Meine Schwester wird von ihrem Freund geschlagen

Hallo,

Ich bin gerade ziemlich ratlos. Ich habe erfahren das meine Schwester von ihrem Freund geschlagen wird. Ich habe sowas schon eine Weile vermutet, aber es gab von Ihrer Seite immer wieder Ausreden, woher die Spuren im Gesicht und am Arm kommen. Nun hat er Schluss gemacht und es ist aus ihr rausgebrochen was da schon seit einiger Zeit abgeht und ich habe versucht ihr gut zuzureden das sie doch etwas besseres verdient hat. Was nun mein großes Problem ist, sie hat auch ein Kind mit ihm. Der wohl einige Auseinandersetzungen mitbekommen hat, meine Schwester auch schon beschützen wollte und auch schon selbst vom Vater grob angefasst wurde. Nun lebe ich leider ziemlich weit weg und hatte gestern die letzte Möglichkeit meiner Schwester gut zuzureden, auch um des Kindes Willen. Heute Abend habe ich nun mit meiner Mutter gesprochen, die mir sagte das meine Schwester ihn wieder zurück will, weil sie ihn liebt. Scheinbar haben meine Worte nicht viel geholfen und ich mache mir nun auch sehr große Sorgen um meinen Neffen. Nun meine Frage, wo kann ich als nicht selber Betroffene Hilfe finden, auch ohne das meine Schwester diese Hilfe möchte. Ich mache mir wirklich große Sorgen um meinen Neffen. Und gestern hat sie die Übergriffe von ihrem bis jetzt noch Ex-Freund wieder kleingeredet. Ich sehe da leider keine Einsicht und weiß nicht wie ich wenigstens dem Kind helfen kann. Ich habe schon gegoogelt, aber da habe ich nur Angebote für geschlagene Frauen gefunden. Mittlerweile fühlt sich mein Kopf auch total leer an, vom vielen Nachdenken. Ich hoffe mir kann hier jemande helfen.

Danke schön schon mal im Vorraus.

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Hallo,

ich kann Deine Sorge sehr gut verstehen.

Ich denke, es würde nicht schaden, mit den Hilfestellen für misshandelte Frauen zu reden. In der Regel beraten die sicherlich auch öfter mal Angehörige, wie Dich.

Ich habe selber eine solche Beziehung hinter mir - dass Deine Schwester das erste Mal offen mit Dir gesprochen hat, ist schon ein großer und wichtiger Schritt.
Biete Ihr weiterhin Deine Unterstützung und ein offenes Ohr an.
Die größte Angst ist es in dieser Situation, dass die Familie sich abwendet, weil man (noch) nicht die Kraft hat, der Beziehung zu entfliehen. Zeig ihr, dass Du da bist.

Und hole Dir dafür Unterstützung / Rat von einer Beratungsstelle.
Natürlich kannst Du Dich auch an das Jugendamt wenden.
Diesen Schritt würde ich aber noch nicht sofort gehen - es sei denn Du fürchtest wirklich akut um Leib und Leben Deines Neffen.
Solange Deine Schwester aber noch nicht bereit ist, wird sie dem Jugendamt höchstwahrscheinlich nicht die Wahrheit sagen und es passiert im schlimmsten Fall, dass das Jugendamt nichts tut und Du zusätzlich das Vertrauen Deiner Schwester verlierst.

Aber lass Dich da am Besten von Fachleuten beraten, die werden Dir sicherlich Möglichkeiten aufzeigen.

Ich wünsche Dir viel Kraft und für Deine Schwester und Deinen Neffen einen glücklichen Ausgang der Geschichte.

Liebe Grüße,
Tina

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Hallo Tina

vielen Dank für deine Worte. Ich kann mich in die Situation meiner Schwester schwer hineinversetzen und habe mir das Gehirn zermartert, warum sie so fühlt und reagiert. Von jemandem der selbst Betroffen ist, zu hören was denjenigen der in so eine Beziehung gefangen ist, bewegt hat mir schon geholfen. Ich werde versuchen weiterhin für sie da zu sein.

Akute Gefahr für meinen Neffen besteht wohl nicht, da ihr Ex-Freund dort nicht mehr richtig wohnt, er hat zwar noch einen Schlüssel. Aber seine letzte Aussage ist, das er die Beziehung zu meiner Schwester nicht mehr möchte. Ich hoffe natürlich das es dabei bleibt. Wie kann ich meine Schwester denn darin bestärken, diese Beziehung auch abzuhaken? Nicht das sie wieder umkippt wenn er in einigen Tagen oder Wochen doch wieder zurück kommt?

