Unzufrieden mit Lebenssituation

Ich bin gerade so unzufrieden mit unserer Lebenssituation und weiß nicht, was ich ändern kann. Vielleicht könnt ihr mal von außen einen Blick auf das Chaos werfen: Ich hab mich mit 26 nochmal fachlich umorientiert und ein neues Studium begonnen. Dafür habe ich meinen Beruf aufgegeben, der mir von hier aus betrachtet überhaupt nicht mehr so schlimm erscheint, und das zweite Studium von meinen Ersparnissen finanziert. Mittlerweile bin ich fertig und habe eine Doktorandenstelle an der Uni. Ich arbeite in Teilzeit und betreue nachmittags unser Kind (2,5 Jahre alt). Mein Partner hat die Gelegenheit genutzt, als ich gerade mit dem Studium fertig war, und verändert sich ebenfalls beruflich. Er studiert jetzt zum ersten Mal und hat einen Teilzeitjob.

Finanziell sieht es bei uns echt nicht rosig aus. Wir verdienen gerade eben zu viel für diverse Sozialleistungen (zB Übernahme Kita-Gebühren) und eigentlich zu wenig zum Leben. Wir müssen uns echt zurückhalten. Nach Abzug von Miete und Fixkosten haben wir noch 600 Euro übrig. Ich bete jeden Monat, dass kein größeres Haushaltsgerät den Geist aufgibt. Dieses von der Hand in den Mund macht mich fertig. Ich bin inzwischen 30 und kann mir nicht mal einen Friseurtermin leisten.

Was sind die Alternativen? Ich könnte meinen Partner bitten wieder richtig arbeiten zu gehen, ich könnte in meinen alten Job zurück. Oder ich sitze die Situation die nächsten vier Jahre aus. Aber kann man das schaffen? Ich wollte immer zwei Kinder haben. Während der Promotion ist das aber auf keinen Fall möglich.

Jetzt hab ich mich zwar einigermaßen erfolgreich verändert, aber ich stehe viel schlechter da als vorher. Habt ihr eine Idee was ich tun kann?

21

Warum genau musst du denn promovieren? Was ist der Vorteil, den Du dir davon versprichst? Und wie realistisch ist es, dass Du wenn Du dein Ziel erreicht hast, wirklich in deiner Lebensqualität besser dastehst? Hast du sichere Chancen auf einen höher qualifizierten Beruf zu dem Du bisher ohne Studium keinen Zugang gehabt hast? Ist dieser Jobbereich dann auch realistisch mit zwei Kindern zu händeln? Sind Zeit und Aufwand dein Privatleben mit dem Beruf zu verbinden gegenüber dem Gehalt gerechtfertigt?

Wenn Du jetzt nur eine Durststrecke überwinden musst, an dessen Ende statistisch ziemlich sicher ein gut bezahlter, so gut wie sicherer Job steht, dann würde ich Dir raten, mach weiter.

Wenn es aber überaus unsicher ist und die Arbeitsmarktzahlen so lustige Dinge sagen wie .... einigermaßen sicher ist, dass du mit dem Studium innerhalb von 5 Jahren eine Festanstellung finden wirst mit einem Realgehalt von 10-15 € die Stunde (das war die Prognose für meinen Studiengang vom Arbeitsamt, die einmal jährlich zu uns kamen), dann solltest Du dir ernsthaft überlegen, ob es das wert ist.

Manchmal hat man hohe Ziele, möchte sich verbessern. Weiterentwickeln. Und das ist auch gut, aber mit einer Familie, ist man auch sehr gebunden und benötigt eine feste finanzielle Basis und - und das kann ich dir aus eigener Erfahrung sagen - man kann sich auch leicht durch langes studieren kaputt bilden.

Diese ständigen finanzielle Angst im Nacken, die Fragen der Familie und der Umwelt, was man damit macht und davon hat. Kaum planbares Geld, weil immer noch der Antrag hier und dort gestellt werden muss, auf dessen Bescheid man wochenlang wartet, und dann der exorbitante Leistungsdruck und Anspruch an sich selbst. Und das alles mit Kindern. Das ist eine Monsterleistung.

Aus Vernunft habe ich 2010/11 nach dem Bachelor den Master begonnen. Es hieß der Bachelor würde der Wirtschaft nicht reichen, Studium Bolognese. Wer eine Chance haben wolle, sollte sich höher qualifizieren. Ich habe den Bachelor und Master mit 1 abgeschlossenen und mein Dozent für die Masterarbeit wäre Feuer und Flamme gewesen mich bis zum Dr. zu begleiten, aber ich habe - völlig ausgebrannt, seelisch, körperlich und vor allem finanziell am Ende- nach dem Master die Reißleine gezogen und mir gesagt: Ich bin mir selbst genug. Ich könnte es vom Kopf alles packen, aber ich bekomme einfach zu wenig für mich und meine Lebensqualität zurück.

