Guten Abend, um meine Situation zu erklären, muss ich wohl etwas weiter ausholen. Ich hatte eine sehr schwere Kindheit. Meine Eltern waren noch sehr jung, als sie mich bekamen. 4 Jahre nach mir kam noch eine kleine Schwester dazu. Meine Mutter ist sehr ungebildet, hat in der Schwangerschaft ihre Ausbildung abgebrochen, und hat von Anfang an eine starke putzsucht entwickelt. Das ist bis heute ihr lebensinhalt. Meinen Vater würde ich als gebildet bezeichnen, hatte ebenfalls eine schwere Kindheit mit vielen gewalterfahrungen. Er war von Anfang an bei der Bundeswehr und nur am Wochenende zu Hause. Er ist eher ein Einzelgänger, stark auf seinem Computer fixiert, Spiel- und sexsüchtig. Er war mir gegenüber schon seit frühester Kindheit schwer gewalttätig. Als ich vier Jahre alt war, bauten sie ein Einfamilienhaus. Meine Mutter war den ganzen Tag mit aufräumen und putzen beschäftigt. Ich musste mich immer alleine beschäftigen. Ich kann mich nicht an eine Situation erinnern in meiner ganzen Kindheit, in der meine Mutter mir jemals etwas vorgelesen oder mit mir gespielt hat. wenn mein Vater am Wochenende zu Hause war, hat er sich sofort in sein Arbeitszimmer eingeschlossen, und am Computer gespielt. Er hatte kein Interesse, sich mit der Familie zu beschäftigen. Wenn etwas nicht nach Plan lief, oder wir Kinder anstrengend war, holte er den kochlöffel raus, und legt uns über das Knie. Dann verschwand er wieder in seinem Zimmer. Er hat meine Mutter von Anfang an betrogen. Auch in den Schwangerschaften. Meine Mutter wusste davon, wollte ihren lebensstandard allerdings nicht aufgeben. Sie war dennoch extrem unglücklich und hat ihren ganzen Frust in uns ausgelassen. Mein Vater hat sich in jeder freien Minute mit Affären getroffen. Ansonsten hat er extrem viel gechattet und Unmengen an Geld verbraten. auch nach der Trennung mussten wir bei jedem besuchswochenende neue Frauen kennenlernen. Auf seinem Computer entdeckte ich ohne große Anstrengung pornografische Bilder von ihm und einer Affäre, die mir jahrelang nicht mehr aus dem Kopf gehen wollten. Auch konnte ich ohne große Mühe Chat Verläufe erkennen, die einen Betrug eindeutig machten. Mein Vater war sich seiner Sache immer sicher, da er wusste, dass meine Mutter sich mit elektrogeräten kein bisschen auskannte. Er brauchte nicht zu befürchten, dass sie irgendwas findet. Ich bin mittlerweile 30 Jahre alt, und habe ein Kind mit einem sehr tollen Mann. Wir sind erst seit zwei Jahren zusammen. Es ging alles etwas schneller als geplant, aber ich würde ihn als meinen traummann bezeichnen. Davor hatte ich eine lange Beziehung mit einem sehr lieben Mann, der mich aber nach all den Jahren langweilte und wir auch sexuell nicht mehr kompatibel schienen.