Kann vielleicht ein räumlicher Abstand helfen. Ich habe ihr angeboten mich hier besuchen zu kommen, um mal rauszukommen.

Liebe Grüße

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Ich freue mich, wenn ich Dir helfen kann.

Es ist schwer zu erklären, was jemanden der betroffen ist, in der Beziehung hält.
Bei mir war es in allererster Linie Angst (jemand der gewalttätig ist, nimmt meistens auch eine Trennung nicht gerade entspannt hin), aber auch Ohnmacht. Vor allem hat es lange gedauert, bis ich die Kraft gefunden hatte, diesen Schritt zu gehen.

Es erfordert allein schon so viel Kraft, sich selbst einzugestehen, dass man ein Opfer von Gewalt ist und dass es eben nicht normal und in Ordnung ist, wie die Beziehung läuft.

Dass Deine Schwester sich offenbart hat, ist ein guter Schritt. Es zeigt, dass sie verstanden hat, dass sie Hilfe braucht.

Wenn der Mann jetzt tatsächlich von sich aus geht, wäre das die beste und einfachste Lösung.

Ein Aufenthalt bei Dir klingt auch nach einer guten Idee. Es wird Deiner Schwester mit Sicherheit helfen, aus ihrem gewohnten Leben zu kommen, das öffnet auch die Augen für alles was falsch läuft.
Wenn man mittendrin steht, ist es unglaublich schwer zwischen richtig und falsch zu unterscheiden.

Ich wünsche Euch viel Kraft

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Mehr als Reden und Hilfe anbieten kann man nicht. Sie ist erwachsen und selbst verantwortlich. Halte Dich raus, so schwer es Dir fällt, manchen kann man nicht helfen, so schlimm das auch ist.

Bleibt nur zu hoffen, dass dem Kleinen nix passiert, schon beschissen, dass er mitnichten mitbekommt, dass der Vater seine Mutter schlägt und sie ihn zurückwill.

Schlechtere Vorbilder bekommt man kaum.

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Dein Rat ist also wirklich, das ich meinem Neffen nicht helfen soll und ihn im Umfeld eines schlagenden Vaters lassen soll, solange meine Schwester keine Hilfe will.#schock

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Ich würde mich an das Jugendamt im Wohnort deiner Schwester wenden. Zum Schutz deines Neffen bist du sogar moralisch verpflichtet, nicht weg zu sehrn sondern zu handeln. Weg sehen hilft niemandem. Schon gar nicht einem schutzlos Kind.

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Hallo,
es gibt eine Hotline vom „weißen Ring“. Mein Schwager arbeitet doch ehrenamtlich. Dort kannst du anrufen. Ich denke, dass sie dir sagen können, an wen du dich am besten wendest.
Wünsche deiner Schwester viel Kraft

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Unter dem Vorbehalt, dass ich viele Horrorstories über Jugendämter und bei uns in der Schweiz über das KESB kenne, trotzdem wäre das eigentlich meine erste Anlaufstelle.

Wenn sich eine erwachsene Frau das Hirn aus dem Leib prügeln lassen will, dann sehe ich dies bis zu einem gewissen Grad als ihre private Entscheidung an. Sind Kinder involviert, sehe ich dies deutlich anders. Deshalb wäre es mein Weg, dem erwachsenen Opfer klar zu machen, dass Kind und Gewaltbeziehung nicht miteinander verknüpft werden dürfen, ich würde eine Frist einräumen, und wenn diese ungenutzt verstreicht (sprich weder Täter weggewiesen wird, noch Kind anderweitig untergebracht wird) würde ich eine Gefährdungsmeldung machen.
Zugegeben, ich bin in der Hinsicht relativ kompromisslos. Einerseits kam es mit meinem Exmann auch zu Situationen, die nicht kompatibel sind im Umfeld von Kindern, entsprechend habe ich reagiert, zudem habe ich die Situation zweimal erlebt bei Freundinnen, eine ist aufgewacht und begann zu handeln, bei der anderen kams zur Gefährdungsmeldung (hätte ich gemacht, aber die Schule der Kinder war schneller).

