Hallo,
um gleich zum Punkt zu kommen: Ich fürchte ich stehe vor den Scherben meiner Ehe, und tue mich extrem schwer damit, die Konsequenzen daraus zu ziehen.
Wir sind nun 15 Jahre verheiratet und haben zwei Kinder. Nach der Geburt des zweiten Kindes ging es mit unserer Beziehung bergab, kaum noch Sex, viel Stress, viel Streit, wir haben letztendlich nur noch nebeneinander her gelebt und uns oft übereinander geärgert. In den letzten Monaten habe ich dann realisiert, dass meine Gefühle für meinen Mann inzwischen weggebröckelt sind und nur noch freundschaftlicher Natur sind.
Vor ca. 12 Wochen habe ich meinem Mann gesagt, dass ich schon oft an Trennung gedacht habe, und war an dem Punkt auch absolut gewillt mich zu trennen. Ich freute mich regelrecht darauf, mein eigenes Ding zu machen, eine riesige Last fiel von mir ab, und ich fühlte mich frei und glücklich. Allerdings reagierte mein Mann unerwartet. Während ich in den Tagen zuvor noch genervt hatte und für alles mögliche zu dumm war (so seine Sprüche), entdeckte er plötzlich seine Liebe zu mir wieder und wollte um jeden Preis um die Ehe kämpfen. Schließlich willigte ich ein, der Ehe im Rahmen einer Paartherapie noch eine Chance zu geben.
In den letzten Wochen haben wir unzählige Gespräche geführt. Inzwischen aber merke ich, dass dieser Mann wirklich nicht mehr der ist, den ich an meiner Seite haben möchte. Er hat zwar vieles geändert, was mich schon lange gestört hatte, aber ich merke einfach, dass es für mich nicht mehr passt. Freundschaftlich mag ich ihn durchaus noch gern, aber ich fühle mich körperlich überhaupt nicht mehr zu ihm hingezogen, habe kein Nähebedürfnis. Seine "romantischen" Liebesschwüre, die mich nun an Arbeitstagen per Whatsapp erreichen, finde ich einfach nur nervtötend. Ich werde ihn wohl immer als Familienmitglied betrachten, schon aufgrund der gemeinsamen Kinder, und mir ist an einer vernünftigen Lösung im Sinne der Kinder gelegen - aber sobald ich mich frage, ob ich ihn künftig als Partner möchte, habe ich das Gefühl, dass dem nicht so ist, und dass ich mir einen anderen Partner wünsche.
Dennoch habe ich große Hemmungen, die Trennung nun wirklich durchzuziehen. Und mein Mann schafft es, dass ich meine Gefühle und Bedürfnisse völlig in Frage stelle. Er meint, ich solle versuchen mithilfe eines Therapeuten meine verschütteten Gefühle wieder freizulegen und den Knoten in meinem Herzen zu lösen. Er hat sogar vorgeschlagen, ich könne es doch vielleicht mit Hypnose probieren, um wieder an alte Gefühle anknöpfen zu können. Ich habe eigentlich nicht das Gefühl, dass mit mir irgendetwas nicht stimmen würde. Ich liebe ihn nicht mehr, aber das ist doch kein psychotherapeutisches Problem. Dennoch schafft er es, dass ich mich frage: Darf ich überhaupt so empfinden? Bin ich wirklich so kalt wie er meint? Habe ich tatsächlich ein Problem, Gefühle zuzulassen?
Meine größte Hürde ist außerdem: Ich bin sonst eigentlich die, die alles schultert und auf alle Rücksicht nimmt, im Zweifel immer zurücksteckt, um dafür zu sorgen, dass es allen anderen gut geht. Ich bin die Familienmanagerin, mein Mann das dritte Kind (das nehmen auch andere außer mir so wahr). Ich fühle mich für das Wohlergehen meiner Familie verantwortlich. Zurückstecken und zugunsten anderer verzichten fällt mir leicht. Aber nach meinen Bedürfnissen zu handeln, auch wenn ich damit meine Familie verletze, das fällt mir extrem schwer.
Ich will eigentlich weder meinen Mann verletzten, noch meinen Kindern eine Trennung zumuten, und auch die Schwiegerfamilie nicht vor den Kopf stoßen. Als Eltern funktionieren wir auch immer noch gut, nur die Paarebene funktioniert eben für mich nicht mehr. Letztendlich aber ich habe nur die Wahl, entweder die Familie aufrecht zu erhalten und dafür auf die Beziehung, die ich mir wünsche zu verzichten, und lediglich einen guten Freund als Mann an meiner Seite zu haben, oder aber meinem Herz und Bauchgefühl zu folgen, die Trennung auszusprechen, und damit aber die Familie aufzusprengen, meinen Mann zu verletzen und meinen Kindern das ganze Drama zuzumuten.