In mir steigt eine große Panik auf, wenn ich mir vorstelle, dass mein Mann in meiner Abwesenheit Pornos schaut, sich selbst befriedigt, oder sich andere Frauen bei Instagram anschaut. Deshalb versuche ich vehement jegliche Situation zu verhindern, in der mein Mann alleine zu Hause ist. Wenn er draußen oder im Büro ist, habe ich überhaupt keine Angst vor Betrug. Ich habe nur Angst vor Betrug am Computer. Wahrscheinlich hat mich meine Kindheit so extrem geprägt, dass ich da jetzt nicht mehr rauskomme. Ich bin schon seit zwei Jahren in therapeutischer Behandlung. Trotzdem wird meine Angst nicht besser. Ich habe furchtbar Angst die Kontrolle zu verlieren. Ich habe mein Kind mittlerweile abgestillt und hätte somit wieder die Freiheit am Abend mal auszugehen. Ich habe aber eine solche Angst davor, dass ich lieber zu Hause bleibe und die Stellung halte. Ich schlafe jeden Tag mit meinem Mann, zum einen weil ich es schön finde und zum anderen weil ich dann hoffe, dass er nicht das Bedürfnis hat mich zu hintergehen.ich weiß, dass das alles nicht gesund von mir ist. Und ich weiß auch, dass ich irgendwann unsere Beziehung damit belasten werde. mir geht es wirklich schlecht damit, und meine Gedanken kreisen täglich darum. Habt ihr einen Rat für mich? Wie komme ich da bloß wieder raus? Wie kann ich einen Weg finden, seine persönliche Sexualität zu ermöglichen? Wenn ich mitbekomme, dass er sich unter der Dusche einen runtergeholt hat, habe ich zwei Tage extrem schlechte Laune. Das ist doch verrückt...
Angst vor Kontrollverlust
Ich wünsche Dir von Herzen einen Partner der dir für immer treu ist. Aber das kann dir niemand sagen und auch niemand versprechen. Menschen verändern sich manchmal -auch zum negativen. Du musst lernen, auf sowas gefasst zu sein. Wenn so etwas passiert, dennoch glücklich zu werden. Alleine mit deinem Kind. Abstand zu denjenigen zu gewinnen, die dir nicht gut tun. Dein Glück nicht so sehr abhängig von äußeren Umständen/ Verhalten anderer zu machen. Dich nicht unterwerfen und nicht zum Opfer werden.
Ja, das sagt man Therapeut auch immer! Und das weiß ich auch! Und selbst wenn er mich verlassen würde, wäre ich imstande ein gutes Leben zu führen. Und dennoch bleibt die Angst...
Dann hast Du das was wir meinen wahrscheinlich noch nicht richtig verinnerlicht.
Wenn Du diese negative Veränderung von ihm -wenn sie denn eintreten würde - mehr akzeptieren würdest und trotzdem glücklich sein könntest, hättest Du glaube ich keine Angst mehr.
Dann denkt man sich " wenn er es tut, kann ich nur hoffen, dass er es mit erzählt, damit ich mich trennen kann und einen besseren finde". " wenn er es mir sagt: dann gut zu wissen, dass wir nicht zusammenpassen!" " wenn er es mir nicht sagt ist es ein ****.."
Aber Angst.. hat man dann eigentlich nicht.
Vielleicht hilft es Dir, dich darin hineinzuversetzen was passieren würde, wenn Du selbst der Betrüger werden würdest. Manchmal wird man so, obwohl man es vielleicht anderseits nicht möchte und erstmal nichts dagegen tun kann. Weil man ein psychisches Problem hat.
Vielleicht kannst Du so mehr Empathie für die diejenigen aufbringen der so etwas dann macht & dadurch etwas Angst verlieren.
Jedenfalls bleibt dir nichts anderes übrig als den Kontrollverlust -das etwas schlimmes passieren kann - in Kauf zu nehmen. Du wirst niemals die Kontrolle von jemandem insofern besitzen, dass dich niemand hintergehen kann wenn er will. Dein Mann kann Dich in sehr vielen Dingen hintergehen wenn er das möchte ohne dass Du es in der Hand hast und ohne dass Du es merkst. Du kannst niemals eine 100%ige Sicherheit haben.
Mir hat es sehr geholfen, mich mit meiner Angst (vor Krankheiten, Tod) auseinanderzusetzen. Meditation ist da für mich ein guter Rahmen. Ich setze mich also mit meiner Angst auf das Kissen und dann unterhalten wir uns:
Warum ist sie da? Wovor will sie mich schützen?
Kann sie das? Bietet sie tatsächlich Schutz?
Meine Angst kommt in absolut guter Absicht. Sie möchte, dass ich aufpasse, Acht gebe, damit niemand stirbt.
Aber sie kann mich nicht schützen, zumindest nicht so sehr, wie sie das behauptet. Sie ist wie so eine Helikoptermutter, die völlig übertreibt in ihrer Sorge und dabei das Leben verhindert..