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Ich habe eben auch so meine Bedenken was die Jugendämter angeht. Man hört oft nicht so gute Dinge, wie dort mit Familien umgegangen wird. Aber mir ist auf Anhieb eben auch keine andere Anlaufstelle eingefallen. Hier wurde mir der weiße Ring genannt. Dahin werde ich mich erstmal wenden. Akute Gefahr für meinen Neffen besteht jetzt nicht, da der Vater anderweitig untergekommen ist. Wenn er dort allerdings wieder richtig einzieht, sehe auch ich mich gezwungen drastischer einzugreifen. Ich könnte es mit meinem Gewissen nicht vereinbaren zugesehen zu haben.

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Huhu

Ich kann dir nur aus der situation eines betroffenen kindes schreiben:

Mein erzeuger schlug meine mutter auch und natürlich habe ich es mitbekommen.

Sie dachte, ich merks nicht, aber ich habs gemerkt.
Ich erinnere mich, dass er sie sogar mal versucht hat, im suff zu erwürgen, aber meine mutter war stark genug, ihn wegzutreten.
Da hat er es gelassen und nie wieder versucht. Ich lag neben ihr im bett und hab vor angsz so getan, als ob ich geschlafen habe.

Ich hatte jeden tag angst und hab mein leben als hölle empfunden.

Erst als ich 5 war und er unsere wohnungstür jeilig abend einschlug UND meine mutter von allen nachbarn hilfe bekam, ihr gut zugeredet wurde, unterstützung und schutz vor ihm angeboten wurde,... war der alptraum vorbei. Auch meine Großeltern haben viel geholfen.

Ich hatte lange zu knabbern daran, war in Behandlung zwecks Verarbeitung.... viele Jahre.

Als mein erzeuger seine letzten sachen packte, sagte ich mit meinen erst 5 jahren zu meiner mutter:
"endlich ist das monster weg!"

Da hat sie erst realisiert, was ich alles mitbekam.

Sie wollte ihre "heile familie" nicht kaputt machen, hatte angst, eine trennung nicht zu überleben, hatte angst vor veränderung, hatte angst, allein zu sein.
Erst als sie wusste, dass sie nicht allein ist und schutz und hilfe hat, hat sie den mut gefunden. Und mein erzeuger war nur noch kleinlaut, kam angebettelt und sie hat ihn eiskalt abblitzen lassen und hat genossen, ihn mal so hilflos zu sehen. Und ich auch.

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Vielleicht kannst du zu gegebener zeit deiner schwester auch meinen Text zeigen ubd sie realisiert, was einem kind durch häusliche Gewalt angetan wird. Vielleicht kannst du den Jubgen ermutugen, seiner Mutter die Meinung zu sagen, die er dazu hat. Denn ich bin sicher, dass sie nicht bewusst weiß, was sie mit ihrem "an dem typen festhalten" dem kind antut.

Sie muss aber auch merken, dass die nicht allein ist. Sie braucht Ablenkung, ein offenes Ohr, jmd, der ihr liebevoll und bestimmt den Kopf grade rückt, professionelle hilfe für sich und den Jungen.

Du selbst kannst dich vielleicht mal bei der Gleichstellungsbeauftragten eurer Gemeinde beraten lassen, was du tun kannst. Die sind auch für sowas zuständig. Unsere hier macht das z.b. echt toll.
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Alles Gute für dich!

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Ps. Nimmt sie den typen wirklich zurück, geh bitte zum Jugendamt. Wirklich. Dann hast auch nicht du das Verhältnis deiner Schwester zu dir zerstört sondern sie selbst, auch wenn sie es anders sehen wird.
LG

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Auch dir vielen Danke für deine Antwort. Ich habe schon befürchtet das die Verarbeitung solcher Erlebnisse in der Kindheit viele Jahre dauert. Ich habe die Befürchtung das meine Schwester denkt, das es ok ist, solange mein Neffe nicht geschlagen wird. Ich muss noch etwas Kraft tanken und werde mich dann mit dem Weißen Ring in Verbindung setzen. Außerdem werde ich bald nochmal in meine alte Heimat fahren und selbst schauen wie es ihr geht und nochmal mit ihr reden. Und ihr versuchen deutlich zu machen wie sehr sie ihrem Sohn schaden würde, sollte sie den Vater wieder zurücknehmen.