Und nein, mit einer vernünftigen Trennung ist leider nicht zu rechnen. Mein Mann zeigt seine egozentrische Seite, suhlt sich in seinem Leid und spricht beispielsweise davon, im Trennungsfall den Kontakt zu den Kindern komplett abzubrechen, da er es nie ertragen könne, etwas von einem neuen Mann an meiner Seite zu hören. Er hat auch vor, den Kindern im Ernstfall zu sagen, dass er die Trennung überhaupt nicht möchte, und ich ihn trotzdem rauswerfe. Keine Spur davon, dass er daran denke würde, was den Kindern die Situation erleichtern würde, und wie man in ihrem Sinne handeln könnte.
Tja, und da stehe ich nun, und suche meinen Weg. Mein Herz und mein Bauch sagen: Eigentlich bin ich emotional hier raus. Aber mein Kopf und mein Gewissen sagen: Das kannst du doch nicht machen. Du enttäuschst alle und machst alles kaputt, „nur“ weil du dir einen anderen Partner wünschst. Warum kannst du nicht zufrieden sein mit dem, was du hast?
Wie finde ich nun den Mut, meinem Herz zu folgen, auch wenn das nur für mich gut zu sein scheint, und schlecht für alle anderen? Oder sollte ich mich doch eher am Riemen reißen und im Interesse meiner Familie handeln?
Danke für eure Meinungen!
Darf ich das?
Ich stand an dem gleichen Punkt wie du vor Jahren, habe mich damals nicht getrennt. Die Gefühle über die wieder aufflackernde Leidenschaft und Liebe meines Mannes waren dieselben wie bei dir - ich war genervt und konnte es nicht erwidern. Gleichzeitig schlechtes Gewissen hoch 10. Bin trotzdem geblieben, Kinder waren noch klein, ich wollte nicht alles zerstören, und nach 1/2 legte sich auch wieder seine mir lästig gewordene Verliebtheit und es war wieder ein etwas weniger emotionales Leben nebeneinander her möglich.
Das ging dann so 2-3 Jahre noch, bis ich einen anderen Mann kennenlernte über gemeinsame Hobbies. Es kam wie es kommen musste, ich verliebte mich und merkte wieder, dass ich diese Gefühle für meinen Mann einfach nicht mehr habe und auch nicht mehr erzwingen kann. Ich habe dann noch 1 Jahr lang versucht, das wegzudrücken, aber es ging nicht, unsere Ehe wurde durch meine Fremdverliebtheit (wo nichts lief, aber mein Herz und Kopf war ständig bei "ihm") so belastet, weil ich wieder nur noch mehr genervt war von meinem Mann, seiner puren Anwesenheit, die mich daran hinderte, mit einem Mann zusammen zu sein, den ich wirklich wollte. Wir hatten zig (einseitige) Trennungsgespräche, die dazu führten, dass er fast jeden Abend betrunken war und dann stänkerte, es ging so richtig nur noch bergab. Natürlich wollte ich dann auch nicht mehr mit ihm schlafen - ständig betrunken - auch das ein ewiges Streitthema, naja, so ging meine Ehe dann vor die Hunde und ich trennte mich. Das ist jetzt 2Jahre her und ich habe es nicht einen Tag bereut. Ich habe ihn nicht einen Moment vermisst als Mann an meiner Seite. Ich denk daher, wenn die Gefühle weg sind, ist das einfach so, warum sollte man sie wieder hertherapieren. Die Gefühle, die ich für den anderen Mann hatte und habe, sind stärker. Und ich denke, spätestens wenn dir sowas passiert, dann stehst du vor demselben Dilemma.
Sollte oben heißen "nach 1/2 JAHR"
Neben jeglicher Pflicht dem man anderen Menschen gegenüber verspürt, ist einer der Hauptpflichten im Leben die Verantwortung gegenüber sich selbst.
Horche in Dich selbst hinein und bleibe Dir treu. Damit lebst Du Deinen Kindern auch ein gutes Selbstbild vor.
Nach Deinem Erzählungen wirkt es für mich, dass für Dich Klarheit besteht. Dann würde ich an Deiner Stelle danach handeln.
Wow, der Post hätte von mir sein können.