Und sie macht mir das Leben damit unnötig schwer, ohne dass, ohne das zu leisten, was sie verspricht.
Ich habe in vielen Gesprächen mit der Angst meinen Frieden mit ihr gemacht: ich hab ihr fest versprochen, auf mich aufzupassen, aber in einem gesunden Rahmen. Wenn sie kommt, begrüße ich sie freundlich und unterhalte mich mit uhr. Dann wende ich mich aber auch wieder anderen Gefühlen zu: Dankbarkeit, Freude... die sind ja auch alle da, nur stellt sich die Angst manchmal so in den Vordergrund...
Was ich sagen will: ich hab nicht gegen das Gefühl gekämpft, sondern es angenommen und mich ihm so lange gewidmet, bis es reichte. Wichtig dabei ist, dass ich erkannt habe, dass ich nicht die Angst bin, sondern das sie nur ein Gefühl ist. Das kommt und geht. Und ich habe die Freiheit, mich ihr zuzuwenden oder eben nicht. Sie bestimmt mein Handeln nicht, sondern ich meinen Umgang mit ihr.
Wenn du also sauer auf deinen Mann bist, weil er sich unter der Dusche befriedigt hat, dann versuche mal deine Freiheit zu nutzen: du MUSST nicht sauer sein.
Darüber hinaus helfen mir zigtausend kleine Mantras und Geschichten im Alltag.
Kennst du die von der nassen Seife? Wie kannst du ein Stück nasser Seife festhalten?
Wenn du sie versuchst festzuhalten, dann flutscht sie dir aus der Hand. Wenn du sie auf der flachen Hand balancierst, dann bleibt sie liegen. Also: Lass los.
Let go, let god. (wobei ich nicht an einen personalisierten Gott glaube, wohl aber an Sinn)
Drop the thought. (Lass das grübeln, lass den Gedanken fallen)
Und google mal den Text "Gasthaus" von Rumi.
Es hat ein paar Jahre gedauert. Heute kann ich sagen, dass ich in mir einen Ort des Friedens gibt, an den ich kehren kann, wenn ein Sturm am Gemütshimmel tobt oder das Leben sich von seiner garstigen Seite zeigt.
Ein MBSR-Kurs vor Jahren war die Eintrittskarte. Hat mehr gebracht als Therapie.
Alles Gute dir.
Danke für deine ausführliche Antwort! Ich hatte Gänsehaut beim Lesen. Ich werde einige Ratschläge sicher beherzigen ♥️
Kopf hoch. Du bist doch schon so weit. Du weißt, dass du das "Problem" hast, du kennst die Ursachen. Was meinste, wie viele Leute in ihren Mustern gefangen sind, ohne das überhaupt zu bemerken?
Was ich auch sehr fruchtbar für mich fand, war die Arbeit mit inneren Anteilen. Man stelle sich sein Inneres als Wohnzimmer vor, in dem verschiedene "Anteile" personifiziert als Menschen aufhalten und sich irgendwie verhalten: bei mir findet sich da manchmal ein strenger Richter, der die Freiheitsliebende in mir maßregelt, dann ist da oft noch die Mutter, das innere Kind.... und man kann all diese Personen beobachten und befragen.
Bei dir will die Angst, Achtung Küchenpsychologie, bestimmt dein inneres Kind beschützen: es soll nie wieder passieren, was dir als Kind passiert ist.
Dafür kämpft die Angst.
Was kannst du also tun, um die Angst zu beruhigen? Kannst du den mütterlichen Anteil losschicken und sie in den Arm nehmen lassen?
Wenn ich komplett freidrehe, weil mein inneres Kind durchdreht, pack ich es gedanklich in ein Tuch und binde es der Mutter in mir auf die Brust.
Mein Richter wird manchmal genötigt, den Bademantel anzuziehen und sich zu entspannen.
Ich bin ein sehr visueller Typ. Mir hilft das ungemein. Und wieder ist da die Vorstellung, dass Angst, Mutter, Richter nicht ich sind: mein Wesenskern steht darüber, der ist unverletzbar, und schwebt als ordenende Instanz über dem Wohnzimmer...