Trotz der wenig berauschenden Prognose habe ich innerhalb von 18 Monaten nach ein paar komischen Jobs eine gute Festanstellung gefunden. Ich muss dazu sagen, ich arbeite zwar unter meinen Möglichkeiten. - Meine Chefs sind der Meinung ein Master sei schon besser, aber meine Aufgaben sind auch für einen nicht ganz fertigen Bachelor ohne Probleme zu bewältigen. Einen Dr. hätte ich sicher nicht gebraucht. - Ich habe aber einen Job mit dem man alt werden kann und verdiene dass 3-4 fache zu vorher, muss aber höchstens 1/3 an Kraft und Mühe abrufen im Vergleich zu Studienzeiten. Ich muss nicht Mal VZ arbeiten.

Ganz ehrlich. Da scheiß ich lachend auf meine Qualifikationen und Möglichkeiten.

Ich kann plötzlich in den Urlaub fahren und weiß wovon. Ich muss nicht von meinen letzten 5 Euro den Wochenendeinkauf fur mich und meine Tochter bestreiten. Ich musste nicht überlegen, als mein einer Zahn gezogen werden musste, wie ich das Implantat finanziere. Zu Ostern machen wir eine Freizeitparktour und holen nach, dass wir früher nie in einen gehen konnten. Und: Ich hab endlich Zeit für Freunde. Vorher war Freizeit außerhalb von Uni und Kind ein absolutes Fremdwort für mich. Ich wollte schon sehr und habe sehr darunter gelitten, aber es war nur in geringem Umfang möglich und viele konnten das nicht verstehen.

Ich liebe es diesen Job zu haben und würde ich heute meinen Dozenten treffen, würde ich ihm sagen. Meine Doktorarbeit wäre sicher klasse geworden, aber um nichts in der Welt möchte ich noch Mal so einem Stress und so einer Unsicherheit ausgesetzt sein, wie damals.

Manchmal muss man sich überlegen, ob das was man hat nicht schon reicht, um an das zu kommen, was man wirklich fur sich braucht. Und ob man damit dann nicht glücklicher lebt, als wenn man einer Urkunde und einem Zertifikat nach dem nächsten hinterherjagt, bloß weil man es könnte.

Bildung ist immer gut, aber Leben können, das muss man doch auch! Und wenn Du promovierte, dann hast du ja schon Qualifikationen, die fürs Berufsleben nicht zu verachten sind.

Sicher habe ich auch Glück gehabt....aber die Uni....ist nicht in jeder Fachrichtung ein guter Arbeitgeber. Es wird oft viel verlangt, für sehr wenig Geld. Und irgendwann braucht man das eben doch.... aller Ideale zum Trotz.

25

Gute Antwort #pro

26

#pro

Ich habe ebenfalls promoviert und habe jetzt einen gut bezahlten Job. Jedoch hätte ich diesen auch ohne den Dr. erhalten. Dieser wird meiner Meinung nach völlig überschätzt und wird lediglich als "Titel" gesehen, den man stolz vor sich rumtragen kann (gibt ja genügend, die unbedingt mit Dr. angesprochen werden wollen).

Wenn ich sehe, was mein alter Kollege als Prof. an der Uni verdient und was ich verdiene, da liegen zwar keine Welten, aber dennoch kann man sagen: Die Strapazen haben sich für ihn nicht wirklich gelohnt.

weiteren Kommentar laden
1

Hallo,

du könntest Vollzeit arbeiten.


vg
novemberhorror

2

Das ist ein netter Vorschlag, allerdings nicht in der jetzigen Konstellation. Vollzeit könnte ich in einem anderem Beruf arbeiten. An der Uni geht nur Teilzeit, weil ich den Rest des "Arbeitstages" mit der Promotion beschäftigt bin.

30

hmmmm, also mit Kind dann abends noch schreiben stelle ich mir wirklich schwer vor.
Ich arbeite Vollzeit an der Uni und promoviere gerade, bin aber auch erst schwanger und habe noch kein Kind.

Eine Kollegin hat ein Stipendium genommen. Dadurch konnte sie sich dann ein Jahr auf Ihre Diss konzentrieren und hat dafür Geld bekommen. Vielleicht wäre sowas bei dir auch möglich. Dann kannst du dich voll auf deine Diss konzentrieren. Die Frage ist natürlich, wie weit du schon bist, wenn du erst angefangen hast, wird dir ein Stipendium von einem Jahr nicht viel bringen.

weitere Kommentare laden
3

Eigentlich hast du die Alternativen schon aufgezählt.
Ungünstig ist natürlich, dass ihr eich beide gleichzeitig umorientiert und dann auch noch in die Familienplanung einsteigt.

