Umgang mit Depressionen? Burn Out? Sinnkrise?

Hallo Ihr,

mein Ehemann (37) war immer der Starke in unserer Beziehung, seit circa einem halben Jahr bröckelt da was.
So richtig offensichtlich ist es seit 2 Monaten. Zuerst wollte er zum ersten Mal "offiziell" frischen Wind in unsere Ehe bzw. unser Leben bringen... Das hat mich damals überrascht, aber okay... Er war zu dem Zeitpunkt allerdings hochmotiviert und schien guter Dinge.
Wir haben also viel Neues für uns zugelassen und einander nochmal neu erleben können. Auch die Gespräche wurden seit langem nochmal offener. Immer mal wieder habe ich aber auch da schon Angst gehabt. Angst, dass etwas anderes dahinter steckt, dass er sich doch irgendwo nach etwas anderem sehnt. Dies habe ich auch angesprochen und er hat mir zunächst immer versichert, dass er sich weiterhin Familie und Ehe wünscht.

Seit kurzem bricht es jetzt aber aus ihm heraus: Er stellt sein Leben in Frage, erfragt sich, ob er unsere Kinder und mich genug liebt, er fragt sich, ob er überhaupt lieben kann, er fragt sich, ob er bindungsunfähig ist, er ist genervt von dem "Druck" den das Vater-sein bedeutet, etc... Es geht also richtig in die Tiefe. Das sind die Themen, die die Familie betreffen.

Er ist aber auch allgemein verändert: Es fehlt ihm der Antrieb, er freut sich auf nichts mehr so richtig, er hat immer Sport getrieben und sieht nun keinen Sinn mehr darin, er kann keine Entscheidungen mehr treffen, er ist unzufrieden, weiß aber auch nicht, was er ändern soll.
Das Funktionieren-Müssen findet er das Schlimmste.

Da er eigentlich ein sehr rationaler Typ ist, ist er mit der momentanen Situation total überfordert. Er sagt, er stelle sich manchmal vor, wie es sei auszubrechen, wisse aber irgendwo, dass das dann auch nicht die Lösung sei.
Ich habe ihn auch gefragt, ob dahinter einfach nur der Wunsch nach Trennung steckt... Er verneint das, sagt er habe Gefühle für mich und die Kinder - käme nur zur Zeit nicht daran...

Er hat leider keinen besten Freund, mit dem er mal reden könnte.

Für unsere Beziehung ist die Sache ziemlich schlimm, ich weiß kaum, was ich tun oder lassen soll ohne im Druck zu machen. Ich habe ihm zwischendurch immer mal wieder Nachrichten geschickt oder ihn mal gedrückt - um ihn zu unterstützen bzw. ihm zu signalisieren, dass ich da bin. Aber ich habe den Eindruck, er macht immer mehr zu.

Was am Anfang als Ehekrise daherkam, ist jetzt irgendwie etwas anderes geworden. Er funktioniert aber weiterhin (= vor allem im Job). Gestern morgen meinte er: Wäre es Dir lieber, wenn ich hier depressiv im Bett liegen würde? Da habe ich erst rictig gemerkt, wie schlecht es ihm geht.


Das, was momentan noch läuft, bwz er gut abliefern kann, ist sein Job. Er arbeitet sehr viel, ist sehr eingespannt, aber er sagt, das sei für ihn nicht belastend.... So richtig nehme ich ihm das nicht ab, der Job (erst seit einem guten Jahr dort) hat sein Leben schon nochmal sehr verändert.

Er hat mir jetzt gesagt, dass er gemerkt hat, dass er an sich arbeiten muss. Ich sehe das eigentlich nicht so einseitig, will ihn aber trotzdem Ernst nehmen. Er will keine Psychotherapie, er würde aber gerne jemandem mal sein Herz ausschütten.

Soweit so gut. Mit der derzeitigen Instabilität komme ich allerdings kaum zurecht #schmoll

Etwas, was ich immer wieder höre und lese ist: Gib ihm Zeit, sei geduldig, stelle keine Ansprüche....Das fällt mir extrem schwer. Es ist hier kaum noch ein unbelastetes Gespräch möglich, da ich offenbar viel Erwartung ausstrahle, er es aber auch nicht gut aushalten kann, wenn ich mich zurückziehe.

Ich will für ihn da sein. Aber wie?
Ich will aber auch meine Kinder (und mich) schützen...Die merken natürlich, dass es ihm/uns nicht gut geht...

Ich kriege hier den Alltag soweit gut hin, aber zwischendurch macht mich das alles ganz schön fertig #gruebel. Ich schwanke immer zwischen hoffnungslos und hoffnungsvoll.

Was ist das: Sind das Depressionen? Midlife-Krise? Burn-Out?

Kann mir jemand aus seinen Erfahrungen berichten. Würde mich freuen!