Zur Arbeit mit inneren Anteilen gibt es gute Bücher. Ich war es irgendwann leid, einen Therapeuten zu suchen, der mich versteht.... ich bin da eher so Autodidakt a la Münchhausen: am eigenen Schopfe ziehe ich mich raus aus dem Sumpf.
Sei lieb mit dir und geduldig. Du schaffst das schon.
Ich hoffe du erkennst, dass du das Problem hast und nicht dein Mann. Er gab ja objektiv nie Anlass, an ihm zu zweifeln.
Durch deine Kindheit stellst du ihn aber unter Generalverdacht und kannst nicht vertrauen und das ist natürlich alles andere als fair.
Du musst da dringend an dir arbeiten und alleine wird das vermutlich eher nix... such dir Unterstützung!
Und rede mit deinem Mann über deine Sorgen und auch, warum du sie hast (also dass es eben NICHT an ihm liegt!).
Ich habe natürlich längst mit ihm gesprochen! Außerdem bin ich wie gesagt schon lange in Therapie! Wenn ich bei meinem Therapeuten war, bin ich 2 Tage entspannter, dann geht es wieder von vorne los. Ich weiß, dass das Problem alleine an mir liegt. Komischerweise hatte ich bei meinem Ex niemals das Problem. Er hat mir das Gefühl gegeben, sein ein und alles zu sein. selbst wenn sich eine Frau nackt auf sein Gesicht gesetzt hätte, hätte er mich nicht betrogen. Da war ich mir zu 100% sicher. Ich vertraue meinem Mann. Allerdings ist er ein bisschen anders als mein Ex. Er folgt irgendwelchen Models bei Instagram und schaut auch auf der Straße munter jeder Frau hinterher. Ich finde ihn wahnsinnig attraktiv in jeder Hinsicht und befinde mich jetzt natürlich auch in einer anderen Abhängigkeit. Auch habe ich mich nach der Schwangerschaft auch körperlich verändert.
Dann scheinst du "lediglich" nicht den richtigen Partner zu haben.
Liebe TE, du hast ein schweres Päckchen zu tragen. Ich denke nicht, dir und deiner Thematik mit einer Antwort in einem Forum gerecht werden zu können, möchte dir aber trotzdem eine Anregung mitgeben.
Du sagst, dass du bereits in Therapie bist, sich aber letztlich keine Verbesserung andeutet. Hast du bereits über einen Therapeutenwechsel nachgedacht? Denn so lange an einem Problem rumlaborieren und nach wie vor trotz Therapie weiterhin Leidensdruck haben ist in der Regel ein deutlicher Hinweis, dass die Therapie nicht die gewünschte Wirksamkeit zeigt. Manchmal liegt es an der Therapieform, dazu hast du nichts geschrieben. Mit größerer Häufigkeit jedoch liegt es an der Beziehung zwischen Therapeut und Klient.
Ich weiß, dass eine Therapeutensuche mühsam ist. Ich weiß aber auch, dass der falsche Therapeut manchmal größeren Schaden anrichten kann durch Verlängerung des Leidens. Denk mal drüber nach, wenn du magst.
Wenn Du nach wie vor diese großen Baustellen hast, dann wechsel dringend den Therapeuten, dass scheint nicht der richtig Mensch für dich zu sein.
Schau mal, ob es in der Nähe einen Wingwave/Hypnosecoach gibt, damit kann man Ängste hervorragend bearbeiten, besser als jeder Psychotherapie.
Mit Deinem Verhalten treibst Du Deinen Mann eher irgendwann vor dir weg, jeden Tag Sex, nie alleine lassen, schlechte Laune, wenn er mal schnell Druck abbaut...das macht Dich auf Dauer nicht liebenswert.
Angst vor Kontrollverlust ist unnötig, denn du HAST tatsächlich keinerlei Kontrolle über das, was dein Mann macht.
Hattest du auch nie, und trotzdem ist er mit dir zusammen und mit sonst keiner.
Und sollte er tatsächlich fremd gehen, wäre er dann immer noch dein Traummann?