Also: Entweder ihr gebt einen der Pläne auf oder ihr müsst die Zeit eben durchstehen.
Ein 2. Kind wäre in der Situation aber wohl mehr als ungünstig.

Ist denn der Doktortitel in deinem Bereich wirklich notwendig für eine gute Stelle?

Ansonsten: Doktorandenstelle an den Nagel hänge, Vollzeitjob suchen, Kinderbetreuung mit dem Mann aufteilen und zusehen, dass er sein Studium flott durchzieht.
Danach dann das zweite Kind - das wirft eich ja sonst wieder völlig aus der Bahn.

Vg Isa

4

Danke für deine Analyse. So wirklich glücklich war die Planung wirklich nicht. Allerdings finde ich es mit Kind nicht wesentlich schwieriger. Ich kann zum Beispiel trotzdem an zwei Tagen abends noch einen Sprachkurs geben und schaffe mein Arbeitspensum gut. Ich bin übrigens in einem ziemlich "akademischen" Feld tätig. Der Titel ist schon sinnvoll, da es außerhalb der Uni nicht gerade viele Einsatzgebiete gibt.

Das Problem ist eher, dass mein Partner jetzt quasi aus dem gemeinsamen Plan ausgestiegen ist. Das kann ich ihm natürlich nicht verübeln und versuche auch, ihn zu unterstützen. Er soll ja meinetwegen auf nichts verzichten. Ich will eigentlich noch nicht aufgeben, aber ein bisschen mehr finanzielle Sicherheit würde mir echt helfen.

5

Aber sich dann umzuorientieren in ein Feld, wo es sehr wenige Stellen gibt und man einen Doktortitel braucht ist natürlich nicht sehr geschickt gewesen. Und anstelle Deines Mannes würde ich erwarten, dass Du nun auch seine Umorientierung tatkräftig unterstützt. Augen auf bei der Berufswahl... wenn man sich mit 26 umentscheidet sollte das auch im Hinblick auf Studiendauer und Verdienstmöglichkeiten und Arbeitsplatzangeboten Hand und Fuß haben...

weitere Kommentare laden
6

Hast du denn Aussicht, nach der Promotion sofort eine Vollzeitstelle an deiner Uni zu bekommen? Und zwar unbefristet? (Ich habe selbst promoviert und diese 3-Monats-PostDoc-Verträge sind echt Mist. Da kann man nämlich auch mit erfolgreicher Promotion nichts planen, geschweige denn Geld verdienen. Dauernd umziehen ist auch nicht so prickelnd für die Familie).

Du musst dich entscheiden, was du am meisten willst: Karriere oder zweites Kind. Beides gleichzeitig geht in deiner derzeitigen Lage nicht.

7

Was Du tun kannst?
Die momentane Situation noch eine Weile ertragen oder einer sucht sich einen zweiten Job, stockt die Stundenzahl auf, was auch immer.
Du könntest Dir z.B. eine Teilzeitstelle in Deinem erlernten Beruf suchen: Ich könnte mir vorstellen, das da mehr 'rausspringt als bei der Doktorandenstelle.
Das Problem mit z.B. ALG2-Anspruch ist, das keiner von Euch dem Arbeitsmarkt tatsächlich zur Verfügung steht. Und das habt ihr Euch bewusst so ausgesucht. Jetzt zu klagen, das man sich nix leisten kann, finde ich ein wenig 'widersprüchlich'.

Habt Ihr Euch mal auf Stipendien beworben?

Grüsse
BiDi

8

Wie sieht dein Partner die Situation im Moment?

Mein Mann wollte sich vor einigen Jahren auch umorientieren, wir haben uns zusammen gesetzt. Er hat ein Praktikum gemacht und nach reiflicher Überlegung uns dagegen entschieden. Es hätte ihm zwar Spaß gemacht, es wäre aber ein finanzieller großer Rückschritt gewesen. Auch in der Zukunft hätte es keinen Mehrwert gegeben.

Wenn dein Mann durch ist damit, wie sieht es dann aus? Setzt euch als Paar zusammen und sprecht darüber.

9

Beten, dass kein HH Gerät kaputt geht, bringt gar nichts.
Der da oben schafft es nicht mal, dass keine Kinder mehr Kriegsgebieten sterben müssen.
Aus der Kirche austreten wäre also ein Ansatz, um Geld zu sparen, dass man anderswo (regelmäßige Spenden an vertrauenswürdige Organisationen) auch viel besser stiften kann.

