Art Schutzmechanismus der Seele.
Man kennt das bei Fällen von häuslicher Gewalt. Mitunter dauert es Jahre, bis die Opfer sich lösen können und genügend Kraft aufbringen, um sich der Tragweite der erfahrenen Gewalt zu stellen.
Mach ihr das bitte nicht zum Vorworf.
lg und alles Gute
thyme
Danke für diese Erklärung. Habe gleich dazu recherchiert. Ich denke ich sollte auch mal einen Termin bei der Therapeutin wahrnehmen, damit ich das alles besser verstehe.
LG
Warum münzt Du die Energie Deines Zorns nicht in gezielte Vergeltung gegenüber dem Täter um? Wenn es ein Bekannter ist.
Es ist zwar illegal und verstößt, zugegeben, gegen alle meine Prinzipien einer rechtsstaatlichen Ordnung.
Aber in dem Fall, dass es erstens um eine meiner nächsten Angehörigen geht und zweitens meine Partnerin in Schockstarre verharrt, es nicht einmal zu einer Anzeige kommt und es mir unter den Nägeln brennt, würde ich Mittel und Wege finden, dem Unhold Möglichkeiten zur Reue aufzuzeigen.
Ja. Toller Tipp. Und der TE macht sich strafbar und ist am Ende der Gelackmeierte, weil er, im Gegensatz zum Vergewaltiger, angezeigt wird.
Das käme auf die Art und die Durchführung an.....
hallo,
die Idee, dich beraten zu lassen, finde ich sehr gut.
Zwei Dinge, die mir spontan einfallen (ich habe nicht alles gelesen, evtl wurde es schon geschrieben, dann bitte
1. wenn ihr euch auf körperlicher Ebene näher kommt, ohne sexuelle Handlungen ... vielleicht kann ihr Körper (nicht ihr Verstand) schneller verstehen, dass sie bei dir in Sicherheit ist und dass sie sich bei dir wieder mehr einlassen kann ohne in Gefahr zu kommen. Aber dazu müssten alle sexuellen Handlungen vorher abgesprochen verneint werden - und du hältst dich daran... bis du merkst, sie kann sich da komplett fallen lassen.
2. wenn sie es nicht zu einer Anzeige schafft und es sonst auch nicht aussprechen möchte: wenn es im Bekanntenkreis sich rumspricht, könnte es passieren, dass er nicht noch mal bei einer anderen Frau die Gelegenheit nutzt. Ich weiß nicht, inwiefern der Schutz der anderen Frauen für sie eine Motivation sein könnte, doch darüber zu sprechen.
Sie kann es nicht von dir feenhaften, du bist mittendrin - und meinst du, du hast die Kraft, das auch mitzutragen?
Lass dich beraten - es ist so heikel... und als Laie (wie ich auch) macht man mit "helfen wollen" manchmal nicht unbedingt das Beste für sein Gegenüber, für die Menschen, die man so liebt.
Alles Gute
Sag mal, hast du keine Wut auf den Typen?
Ich würde den einmal die Woche mit meinen Kumpels besuchen und ordentlich ...........
Hoffentlich komme ich nie in so eine Situation - keine Ahnung, was für Gedanken ich da bekommen würde, und wie ich dann wirklich handeln würde.
Klar steht eure Beziehung und Gesundheit im Vordergrund, aber ich wäre da recht impulsiv.....
>>Sag mal, hast du keine Wut auf den Typen?<<
Doch, total. Aber meine Frau hat mich angefleht nichts zu unternehmen, weil es das für sie noch schlimmer machen würde (sagt sie). Und weil sie nicht will, dass irgendwer davon erfährt.