1

Hallo,

"Etwas, was ich immer wieder höre und lese ist: Gib ihm Zeit, sei geduldig, stelle keine Ansprüche....Das fällt mir extrem schwer"

Ich weiß nicht, warum sich dieses Märchen bei depressiven Episoden so hartnäckig hält, dass es besser sei für denjenigen, der unter einer depressiven Verstimmung oder sogar Störung leidet, bitte von Ansprüchen verschont bleiben solle. Erstens überfordert das Angehörige, die auch ihre eigenen Bedürfnisse haben, und zweitens führt das indirekt dazu, dass derjenige in seinem Zustand gefühlter Hilflosigkeit belassen und auch noch unterstützt wird.
Weiterhin ist dein Mann selbstverantwortlich für seine psychische Stabilität, er ist erwachsen und du kannst ihm mitteilen, dass du ihn gern bei seinem Weg zur Stabilität begleitest, aber nicht die volle Unterstützung und Verantwortung übernehmen wirst. Das kannst du schlicht nicht leisten. Das MUSS ihm klar werden. Und sag ihm ruhig auch, dass die Situation, wenn sie so bleibt und er sich keine Hilfe sucht, euer Zusammenleben und dich sehr belastet. Momentan fängst du vermutlich noch sehr viel, vielleicht bereits zu viel, ab, und er hat noch keinen echten Leidensdruck; über kurz oder lang werdet ihr alle diesen jedoch empfinden, weil du einfach auch an deine Grenzen kommen wirst. Und die darfst du auch haben.
LG

6

Danke!

7

Ganz tolle Antwort.
Schade, dass man nur einen Stern geben kann#herzlich

2

. Er will keine Psychotherapie, er würde aber gerne jemandem mal sein Herz ausschütten.

Es gibt Beratungsstellen dafür. Das man sich einfach mal auskotzen kann. Hier sind das die Familienberatungsstellen der Kirchen, vll. gibt es bei euch auch so etwas?

4

Erst hatte er quasi alle Externen ausgeschlossen: Kein Psychiater, keine Medikamente, kein Psychologe. Er wolle nicht sein Innerstes zu oberst kehren.
Er dachte dann an eine Art Coach, würde aber gerne zu jemandem, der ihn und den er ein bisschen kennt. Ganz schön viele Ausschlusskriterien...

Jetzt meinte er gestern tatsächlich, er könne sich vorstellen mit einem Geistlichen zu sprechen. Das fand er ganz zu Beginn auch nicht geschickt, weil ein Priester ja keine Ahnung von Familien-und Eheleben hätte. Mal schauen, was daraus wird...

8

Dann soll er mit nem Evangelischen Pastor sprechen ;-)

3

Hallo,

ich verstehe, dass dich das belastet. Man möchte dem Partner helfen, aber irgendwie kommt man nicht ran.

Als erstes sollte er einsehen, dass es ihm nicht gut geht und wenn er sich nicht durch eine Therapie helfen lässt, könnte es schlimmer werden.
Durch Druck und Überredungen kommt man nicht ans Ziel.

Versuche einen Mittelweg zwischen Erwartungshaltung und dem Zurückziehen zu finden.
Ich bin mir sicher, dass es deinem Mann gut tut, dass du dich für ihn interessierst, aber er ist (noch) nicht bereit mit dir zu sprechen oder er weiss selber nicht woher seine Gefühle kommen - war bei meiner Depression damals so!
Ein kompletter Rückzug deinerseits könnte bei ihm so verstanden werden, dass du kein Interesse mehr an ihm hast, dass er dich mit seiner Art nervt und man steigert sich in diese negativen Gedanken hinein... bis man an ihnen zerbricht.

Versuche ihn so gut es geht zu unterstützen, wenn es sich bei ihm tatsächlich um eine Depressionhandelt, dann weiss er wahrscheinlich selber gar nicht was da mit ihm passiert und wird überhaupt nicht in der Lage sein seinen Geisteszustand irgendwie benennen zu können. Ich habe das damals auch erst mit der Hilfe einer Therapeutin geschafft überhaupt zu verstehen, was da in mir vorging.

Ich wünsche dir jedenfalls ganz starke Nerven und viel Kraft!

LG
Eine Leidensgenossin

5

#klee Danke!

9

Denke ihr bracht beide Externe Gesprächspartner. Das kann eine Beratungsstelle sein, ein Pfarrer oder auch ein Coach. Nicht gemeinsam, sondern jeder sollt für sich die Chance haben seine Gedanken zu ordnen.
Von Aussen kan niemand eine Diagnose abgeben - aber dein Mann leidet und du auch.

10

Ja... Ich werde mir auch jemanden suchen, denke ich...

11

Für mich klingt das schon stark nach einer Depression. Versuch mal, ihn zu einem Besuch beim Hausarzt zu bewegen. Auch Schilddrüsenerkrankungen und Vitaminmangel...können zu solchen Beschwerden führen. Lasst das unbedingt genauer abklären. Wenn da alles in Ordnung ist, wird der Hausarzt wohl dann geeignete weitere Wege aufzeigen. Aber lass da nicht locker!