Kannst Du auf 25 oder 30 Stunden aufstocken?

Warum studiert er und was würde er "richtig arbeitend" denn verdienen? Aufstiegschancen oder Ende Fahnenstange schon erreicht? Mannkann auch berufsbegleitend studieren an Uni, FH, FOM oder was auch immer. Ist Streß, kostet auch mehr Geld, aber man kann dann Vollzeit arbeiten gehen. Ich kenne mehrere, die das durchgezogen haben ... da studiert man dann auch nicht 4 Jahre, sondern ist heilfroh, dass man nach 3 Jahren feddich ist.

10

Hallo!


das ist nur eine Idee aber vielleicht kann euch jemand in der Familie ein bissi unterstützen?


ich komm auch nur gut über die Runden weil ich damals meinen Opa gefragt habe ob er mir monatlich bisschen Geld geben kann ... muss aber auch sagen das ich den Kontakt zur Familie sehr Pflege also mich immer melde nicht nur wenn ich was brauch...


aber vielleicht hat da jemand einen hunderter über !

12

Habt Ihr Euch mal die Karten gelegt, wie das in 5 und in 10 Jahren aussehen könnte?

Wo arbeitest Du dann?
Was ist der durchschnittliche Verdienst dieser Stelle?
Der durchschnittliche Verdienst Deines Partners nach dem Studium?
Wie stehen die Chancen für ihn auf Festanstellung? Wo (örtlich), bei wem, Arbeitszeiten die diese Tätigkeit üblicherweise mit sich bringt?
Auto notwendig ja, nein?
Welche beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten hast Du?
Wie abhängig bist Du vom Arbeitgeber?
Gibt es Zusatzqualifikationen welche Du später ablegen kannst um damit in die freie Wirtschaft zu wechseln?

Wo und wie wollt Ihr leben?
Wie sieht das aus, wie fühlt sich das an?
Kind mit 35 oder 40 auch noch vorstellbar?

Male Dir mit Deinem Partner ein Bild von der Zukunft, damit Du weißt warum Du das alles tust. Dann habt Ihr ein Ziel, eine Vision und könnt auch ein "saure Gurken Zeit", so wie jetzt, viel leichter durchhalten.

Zudem finanzielle Situation durchforsten, wenn nicht schon geschehen. Oft gibt man für das Kind mehr aus, als es sein müsste (nach dem Motto, das Kind kann ja nix dafür), sprich Klamotten second hand usw., großer Kostenfaktor ist "ausser Haus essen". Sowas wie Bäcker morgens, Kaffee unterwegs usw.
Versicherungen, sofern Ihr welche habt, kündigen. Lediglich Haftpflicht behalten und selbst die würde ich in Frage stellen.
Excel-Vorlage suchen um ein Haushaltsbudget zu führen, das mal sehr konsequent 2-3 Monate führen.

Wenn ich Eure Situation so von Außen betrachte, ist das gar nicht so schlimm. Ihr seit ja im Moment gefühlt fast ganz unten angelangt und könnt trotzdem Euren Alltag bestreiten, das Kind versorgen und gleichzeitig könnt Ihr Euch beruflich weiter entwickeln. Das sind mehr Möglichkeiten, die anderen Menschen oft ein Leben lang verwehrt bleiben (die Erkenntnis kommt einem oft erst, wenn man mal in ärmere Länder reist). Es gibt Paare welche keine Kinder bekommen können, die aufgrund des sozialen Umfelds (Eltern, Freunde) sich nicht weiter entwickeln usw.
Da habt Ihr schon mal ganz schön viel auf der Haben-Seite.

Die berufliche Situation wird sich für jeden von Euch tendenziell verbessern. Es bleibt ja nicht so wie es ist (ob Ihr wollt oder nicht).

Das Einzige was weh tut, ist der Vergleich mit anderen, da darfst Du dann an Deinem inneren Wachstum "arbeiten".

23

Gehe mit deinem Text konform, bis auf diesen Satz:

"Lediglich Haftpflicht behalten und selbst die würde ich in Frage stellen."

Die Haftflichtversicherung würde ich nie in Frage stellen. Passiert etwas, so kann es einen ohne Versicherung die Existenz kosten. Und kann man nicht zahlen, so ist man ohne Haftflichtversicherung ein Risiko für andere Menschen, da diese auf ihrem Schaden sitzen bleiben. Auch uncool #zitter

27

Als Student (junger Mensch) ist es auch fahrlässig keine BUZ zu haben.
Ein Unfall und die Existenz ist ebenfalls hops.
BUZ und HP ist Pflicht!