Ich habe das selbe durch mit allen Zweifeln und mit allen Ängsten und mit einem Mann, der wie deiner immer ganz treffsicher alle Knöpfe drückt, die mich zutiefst verunsicherten:
Du und deine Bedürfnisse!
Wenn du gehst, spreche ich nie wieder ein Wort mit dir und du zahlst den Preis, dass unser Sohn einen Knacks bekommt.
Du bist an allem Schuld. Du horchst zu viel in dich rein. Sei doch mal dankbar für das, was wir haben.
Du bildest dir alles nur ein. (maßgeblich seinen Umgang mit Alkohol)
Du bist krank.
Du kommst alleine nicht klar und ruinierst nicht nur dich, sondern auch mich.
Denk doch mal an das Kind.
Jahrelang bin ich geblieben. Und mein Mann hat sich jedes Wochenende besoffen und als ich dann wirklich gehen wollte, aufgehört und mich damit unter Druck gesetzt, dass ich doch jetzt alles habe, was ich wollte. (Mittlerweile trinkt er wieder)
Paartherapie hat er verweigert, bis zu dem Zeitpunkt, als ich wirklich gehen wollte. Ich bin dann gegangen und natürlich bin ich jetzt Schuld an der Trennung.
Und überhaupt: Ich bin an allem Schuld. Wenn die Spülmaschine nach 10 Jahren kaputt geht, liegt das daran, dass ich die Teller nicht vorspüle.
Weißt du, was die gute Nachricht ist? Sobald ich so klar war, dass er keine Macht mehr über mich haben sollte, hatte er keine Macht mehr über mich. Und sobald er keine Macht mehr über mich hatte, hörte er auf, mich zu manipulieren. Wir haben uns wider Erwarten recht einvernehmlich getrennt.
Da du so zu ticken scheinst wie ich, gebe ich dir ein paar Gedanken auf den Weg, die mir geholfen haben, zu gehen:
1. Wenn mein Kind in einer solchen Beziehung stecken würde. Was würde ich ihm raten?
2. Was lernt mein Kind über Beziehungen, wenn ich ihm zuliebe bleibe? Was lernt es über die Bedeutung der eigenen Gefühle und über sein Recht auf Glück?
3. Was bleibt von mir als Person, von meinen Wünschen und Idealen, übrig, von meinem Bedürfnis nach Nähe und Geborgenheit und Gedankenaustausch?
4. Ersetze den Begriff "Schuld" in deinen Gedanken durch "Verantwortung". Du hast keine Schuld, du übernimmst Verantwortung.
5. Für das Scheitern einer Beziehung sind immer beide verantwortlich.
6. Wem musst du jeden Morgen im Spiegel ins Gesicht schauen?
7. Wie soll dein drittes Kind erwachsen werden, wenn Mutti bleibt? Hat er kein Recht auf Entwicklung und Wachstum?
Ich hab viel über emotionale Abhängigkeit gelesen im letzten Jahr, obwohl ich nichts, rein gar nichts mit dem Begriff anfangen konnte und mich selbst als taffe Macherin gesehen habe, die, die den Laden am Laufen hielt. Aber mal ehrlich, es ist schon ein bisschen schräg, wenn die Bedürfnisse der anderen stets mehr zählen als die eigenen, oder? Wenn man sich, ohne mit der Wimper zu zucken, jahrelang die Butter vom Brot klauen lässt und noch "Bitte schön" hinterherruft, wenn man Dinge für den Partner übernimmt und sich noch im gleichen Moment ärgert über seine Unselbstständigkeit.
Ich bin eine Großmeisterin im Zurückstellen meiner Bedürfnisse zugunsten der anderen. Und es ist für mich noch immer ein spannender Prozess, hinzuschauen, was mich da antreibt. Spoiler: Neben Herzensgüte und Altruismus spielen da noch andere Faktoren eine Rolle, die sich anzuschauen durchaus schmerzhaft sein kann.
Hab Mut, meine Liebe. Und Anna Depenbuschs "Irgendwo ist oben" in Dauerschleife hat mich durch all meine Wirrungen getragen.
Ich finde, du solltest dich trennen.
Ein solcher Mann wäre für mich auch kein Partner, wenn er droht und dich erpresst, dass er die Kinder dann nicht sehen will. Das ist einfach charakterlich so ekelhaft!
Du bist völlig normal und darfst so fühlen. Ihr habt gekämpft, für dich aber wohl viel zu spät. Dann muss man sich auch ne Niederlage eingestehen 🤷♀️
Ganz genau!